SOL 3 = Erde Teil 4 Mission: Galoba

Kapitel 1

Ein Problem namens Galoba

Thomas und Gabriele Hansen kehrten nach einem wundervollen Urlaub nach Megara zurück. Klim holte sie am Raumhafen ab, wo ihre Verbindungsfähre gelandet war. Im Gegensatz zu Kwiri, der die Hansens schon auf der Erde besucht hatte und Suli Kulibos, der Gabi immerhin geraten hatte, zu ihrer alten Identität zurückzukehren, war Klim nicht eingeweiht und dementsprechend erschrocken, als Thomas von einer augenscheinlich anderen Person begleitet wurde.

„Tho… Thomas, wo hast du Françoise gelassen?“, stotterte er. „Hat sie gekündigt?“

„Nein, aber Françoise ist gekündigt worden“, grinste Thomas.

„Ja, was hat sie denn getan? Ihre Arbeit war hervorragend“, erwiderte Klim verblüfft.

„Françoise ist die Identität aufgekündigt worden und Gabi, meine Frau, hat ihre Ursprungsidentität wieder angenommen“, erklärte Thomas. Klim sah ihn ungläubig an.

„Hä? Die ist doch tot!“, bemerkte er.

„Hihi, das hab’ ich auch geglaubt“, kicherte Thomas. „Gabi war oscarreif.“

„Was meinst du?“

„Bei uns auf der Erde wird jährlich ein Preis für die beste schauspielerische Leistung verliehen. Gabi hätte ihn locker verdient.“

„Versteh’ ich nicht.“

„Macht nichts. Komm mit, ich erklär’s dir zu Hause“, beruhigte Thomas den verwirrten Deneber.

In Thomas’ Haus im Diplomatenviertel erklärte er Klim was vorgefallen war. Klim betrachtete Gabi eingehend.

„Wenn ich ehrlich bin, gefiel mir Françoise Debussy sehr gut, aber ich gestehe, Gabriele Hansen ist etwas Besonderes. Und besondere Wesen braucht die Galaktische Föderation im Moment nötiger denn je.“

Thomas und Gabi sahen sich vielsagend an.

„Aha, was ist los?“, erkundigte sich Gabi.

„Ihr wart nicht lange weg, aber die Galaxis steht schon wieder Kopf“, seufzte Klim.

„Sag bloß, auf Amazonia geht’s schon wieder rund?“, mutmaßte Thomas.

„Nein“, seufzte Klim, „es geht um den Planeten Galoba im neutralisierten System Anwida.“

„Und?“, fragte Thomas und Gabi wie aus einem Mund.

„Also, alles von Anfang an:“, begann Klim, setzte sich in dem für ihn viel zu großen Sessel zurecht, nahm einen genießerischen Schluck Banthamilch. „Wie Kwiri euch mal gesagt hat, wurde der Planet Galoba – genauer das System Anwida, dessen einziger Planet Galoba ist – vertraglich zwischen der Galaktischen Föderation und dem Lukanischen Imperium für neutral erklärt. Dieses System hat die unangenehme Eigenschaft, zwischen den Raumgebieten der Föderation und des Imperiums zu wandern. Auf beiden Seiten gibt es gewisse gravitationelle Abnormitäten, die dieses System über die Grenzen pendeln lassen.

Nun ist durch eine kosmische Katastrophe auf der Seite der Föderation diese Pendelbewegung verstärkt worden und das Anwida-System, das sich ohnehin auf dem Pendelschwung zum Imperium befindet, rast wesentlich schneller darauf zu als normal, wird das imperiale Gebiet deshalb nicht erst in drei galaktischen Jahreseinheiten erreichen, sondern in maximal fünf galaktischen Monaten. Nach dem offen erlangten Bericht unseres Botschafters hat das Imperium seine Militärberater in einem Ausmaß verstärkt, das zu Sorge Anlass gibt.

Damit nicht genug haben unsere Agenten in Erfahrung gebracht, dass das Imperium plant, Galobas Neutralität nicht länger zu achten, sondern das System zu annektieren. Die Systemregierung hat offenbar die gleichen Informationen, denn wir bekamen vor einer galaktischen Woche den Aufnahmeantrag Galobas, das sich nach langem Zögern nun doch der Föderation anschließen will. Aber die Sache ist in zweierlei Hinsicht heikel:

Erstens könnten wir das System aufgrund des bestehenden Friedensvertrages nur aufnehmen, solange es sich auf dem Gebiet der Föderation befindet. Hat es erst einmal das Territorium des Imperiums erreicht, wäre eine Aufnahme nur noch mit Zustimmung des Imperialen Hohen Rates möglich. Bei den bekannt gewordenen Bestrebungen der Annexion ist das nicht besonders wahrscheinlich. Ehrlich gesagt: Ich wage mir nicht vorzustellen, was die sagen, wenn wir das Anwida-System nach der mühsamen Neutralisierung jetzt kurz vor Eintritt in das imperiale Territorium als Vollmitglied aufnehmen wollten.

Zweitens kann die Regierung Galobas über den Aufnahmeantrag nicht allein entscheiden. Wegen der interstellaren Neutralität wurde der Bevölkerung für den Fall des angestrebten Beitritts zur Föderation oder zum Imperium ein Mitspracherecht in Form einer Volksabstimmung gewährt. Dabei ist problematisch, dass jeder, der auf Galoba arbeitet, nach drei galaktischen Monaten automatisch das galobanische Bürgerrecht erwirbt und stimmberechtigt ist. Die Ureinwohner, die eigentliche Bevölkerung Galobas, machen etwa ein Drittel der Gesamtpopulation aus, ein Drittel kommt von Planeten der Föderation, ein Drittel von denen des Lukanischen Imperiums. Unter den Galobanern selbst ist ein Beitritt zur Föderation seit langem umstritten, so dass längst nicht gesagt ist, dass bei einer Volksabstimmung die Beitrittswilligen in der Majorität wären. Diese Volksabstimmung hat aber auch noch nicht mal stattgefunden.

Andererseits muss über einen Beitrittsantrag innerhalb von zwei galaktischen Monaten im Rat entschieden werden.

Das unangenehmste bei dieser Sache ist, dass Galoba in einem Freundschaftsvertrag ein Beitrittsrecht ohne Ablehnungsmöglichkeit durch den Rat zugesichert wurde. Wenn wir Galoba aber aufnehmen und das System tritt in das Territorium des Imperiums ein, bedeutet das fast zwangsläufig Krieg, wenn das Imperium seine Annexionsabsichten realisiert. Weigern wir uns, riskieren wir das Leben der Wesen, die für die Föderation auf Galoba arbeiten. Die Galobaner sind ein stolzes und ziemlich rachsüchtiges Volk. Wenn sie sich alleingelassen fühlen, werden sie tobsüchtig. Holen wir unsere Mitarbeiter aber ab, treiben wir die Galobaner auf jeden Fall in die Arme des Imperiums und riskieren erst recht einen Krieg, weil das Imperium den Abzug unserer Leute als Kriegsvorbereitung werten würde“, erklärte Klim mit sorgenvoller Miene

„Es ist also egal, was wir tun, wir sitzen zwischen allen Stühlen und haben in jedem Falle einen vermutlich vernichtenden Raumkrieg vor uns, sehe ich das richtig?“, fasste Thomas kurz zusammen. Klim nickte bedrückt.

„Und wenn man sich mit den Imperialen zusammensetzt?“, schlug Gabi vor. Klim schüttelte den Kopf.

„Wir unterhalten keine direkten diplomatischen Beziehungen miteinander. Direkte Verhandlungen gibt es nicht. Wir verkehren nur über Mittelsleute auf Galoba miteinander“, gab er zurück.

„Und wenn man den Galobanern das Dilemma erklärt?“fuhr Gabi fort. Wieder Kopfschütteln des Denebers.

„Sie wehren jeden Versuch ab, über ihren Aufnahmeantrag zu diskutieren. Sie stehen auf dem Standpunkt, dass wir ihnen ein Beitrittsrecht eingeräumt haben, von dem sie jetzt Gebrauch machen.“

„Wer ‚sie’?“, fragte Thomas.

„Die galobanische Regierung“, präzisierte Klim.

„Allein kann sie den Beitritt nicht fordern. Und dass das Volk dahinter steht ist nicht gesagt. Ist es damit nicht abzuwenden?“, gab Thomas zu bedenken.

„Das haben wir auch gedacht und den Antrag damit zuerst zurückgewiesen. Aber die galobanische Regierung hat uns einen noch älteren Vertrag als den Freundschafts- und den Neutralitätsvertrag vor die Nase gehalten und darin wird der Regierung die Antragsvollmacht zugesichert. Leider fehlt in der Neutralitätsvereinbarung der Zusatz, dass alte Verträge mit gleichen oder ähnlichen Inhalten damit gegenstandslos werden.“

„Hat den Galobanern schon mal jemand erzählt, dass sich die Bestimmungen des alten Vertrages und der Neutralitätsvereinbarung in diesem Punkt gegenseitig ausschließen?“, fragte Thomas.

„Nein, bisher hatten wir noch keine Gelegenheit dazu, weil wir erst gestern die Antwort der galobanischen Vertretung bekommen haben. Was ich euch erzählt habe, berichtet Kwiri eben gerade dem Präsidenten“, erwiderte Klim.

„Wie klar ist den Galobanern eigentlich, dass sie mit ihrer Absicht den Dritten Galaktischen Krieg auslösen?“, erkundigte sich Gabi. Klim seufzte.

„Ich weiß nicht, ob es ihnen klar ist. Und wenn es ihnen klar wäre, weiß ich nicht, ob es sie wirklich interessieren würde. Immerhin sind auch die bisherigen beiden Galaktischen Kriege durch Galoba ausgelöst worden. Ich glaube, sie sehen nur ihren Vorteil und kümmern sich nicht um die Folgen für andere.“

„Wir sollten zum Präsidenten fahren, Klim“, schlug Thomas vor. „Ich halte nichts von Krieg. Schon gar nicht von einem, den man eigentlich nur für fremde Interessen ausfechten soll.“

Wenig später saßen die beiden Terraner und der Deneber ebenfalls beim Präsidenten. Klim berichtete kurz, dass er die Hansens schon unterrichtet habe.

„Sie kennen also das Dilemma, in dem wir stecken. Wie steht die Erdregierung dazu?“, fragte der Präsident.

„Die Erdregierung ist darüber noch nicht in Kenntnis gesetzt, Herr Präsident. Wir haben eben erst durch den Wissenschaftsrat Klim Hamor davon erfahren und konnten unserem Präsidenten noch keine Nachricht geben. Ich könnte mir aber denken, dass die Erdregierung an einem Dritten Galaktischen Krieg gar kein Interesse haben wird. Gerade wir Terraner sind froh darüber, dass Krieg nicht unbedingt ein politisches Mittel der Föderation ist. Es kann nicht im Interesse der Föderation sein, ein System aufzunehmen und zu wissen, dass diese Aufnahme Krieg mit den Lukanern bedeutet.“

„In der Tat liegt es nicht in unserem Interesse. Und verschiedene Planeten- und Systemregierungen haben bereits zu verstehen gegeben, dass sie nicht willens sind, ihre Truppen für einen solchen Krieg zur Verfügung zu stellen“, erwiderte Präsident Sulukum. Ein Blick traf Thomas, der nicht ohne Vorwurf war.

„Ohne die Abschaffung des § 400 im II. Planetenbeziehungsgesetz hätte ich dieses Problem nicht gehabt“, versetzte er dann. Thomas lächelte freundlich.

„Ich weiß, was dieses Gesetz, speziell dieser Paragraf, gerade Ihnen bedeutet hat, Herr Präsident. Aber ist es Sinn und Zweck der Galaktischen Föderation, sich auf einen unnötigen Krieg einzulassen und dies nur zu können, weil man die Truppen der einzelnen Mitgliedssysteme nur mit Hilfe der Drohung einer Sechsten Flotte bei der Stange halten kann? Das kann ich mir nicht vorstellen. Wir sollten uns lieber darauf konzentrieren, den Krieg, den wir nicht gewinnen können, zu verhindern.“

Sulukum sah den Terraner verwirrt an.

„Weshalb meinen Sie, die Föderation sei nicht imstande, einen Krieg gegen die Imperialen zu gewinnen? Wir haben sie bereits zweimal geschlagen.“

„Ja, gewiss. Mit der Drohung an die Mitgliedsplaneten, bei Verweigerung von Mitwirkung zerstört zu werden. Diese Drohung besteht nicht mehr, und ich könnte mir denken, dass eine ganze Anzahl von anderen Planeten keinen Sinn darin sieht, einen Krieg gegen das Imperium zu führen, nur weil es den Galobanern passt.“

„Sie kennen die politische Bedeutung von Galoba nicht, Senator. Sonst würden Sie nicht so reden“, versetzte Sulukum.

„Dann klären Sie mich darüber auf, damit ich weiß, worüber wir eigentlich reden, Herr Präsident“, bat Thomas.

„Als das Stellanidische Reich noch bestand, das die gegenwärtigen Sternsysteme der Arkoniden, das Protektorat von Sagron, das Lukanische Imperium und die Galaktische Föderation vereinte, war Galoba der Hauptplanet dieses Reiches. Die Arkoniden und die Sagroner sind außen vor, die haben kein Interesse an Galoba, aber der Planet ist wegen seiner historisch-politischen Bedeutung von großer Wichtigkeit zwischen Imperium und Föderation. Er wurde neutralisiert, damit letztlich keiner Zugriff darauf hat. Wenn die Ermittlungen unserer Agenten stimmen, will das Imperium Galoba annektieren“, erklärte Sulukum.

„Verzeihen Sie mir die provokante Frage, Herr Präsident: Gibt es tatsächlich einen Aufnahmeantrag Galobas oder möchte die Föderation den Planeten auch nur übernehmen?“

„Sie ist in der Tat provozierend, Herr Senator!“, knurrte Sulukum beleidigt.

„Ja, aber nicht beantwortet“, versetzte Thomas ungerührt.

„Es gibt einen offiziellen Aufnahmeantrag, das heißt – genau genommen – eine Beitrittserklärung, gegen die die Föderation sich nicht einmal wehren kann.“

„Aber warum zu diesem Zeitpunkt und in einer Situation, die zwangsläufig zu einem verheerenden Krieg führen muss?“, bohrte Thomas weiter.

„Das kann ich Ihnen nicht beantworten, Senator. Das könnte Ihnen – vielleicht – die galobanische Regierung oder deren Botschafter sagen.“

„Dann würde ich gerne – wenn Sie erlauben – mit dem Botschafter reden“, schlug Thomas vor. Kwiri schüttelte erschrocken den Kopf.

„Nein, lass das!“, wehrte er ab. „Das hat keinen Sinn!“

„Und warum nicht?“

„Du hast dich mit der Sache noch nicht beschäftigt. Lies lieber erst die Drucksachen, bevor du in Fettnäpfchen trittst.“

„Wenn ich die Drucksachen gelesen habe, bin ich mit der Sicht der Föderation vorbelastet. Ohne sie zu kennen, gehe ich zwar ahnungslos wie ein Wickelkind in das Gespräch, aber manchmal stößt man jemanden, der sich in seine Idee verbissen hat, erst durch ein paar naive Fragen darauf, dass sein Vorhaben völliger Blödsinn ist.“

„Tu’s nicht“, beharrte Kwiri. „Wenn der Botschafter das Gespräch im Zorn abbricht, bist du bei den Galobanern für alle Zeiten unten durch. Du tust dir als Politiker damit keinen Gefallen – und als Soldat noch viel weniger“, warnte Kwiri eindringlich. Gabi sah ihren Mann an und wusste, dass ihn von seinem Vorhaben nichts abbringen würde.

„Kwiri, du könntest genauso gut auf einen motivatorgestörten Roboter einreden. Ich sehe es an Thomas’ Nase, dass er mit dem Burschen reden wird“, sagte sie.

Wenn Kwiri Swin auch nicht von Thomas’ Absicht begeistert war, arrangierte er doch ein Treffen mit dem galobanischen Botschafter in einer verschwiegenen Ecke der Parlamentsbar. Thomas hatte allerdings nicht die Absicht, sich als Abgeordneter des Galaktischen Rates vorzustellen, sonst hätte der Botschafter den Grund der Unterredung schnell erahnt. Also saß Hansen in der Uniform eines Commanders der Achten Interstellaren Flotte in jener abgelegenen Nische. Unter den weißen Ratsanzügen und blauen Uniformen der Flotte fiel die schwarze mit Goldfäden durchwirkte Robe des Botschafters schnell auf. Der galobanische Botschafter ging, anscheinend unbeteiligt, in Wirklichkeit den Flottenoffizier suchend, von dem Senator Swin ihm erzählt hatte, durch die immer etwas schummrige Bar und blieb schließlich vor Thomas’ Tisch stehen. Der Galobaner war ein großer, breiter, zweibeiniger Humanoide, hatte aber vier Arme. Seine grobporige Haut war violett wie die der Sulukaner, zwei völlig schwarze, unnatürlich glänzende Augen musterten den Föderationsoffizier.

„Commander Hansen?“, fragte er halblaut mit einer sonoren Bassstimme. Thomas erhob sich höflich.

„Der bin ich. Botschafter Konur von Galoba, nehme ich an?“

„Derselbe“, gab Konur zurück. Seine weite schwarze Robe raschelte metallisch, als er sich gemessen verbeugte und die eingewirkten Metallfäden aneinander rieben. „Senator Swin sagte mir, Sie würden sich für die Galoba-Frage interessieren.“

„Ja, das stimmt, Herr Botschafter. Nehmen Sie doch Platz“, bot Hansen an. Konur lächelte kühl.

„In der Regel werde ich mit Exzellenz angesprochen. Hat sich das bis in Terras galaktischen Hinterhof noch nicht herumgesprochen?“

„Die anderen Botschafter, mit denen ich bisher Gelegenheit hatte zu reden, bestanden nicht darauf. Aber ich werde versuchen, mich an die Bezeichnung zu gewöhnen, und Sie korrekt zu titulieren, Exzellenz, gab Thomas zurück und überging die spitze Bemerkung vom Hinterhof der Galaxis. „Darf ich Sie einladen?“

Konur setzte sich.

„Ich bezweifle, dass sich ein Commander dieser schlecht bezahlten Flotte galobanisches Ambrosianum leisten könnte. Aber danke für das freundliche Angebot. Was kann ich genau für Sie tun, Commander?“, fragte der Botschafter.

„Sie können mir von Galoba erzählen, Exzellenz“, erwiderte Thomas. Ein sulukanischer Kellner kam, um Bestellungen aufzunehmen. Konur und Thomas bestellten, aber der Botschafter wirkte sofort nervös.

„Sulukaner, wie unangenehm“, brummte er.

„Was meinen Sie, Exzellenz?“, erkundigte sich Thomas.

„Diese Wesen können Gedanken lesen. Mir wäre hier nicht wohl, wenn jemand meine Gedanken lesen könnte.“

„Dem muss dann das Gehirn klingeln. Bei den vielen Gästen hier kann der nur Volksgemurmel lesen“, beruhigte Thomas den Galobaner. Konur schüttelte den Kopf.

„Die können sich sehr schön konzentrieren“, gab er zurück. Thomas nickte.

„Schon, aber dann würde sein mentales Auge blau leuchten.“

„Nicht unbedingt. Wenn Sie etwas über Galoba erfahren wollen, würde ich es begrüßen, wenn Sie zu mir nach Hause kämen.“

„Wenn es Ihnen nicht gefährlich erscheint, einen Offizier der Flotte bei sich zu empfangen … Immerhin könnte mich jemand sehen.“

„Kommen Sie in Zivil, dann merkt es keiner“, raunte der Botschafter noch, stand auf, nahm dem Kellner sein bestelltes Ambrosianum vom Tablett, warf im Vorbeigehen noch eine Münze im Wert von hundert Galaxonen darauf und verschwand. Thomas und der Kellner sahen ihm verwirrt nach, dann servierte der Sulukaner Thomas sein Bier. Thomas bezahlte gleich

„Andulor, was ist das für’n Zeug?“

„Was meinst du, Thomas?“, fragte der Kellner und steckte die Münze ein, die er von Hansen gerade bekommen hatte.

„Dieses Ambrosianum?“

Andulor grinste.

„Wäre für dich absolut tödliches Gift. Eine Mischung aus Goldstaub und Radium, in Salpeter- und Salzsäure gelöst.“

„Pfui Teufel, so was kann man trinken?“

„Oh, auf Galoba ist das eine Delikatesse, mein Freund. Für den Herrn Botschafter wäre übrigens dein geliebter Gerstensaft ebenso tödlich.“

„Was hast du in seinen Gedanken gelesen?“, fragte Hansen.

„Dass er schreckliche Angst hat. Wovor, habe ich nicht mehr sehen können, weil er mich dann gesehen hat und seine Gedanken blockiert hat“, gab der Sulukaner Auskunft. Er arbeitete für den Galaktischen Abwehrdienst und war mit Thomas Hansen bereits so lange eng befreundet, wie Thomas bei der Flotte war. Igor Pretjakoff hatte sie bekannt gemacht.

„Kann er das?“

„Alle Galobaner können das. Sie sind selbst teilweise telepathisch begabte Wesen. Sie können zwar nicht direkt Gedanken lesen, aber im Gegensatz zu anderen können sie ihr Gehirn gegen andere Telepathen abschirmen“, erklärte Andulor.

„Andulor, ich brauche heute noch mal deine Hilfe. Ich möchte Konur zu Hause besuchen und ihn über Galoba befragen. Ich bin mir sicher, er verheimlicht etwas. Kannst du auch seine Gedanken lesen, wenn du ihn nicht siehst?“

„Ich muss in seine Nähe. Mehr als fünfhundert Meter kann ich nicht überbrücken, ohne das mentale Organ sichtbar einzusetzen.“

„Gut. Wann machst du Schluss?“

Andulor sah auf die Uhr.

„Zwei Standardstunden noch. Dann stehe ich zu deiner Verfügung. Aber wir sollten sicherheitshalber in zwei getrennten Gleitern fahren.“

 

Kapitel 2

Fragen an den Botschafter

Drei Galaktische Stunden später ließ der galobanische Botschafter Thomas in sein Haus im Diplomatenviertel. Vorsichtig, wie er offensichtlich war, hatte er die Umgebung nach Spionen abgesucht. Auf die Idee, dass der Flottenoffizier, der ihn besuchte, einen Telepathen auf ihn angesetzt hatte, kam er allerdings bei aller Vorsicht nicht. Konur führte Thomas in den großzügigen Salon seiner Villa.

„Darf ich Ihnen ein Glas Ambrosianum anbieten, Commander?“, bot er an.

„Ich weiß dies großzügige Angebot zu schätzen, Exzellenz, aber für uns Terraner ist dieser Cocktail nicht bekömmlich.“

„Oh, Sie sollten es erst probieren, Commander.“

Thomas lächelte freundlich.

„Ich möchte nicht, dass es ein Missverständnis gibt, Exzellenz. Es ist keineswegs so, dass ein Terraner davon nur Kopfschmerzen bekommt. Ich wollte gern wissen, welche Ingredienzien dieser kostbare Saft enthält – und nach den Auskünften, die ich bekommen habe, ist diese Mischung tödlich für unsereins. Und zwar nicht im übertragenen Sinne. Deshalb muss ich leider verzichten.“

Konur nickte.

„Nun gut. Dann kann ich Ihnen leider nichts anbieten. Aber nehmen Sie doch Platz und sagen Sie mir, was Sie genau interessiert, Commander.“

Thomas setzte sich in einen bequemen Sessel dem Botschafter gegenüber.

„Danke, Exzellenz. Aber den Commander, den können Sie weglassen. Sagen Sie einfach Herr Hansen.“

Konur sah ihn verwirrt an.

„Sind Sie denn gar nicht bei der Flotte?“

„Doch, das bin ich. Aber wenn ich in Zivil bin, lege ich keinen Wert darauf, mit meinem Dienstgrad angesprochen zu werden. Also: Was ist das eigentlich für eine Welt, die neutral ist und es doch nicht ist?“, erkundigte Hansen sich dann. Konur lächelte hintergründig.

„Was wissen Sie über Galoba?“

„Zugegeben, wenig mehr, als dass Galoba ein interstellarer Zankapfel zwischen Imperium und Föderation ist, dass es zeitweise seine Lage zwischen den Territorien dieser Raummächte verändert und dadurch von Zeit zu Zeit zum Katalysator eines interstellaren Krieges wird. Aber gerade das macht mich neugierig. Ich möchte wissen, wofür oder wogegen ich demnächst meinen Kollegen von der imperialen Flotte in die Deflektoren ballere“, gab Thomas zurück.

„Soldaten pflegen im allgemeinen keine Fragen zu stellen“, bemerkte Konur spitz.

„Es gibt so ‘ne und solche. Ich stelle Fragen, wenn man mir den Befehl gibt, andere Wesen zu töten. Dort, wo ich herkomme, hält man ehemaligen Soldaten heute noch vor, dass sie zweimal zu wenig Fragen gestellt haben. Ich möchte mich diesem Vorwurf nicht eines Tages ebenfalls aussetzen.“

Konur gab sich mit der Erklärung zufrieden. Er drehte sich um und nahm mit allen vier Händen von einem Sideboard hinter sich einen Globus, der sich in der Gestaltung kaum von seinen irdischen Brüdern unterschied. Der wirkliche Unterschied bestand in Größe und Gestalt der Kontinente. Thomas hatte nicht erwartet, so ein Ding über vierhundert Lichtjahre von der Erde entfernt im Weltraum zu finden. Konur sah die Darstellung seines Heimatplaneten beinahe liebevoll an.

„Sehen Sie, das ist Galoba. Galoba, das bedeutet in unserer Sprache so viel wie Juwel oder Edelstein. Und das ist mein Planet auch: Ein blaugrünes Juwel in einem sternenverzierten All. Galoba ist ähnlich wie Malagriva, die Heimat der Centauren oder Kando Yar, wie wir Ihren Planeten nennen – nur schöner, vollkommener in seinen Proportionen. Die Hälfte der Planetenoberfläche besteht aus Wasser, die andere Hälfte ist fruchtbares Land. Das Land besteht aus sieben gleich großen Kontinenten, auf denen sich seit Tausenden von galaktischen Standardjahren keine Grenzen verschoben haben. Galoba ist ein Planet, der keine Wüsten kennt, mit Meeren voller Leben und einer sehr alten Bauernkultur. Die sieben Kontinente sind in jeweils fünfzig gleich große Provinzen geteilt, deren Gouverneure alle fünf planetaren Jahre – das entspricht etwa drei Galaxo-Jahren – vom gesamten Volk gewählt werden. Die Gouverneure sind gleichzeitig Wahlleute für das Planetenpräsidium, das aus sieben Personen besteht: Dem Präsidenten oder der Präsidentin, und sechs Vizepräsidenten, die auch die Minister der verschiedenen Ressorts sind.

Aus der problemlosen Vereinigung der galobanischen Kontinente ergab sich vor mehr als eintausendfünfhundert Galaxo-Jahren die erste Initiative zur Gründung einer Raumunion. Die Idee wurde im Raum bis zu einer Entfernung von rund zehntausend Lichtjahren begeistert aufgenommen – ausgenommen der in einer wenig bewohnten Region der Galaxis liegende Sol-Sektor, dessen Bewohner auch weder die technische noch die geistige Reife hatten, überhaupt zu erkennen, dass sie nicht allein im All sind. Galoba war das Zentrum der Raumunion, die aus gut dreißigtausend bewohnten Planeten und Monden bestand. Es war eine föderative Republik, geleitet vom Senat der Union, der seinen Sitz auf Galoba hatte. Ungefähr fünfhundert Jahre überdauerte dieser Bund.

Aber zehntausend Lichtjahre und dreißigtausend bewohnte Himmelskörper – das ist einfach zu groß. Es begann zu kriseln, die Raumunion bekam Risse. Der Prozess verlief allmählich, es dauerte rund hundert planetare Jahre Galobas, dann gab es die Raumunion nicht mehr in der allumspannenden Form, sondern es bildeten sich erste Ansätze der Föderation von Megara, Andara und Suluk, das unter deren Oberhoheit stehende Protektorat von Sagron und die Republik von Galoba. Aber während sich die kleinere Föderation stabilisierte und auch das Protektorat immer selbständiger wurde, litt die galobanische Republik immer noch unter der Teilung – und unter neuen Geburtswehen. Die Arkoniden, die ein weit entferntes und sehr dicht bevölkertes Planetenkonglomerat bewohnen, kündigten die Raumunion auf und erklärten sich für unabhängig. Um einen Antisezessionskrieg zu führen, war das Arkonidenreich zu weit entfernt, von dem in deren Nähe befindlichen Protektorat Sagron konnte die galobanische Republik keine Hilfe erwarten. Die Raumunion von Galoba war zerbrochen.

Damit nicht genug, murrten Unzufriedene unter den verbliebenen Mitgliedern, denen die Regierungsform als solche missfiel. Sie wünschten sich ein Wiedererstehen der Monarchie, die sie einst für den Beitritt zur Raumunion aufgegeben hatten. Dies vertrug sich nicht mit der Verfassung der Raumunion, die monarchische Systeme ausschloss. Es ergingen entsprechende Verbote. Auf dem Planeten Pollicus im System Mandrava erhoben sich Adlige, die sich in ihren persönlichen Rechten angegriffen und diskriminiert fühlten und die Republik abschaffen wollten. Das war vor nunmehr siebzig galaktischen Standardjahren.

Der Unionssenat war zu geschwächt und wohl auch zu korrupt, um die monarchistischen Rebellen zur Vernunft zu bringen und die ohnehin gestörte Einheit des Systems wiederherzustellen. Zudem gelang es dem Führer der Sezessionisten, einem jungen Adligen namens Ravinus, auch noch, die Flotte auf seine Seite zu ziehen, die größtenteils von Wesen aus dem Mandrava-System unterhalten wurde. Dennoch wollte ein guter Teil der zur Republik gehörigen Systeme den Exodus nicht mitmachen, solange es noch einen funktionierenden Senat gab und dessen Weisungen in der Galaxis verbreitet wurden. Ravinus ging mit Hilfe der Flotte daran, die Nachrichtenverbindungen zu stören, aber es gab immer noch genügend republiktreue Wesen in der alten Raumunion, die die Verbindungen aufrechterhielten.

Ravinus’ Flotte begann, die Systeme mit Gewalt von der galobanischen Republik wegzuziehen, als alle friedliche Werbung nichts half. Aus nackter Angst traten die Systeme Avaton und Sanderia offiziell aus der galobanischen Republik aus und schlossen sich der Föderation an, weil sie sich von den Föderalen besseren Schutz versprachen. Doch die Föderation ließ sie zappeln und erklärte die Planeten dieser Systeme nur zu Kolonien. Damit stand Galoba als einziger Planet des Anwida-Systems ganz allein da. Ravinus sah seine Gelegenheit gekommen, auch Galoba unter seine Kontrolle zu bringen und griff uns an. Ohne die Flotte, die sich auf Ravinus’ Seite geschlagen hatte, war Galoba wehrlos.

In dieser Situation konnte Galoba nur noch ein galaktisches Wunder helfen – und es geschah in Gestalt eines Hilfsangebotes vom Chef der Achten Flotte, die schon damals auf Palavor stationiert war. Malwinder Sulukum, der Vater des jetzigen Föderationspräsidenten, bot seine Hilfe nicht ganz uneigennützig an, hatte den Hintergedanken, auch Galoba in die Föderation zu ziehen – allerdings nicht, um Galoba den ihm zustehenden Platz an der Spitze der Föderation zu geben, sondern, um es als einen Planeten unter vielen dazuzugesellen. Der Senat war in höchster Not und akzeptierte das Angebot, ohne aber auf das Aufnahmeverlangen einzugehen. Sulukum störte sich nicht daran und attackierte die Flotte von Ravinus, der sich nun Kaiser nannte und seine Flotte zu der des Imperiums von Pollicus erklärt hatte. Sulukums Achte Flotte konnte das erste Treffen für sich entscheiden.

Von der ersten Niederlage gleich in der ersten Schlacht entscheidend geschwächt, bekam Ravinus Konkurrenz von einem Verwandten mit Namen Lukan, einem Arkonidenabkömmling. Er stürzte ihn, nahm seinen Platz auf dem Thron ein, sammelte eine neue Flotte und griff Galoba erneut an, stieß aber auf den erbitterten Widerstand der föderalen Flotte. Galoba und seine Nachbarsysteme Avaton und Sanderia wurden in einen vernichtenden Krieg gestürzt, der als der Erste Galaktische Krieg in die Annalen der interstellaren Geschichte eingegangen ist.

Nun behaupten die föderalen Militärs zwar noch heute, sie hätten diesen Krieg gewonnen, tatsächlich endete das zehnjährige Ringen um die Vorherrschaft im galobanischen Sektor an allgemeiner Erschöpfung und nicht mit dem Sieg einer bestimmten Seite. Die Föderationsplaneten – vor allem die weit entfernten – waren nicht mehr gewillt, einen Krieg zu führen und vor allem zu finanzieren, der sie eigentlich nichts anging; die imperiale Flotte war nur noch ein Fragment ihrer einstigen Größe; Galoba, Palavor, Algitarius, Brawida und Centeria waren praktisch leblos. Palavor blieb es, weil durch die Explosion mehrerer nuklearer Bomben die Achsendrehung des Planeten so stark verändert worden war, dass der Planet seiner Sonne Avaton stets dieselbe Seite zukehrt. Palavor verbrannte auf der Tagseite und erfror auf der Nachtseite. Nur die schmale Zwielichtzone ließ überhaupt noch Leben zu. Während die evakuierte Bevölkerung nach Algitarius und Centeria relativ bald zurückkehrte, dauerte es fast dreißig galaktische Standardjahre, bis Palavor durch die erneute Stationierung der Achten Flotte wieder organisches Leben hatte. Noch schlimmer hatte es Brawida getroffen: Die Sonne Kolepta war durch den untauglichen Versuch der Imperialen, sie mit einem Schwingungsgenerator weit auf imperiales Gebiet zu werfen, zur Nova geworden und hatte den Planeten praktisch ausglühen lassen, war dann schnell erkaltet und lieferte nun überhaupt keine Energie mehr für Brawida. Die Brawidaner zählten allerdings rund zehn Milliarden humanoide Köpfe plus diverser Milliarden Wesen einer niedrigeren Intelligenzstufe und konnten deshalb nicht dauernd auf einem anderen Planeten Asyl behalten.

Die Brawidaner waren aber schon immer Meister der Energietransformation. So gelang es ihren Wissenschaftlern, Geräte zu erfinden und zu konstruieren, mit denen die Energie einer anderen Sonne teilweise umgelenkt werden kann. Sie gingen mit den in unmittelbarer Nähe befindlichen System Sanderia, zu dem Algitarius und Centeria gehören, ein Energiebündnis ein und zapften zusätzlich die Sonne Avaton an, womit sich die Strahlung auf Palavor weiter reduzierte, dass auch in den Randbereichen der Tagseite jedenfalls für kurze Zeit humanoide Wesen arbeiten können. Die Föderation selbst drohte zu zerbrechen, weil eine ganze Anzahl von Systemen, die erst nach der Sezession aus der Raumunion dazugekommen waren, keinen Sinn darin sahen, Schiffe und Truppen für einen für sie bedeutungslosen Planeten namens Galoba zu opfern. Sie drohten im Wiederholungsfalle mit dem Austritt. Um dies zu verhindern, lancierte Malwinder Sulukums Sohn Salander das II. Planetenbeziehungsgesetz mit der darin enthaltenen Zerstörungsandrohung nach dem Paragrafen 400.“

Konur stockte, als er den letzten Satz ausgesprochen hatte und sah Thomas eine Weile an.

„Hansen, Thomas Hansen …“, sinnierte er, „Commander Hansen oder eher Senator Hansen?“, fragte er dann mit nicht zu überhörendem Misstrauen.

„Was meinen Sie, Exzellenz?“, erkundigte Thomas sich harmlos.

„Waren Sie es nicht, der diesen Fluch des Alls gekippt hat?“, hakte Konur nach. Thomas lächelte verbindlich.

„Warum wollen Sie das wissen?“

„Weil ich das fatale Gefühl nicht loswerde, dass Sie nicht von allein gekommen sind, sondern vom Senat der Föderation oder dem Rat vorgeschickt worden sind, um die Absichten meiner Regierung auszuspionieren!“

„Sie können es sehen, wie Sie wollen, Exzellenz. Doch ob ich als Kommandant eines Raumschiffes hier bin, als Privatmann oder vielleicht als Ratsabgeordneter – der Beweggrund wäre immer der gleiche: Ich möchte verstehen. Als Commander, warum ich vielleicht einen Krieg führen soll; als Privatmann, weil mich Geschichte allgemein sehr interessiert; als Abgeordneter des Rates, weil meine Regierung von mir Vorschläge erwartet, wie sich die terranische Delegation im Rat in dieser Frage verhalten soll. Die Informationen, die ich über den Rat der Föderation erhalten kann, sind naturgemäß mit einer bestimmten Sicht der Dinge gefärbt. Man soll aber beide Seiten hören, bevor man zu einem Urteil kommt. Darum bin ich hier“, versetzte Thomas.

Konur starrte ihn verwirrt an. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sein Gast ohne lange Ausreden zugeben würde, Ratsabgeordneter zu sein. Ehrlichkeit von Politikern der Föderation war er nicht unbedingt gewöhnt, sah man von Ausnahmen wie Kwiri Swin ab.

„Glauben Sie, Sie würden mich beim Lügen erwischen?“, fragte Konur undiplomatisch direkt.

„Ja, ich denke, ich würde es bemerken, wenn Sie mir nicht die Wahrheit sagen – auch wenn ich Sie das nicht direkt spüren lassen würde.“

„Können Sie etwa auch Gedanken lesen?“, erkundigte sich Konur erschrocken.

„Nehmen Sie ruhig an, ich hätte die Möglichkeit, mich der Wahrheit Ihrer Angaben zu versichern“, erklärte Thomas kühl. Der galobanische Botschafter wirkte plötzlich unsicher, fand Thomas.

„Hören Sie, Exzellenz – ich habe nicht vor, dem Volk von Galoba Böses zu wollen. Wenn Sie mich schon darauf ansprechen, ob ich es war, der den § 400 gekippt hat, kann ich Ihnen sagen, dass ich es jedenfalls war, der den Anstoß dazu gegeben hat. Und ich kann Ihnen auch sagen, dass ich die Zerstörung eines Planeten nicht widerspruchslos hinnehmen wollte. Wenn es um Galoba geht, bilden sich ganz eigenartige Fronten, wie ich gehört habe. Da die Erde – oder Kando Yar, wie Sie meinen Planeten nennen – noch nicht allzu lange Mitglied der Föderation ist, wissen wir im Grunde noch wenig über unsere Brüder und Schwestern im All. Wenn ich meiner Regierung Vorschläge für unser Abstimmungsverhalten mache, möchte ich aber sicher sein, mir – oder der Erde – nicht ohne Not Feinde zu machen. Deshalb möchte ich alles über die Geschichte Galobas wissen.“

Konur überlegte noch einen Moment, schien seine mentalen Kräfte anzustrengen, um Thomas’ Wahrhaftigkeit zu überprüfen. Schließlich fuhr er fort:

„Nun gut. Galoba wollte – und will – mit dem Lukanischen Imperium nichts zu tun haben. Die Regierung hatte aber auch Angst vor der rigiden Gesetzgebung der Föderation, die stark denebisch dominiert war. Insbesondere haben wir das II. Planetenbeziehungsgesetz gefürchtet, das die Zerstörungsandrohung enthielt und noch während des Ersten Galaktischen Krieges erstmals diskutiert wurde. Jeder laute Huster hätte die Sechste Flotte heraufbeschworen. Galoba erklärte sich für neutral, was aber weder von den Lukanern noch von der Föderation respektiert wurde. Galoba hatte keine eigene Flotte – die war in den Händen des Imperiums. Zu den Föderalen fehlte das Vertrauen, die Arkoniden waren zu weit weg.

Dann entdeckten die Astronomen jene Raumströmung, die das Anwida-System in regelmäßigen Abständen pendeln lässt. Die Schwingungsperioden betragen jeweils fünf galaktische Jahre von einem Extrempunkt zum anderen. Der Erste Galaktische Krieg brach aus, als sich das Anwida-System wieder zwei Lichttage weit auf imperialem Territorium befand und hörte auf, als das System so weit in das Gebiet der Föderation hinein geschwungen war, dass eine Kontrolle durch die imperiale Flotte nicht mehr sichergestellt war. Die Föderation ihrerseits wollte Galoba nun unbedingt aufnehmen. Aber – wie gesagt – uns fehlte das Vertrauen, und es war nicht unbegründet.

Kaum hatte meine Regierung das Aufnahmeersuchen der Föderation abgelehnt, hatten wir die Sechste Flotte im Orbit, die uns mit unfreundlichen Grüßen fünftausend Kampfrobots schickte, um die Beitrittsforderung zu unterstreichen. Kolnar Swin – seinen Sohn Kwiri kennen Sie ja – vermittelte damals unter Einsatz seines Lebens und sorgte für den Abzug der Robots. Wir erkannten, dass zwar nicht alle Föderationspolitiker gleich waren, aber sie waren für uns schwer zu unterscheiden – und daran hat sich bis heute nichts geändert.

Kolnar Swin brachte auch den Kooperationsvertrag mit Galoba zustande, in dem eine für Galoba außerordentlich großzügige Beitrittsklausel enthalten war. Nach diesem immer noch gültigen Vertrag kann Galoba der Föderation jederzeit beitreten, ohne dass die Föderation diesem Beitritt widersprechen kann. Aber der Vertrag gilt hinsichtlich des Beitritts nur einseitig. Die Föderation kann ihrerseits keinen zwangsweisen Beitritt fordern.

Es hat zahlreiche Versuche gegeben, den Vertrag zu ändern, aber nach dem Willen der Föderation, die merkte, dass die Klausel für sie ungünstig war, wäre jede Änderung einer anderen Klausel auch mit der Änderung der Einseitigkeitsklausel verbunden gewesen. Aus Angst vor dem II. Planetenbeziehungsgesetz haben wir uns nie dazu verführen lassen. Das Anwida-System schwang wieder zurück und erreichte wieder das imperiale Territorium. Die Lukaner besetzten Galoba sofort und forderten erneut eine Unterwerfungserklärung. Die Regierung weigerte sich mit Hinweis auf die Neutralität, das Imperium setzte auf Krieg und griff Galoba an. Wir waren noch nicht so weit, uns mit dem § 400 anzufreunden, baten aber trotzdem die Föderation um Hilfe und bekamen sie auch. Wieder brach ein verheerender Krieg aus, der Zweite Galaktische Krieg.

Die Verluste beider Parteien waren immens – so sehr, dass Imperium und Föderation schließlich übereinkamen, sich wegen Galoba nicht mehr zu streiten und diese Raumzone zu neutralisieren. Die Föderation hält sich nun an diese Regelung. Die Militärberater der Föderation, die auf Galoba sind, halten sich dort auf ausdrücklichen Wunsch meiner Regierung auf. Nachdem der erste föderale Berater auf meinem Planeten war, forderte das Imperium im Wege der Neutralität ebenfalls berücksichtigt zu werden und unterhält heute bereits mehr angebliche Militärberater auf einen Schlag als die Föderation jemals insgesamt im Wechsel zu uns geschickt hat. Außerdem tummeln sich einige tausend imperiale Geheimagenten auf Galoba und seinen beiden Monden. Alle Versuche meiner Regierung, diese unerwünschten Personen loszuwerden, haben nichts gefruchtet. Wir haben einfach nicht die Mittel, die Imperialen auszuweisen.

Nun ist das neutrale System Anwida erneut vor dem Eintritt in die imperiale Raumzone, was durch eine neu aufgetretene Nova im Bereich der Föderation noch beschleunigt wurde. Die imperialen Astronomen hatten es kaum dem Imperator berichtet, als meine Regierung schon Besuch vom imperialen Botschafter hatte, der ohne jegliche diplomatische Schnörkel erklärte, dass das Anwida-System beim nächsten Eintritt in die imperiale Zone annektiert werde. Er behauptete, das Imperium verfüge über Technologien, die die Raumschwingung stoppen könnte, so dass das Anwida-System nicht wieder in die föderale Zone zurückschwingen würde. Galoba würde damit der Föderation ein für allemal verloren gehen. Deshalb hat meine Regierung jetzt den Beitritt zur Föderation erklärt, damit wir nicht allein dastehen. Unsere Bedenken sind seit dem Wegfall des II. Planetenbeziehungsgesetzes ausgeräumt“, schloss der galobanische Botschafter seine Erklärungen.

Thomas sah ihn eine Weile an, suchte nach den passenden Worten.

„Herr Botschafter – ist Ihrer Regierung klar, dass sie mit ihrer Beitrittserklärung zwangsläufig den Dritten Galaktischen Krieg auslöst?“, fragte er schließlich. Konur nickte.

„Ja, das ist meiner Regierung klar.“

„Sagen Sie: Wie viele Galobaner sind in den beiden Galaktischen Kriegen eigentlich umgekommen?“, erkundigte sich Thomas.

„In den Kriegshandlungen selbst keine. Aber bei der Besetzung hat es jeweils etwa hunderttausend Tote gegeben.“

„Wie groß ist das galobanische Volk noch mal?“, bohrte Thomas weiter.

„Oh, derzeit etwa fünfzehn Milliarden. In den beiden Kriegen betrug die Zahl etwa zehn Milliarden.“

„Und davon sind rund zweihunderttausend insgesamt ums Leben gekommen“, stellte Thomas fest. Konur nickte.

„Nach den mir zugänglichen Quellen der Föderation hatten Palavor, Algitarius, Brawida und Centeria vor Ausbruch des Ersten Galaktischen Krieges insgesamt etwa dreißig Milliarden intelligenzbegabter Bewohner. Die Ur-Palavorianer sind vollständig ausgerottet worden, was rund zwei Milliarden Toten entspricht. Brawida hatte zehn Milliarden Bewohner, von denen sechs Milliarden die Evakuierung und nachfolgende Energiekrise nicht überlebt haben. Algitarius und Centeria sind besser weggekommen, die hatten jeweils nur rund eine Milliarde intelligente Lebewesen weniger nach dem Krieg. Die Flotte hatte Verluste, die sich auf rund vierzigtausend Schiffe verschiedener Größen belaufen. Mit diesen vierzigtausend Schiffen gingen insgesamt etwa vier Millionen intelligente Lebewesen unter. Der Zweite Galaktische Krieg forderte auf Seiten der Föderation ebenfalls insgesamt rund zehn Milliarden Leben. Zwanzig Milliarden gegen zweihunderttausend – das Verhältnis ist so schlimm, dass man es besser nicht ausrechnet, Exzellenz. Das, was Ihnen – genauer: Ihrer Regierung – Sorge bereitet hat, nämlich der § 400 des II. Planetenbeziehungsgesetzes, gibt jetzt anderen die Möglichkeit, zu überdenken, ob sich ein Engagement für Galoba rechnet. Und wenn Randsysteme wie Palavor oder Brawida das buchstäblich hunderttausendfache an Toten opfern müssen, kann ich mir bildhaft vorstellen, wie sie sich entscheiden!“, versetzte Thomas. Konur lächelte ihn kühl an.

„Das ist meiner Regierung schon klar, Herr Abgeordneter. Wir wissen aber auch, dass der Föderationsvertrag den Mitgliedsplaneten vorschreibt, beim Angriff auf einen anderen Mitgliedsplaneten entsprechende Truppen zur Verfügung zu stellen.“

„Das heißt: Sie wissen hundertprozentig, dass ein Beitritt Galobas zur Föderation den Dritten Galaktischen Krieg auslösen wird – jedenfalls zu diesem Zeitpunkt. Sie schüren diesen Konflikt, indem Sie von einer vertraglichen Regelung Gebrauch machen, die der Föderation nicht einmal die Chance lässt, die Aufnahme bis zur nächsten Schwingungsperiode zu verschieben“, stellte Thomas fest. Konur nickte.

„Ja, das haben Sie richtig erkannt, Herr Abgeordneter“, bestätigte er.

„Das Vorhaben Ihrer Regierung ist zwar geschickt eingefädelt, Herr Botschafter, aber es hat Schönheitsfehler“, bemerkte Thomas. Konur sah ihn verwirrt an.

„Was meinen Sie?“, fragte er erschrocken.

„Erstens: Der Vertrag, auf den sich das Aufnahmeersuchen – besser die Beitrittserklärung – stützt, gesteht zwar der Regierung Galobas die Erklärungsvollmacht zu, doch gibt es einen anderen interstellaren Vertrag, der dies faktisch aufhebt. Im Friedensvertrag von Drawund wurde dem Volk von Galoba im Falle eines Beitritts zur Föderation oder zum Imperium eine Volksabstimmung zugesichert. Diese Abstimmung hat bisher nicht stattgefunden, und es wäre angesichts der Zusammensetzung des galobanischen Stimmvolks nicht sicher, dass die Regierung diese Volksabstimmung in ihrem Sinne entscheiden könnte. Insofern sind Zweifel angebracht, ob die galobanische Regierung tatsächlich die Vollmacht hat, der Föderation ultimativ den Beitritt zu erklären.

Zweitens: Ich halte es für äußerst riskant, dass die galobanische Regierung sich auf die Bündnisverpflichtung anderer Mitgliedsplaneten der Föderation verlässt. Sie gilt nämlich nach dem Föderationsvertrag nur, wenn beim Beitritt eines Planeten noch keine Bedrohung durch andere Weltraummächte bekannt ist. Im Falle Galobas trifft das nicht zu, weil sicher ist, dass Galoba bereits unter Eroberungsgelüsten des Imperiums leidet. Unter diesen Umständen ist es den Mitgliedsplaneten freigestellt, Truppen und Schiffe zu entsenden – und ich kann Ihnen garantieren, dass das Trauma des Zweiten Galaktischen Krieges jedenfalls bei den Randsystemen so tief sitzt, dass sie sich gewiss nicht an einem Krieg beteiligen werden. Werden sie aber trotz ihrer Neutralität angegriffen, gilt für sie der Bündnisvertrag und die Föderation hätte sie bevorzugt zu schützen – und erst dann einem neuen Mitglied Hilfe zu geben. Es könnte also sein, dass Galoba beim Eintritt in die Föderation nicht das findet, worauf es hofft“, gab Thomas zu bedenken.

„Diplomatische Schnörkel schätzen Sie so wenig wie das Imperium, habe ich Recht?“, erkundigte sich Konur.

„Zugegeben, ich bin kein gelernter Diplomat“, erwiderte Thomas. „Im Falle Galobas scheinen mir diplomatische Verbalarabesken auch recht überflüssig, weil Ihrer Regierung mit klaren Worten gesagt werden muss, was sie eigentlich auslöst. Das Ziel der Föderation ist Frieden im All, sicher nicht der Dritte Galaktische Krieg.“

„Die Föderationsregierung schickt Sie, um Galoba den Beitritt auszureden!“, schnaufte Konur ernüchtert und verärgert. „Und ich habe geglaubt, ich könnte Ihnen vertrauen.“

„Nein, das trifft nicht zu. Ich …“

„Raus!“, unterbrach Konur den Terraner barsch. „Auf diese Weise lässt meine Regierung sich nicht von einem Beitritt abhalten!“, fauchte er. Thomas erhob sich und ging zur Tür. Mit der Klinke in der Hand drehte er sich noch einmal um.

„Ich werde nach einer Lösung Ihres Problems suchen, Herr Botschafter. Nach einer solchen, die die Galaxis nicht in Schutt und Asche versinken lässt. Ein Krieg widerspräche den Grundsätzen der Galaktischen Föderation. Und wenn Sie – besser Ihre Regierung – nachgedacht haben und die Situation nicht nur durch die galobanische Brille betrachten, werden Sie mir zustimmen, dass ein Krieg keine Lösung ist“, sagte er. Konur stürmte zornig nach vorn.

„Für wie schlau halten Sie sich eigentlich? Meinen Sie nicht, dass meine Regierung nicht auch in der Lage wäre, nach Lösungen außerhalb eines Krieges zu suchen?“, wetterte er. Thomas ließ die Türklinke los und lehnte sich gegen die Tür.

„Ich käme nie auf die Idee, der galobanischen Regierung diese Fähigkeit abzusprechen – aber bisher ist mir nur die Kriegslösung vorgestellt worden. Wenn Ihre Regierung noch andere Ideen hatte, spucken Sie sie aus.“

„Wir haben alle möglichen Modelle diskutiert, aber es blieb letztlich nur diese Lösung.“

„Welche Modelle haben Sie diskutiert?“, hakte Thomas ein.

„Es wäre zu viel, Ihnen jedes Denkmodell vorzustellen, Commander. Aber ich bin befugt, Ihnen mitzuteilen, dass meine Regierung versucht, sich die imperiale Technik nutzbar zu machen.“

„In welcher Weise?“, bohrte Thomas unnachgiebig.

„Kommen Sie noch mal in den Salon. Ich möchte Ihnen etwas zeigen“, winkte Konur dem Terraner. Thomas folgte ihm. Konur betätigte ein paar Tasten, ein Holokegel ersetzte den beiseite gleitenden Tisch. Das System Anwida mit seinem Planeten Galoba erschien als Hologramm.

„Sehen Sie, das ist das System. Soweit unsere Agenten herausgefunden haben, wollen die Imperialen einen so genannten Schwingungsunterbrecher einsetzen. Es handelt sich dabei um ein Gerät, das ein Magnetfeld aufbaut, welches die Schwingung unserer Sonne verlangsamt und schließlich zum Stillstand bringt. Unsere Agenten haben ferner herausgefunden, dass diese Technik auf einer Erfindung zweier Amazonierinnen – Loka Filena und Silna Karama – basiert. Wir haben deshalb bereits mit diesen beiden Personen Kontakt aufgenommen, um mit ihrer Hilfe die Schwingung vor Eintritt unseres Systems in den Galaxisarm des Imperiums zu stoppen. Wenn dies gelänge, bräuchte die Galaktische Föderation nicht die eigentlich fällige Zustimmung des Imperiums zur Aufnahme von Galoba, ein Raumkrieg käme dann nur bei absoluter Aggressivität des Imperiums in Betracht. Und das glauben wir nicht einmal von den Lukanern. Was halten Sie davon?“

Thomas sah das Hologramm eine Weile an. Eine innere Stimme sagte ihm, dass der Botschafter die Wahrheit sagte, aber eine andere innere Stimme warnte ihn vor einer nicht näher zu definierenden Gefahr.

„Und warum rücken Sie erst jetzt damit heraus?“, fragte er.

„Weil Sie mich gar nicht so weit kommen ließen, sondern mir gleich an den Kopf geworfen haben, dass wir Galobaner nur Krieg wollen“, versetzte Konur.

„Sie haben das nicht mal geleugnet, Herr Botschafter“, erwiderte Thomas. Konur wurde eine Spur dunkler violett.

„Auch wahr. Aber was halten Sie davon?“

„Es gibt immer noch eine Menge Unwägbarkeiten in dieser Sache. Aber wenn dies gelänge, könnte ich meiner Regierung beruhigt die Zustimmung empfehlen“, erklärte Thomas

„Bitte, denken Sie darüber nach“, bat Konur eindringlich. Thomas nickte und verabschiedete sich.

Kapitel 3 

Beratung und Überredung

Einige Stunden später standen in der Diplomatensiedlung am Rande des Planetenparks ungewöhnlich viele Gleiter. Thomas hatte seine Freunde im Rat und in der Flotte zu einer Lagebesprechung in Sachen Galoba in seinem Haus gebeten. Er und Andulor berichteten zunächst von der Zusammenkunft mit dem galobanischen Botschafter.

„Thomas, wir alle sind uns über die Konsequenzen klar, die eine Aufnahme von Galoba mit sich bringen würde“, seufzte Kwiri nach dem Bericht.

„Kwiri, das bezweifle ich nicht. Schließlich befasst ihr euch nicht zum ersten Mal mit dieser Frage. Aber mit der Geschichte vom Schwingungsunterbrecher hat er mich neugierig gemacht. Nora, Konur sagte mir, die galobanische Regierung habe mit Loka Filena und Silna Karama Kontakt wegen Ihrer Erfindung aufgenommen. Ist da was dran?“

Nora hüstelte nervös.

„Schon. Nur ob sie Erfolg haben werden, weiß ich nicht.“

„Genauer, bitte“, forderte Thomas sie auf.

„Also: Loka und Silna sind unsere bedeutendsten Gravo-Technikerinnen. Sie haben das System erfunden, mit dem Sinarta und ihre Komplizinnen Amazonia von WEGA 6 abkoppeln wollten. Die Sache hat nur den Haken, dass das System nie wirklich getestet werden konnte. Es gab nur Rechenmodelle. Sie waren noch dabei, die entsprechenden Magnetfeldverstärker zu entwickeln, als der Bürgerkrieg ausbrach und sämtliche Projekte, die nicht unmittelbar der Waffentechnik dienten, auf Eis gelegt wurden. Nach dem Krieg wurden alle Projekte, die mit der Abkoppelung Amazonias zusammenhingen, endgültig gestoppt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Beiden in den letzten drei Galaxo-Monaten ihr Projekt erstens wiederaufgenommen haben sollten und zweitens die entsprechenden Geräte zur Reife gebracht haben sollten“, sagte Nora.

„Hast du eine Ahnung, wie weit sie vor dem Projektstopp waren?“, erkundigte sich Gabi.

„Offen gestanden, nein. Ich habe mich für diese Technik nicht sonderlich interessiert.“

„Nehmen wir mal an, sie wären kurz vor dem Durchbruch gewesen“, sinnierte Thomas laut. „Nehmen wir weiter an, sie hätten die Entwicklung neben Regierungsaufgaben weiterbetrieben. Unterstellen wir, sie wären tatsächlich soweit, dass sie den Schwingungsunterbrecher fertig haben: Könnten sie ihn überhaupt noch nutzbringend anwenden?“

„Was meinst du?“, fragte Suli Kulibos.

„Wo befindet sich das Anwida-System derzeit?“, fragte Thomas weiter, anscheinend ohne auf die Frage des Centauren einzugehen. Klim Hamor grinste breit.

„Wirf deinen Holoprojektor an“, forderte er Thomas auf. Der tat ihm den Gefallen. Klim setzte sich an die Kontrolle und rief sich aus dem Ratscomputer die Informationen zum Anwida-System auf. Schließlich drehte sich Galoba um seine holographische Sonne.

„Also:“, begann Klim „Das ist das Anwida-System. Es handelt sich um einen mittelgroßen Stern, etwa vergleichbar mit der terranischen Sonne. Anders als viele andere Systeme weist die Anwida nur einen Planeten als Begleiter auf, nämlich Galoba. Galoba wiederum hat zwei Monde, die wie Megaras und Terras Monde unbewohnt und praktisch ohne Gashülle sind. Einer, der innere der beiden Monde, hat etwa ein Sechstel der planetaren Masse Galobas, der andere, äußere hat rund die Hälfte der Masse des Planeten. Der äußere Mond umkreist Galoba in einer Entfernung von gut vier Lichtminuten, was etwa der halben Distanz zur Sonne entspricht. Die Umkreisungsgeschwindigkeit ist sehr hoch; sie liegt bei rund zwei planetaren Tagen Galobas. Der innere benötigt rund einen planetaren Tag und weist eine Entfernung von rund einer Lichtsekunde auf, ist also praktisch genauso weit von Galoba entfernt wie der terranische Mond von seinem Mutterplaneten. Der äußere Mond ist so etwas wie Galobas Lebensversicherung, fängt er doch die großen Brocken aus dem All ab, die sonst den Planeten gefährden würden.“

Klim veränderte den Maßstab und das System erschien als roter Punkt eingebettet im galaktischen Spiralsystem.

„Hier seht ihr das Anwida-System an seinem Platz in der Galaxis. Deutlich erkennbar ist, dass es sich dabei um ein Randsystem eines Spiralarms unserer Galaxis handelt. Diese Randlage ist für die Schwingung, der das Gesamtsystem unterliegt, verantwortlich. Der Spiralarm stellt praktisch das Gebiet der Galaktischen Föderation dar, der benachbarte Arm ist zum Gebiet des Lukanischen Imperiums geworden. Der Zwischenraum ist ungeheuer groß und ist eigentlich Niemandsland – wenn man das so ausdrücken darf – aber diese große Leere wird von Imperium beansprucht. Durch die Zentrifugalkraft der Galaxisdrehung wird das Anwida-System einige Lichttage aus dem Spiralarm geworfen, wird aber durch die gemeinsame Gravitation der übrigen Systeme des Arms immer wieder zurückgezogen. Dies ergibt sich daraus, dass innerhalb der großen Leere nicht genügend Gravitation ist, um das System weiter von seinem Heimatarm zu entfernen. Das ist die Schwingung, der das Anwida-System unterliegt“, fuhr der Deneber in seinem Vortrag fort. Wieder veränderte er die Vergrößerung, die nun den Rand des Galaxisarms und die anschließende Leere als Ausschnitt zeigte. Die Schwingungsbreite des Anwida-Systems blendete er als einen Doppelpfeil in die Projektion ein.

„So, das ist jetzt die genaue Lage am Rande unseres Galaxisarms mit der Schwingungsbreite von rund zwei Lichttagen. Die Schwingungsgeschwindigkeit liegt bei etwa einem Tausendstel der Lichtgeschwindigkeit, woraus sich die Dauer der Schwingungsperiode von rund fünf Galaxo-Jahren von einem Extrempunkt zum anderen ergibt. Zur Zeit befindet sich Galoba noch knapp zehn Lichtminuten von der Niemandslandsgrenze entfernt, wird also in rund sechshundert Stunden, in etwa einem halben Monat unserer Zeitrechnung die Grenze passieren. Uns bleiben also zwei Galaxo-Wochen, um eine Katastrophe zu verhindern – nicht eben viel, würde ich sagen“, schloss Klim Hamor seine Ausführungen.

„Wenn es technisch überhaupt möglich ist“, orakelte Nora Rosok düster.

„Setzen wir das weiter voraus“, beharrte Thomas. „Klim, was meinst du: Wann wäre der beste Zeitpunkt, um die Schwingung zu unterbrechen?“

„Rein von den Gesetzen der Mechanik an den Extrempunkten, weil das System dann die geringste Geschwindigkeit hat. Aber nach den genauen Voraussetzungen solltest du die Erfinderinnen dieser famosen Technik befragen“, erwiderte Klim.

Kwiri winkte ab.

„Wäre schön, wenn’s ginge. Aber Loka Filena ist seit Monaten spurlos verschwunden und Silna hat dem Wissenschaftsrat erklärt, dass sie für ein Gravitationsexperiment auf Galoba nicht zur Verfügung steht“, seufzte er. Nora schüttelte den Kopf.

„Logisch. So, wie der Wissenschaftsrat mit der Tür ins Haus fällt – mit der Androhung des Entzuges der Lehrerlaubnis an den Hochschulen der Föderation und so weiter – wundert mich das nicht.“

„Der Wissenschaftsrat hat sie lediglich darauf hingewiesen …“, setzte Swin an, wurde aber von Nora barsch unterbrochen:

„… dass sie sich mit ihrer Erfindung der Gravitationstechnik mit größter Wahrscheinlichkeit strafbar gemacht hat und man ihr – falls sie denn nicht willig ist, mitzuarbeiten – sämtliche Lehrbefugnisse entziehen wird und sie darüber hinaus mit einem Strafverfahren überzogen wird, wobei ihr etwa acht Galaxo-Jahre Haft auf irgendeinem trüben Gefängnismond drohen. Kwiri, meinst du wirklich, dass du eine Wissenschaftlerin wie Silna Karama damit hinter ihrem Computer hervorlockst? Es ist nicht mehr als verständlich, dass sie euch ihre Dozentenbriefe postwendend zurückgeschickt hat und erklärt hat, dass sie sich mit dieser Technik nicht mehr befasst?“

Kwiri wollte aufbrausen, aber Thomas beschwichtigende Handbewegung hinderte ihn daran.

„Augenblick mal, Freunde!“, stoppte er den drohenden Disput. „Es hat keinen Sinn, wenn wir jetzt noch untereinander Streit bekommen. Ein drohender Krieg langt mir. Was immer auch vorgefallen ist, wir müssen Silna Karama davon überzeugen, dass wir ihre Hilfe brauchen.“

Nora sah ihn treuherzig an.

„Oh, du Ahnungsloser! Thomas, du bist eines der ganz wenigen Wesen in dieser Galaxis, das Vorurteile gegen andere galaktische Rassen nicht kennt und rundweg ablehnt. Aber manchmal bist du einfach kurz von Gedächtnis. Deneber und Amazonierinnen können einfach nicht miteinander.“

Thomas lächelte freundlich.

„So wie Amazonierinnen auch nicht mit Centauren, Sulukanern und den meisten Erdlingen können – oder wie nennen manche deiner Volksgenossinnen unsereins? Nora, die Erde ist nicht mehr so neu im Club der galaktischen Völker, dass ich nicht um die Querelen in der Föderation wüsste“, sagte er. „Kwiri, trifft das zu, was Nora über das Ansinnen des Wissenschaftsrates sagt?“, wandte er sich dann an Swin.

„Jein“, erwiderte der.

„Würdest du das bitte präzisieren?“, bat Hansen.

„Nach der Amazonia-Affäre sind gegen sehr viele führende Personen der Sinarta-Anhänger Strafverfahren eingeleitet worden – wegen Rebellion gegen die Föderation. Ob diese Verfahren mit einer Strafe oder einem Freispruch enden, ist Sache des Obersten Galaktischen Gerichtshofes. Darauf hat der Wissenschaftsrat keinen direkten Einfluss, wie du weißt. Silna Karama ist aber eine hochkarätige Wissenschaftlerin, eine Koryphäe, die man ungern in irgendeinem Gefängnis versauern lässt. Der Wissenschaftsrat hat beim Obersten Gerichtshof eine Anfrage gestellt, ob nicht Personen, die nur bedingt an den Aktivitäten der Verschwörerinnen beteiligt waren, von der Verfolgung ausgenommen werden könnten. Wir wollten ihr helfen, aber sie ist zu stolz dazu.“

Nora wollte aufbegehren, aber Thomas hielt ihre Hand fest.

„Nein, keinen Wutausbruch“, mahnte er. „Kwiri, was habt ihr der Frau genau geschrieben?“

„Dass wir das drohende Verfahren einstellen lassen können, wenn sie sich von den Zielen der Verschwörerinnen lossagt und die von ihr erfundene Gravitationstechnik dem Wissenschaftsrat zugänglich macht. Sie hat sich geweigert, hat ihre Lehrbriefe zurückgeschickt und mitgeteilt, sie befasse sich nicht mehr mit dieser Technik und wolle nicht mehr an diesen wissenschaftlichen Fehltritt erinnert werden.“

„Kann es sein, dass sie etwas missverstanden hat?“

„Mag sein“, räumte Nora, nun ruhiger, ein. „Aber es ist halt so, dass Silna Karama durchaus hinter den Zielen Sinartas gestanden hat. Soweit ich sie kenne, hat sie diese Erfindung tatsächlich in der Absicht gemacht, Amazonia von WEGA 6 zu lösen – ohne jede Rücksicht auf die Folgen für den Rest des Systems. Sie mag die Föderation nicht unbedingt.“

„Und warum nicht?“, hakte Thomas nach.

„Frag’ sie selbst“, empfahl Nora. „Sie ist allerdings nicht sehr redselig über ihre Ziele und Absichten. Wundere dich also nicht, wenn sie dir an den Kopf wirft, dass dich das nichts anginge.“

Thomas ließ sich von Noras Warnung nicht beeindrucken und rief am folgenden Tag Silna Karama über Visiofon an.

„Silna Karama“, meldete sie sich. „Wer sind Sie und was wollen Sie?“

„Mein Name ist Thomas Hansen und ich hätte gern eine Auskunft von Ihnen.“

„Na schön. Was wollen Sie wissen?“

„Ich habe gehört, Sie hätten sich mal mit dem Problem der Gravitationsveränderung befasst. Ist es tatsächlich möglich, einen Planeten aus seinem Sonnensystem zu entfernen oder gar ein ganzes System aus der Bahn zu werfen?“, fragte Thomas.

„Wer hat Ihnen gesagt, dass ich mich mit so etwas jemals befasst habe?“, stieß Silna hervor. Thomas hob eine Diskette.

„Ich habe hier eine Diskette der Galaktischen Universität Micronor, auf der Sie als Dozentin für Gravitationsmechanik genannt werden. Ich habe mich dort erkundigt und man sagte mir dort, für meine Frage wären Sie die einzig richtige Person.“

„Ich arbeite schon seit einem halben Galaxo-Jahr nicht mehr für Micronor.“

„Zugegeben, die Diskette ist von vor drei Galaxo-Jahren. Ich weiß, dass Sie nicht mehr für die Uni arbeiten, sonst hätte ich mir dort eine Vorlesung von Ihnen angehört. So bleibt mir nur ein Anruf bei Ihnen“, entgegnete Thomas mit freundlichem Lächeln. Silna sah ihn über den Visioschirm misstrauisch an.

„Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich Ihr Gesicht schon einmal gesehen habe – in einem nach meinem Dafürhalten nicht positiven Zusammenhang mit Amazonia. Waren Sie schon mal hier?“, erkundigte sich die Wissenschaftlerin.

„Frau Karama, vielleicht war ich auf Amazonia; aber was hat das mit meiner Frage nach Ihrem wissenschaftlichen Fachgebiet zu tun?“

„Unter Umständen eine ganze Menge, werter Erdling. Eben wegen dieser wissenschaftlichen Forschungen will mir die Föderation ans Leder. Deshalb habe ich weiterer Forschung auf dem Gebiet der Gravitationstechnik offiziell entsagt und werde mich nicht auf das Glatteis führen lassen, nun doch wieder in dieser Disziplin zu lehren, das brächte mich erst recht vor den Galaktischen Gerichtshof. Nein, kein Geschäft zu machen“, versetzte die Karama. Thomas seufzte leise. Die dummdreiste Tour hatte also nichts erbracht. Nun gut, dann musste die Katze aus dem Sack.

„Frau Karama, ich bitte um Nachsicht, wenn ich nicht locker lasse, aber das, was Sie mir sagen können, kann vielleicht lebenswichtig für die Galaxis sein“, setzte er erneut an. Silna lachte rau.

„Oh, ja! Die Töne kenne ich! Erst ist das, was ich weiß, von immanenter Wichtigkeit – für einen Mond, für die Föderation, für die ganze Galaxis – und wenn ich es gesagt oder geschrieben habe, habe ich mich eines unverzeihlichen Verbrechens schuldig gemacht! Nein, kommt nicht in Frage!“

„Einer Wissenschaftlerin wie Ihnen kann man mit Dramatik nicht imponieren, das ist mir klar, das will ich auch gar nicht, Frau Karama. Man hat mir schon gesagt, dass Sie sich aus den Gravitationsforschungen wegen eines drohenden Verfahrens zurückgezogen haben. Aber Sie sind meine letzte mögliche Quelle, nachdem Ihre Kollegin Loka Filena seit längerem spurlos verschwunden ist“, hakte Thomas beharrlich weiter. Silna grinste.

„Nein, sie ist nicht verschwunden. Loka arbeitet seit geraumer Zeit auf Galoba mit unserem System – allerdings nicht für die Föderation“, sagte sie.

„Deshalb findet sie auch niemand!“, stieß Thomas erschrocken hervor. „Frau Karama, wenn Sie mir jetzt nicht helfen, gibt es wegen der Arbeit Ihrer Kollegin eine Katastrophe, genannt Dritter Galaktischer Krieg!“

„Ich habe mir gedacht, dass Sie diese dramatische Variante anschlagen. Nein, das zieht nicht.“

„Nun gut, dann sage ich Ihnen folgendes: Ihre Kollegin hat das von Ihnen beiden entwickelte Gerät irgendwo auf Galoba oder im Raum um Galoba installiert und plant – dann wohl in Zusammenarbeit mit dem Lukanischen Imperium – die Schwingung des Anwida-Systems abzubremsen oder zu neutralisieren, wenn das System die Raumgrenze passiert hat. Das alleine wäre nicht das Problem, aber Galoba hat offiziell seinen Beitritt zur Föderation erklärt und verlangt in diesem Zusammenhang Schutz gegen das Imperium. Das bedeutet zwangsläufig einen Konflikt mit den Imperialen, wenn es nicht gelingt, das Anwida-System noch auf unserer Seite der Grenze zum Stillstand zu bringen.“

„Das Imperium geht mich nichts an, die Föderation verfolgt mich wegen meiner Gravitationsforschungen. Und dann soll ich der Föderation aus einer Zwangslage helfen, in die sie sich mit ihrer kurzsichtigen Politik selbst hineinmanövriert hat? Kommt nicht in Frage. Amazonia hat mit der Angelegenheit nichts zu tun und wird sich aus diesem Konflikt heraushalten“, widersprach die Amazonierin.

„Das ist gut möglich, denn wegen meiner Arbeit ist Amazonia nicht dem II. Planetenbeziehungsgesetz zum Opfer gefallen. Sicher werden sich auch diverse andere Systeme und Planeten für neutral erklären, wenn die Föderation wegen des Prestigeobjekts Galoba in eine Auseinandersetzung gezwungen wird, die sie selbst nicht will. Aber es ist mehr als fraglich, ob das Imperium Amazonias Neutralität achten wird. Nach den Unterlagen, die ich gesehen habe, hatte Amazonia unter dem letzten Galaktischen Krieg schwer zu leiden – es ist nicht weit genug von der Grenze entfernt, um sich wirklich sicher fühlen zu können. Frau Karama, wenn Sie mir nicht helfen, treten Sie unter Umständen ausgerechnet Ihrem eigenen Planeten vors Schienbein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das wollen.“

„Ich sag’s noch mal: Ich helfe der Föderation nicht, die mich wegen genau dieser Forschungen verfolgt, Herr Hansen! Von mir aus soll sie im All zerstieben!“

„Wäre es Ihnen lieber, unter der Herrschaft des Imperiums zu leben?“

„Sie wissen, dass Amazonia mit einer Präsidentin Sinarta aus der Föderation ausgetreten wäre. Amazonia wird sich dem Imperium nicht anschließen.“

„Frau Karama, unter den Umständen, mit denen wir kalkulieren müssen, wird ein Großteil der Systeme keinen Krieg um Galoba führen wollen. Der Föderation werden also nicht genügend Mittel zur Verfügung stehen, um den Krieg zu gewinnen. Das wird Sie zunächst nicht stören, weil Sie die Föderation nicht leiden können – wegen dieser vielleicht unnötigen Verfolgung oder weil Sie auf Seiten der amazonischen Separatistinnen stehen. Wenn die Föderation den Krieg verliert, heißt das automatisch, dass das Imperium ihn gewonnen hat. Das Imperium ist nicht bekannt dafür, Planeten oder Systeme großzügig zu entlassen. Nach den mir zugänglichen Informationen handelt es sich eher um einen ausgeklügelten Unterdrückungsapparat. Die Amazonierinnen sind tapfere Soldatinnen, wie ich feststellen durfte, und ich zähle viele zu guten Freundinnen von mir. Aber gegen die geballte Macht des Imperiums wäre auch eine noch so tapfere Amazonenflotte hoffnungslos unterlegen. Im Gegensatz zu unsereinem leiten die keine Untersuchungsverfahren ein, um zu klären, ob jemand gegen Gesetze verstoßen hat; die legen um, ohne nach ihrer Meinung unnötige Fragen zu stellen“, warnte Thomas eindringlich.

„Erdling! Bange machen gilt nicht!“, wehrte die Amazonierin ab.

„Frau Karama, ich bin weit davon entfernt, bange zu machen“, widersprach er. „Aber es gibt nur zwei Möglichkeiten.“

„Ich bin mir jetzt sicher, dass Sie mich im Auftrag der Föderation ködern wollen. Na schön, aber sagen Sie Ihren Auftraggebern, dass ich nicht umsonst zu haben bin.“

„Und was wäre Ihr Preis?“

„Ich will, dass die Vorwürfe, die gegen mich erhoben wurden, fallengelassen werden. Ich will ferner eine Garantie, dass ich auch dann unbehelligt bleibe, falls meine Forschungen sich in der Praxis nicht bewähren. Sie sind nämlich noch nie getestet worden.“

„Gut, ich rede mit dem Präsidenten. Wären Sie zur Mitarbeit bereit, wenn er Sie amnestiert?“

Amnestie, Erdling, hat den Ruch eines zu Recht verurteilten Verbrechers. Das bin ich aber nicht. Ich habe geforscht, habe politisch bestimmte Ansichten vertreten. Ich will ganz einfach, dass man mir erklärt, dass dies kein Verbrechen war.“

„Ich verspreche jetzt nichts, weil das außerhalb meiner Kompetenz als Mitglied des Galaktischen Rates liegt. Aber ich verspreche Ihnen, mit dem Präsidenten zu reden. Darf ich Sie morgen nochmals anrufen?“

„Wenn Sie’s nicht lassen können – bitte. Aber machen Sie sich keine Hoffnungen, bis dahin meine Forderung erfüllt zu haben. Auf Wiedersehen.“

Salander Sulukum hörte sich Thomas Vorschläge am folgenden Tag geduldig an.

„Es wäre ein Präzedenzfall, wenn wir ausgerechnet die Chefkonstrukteurin der Gravitationswellentransformatoren von jeglicher rechtlichen Verfolgung ausnehmen würden; Senator. Ist Ihnen das klar?“, sagte der alte Präsident schließlich.

„Natürlich ist mir das klar. Aber auf der Erde haben wir eine schöne Konstruktion für solche Einzelfälle: Ohne Präjudiz für andere Fälle. Wenn die Vorwürfe gegen die Karama entfallen, wird sich darauf keine andere Amazonierin berufen können, die in die Wahlfälschung und die Entfesselung des Bürgerkrieges verstrickt ist“, erklärte Thomas. Sulukum zog nachdenklich die grüne Stirn in Falten.

„Wird das ihr letztes Wort sein? Wird sie – wenn ich diese Forderung erfülle – nicht weitergehende stellen?“, mutmaßte er.

„Zunächst gehe ich davon aus, dass das ihre Forderungen sind und dass sie keine weiteren stellen wird. Sollte sie es tun, werde ich versuchen, sie ihr auszureden“, erwiderte Thomas. Sulukum nickte.

„Gut, ich unterschreibe die Erklärung. Wenn Silna Karama bereit ist, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, werden alle bisher erhobenen Vorwürfe zurückgezogen – ohne Präjudiz für andere.“

Wie angekündigt, rief Thomas nach dem Gespräch mit dem Präsidenten wieder auf Amazonia bei Silna Karama an. Die Amazonierin war ob seiner Hartnäckigkeit überrascht.

„Oh, Senator Hansen! Ich hatte wirklich nicht damit gerechnet, dass Sie tatsächlich wieder anrufen würden.“

„Wie Sie sehen, halte ich meine Ankündigungen ein. Also: Ich habe mit dem Präsidenten gesprochen. Er ist bereit, die Niederschlagung Ihres Verfahrens zu veranlassen, wenn Sie mir Ihre Kenntnisse in Sachen Gravitationstechnik zur Verfügung stellen. Damit ist allerdings kein Präzedenzfall für andere Amazonierinnen gegeben. Auf diese Entscheidung wird sich niemand anderes berufen können“, erklärte Thomas.

„Und wenn ich es nicht tue?“

„Silna, muss ich Ihnen als intelligentem Wesen das wirklich sagen?“, erkundigte sich der Terraner mit deutlichem Seufzen.

„Erdling, ich lasse mich nicht erpressen!“, fauchte sie.

„Jetzt mal langsam zum Mitschreiben: Silna, Sie verwechseln etwas. Das Verfahren, das Ihnen ins Haus steht, wird nicht erst eingeleitet, wenn Sie sich weigern, mir zu helfen; es läuft schon längst. Es beruht auf Ihrem Tun während des amazonischen Bürgerkrieges und hat nichts mit mir zu tun. Ich habe es nicht veranlasst. Sie haben aber die Möglichkeit, sich diesem Verfahren erfolgreich zu entziehen, wenn Sie mir mit Ihren Kenntnissen helfen – unabhängig davon, ob Ihre Theorien sich in der Praxis als richtig oder falsch erweisen. Sehen Sie, wenn Ihre Forschung richtig ist, wird Ihre Kollegin Erfolg haben und das Anwida-System auf dem Gebiet des Imperiums bremsen. Sie können mir – uns – dann helfen, eine Katastrophe zu verhindern. Waren Ihre Forschungen falsch, kann Loka das Anwida-System nicht auf der falschen Seite der Galaxis bremsen – und Sie kommen billig davon.“

„Ich will nicht billig davonkommen, Erdling! Ich will meine Ruhe, sonst nichts“, schnaubte die Wissenschaftlerin.

„Silna, ich habe Ihnen die Situation jetzt deutlich und ausführlich erklärt. Ich tue es nicht noch mal. Sie wollen Ihre Ruhe? Okay, können Sie haben, wenn Sie mir Ihre Kenntnisse zur Verfügung stellen. Das kostet Sie wahrscheinlich eine Raumreise nach Galoba. Vergraben Sie sich, kostet es Sie – vielleicht – Ihre Freiheit. Was ist Ihnen lieber?“

„Kann ich es mir überlegen?“, fragte sie, vorsichtiger geworden. Thomas hob das vom Präsidenten unterschriebene Dokument vor die Visiokamera.

„Das hier, Silna, ist Ihre Freiheit. Wenn ich eine Reise nach Galoba vorbereiten muss, brauche ich eine gewisse Zeit. Viel Zeit bleibt mir nicht mehr, wie aus den Berechnungen von Wissenschaftsrat Hamor entnommen habe. Ich kann Ihnen nur zehn Standardstunden – einen Tag – Zeit geben. Wenn ich bis dann keine positive Antwort von Ihnen habe, muss ich annehmen, dass Sie kein Interesse haben und zerreiße dieses Dokument.“

„Setzen Sie mich nicht unnötig unter Druck, Senator!“

„Wenn ich nicht selbst unter Zeitdruck stehen würde, fiele mir das nicht ein. Aber wenn Sie nein sagen, müssen meine Freunde und ich völlig neu planen. Ich gestehe, ich weiß nicht, wo ich dann ansetzen soll. Ich verlange von Ihnen nichts, was Sie nicht leisten können. Ihre Bedingungen sind erfüllt. Was also, hindert Sie, einfach ja zu sagen?“

„Sie haben in spätestens zehn Stunden meine Antwort“, kam es über Thomas Visio, dann erlosch die Verbindung.

 

Kapitel 4

Ungewöhnlicher Vorschlag

Thomas lehnte sich zurück, rieb sich müde die Augen.

„Warum wehrt sie sich so dagegen, uns ihre Technik zugänglich zu machen?“, fragte er dann Gabi, die das Gespräch außerhalb des Kamerabereichs verfolgt hatte. „Hast du eine Erklärung dafür?“

Gabi zuckte mit den Schultern.

„Weiß nicht. Kann es sein, dass sie vor etwas Angst hat?“, mutmaßte sie.

„Wovor? Wenn sie mitarbeitet, hat sie von der Föderation nichts mehr zu befürchten.“

„Schon. Aber was ist mit den Sinartistinnen? Werden die sie nicht als Verräterin betrachten, wenn sie ihre ausschließlich für die Loslösung von Amazonia gemachten Untersuchungen in den Dienst der Föderation stellt?“, spekulierte Gabi. „Außerdem ist da noch ihre Mitforscherin Loka Filena. Ich weiß nichts über das Verhältnis zwischen ihnen, aber wenn Menschen jahrelang gemeinsam forschen, dann arbeitet einer nicht gern gegen den anderen. Und genau das müsste sie tun, wenn sie uns mit ihren Berechnungen oder auch mit Handarbeit am Unterbrecher hilft.“

Thomas nickte.

„Stimmt. Und dann ist da noch der Unsicherheitsfaktor Gribor. Dem Burschen traue ich nicht bis zum nächsten Baum auf der anderen Straßenseite, geschweige denn bis zu Megaras natürlichem Mond.“

„Wie kommst du auf den?“

„Ist so ‘ne Eingebung. Immerhin hat er die Separatistinnen nicht unerheblich unterstützt“, gab Thomas zurück.

„Um sich ein neues Spielzeug zu sichern, klar. Aber jetzt ist die Sechste Flotte aufgelöst und sämtliche Schiffe auf andere Flotten verteilt“, gab Gabi zu bedenken.

„Auch richtig“, seufzte Thomas. „Aber ich habe ein ganz blödes Gefühl in der Magengrube. Und der kleine Mann im Ohr sagt ständig: Gib acht, was Gribor anstellt! Er hat seine eigene Versetzung zur Neunten Flotte zu widerspruchslos hingenommen. Sicher, ich hab’ keine Beweise, dass er jetzt auch die grünen Griffel im Spiel hat, aber …“

Er kam nicht weiter, weil Gabi ihm den Mund mit einem Kuss verschloss.

„Ende der Strategie, Commander. Du machst dir zu viel Gedanken um den Burschen“, sagte sie leise, als sie ihn wieder freigab. „Komm, es ist schon spät.“

„Ehrlich: Kann man sich zu viel Gedanken machen, wenn es um die Existenz der Galaxis geht?“, fragte er und zwirbelte eine Haarsträhne seiner Frau. Gabi lächelte ihn liebevoll an

„Du kannst die Galaxis morgen weiterretten“, schlug sie vor. Thomas machte eine fast hilflose Handbewegung.

„Du redest wie meine Mutter, wenn sie mich aus meinen Kindheitsfantasien direkt ins Bett gesteckt hat“, sagte er. „Gabi, das ist kein Spiel!“, setzte er dann warnend hinzu. Ihr Lächeln verlor sich.

Das, mein Schatz, habe ich begriffen. Ich lebe jetzt lange genug unter nichtirdischen Wesen, um gelernt zu haben, dass du uns allen mit deinen Gedanken weit voraus warst. Wie ernst das werden kann, was du jetzt machst, war mir spätestens in dem Moment klar, als ich das Riesenloch gesehen habe, das du dir von Amazonia mitgebracht hast. Ich finde dein Nachdenken über Silna, ihre Gründe für ihr Zögern und ob Gribor was damit zu tun hat, keineswegs lächerlich; versteh’ das bitte nicht falsch. Es ist nur eine Tatsache, dass es fast Mitternacht megaranischer und irdischer Zeit ist und dass morgen früh um halb drei megaranischer Zeit – acht Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit – eine Sitzung des Galaktischen Rates auf dem Programm steht. Daran wollte ich dich berufsmäßigen Morgenmuffel nur erinnern.“

„Oh, Gott, was täte ich nur, wenn ich dich nicht als wandelnden Terminkalender hätte, Gabimaus?“

„Verschlafen, vermute ich!“, lachte sie auf, „Nun komm schon, sonst schläfst du noch hier im Sessel ein!“

Am folgenden Tag verfolgte Thomas die Ratssitzung nur mit halbem Ohr. Seine Gedanken waren bei Galoba und den Möglichkeiten, einen dritten Galaktischen Krieg zu verhindern. Als er mit Gabi, Kwiri und Suli beim Mittagessen im Ratsrestaurant saß, erschien Andulor.

„Visio für dich, Thomas. Fernraumgespräch, komm schnell“, sagte er leise, wie es sich für einen diskreten Kellner des Ratsrestaurants gehörte. Thomas ließ sein Mittagessen stehen und folgte dem Sulukaner.

„Wer ist dran?“, fragte er, noch kauend.

„Kann ich dir nicht sagen. Jedenfalls nicht in aller Öffentlichkeit. Du wirst schon sehen“, erwiderte Andulor geheimnisvoll.

„Schlingel! In Gegensatz zu dir kann ich keine Gedanken lesen!“, versetzte Thomas. Andulor lachte nur leise und wies auf eine Visiozelle.

„Der Schirm ist dunkelgeschaltet. Es sollte nicht jeder erfahren, deshalb.“

Thomas schloss die Visiozelle und schaltete den Schirm hell. Silna Karama erschien – und wirkte sehr übernächtigt.

„Guten Tag …“

„Danke, keine Förmlichkeiten“, wehrte sie ab. „Gut, überredet. Ich mache mit.“

Thomas atmete sichtlich auf.

„Danke, dann hat die Galaxis doch noch so etwas wie eine Zukunft. Wir holen Sie auf der Reise nach Galoba ab.“

„Wann sind Sie hier?“

„Ich brauche noch ein Schiff und eine Mannschaft. Aber ich denke, ich kann Ihnen in den nächsten zwei Tagen Bescheid sagen.“

Silna grinste.

„Mir haben Sie einen Tag gegeben“, erinnerte sie grinsend.

„Und ich habe Ihnen gesagt, dass eine Reise nach Galoba gewisser Vorbereitungen bedarf“, versetzte Thomas, ebenfalls spitzbübisch grinsend. „Oder müssen Sie Repressalien auf Ihrem Planeten befürchten?“, fragte er dann – doch mit gewisser Besorgnis – nach.

„Solange Sie mein Mitwirken nicht in die Galaxis hinausposaunen, nicht“, gab die Amazonierin zurück.

„Das werde ich nicht tun“, versprach Thomas.

„Gut. Melden Sie sich bitte nur spätestens einen Tag, besser zwei, vorher bei mir, damit ich auch meine Vorbereitungen treffen kann.“

Als nächstes machte sich Thomas auf die Suche nach einer Mannschaft, die gewillt war, ein nicht unerhebliches Risiko einzugehen. Ein Flug nach Galoba war nicht ungefährlich, solange nicht genau bekannt war, was die Abgesandten der Föderation dort erwarten würde. Die Mannschaft war dennoch schnell gefunden: Sämtliche Freunde des Terraners einschließlich seiner Frau wollten ihn bei seinem Vorhaben, einen drohenden Krieg zu verhindern, unterstützen. Fehlte also nur noch das Schiff. Ein kurzer Anruf beim Erdorbitaldock klärte auch das. Die Phobos, das Schiff, das Thomas später ohnehin als Kommandant übernehmen sollte, war fertig gestellt und eingeflogen. Um sie jetzt schon fliegen zu können, benötigte Thomas aber die Genehmigung von Admiral Luk-Sun, weil er formal vom Flottendienst freigestellt war. Und die Reaktion des Admirals auf eine derart zusammengewürfelte Mannschaft – Terraner, Deneber, Sulukaner, Malagriver, Macromanier, Amazonierinnen – malte sich Hansen einstweilen nicht aus. Er wollte ausnahmsweise direkt mit der Tür ins Haus fallen, als er um einen Termin bei Admiral Luk-Sun bat.

„Ein Schiff mit einer gemischten Mannschaft, mit einer gemischten Kommandocrew gar? Commander, das ist unmöglich! Wie stellen Sie sich das vor?“, platzte Admiral Luk-Sun heraus, als Thomas ihm seinen Plan vortrug, ein Schiff mit einer aus seinen Freunden zusammengesetzten Mannschaft nach Galoba zu schicken.

„Die Unmöglichkeit besteht doch nur im Zuschnitt der Möbel und der Bedienelemente. Ich habe mit den Leuten von der Werft gesprochen. Sie können die Phobos entsprechend ausrüsten. Die Brücke erhält eine flexible Kapsel, in die ebenso flexibles Mobiliar und Bedienelemente eingebaut werden. Ich hatte die Techniker und Konstrukteure bei Kiellegung gebeten, sich mit dem Problem zu befassen und sie haben es gelöst. Die Umbauten sind in zwei Standardtagen fertig zu stellen“, erwiderte Thomas lächelnd. Luk-Sun zwirbelte seinen hellblauen Schnurrbart.

„Hmm“, brummte er dann, „eigentlich ist die Idee gar nicht so übel. Es wäre die Vollendung der von der Föderation immer geforderten Symbiose, lässt planetare Spitzfindigkeiten gar nicht aufkommen. Aber genügt es, die Brückenkapsel auszutauschen? Schließlich gibt es noch diverse andere Bereiche, die von der Besatzung bedient werden müssen“, gab er aber zu bedenken.

„Für die erste Reise würde das genügen, weil die technischen Einrichtungen ohnehin vom Werftpersonal bedient werden müssen – bis auf die Brücke, die von Anfang an vom späteren Kommando besetzt wird. Die Phobos ist fertig gestellt und wartet auf ihren Erstflug, nachdem die Werft die Probeflüge erfolgreich absolviert hat“, sagte Thomas. Luk-Sun lächelte.

„Ich sehe, Sie wissen über Ihr Schiff Bescheid und kennen auch die Einflugmodalitäten. Aber da wir gerade bei Werfttechnikern sind: Was Sie vorhaben, Commander, kann leicht ins Auge gehen. Wenn Sie mit den Imperialen Streit bekommen, haben Sie keine eingespielte Mannschaft, die militärisch ausgebildet ist, sondern nur Techniker, die ihren Lebtag nicht freiwillig auf ein anderes Raumschiff schießen würden. Und wenn Ihre Frau Sie unbedingt begleiten will, sehe ich ganz schwarz. Sie ist weder militärisch noch raumfahrerisch ausgebildet.“

„Zugegeben, Gabi hat von Raumfahrt so viel Ahnung wie ein Fisch vom Bergsteigen, aber sie ist nicht davon abzubringen, zumal es sich nicht offiziell um eine militärische, sondern eine diplomatische Mission handelt.“

„Und die Techniker?“

„Gaul, die Raumtechniker des Erdorbitaldocks sind jetzt Zivilisten, stimmt. Abgesehen von wenigen Ausnahmen, die bislang auf der Erde Raketen zusammengeschraubt haben, sind die meisten von den nationalen Luftwaffen oder Marinefliegern zur Raumflotte gegangen, sind also militärisch ausgebildet worden, bevor sie sich auf die Raumwerft gemeldet haben.“

„Es braucht lange, bis eine Mannschaft geschlossen agiert“, warnte Luk-Sun.

„Gewiss, das ist richtig. Aber ich hätte in keinem Falle eine eingespielte Mannschaft, wenn ich die Phobos übernehme. Nichts wäre schlimmer als eine Mannschaft, die schon einen anderen Kapitän gehabt hat und vielleicht lieber ihm die Treue hält, als es mit einem Neuen zu probieren“, erwiderte Thomas. Luk-Sun nickte.

„Sie scheinen wild entschlossen, Commander. Noch etwas: Kwiri Swin und Suli Kulibos sind Kapitäne, also im Rang höher als Sie. Meinen Sie, dass die beiden sich von einem Commander sagen lassen, wo’s hingeht?“

„Ich habe vor, die Mannschaft – auch die Brückencrew – in drei Schichten einzuteilen, die jeweils von Kapitän Swin, Kapitän Kulibos oder mir geführt wird. Kompetenzgerangel wird so vermieden“, erklärte Hansen.

„Bis dahin in Ordnung. Aber einer muss der Chef sein. Ich habe Ihnen gesagt, dass Sie die Phobos bekommen sollen. Demnach wären Sie derjenige, der das letzte Wort hätte. Ich weiß, dass Kulibos und Swin gute, sehr gute Freunde von Ihnen sind. Und ich befürchte, dass die gute Freundschaft an einer Meinungsverschiedenheit zerbrechen könnte.“

„Gaul, ich weiß, dass ich noch lernen muss. Ich betrachte mich als Kommandant in Ausbildung. Kapitän Swin und Kapitän Kulibos werden mich weiter ausbilden.“

„Schön. Und wer ist nun der Chef?“

„Wenn es der Ranghöchste mit den meisten Dienstjahren sein soll – dann Kapitän Swin“, gab Thomas zurück. Luk-Sun seufzte.

„Die Phobos sollte Ihr Schiff sein. Kapitän Swin hat die Landora. Wenn Sie unter seinem Kommando fliegen wollen, warum dann nicht mit der Landora?“

„Die Landora ist – mit Verlaub gesagt – ein wenig altersschwach. Sie hat keine Tarneinrichtung, braucht einen sehr langen Anlauf für den Übergang in den Hyperraum, verfügt nur über einen schwachen Brückenschutzschild, ist ansonsten gegen Laserbeschuss nicht gesichert und ist nur sehr schwach bewaffnet. Mit je vier Turbolaser-Batterien bestehend aus je einer doppelläufigen Zweizentimeter-Kanone an den Polen ist wenig Staat zu machen. Wenn wir wirklich Probleme mit dem Imperialen bekommen, wollen wir uns Erfolg versprechend wehren können. Mit den Kanönchen der Landora kitzeln wir sie nicht mal“, versetzte Thomas. Luk-Sun grinste breit.

„Ich glaube, Admiral Tanaka hatte Sie mal gewarnt, dass es kein Computerspiel ist, mit Laserkanonen im Weltraum herumzufuchteln. Schon vergessen?“, mahnte er.

„Nein, keineswegs. Bevor ich Waffen einsetze, habe ich vor, alle erdenklichen anderen Manöver auszuführen, um eventuelle Gegner zu narren. Aber wenn ich dazu gezwungen bin, möchte ich nicht schon vorher wissen, dass ich verliere“, gab Thomas zurück.

„Commander, ich mache folgendes: Die Phobos steht uneingeschränkt unter Ihrem Kommando mit der Auflage an Sie, dem Rat der erfahrenen Kapitäne Swin und Kulibos zu folgen. Aber der Chef der Mission sind Sie. Kapitän Swin und Kapitän Kulibos erhalten eine entsprechende Order von mir. Die Werft soll die Phobos so umbauen, wie Sie es wünschen. Im Übrigen wünsche ich Ihnen viel Glück. Wann wollen Sie starten?“

„Sobald die Phobos umgebaut ist und hier im Raumdock einsatzbereit gemeldet wird. Das wird, wenn ich gleich im Erdorbitaldock anrufe, in ungefähr einer Galaktischen Woche sein.“

 

Kapitel 5

Jungfernflug

Im orbitalen Raumdock 25 über Megara schwebte fünf Tage nach dem Gespräch zwischen Admiral Luk-Sun und Thomas Hansen ein silbrig glänzendes, völlig neues Raumschiff mit der Kennung C 9660 und der Namensbezeichnung Phobos, gebaut in der terranischen Raumwerft. Das erstmals in der Raumfahrtgeschichte der Föderation diskusförmige Schiff war – obwohl ein Kleiner Kreuzer – ein beeindruckend großes Schiff. In der Mitte – bei einem Kugelraumer hätte man vom Äquator gesprochen – maß es gut hundert Meter im Durchmesser, vom Nord- zum Südpol waren es rund dreißig Meter. Ganz oben im Nordpolbereich befand sich die Kommandobrücke, die gegen den Rest des Schiffes hermetisch abgeriegelt werden konnte und für wenigstens dreißig Tage ein beengtes, aber autarkes Überleben für die gesamte Besatzung von bis zu einhundert Wesen ermöglichte. Unmittelbar darunter befanden sich die Kabinen der Besatzung und eine Krankenstation, die dem Chefarzt eines irdischen Kreiskrankenhauses neidvolle Blässe ins Gesicht getrieben hätte. Jegliche Apparatemedizin, die die Föderation zu bieten hatte, war vorhanden und bot dem Schiffsarzt, seinen fünf Assistenten und zehn Pflegern und Krankenschwestern verschiedener galaktischer Rassen die Möglichkeit auch zu komplizierten Operationen.

Um den Schiffsäquator, auf der Ober- und der Unterseite des untertassenförmigen Schiffes befand sich eine Unzahl von Sensoren und Scannern, die dem Brückenpersonal ein umfassendes Bild des umgebenden Raumes bieten konnten. Drei getrennte Radaranlagen mit den jeweiligen Sicherheitssystemen deckten den Normal- und den Hyperraum ab und ermöglichten eine Fernabtastung bis zu einer Entfernung von vier Lichtjahren, wenn der hohe Auflösungsmodus gewählt wurde, im niedrigeren Modus reichte der Fernscanner zehn Lichtjahre weit. Im Mittelpunkt des Kreuzers befand sich eine Computeranlage zur Steuerung, Speicherung und Wiedergabe von Informationen, die in den Flotten der Föderation ihresgleichen suchte. Von der Kapazität war sie stärker als die der Großkugelraumer, nahm aber kaum mehr Platz ein als allein die drei Stockwerkmodems im Hause Sperling – einschließlich des Analytikerplatzes.

Konzentrische Ringe von Deflektorprojektoren auf Ober- und Unterseite verliehen der Phobos einen weitgehenden Schutz vor Laserstrahlen. Bei voller Energiezufuhr schützten sie auch gegen ein bis zwei Protonentorpedos. Als weitere Defensivmaßnahme stand eine Tarnanlage zur Verfügung, die das Schiff optisch unsichtbar machen konnte, indem das umgebende Licht um das Schiff herum gelenkt wurde. Direkt neben den Deflektoren waren rund um das Schiff verteilt vierundzwanzig Zehn-Zentimeter-Lasergeschütze, was nicht weniger bedeutete, als dass der gebündelte Lichtstrahl zehn Zentimeter stark war. Für den Fall, dass ein solches Diskusschiff von Gegnern eingekreist war, konnten alle vierundzwanzig Geschütze computergesteuert einen Feuerring abschießen, der sich wie eine kleine Nova ausbreitete. Wegen der lichtumleitenden Effekte der Tarnanlage konnten die Lasergeschütze aber nicht im getarnten Zustand eingesetzt werden. Dafür hatten sich die Konstrukteure der Werft aber noch einen besonderen Tarntrick ausgedacht, der einen Waffeneinsatz mit einiger Wahrscheinlichkeit unnötig machen würde: Die Phobos war an den Polen und hinter den oberen und unteren Außensensoren mit kleinen Hohlkammern bestückt, die Eisenspäne, Magnesium und Sauerstoff enthielten. Wurden diese Kammern gezündet, entstand die Illusion einer gewaltigen Explosion. Tarnte sich das Schiff dann, würde ein Gegner mit einiger Wahrscheinlichkeit von der Vernichtung des getarnten Diskus ausgehen.

Ebenfalls fünf galaktische Tageseinheiten nach dem Gespräch zwischen Thomas und dem Admiral fanden sich eine technische Einheit der terranischen Raumwerft und etwa fünfzig terranische, amazonische, malagrivische, denebische, macromanische und sulukanische Raumsoldaten im Orbitaldock 25 über Megara nebst diversen Zivilpersonen aus Thomas Hansens großem Freundeskreis ein. Es hatte diesmal keiner großen Mühe bedurft, einen offiziellen Ratsauftrag für diese Mission nach Galoba zu erhalten. Zu Thomas’ großer Überraschung war sie auch von Kilma Gribor mitgetragen worden. Admiral Luk-Sun war ebenfalls anwesend, als sich die Besatzung der Phobos in einem Briefing-Raum des Orbitaldocks versammelte.

„Ich muss Ihnen nicht unbedingt sagen, dass diese Mission eine ganz delikate Angelegenheit ist“, sagte der Admiral zu der versammelten Mannschaft. „Vergessen Sie nicht, dass das Schiff nagelneu ist und nicht alle – insbesondere die nachgerüsteten – Einrichtungen schon getestet werden konnten. Tun Sie also alles, um eine Konfrontation zu vermeiden!“

Er drehte sich halb zu Thomas um.

„Und bitte, Commander: Es ist kein Computerspiel, wenn Sie an den Lasertasten oder der Auslösung für die Protonentorpedos herumspielen! Das ist bitterer Ernst!“, warnte der nochmals eindringlich. „Und vergessen Sie mir nicht, dass Sie Zivilisten an Bord haben! Die haben nicht geschworen, ihr Leben für die Föderation aufs Spiel zu setzen!“

„Etwas Gegenteiliges käme mir nicht in den Sinn, Gaul. Außerdem werden Kapitän Swin und Kapitän Kulibos gut auf mich und meine unegalen Finger aufpassen“, erwiderte Thomas.

„Gut. Dann weisen Sie bitte die Mannschaft ein, Commander“, wies der Admiral Hansen an und schüttelte ihm die Hand. „Kommen Sie diesmal bloß gesund wieder. Ich möchte Sie irgendwann noch zum Kapitän befördern können. Guten Flug und viel Erfolg – oder wie man unter Raumfliegern sagt: Ausfall aller Systeme!“, verabschiedete sich der Centaure und trabte hinaus. Die Tür schloss sich hinter dem Admiral.

„Gut. Gehen wir an Bord“, sagte Thomas dann.

Die Mannschaft verließ den Besprechungsraum und ging an Bord der Phobos und traf sich im großen Konferenzraum, nachdem die Systeme der Phobos aktiviert waren und das Schiff von der Außenversorgung durch die Raumstation getrennt war. Kwiri Swin eröffnete als ranghöchster Offizier die erste Mannschaftssitzung der Phobos, übergab das Kommando dann an Thomas. Der wies den einzelnen Mannschaftsmitgliedern ihre Stationen zu und in diesem Moment wurde klar, warum Thomas das Wagnis einer bunt gemischten Mannschaft eingegangen war: Er hatte für die zu besetzenden Stationen die Wesen ausgewählt, die sie am besten bedienen konnten. Amazonierinnen als Steuerleute, Sulukaner als Spezialisten für die Raumüberwachung, Terraner für den Funkverkehr, Macromanier, die wegen ihre telekinetischen Begabung auch auf den größten Schaltpulten keine Griffschwierigkeiten hatten und deshalb für das umfangreiche Waffenbord am ehesten in Betracht kamen, Centauren und Terraner für die Maschinenüberwachung, Deneber für die Computerstationen und so weiter.

Wenig später war das Schiff gecheckt, die Werfttechniker erklärten die Phobos für einsatzbereit. Thomas nahm im Kommandantensessel Platz, stellte den flexiblen Sessel auf seine Körpergröße ein und gab Pilotin Nora Rosok die Anweisung, den Kreuzer aus dem Orbitaldock zu manövrieren, als die Flugkontrolle die Starterlaubnis erteilte.

„Ein Viertel Impulskraft voraus, Nora.“

„Ein Viertel voraus“, bestätigte die Amazonierin am Ruder. Die Hangartore öffneten sich, und das noch glänzende, weißlackierte Schiff glitt hinaus in sein Element, den schwerelosen Weltraum.

„Künstliche Schwerkraft funktioniert einwandfrei“, meldete einer der Werfttechniker auf der Brücke.

„Danke. Was ist mit den Maschinen?“, erkundigte sich Thomas.

„Maschinen laufen sanft und störungsfrei“, meldete sich Sarni Kulibos, Sulis jüngerer Bruder, den Admiral Luk-Sun nur ungern von seinem Adjutantenposten freigestellt hatte.

„Danke, Sarni. Nora, sobald wir die Mindestdistanz zu Megara erreicht haben, Geschwindigkeit bis auf Dreiviertel Impulskraft erhöhen, dann wieder bis auf ein Viertel Impulskraft abbremsen“, wies Thomas die Pilotin an. Nora drehte sich erschrocken um.

„Das zerreißt das Schiff!“, warnte sie. Thomas lächelte freundlich.

„Kugelraumer mögen das nicht, weiß ich. Aber dieses Baumuster ist dafür ausgelegt. Ich habe nicht umsonst für die erste Flugphase als Vorsichtsmaßnahme Raumanzüge befohlen.“

„Aber …“

„Wir machen einen offiziellen Testflug – jedenfalls bis Amazonia. Eine Grenzbelastung des Schiffes ist Pflichtübung – laut Einflugvorschriften der Werft“, unterbrach der Brückentechniker die verwirrte Amazonierin.

„Oha!“, murmelte Nora. Sie war wirklich keine ängstliche Natur – aber als Testpilotin betrachtete sie sich nicht.

Die Amazonierin führte die Anweisung des Kommandanten aus. Erwartungsgemäß bockte die Phobos wie ein Wildesel, aber die Konstruktion hielt, was die Ingenieure versprochen hatten. Nach Ansicht der gesamten Besatzung gab es in den Flotten der Föderation kein vergleichbar wendiges Schiff wie den neuen Diskuskreuzer.

Weitere drei galaktische Standardtage später waren sämtliche Einrichtungen der Phobos getestet und für in allen Lebenslagen einsatzbereit befunden worden, die drei Wachschichten waren eingespielt.

„Alle Tests abgeschlossen“, meldete der Cheftechniker Lewis Decker schließlich.

„Danke, Lew. Nora, setz’ einen Kurs nach Amazonia. Volle Kraft voraus, Hyperraumsprung, sobald die erforderliche Geschwindigkeit erreicht ist“, wies er Nora an, die den Befehl bestätigte und die Anweisung ausführte. Auf dem Bildschirm an der Frontseite der Brücke, der knapp ein Viertel des Raumumfangs einnahm und in vier Felder unterteilbar war, verliefen die Sterne zu lang gezogenen Streifen, dann war nur noch das triste Grau des Hyperraums sichtbar. Gabi Hansen, die einzige terranische Raumüberwacherin, schaltete die Schirmfelder auf verschiedene Abtastersysteme um, so dass der graue Hyperraum nur noch im linken oberen Feld sichtbar war. Die anderen Bildschirmteile zeigten Fernabtastungen des Normalraums und Radarbilder. Fast im gleichen Moment piepte die Sirene zum Schichtwechsel. Thomas trat seinen Platz an Suli Kulibos ab, Gabis Platz übernahm Leutnant Lawida, ein Sulukaner, Nora wechselte mit ihrer Kollegin Ansina, der Macromanier Wanrin übergab seinem Bruder Narwin den Platz des Waffenoffiziers. Die Abgelösten fuhren mit den beiden Turboliften in die unter der Brücke befindlichen Mannschaftswohnräume.

Gabi und Thomas hatten ihre Kabine direkt neben dem Liftschacht von Lift I, Nora und Wanrin nahmen den Lift II. Lautlos glitt die Lifttür zu, Thomas gab die mündliche Anweisung, zum Deck 2 zu fahren und der Lift setzte sich in Bewegung.

„Na, macht’s noch Spaß?“, erkundigte er sich bei Gabi und drückte ihr einen liebevollen Kuss auf die Wange.

„Es braucht Übung – und wenn man im Raum allein ist, bekommt man kein Gefühl dafür Radarsignale von Asteroiden von denen anderer Raumschiffe zu unterscheiden. Ich muss noch viel lernen“, erwiderte sie. Thomas grinste.

„Was grinst du so unverschämt?“

„Weil du noch vor drei Jahren Stein und Bein geschworen hättest, fremde Raumschiffe seien nichts als die Hirngespinste deines therapiebedürftigen Ehemannes.“

„Thomas! Das war vor drei Jahren!“, entrüstete sie sich.

„Ich find’s trotzdem lustig!“, kicherte Thomas amüsiert, umarmte sie und küsste sie wieder. Der Lift stoppte sanft, die Tür glitt auf und die Hansens traten auf den Kabinenflur.

„Wie oft muss ich dir noch sagen, dass es mir Leid tut?“, fragte sie. In ihrer Stimme schwang ein trauriges Zittern mit. Thomas schüttelte, nun wieder ernst, den Kopf.

„Gar nicht mehr. Das hast du gründlich getan, ist erledigt. Nein, ich finde es nur lustig, weil ich das“, er machte eine ausholende Handbewegung, „vor drei Jahren ja selbst nicht mal geglaubt hätte – obwohl ich immer von der Existenz außerirdischen Lebens überzeugt war. Aber dass ich mal selbst ein Raumschiff kommandieren würde, noch dazu das modernste der Flotte, nein, das habe ich auch nicht angenommen.“

Gabi öffnete die Kabinentür mit einem Handabdruck auf dem Sensorfeld neben der Tür, die leise aufglitt und trat in die großzügige Suite.

„Was hat Suli eben beim Schichtwechsel gesagt? Wann erreichen wir Amazonia?“, fragte Gabi

„In acht Standardstunden. Warum?“, gab Thomas zurück.

„Bleibst du bis zum Frühstück?“, erkundigte sie sich dann mit süßem Augenaufschlag. Thomas nickte lächelnd und nestelte an der Schwerkrafteinstellung der Kabine. Bei 0,75 G war die Liebe am schönsten …

Das Intercom summte leise, aber eindringlich. Noch leicht verschlafen, langte Thomas nach der Sprechtaste.

„Hansen hier. Was gibt’s?“

„Brücke, Leutnant Lawida“, meldete sich der Sulukaner. „Commander, wir haben Scannerkontakt mit drei Raumschiffen der Megara-Klasse. Wollen Sie selbst Funkkontakt aufnehmen?“

„Nein. Senden Sie unser Rufzeichen und wünschen Sie guten Flug.“

„Wir senden unser Signal, wird gemacht. Soll ich Sie informieren, wenn ich weiß, um wen es sich handelt?“

„Ja, bitte“, erwiderte Thomas, schaltete das Intercom ab und drehte sich wieder zu Gabi um. Sie lächelte mit geschlossenen Augen.

„Wenn’s nicht wahr wäre, würde ich das jetzt glatt für Star Trek, Raumpatrouille oder so was Ähnliches halten“, kicherte sie. Thomas strich ihr mit dem Zeigefinger sanft über die kecke Nase.

„Auf die Gefahr hin, dass du mir eine klebst: Seit wann interessierst du dich für Sciencefiction?“, fragte er.

„Ach, mein Schatz! Weißt du, ich kenne jemanden, der hat nicht eine Sendung zwischen zwei Sternbeobachtungen ausgelassen. Gezwungenermaßen habe ich es mir mit dir zusammen angesehen – und versucht, den Quatsch zu vergessen. Aber seit ich selbst durch den Raum gondle, habe ich mir die Videos beschafft und nach und nach ‘reingezogen.“

„Und? Immer noch Quatsch?“

„Nein, ich drohe, Trekkie zu werden“, lachte Gabi auf. Thomas umarmte sie und küsste sie.

„Warum haben wir uns eigentlich mal gestritten?“, fragte er.

„Weil ich so behämmert war, zu glauben, du seiest der Bekloppte“, gab sie flapsig zurück und erwiderte seinen Kuss. „Aber mit einem bin ich hundertprozentig sicher.“

„Und womit?“

„Dass Captain Kirk nicht so gut küsst wie du“, lachte sie.

Kapitel 6

Überraschungen

Das Intercom summte erneut. Thomas seufzte und öffnete den Kanal.

„Hansen?“, meldete er sich. Ausgerechnet jetzt musste Lawida ihn stören!

„Entschuldige, wenn ich dich störe, Thomas“, kam Kulibos’ Stimme aus dem Lautsprecher.

„Lawida hat die Schiffe identifizieren können. Es sind die Megara, die Lavona und die Buduka, alles Schiffe der früheren Sechsten Flotte, die nach deren Auflösung jetzt zur Vierten, Fünften und Neunten Flotte gehören – und die eigentlich gar nicht hier sein dürften. Lawida hat bei den Flotten nachgefragt, aber deren Chefs wissen nichts davon, dass die Schiffe sich vor Amazonia herumtreiben. Und noch was: Unsere Rufsignale werden nicht beantwortet! Hast du auch so ‘n blödes Gefühl?“

„Allerdings!“, schnaufte Thomas. „Wie ist der gegenwärtige Kurs?“

„Immer noch Amazonia. Warum?“

„Nein. In Bezug auf die Megaras?“, präzisierte der Terraner.

„Sie fliegen uns voraus, allerdings mit geringfügig geringerer Geschwindigkeit. Wir werden sie etwa beim Austritt aus dem Hyperraum einholen. Sie versperren uns den Weg, um es deutlich zu sagen.“

„Schön. Geh’ mit der Geschwindigkeit etwas ‘runter, damit wir sie nicht noch im Hyperraum rammen. Funk’ sie weiter an. Wie weit noch bis Amazonia?“

„Wir sind in zwei Standardstunden da.“

„Danke, bis nachher.“

Thomas schaltete das Intercom wieder ab und reckte sich.

„Gribor und Konsorten! Der hat mir gerade noch gefehlt!“, knurrte er.

„Ärger?“, fragte Gabi besorgt. Thomas zuckte mit den Schultern.

„Keine Ahnung, was der Kerl hier zu suchen hat. Ist schon merkwürdig, dass er mit drei Schiffen von der alten Sechsten Flotte hier ist und es eigentlich nicht sein dürfte“, erwiderte er, schwang die Beine aus dem Bett und ging duschen.

Wenig später war Thomas auf der Brücke. Die Phobos hatte den Hyperraum verlassen und reiste nun mit halber Impulskraft auf den noch etwas weniger als eine Lichtstunde entfernten Mond von WEGA 6 zu. Kwiri saß an der Funkanlage, Suli noch im Kommandantensessel.

„Na, was Neues von den Megaras?“, fragte Thomas. Suli schüttelte den Kopf.

„Nein. Da, sieh es dir an:“, sagte der Centaure und wies auf die rechte Hälfte des Brückenbildschirms. „Drei dicke Kugelraumer liegen uns wie malagrivische Eierquallen mitten in der Flugbahn, geben aber keinen Muckser von sich. Lawida hat humanoide Lebensformen abgescannt. Korrekterweise Deneber. Kwiri hat es schon in allen denebischen Dialekten versucht, aber sie schweigen verbissen. Dafür gehen sie immer weiter mit der Geschwindigkeit ‘runter, als ob sie uns blockieren wollen. Und sie sind so weit auseinander, dass wir sie nicht einfach überholen können. Durchfliegen würde ich nicht freiwillig empfehlen, weil wir dann zwischen sie geraten. Wer so beredt schweigt, plant nach meiner Überzeugung eine Teufelei“, erklärte Suli die Situation. Thomas nickte. Er sah Kwiri an, der nur nickte und weiter versuchte, Kontakt aufzunehmen.

„Ansina, berechne eine Looping-Flugbahn unter den Kugelraumern hindurch, die mit Hyperspace geflogen wird und eine Rematerialisierung fünfhundert Kilometer jenseits der Megaras ergibt“, wies Thomas die Pilotin an. Das fröhliche Lachen der Amazonierin zeigte, dass das schwungvolle Manöver ihren Intentionen entsprach.

„Kurs ist berechnet. Sprung in fünf Sekunden.“

„Narwin – alle Andruckabsorber volle Energie. Beim Rematerialisieren Energie auf die Deflektoren umleiten“, befahl Hansen. Der Macromanier bestätigte. Der Winzling, kaum vierzig Zentimeter groß, benutzte seinen langen, getigerten Schwanz, um an die entsprechende Taste zu kommen, die sich am oberen Ende seiner Konsole befand und für ihn trotz zwanzig Zentimeter langer, fünfgliedriger, äußerst beweglicher Finger nicht erreichbar war. Diverse andere Tasten, zu denen auch der muskulöse Schwanz nicht mehr reichte, betätigte er telekinetisch. Dass auch ihm das Manöver einigen Spaß machte, war deutlich am Beben seiner fledermausartigen Flügel zu erkennen.

Die Phobos vollführte – gesteuert von einer kühnen Amazonierin – eine Rolle rückwärts, verschwand für einige Sekunden in den Hyperraum, um an der geplanten Stelle zu rematerialisieren. Bei den Kugelraumern regte sich äußerlich nichts.

„Ich empfange Rufzeichen. Es ist die Megara“, meldete Kwiri.

„Gib es auf den Hauptschirm, aber lass die Hälfte des Schirms frei für das Geschehen im All“, wies Kulibos den Deneber an. Kwiri schaltete um. Auf der linken Hälfte des riesigen Frontschirms erschien das zornviolette Gesicht des Admirals Gribor.

„Schau an! Die sind ja doch nicht tot“, bemerkte Thomas süffisant.

„Identifizieren Sie sich auf der Stelle!“, fauchte Gribor in das Funkmikrofon.

„Das, werter Herr Admiral, versuchen wir seit zwanzig galaktischen Standardminuten auf allen Kanälen und in sämtlichen galaktischen Hauptsprachen einschließlich des binären Droidencodes. Unsere Funkanlage ist nagelneu und für in Ordnung befunden. Also – an uns hat’s nicht gelegen“, erwiderte Thomas kalt.

„Wer sind Sie? Identifizieren Sie sich oder wir zerstören Sie!“, keifte Gribor. Thomas wurde stocksteif – Zeichen für nur noch mühsam beherrschten Zorn. Er hielt sich an Kulibos’ Sessel fest.

„Hier ist das Föderationssternschiff Kleiner Kreuzer Phobos von der Achten Interstellaren Flotte, Kennung C 9660 unter dem Kommando von Commander Thomas Hansen. Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass wir im Auftrag des Galaktischen Rates und des Oberkommandos der Interstellaren Flotten der Föderation dieses Schiff testen. Und jetzt hätte ich gern Ihre Identifikation, damit ich weiß, wo ich mich über wen beschweren kann!“, zischte Thomas zornig.

„Aber, aber! Commander Hansen, warum so grantig?“, grinste Gribor süffisant. „Die ungewöhnliche Form Ihres Schiffes hätte uns fast an Eindringlinge aus dem Lukanischen Imperium glauben lassen. Was treiben Sie so fern von Ihrer Basis?“

„Das sagte ich bereits: Wir befinden uns auf einem Testflug. Im Übrigen scheinen Sie unter Amnesieanfällen zu leiden. Oder haben Sie schon vergessen, dass Sie selbst dieser Mission im Rat zugestimmt haben, Admiral?“

„Meine Güte, muss die Föderation heruntergekommen sein, dass jetzt schon Ratsmitglieder die Flottenschiffe einfliegen müssen, statt sich um ihre eigentlichen Aufgaben zu kümmern“, spritzte Gribor Gift, ohne auf Thomas’ Bemerkung einzugehen, dass er sehr wohl um die Flugroute der Phobos wusste. Der Terraner seinerseits überging den ätzenden Spott des denebischen Admirals.

„Und was treiben Sie hier, Admiral?“, fragte er.

„Ich fliege spazieren. Was dagegen?“, entgegnete Gribor. Thomas grinste.

Ich vielleicht weniger als Ihre Vorgesetzten in den Flotten, bei denen diese drei Schiffe eigentlich sein sollten. Die haben nämlich keine Ahnung gehabt, dass Sie hier sind.“

Gribors spöttische Miene wich wütender Blässe

„Es gibt Wesen, die wissen entschieden zu viel, Commander!“, gab Gribor blassgrün zurück. „Aber mir sind bisher noch mehr Ausreden eingefallen, als Sie beschränkter Erdling sich träumen lassen.“

„Kann sein. Aber hier sind auch noch ein paar Deneber an Bord, die sich gewisslich mit Ihrer Intelligenz messen können und gewisse Begründungen als Ausreden identifizieren werden, Herr Admiral. Ich wünsche fröhliche Heimkehr zum Disziplinarverfahren“, beendete Thomas das Gespräch. Der Bildschirm erlosch, Lawida schaltete die dunklen Felder zum Raumbild zu.

„Vorsicht, Thomas. Jetzt ist er wütend“, warnte Kwiri.

„Der Energiescanner registriert an den Pol-Impulskanonen der Megara erhöhte Energiekonzentration!“, warnte Lawida.

„Narwin: Volle Energie auf die Frontaldeflektoren!“, befahl Thomas. „Langsame Fahrt – ein Achtel Impulskraft – in Richtung Amazonia“, wies er die Pilotin an. Narwin und Ansina bestätigten und führten die Kommandos aus.

„Streitsucht kann man dir nicht nachsagen“, grinste Suli.

„Es sind Föderationsschiffe, Suli“, erinnerte Thomas sanftmütig. „Und außerdem hat Luk-Sun schon Recht: Mit Lasergeschützen im Weltraum herum blitzen ist kein Computerspiel“, setzte er hinzu. Das Impulsgeschütz am Nordpol der Megara zeigte das charakteristische Aufglühen kurz vor dem Schuss.

„Tarnschirm!“, befahl Thomas. „Schiffsverlagerung um vier Schiffslängen nach Backbord!“

Ansinas Finger glitten eilig über die Steuerkonsole. Sie bestätigte den Befehl erst, als sie ihn ausgeführt hatte.

„Feuer!“, befahl Admiral Gribor auf der Brücke der Megara. Sein Waffenoffizier bestätigte und drückte eine Reihe von Knöpfen. Ein armdicker grüner Strahl konzentrierten Lichtes stand mitten im All, aber Bruchteile von Sekunden früher verschwand die Phobos vor den verblüfften Augen der Besatzungen von Gribors kleiner Flottille. Der grüne Strahl verschwand in der Leere des Alls.

„Verdammt! Sie ist weg!“, fluchte der Waffenoffizier.

„Massetaster aktivieren!“, befahl Gribor grimmig. „Ist er noch da oder ist er in den Hyperraum abgehauen?“

„Aus dem Stand kann das nicht mal die Phobos, Admiral“, gab der Waffenoffizier zu bedenken und suchte den Raum mit dem Massetaster ab, einem Gerät, das im Weltraum befindliche Masse ortete. „Sie muss irgendwo da draußen sein, aber ich habe nicht mal was auf dem Massetaster. Nur die anderen beiden Schiffe.“

„Kann doch nicht sein!“, schnauzte Gribor. „Sehen Sie gefälligst gründlich nach!“

Doch so sehr der Waffenoffizier auch suchte, die Phobos blieb hartnäckig verschwunden.

„Offensichtlich kann unsere neue Raumschiffsgeneration doch aus dem Stand in den Hyperraum springen!“, knurrte der Admiral. Ein böser Blick traf den Waffenoffizier, der nur hilflos mit den Schultern zuckte.

„Nein!“, wagte er zu widersprechen. „Sie ist dafür nicht konzipiert!“

Nur Augenblicke später bereute der Offizier seine Widerworte bitter. Gribor streckte seine behandschuhte Hand nach dem Waffenoffizier aus. Obwohl der Deneber mindestens vier Meter von Gribors Hand entfernt saß, schnappte er plötzlich nach Luft, fuhr sich mit den Händen an die sich immer beengter anfühlende Gurgel.

„Nein! Nicht!“, japste er verzweifelt, aber er konnte dem mentalen Griff nicht entkommen.

„Wenn sie nicht im Hyperraum ist, wo ist sie dann?“, fauchte der Admiral.

„Ich … ich weiß es nicht“, gurgelte der Waffenoffizier. Mit einer wegwerfenden Geste entließ Gribor den misshandelten Deneber aus seinem mentalen Würgegriff. Der Offizier sank leblos auf seine Konsole. Bleich und verängstigt sahen die anderen Brückenoffiziere Gribors an. Es waren seine mentalen Kräfte, die seine Leute so fürchteten und die ihm absolute Kontrolle über sie verliehen. Gribor fühlte sich etwas besser, nachdem er seinen Zorn an seinem Waffenoffizier ausgelassen hatte, aber wenn er an seinen Erzfeind Kwiri Swin dachte, der gegen seine mentalen Kräfte immun war oder an Thomas Hansen, diesen eingebildeten Erdling, der nach Gribors Meinung viel zu dumm war, um diese wundervollen Kräfte gegen sich wirken zu spüren, dann packte den Admiral erneut helle Wut.

„Verdammt! Ich will wissen, wo diese fliegende Untertasse abgeblieben ist!“, wetterte er. Aber weder seine eigenen Brückenoffiziere noch die Besatzungen der anderen beiden Kugelraumer konnten sie finden. Die Phobos war einfach weg!

„Neuer Kurs, Admiral?“, fragte der Steuermann vorsichtig an, als Gribor den Abflug befahl.

„Treffpunkt Hyp 4!“, befahl Gribor knurrend. „Sprung in den Hyperraum, sobald halbe Impulsgeschwindigkeit erreicht ist.“

„Sie nimmt wieder Fahrt auf!“, meldete Leutnant Lawida, der die passive Geschwindigkeitsanzeige nicht aus den Augen gelassen hatte, seit Ansina auf Thomas’ Anweisung den Diskuskreuzer getarnt an eine der Luftschleusen der Megara angedockt hatte, ohne den Druckausgleich auszulösen. Thomas nickte.

„Achtung, Ansina! Wenn sie halbe Impulsgeschwindigkeit erreicht hat, häng’ uns ab“, wies er die Amazonierin an.

„Sie werden uns dann gleich im Massetaster haben!“, warnte sie, während sie da Abdocken vorbereitete.

„Weiß ich“, erwiderte Thomas. „Aber Gribor springt für gewöhnlich bei halber Impulsgeschwindigkeit in den Hyperraum. Er – besser seine Raumüberwachung – wird nur den gewöhnlichen Ausschlag auf dem Massetaster sehen, den das Gerät beim Übergang in den Hyperraum immer macht.“

Ansina brummte anerkennend, Gabi, die bei Lawida an der Überwachungskonsole saß, lächelte.

„Warum lächeln Sie so, Frau Hansen?“, fragte der Sulukaner.

„Ihnen kann ich doch nichts vormachen, Leutnant Lawida. Als Sulukaner müssten Sie in meinen Gedanken wie in einem offenen Buch lesen können.“

Lawida grinste freundlich.

„Theoretisch schon – wenn ich mich auf Sie konzentriere. Das habe ich nur eben nicht getan, weil ich mit meinen Instrumenten beschäftigt war“, versetzte er. „Also?“

„Ich muss lächeln, weil sich für meinen Mann sein Interesse an dem, was wir auf Terra Sciencefiction nennen, richtig ausgezahlt hat“, antwortete Gabi. Lawida lächelte versonnen.

„Die Idee, den Terranern das Leben in der Galaxis auf diese Weise nahe zu bringen war einer der genialsten Einfälle meines Großvaters.“

Gabi sah ihn verblüfft an.

„Wie war Ihnen das möglich?“, fragte sie.

„Oh, wir können nicht nur Gedanken lesen, wir können auch Erkenntnisse weitergeben. Bei Terranern hat das erst funktioniert, als das Medium Buch jedermann zugänglich war. Noch besser klappt es, seit es bewegte Medien wie Film und Fernsehen gibt. Davor haben wir das Leben der Menschen riskiert, die unsere Erkenntnisse empfangen und weitergegeben haben.“

Gabi schauderte es. War etwa alles, was Menschen sich ausdachten, gar nicht deren geistiges Eigentum, sondern eingeimpft von fremden Intelligenzen? Sie nahm sich vor, den Sulukaner bei Gelegenheit danach zu fragen, aber einstweilen war Lawida beschäftigt.

Ansina verfolgte ebenso wie Lawida den passiven Geschwindigkeitsmesser.

„Halbe erreicht!“, meldete sie.

„Anker los!“, befahl Thomas. Ansina betätigte die Taste, die Phobos löste sich mit einem kurzen Rückstoß aus zwei Steuerdüsen von der Megara, die fast im selben Moment mit den anderen Kugelraumern in den Hyperraum entmaterialisierte. Suli Kulibos grinste spitzbübisch.

„Woher kennst du diesen Trick?“, fragte er einen sichtlich erleichterten Thomas Hansen.

„Wenn Kwiri nicht geschwindelt hat, wissen wir über euch und eure Techniken durch Sci-fi-Filme ganz gut Bescheid. Und in einem dieser Filme wurde dieser Kniff vorgestellt. Ansina, Kurs Amazonia. Hoffen wir mal, dass Gribor uns bei Silna Karama nicht zuvorgekommen ist.“

„Hast du Grund, das zu vermuten?“, erkundigte sich Kulibos.

„Er hat immerhin schon versucht, uns daran zu hindern, nach Amazonia zu kommen. Mir ist nicht wohl bei der Tatsache, dass Gribor den Zweck und die Route unseres Fluges kennt“, gab Thomas zurück.

„Nicht auszuschließen. Willst du jetzt übernehmen? Wir sind in einer Stunde im Orbit von Amazonia“, bot Kulibos an. Thomas nickte, nahm im Kommandantensessel Platz und gab eine Codierung in die Sensortastenschaltung des Sesselservos ein, der sich daraufhin auf Thomas’ Maße umschob.

 

 

Kapitel 7

Lehrstunde

Pünktlich eine galaktische Standardstunde später schwebte die Phobos in einem geostationären Orbit über Amazonia. Nora Rosok und Kwiri Swin waren mit dem Verbindungsshuttle zur Oberfläche unterwegs, um Silna Karama abzuholen. Der Shuttle wurde auf dem Hauptschirm schnell kleiner, während Leutnant Lawida den Schwingungszustand des Anwida-Systems überprüfte. Er machte ein sorgenvolles Gesicht.

„Und?“, fragte Thomas. Lawida seufzte tief.

„Es könnte schief gehen, Commander“, sagte er.

„In welcher Weise?“, hakte Thomas nach.

„Nun“, sagte der Sulukaner, „die Schwingungsgeschwindigkeit ist nicht konstant. Sie ist an den Extrempunkten am geringsten, im Mittelpunkt am höchsten. Noch hat das Anwida-System den Mittelpunkt nicht überschritten, also nimmt die Geschwindigkeit zurzeit noch zu. Anhand der Werte würde ich schätzen, dass wir noch maximal zehn Standardtage haben, bis das Anwida-System das Föderationsgebiet verlässt.“

Thomas pfiff leise.

„Verflixt knapp“, murmelte er.

„Vor allem, wenn man berücksichtigt, dass die Abbremsung langsam erfolgen muss. Sonst zerreißt es die Sonne. Was dann passiert, muss ich nicht näher erläutern, oder?“, setzte Lawida hinzu.

Thomas und Gabi Hansen schüttelten vereint den Kopf.

„Nein, wahrlich nicht! Verdammt, das ist zu knapp!“, knurrte er leise.

Wenig später öffnete sich die Lifttür und Silna Karama trat mit Kwiri und Nora ein.

„Willkommen an Bord, Frau Karama. Ich danke Ihnen nochmals, dass Sie sich bereiterklärt haben, uns zu helfen.“

„Na ja, ich würde es überredet nennen, Commander.“

„Gerade deshalb danke ich Ihnen auch so besonders. Haben Sie die Gerätschaften dabei, die Sie für die Arbeit mit dem Schwingungsunterbrecher benötigen“, erkundigte sich Thomas. Die ältere Amazonierin lächelte kühl.

„Mein Kopf ist auf den Schultern zum Glück festgewachsen – und mehr brauche ich nicht“, versetzte sie. „Ich habe das Gerät zusammen mit Loka Filena entwickelt“, fügte sie herablassend hinzu. Thomas zog spöttisch eine Augenbraue hoch. Es war ein Gesichtsausdruck, der zwar die Achtung vor der wissenschaftlichen Leistung ausdrückte, aber genauso die Ablehnung von Silnas Hochnäsigkeit beinhaltete.

„Das ist mir bekannt, Frau Karama“, erwiderte Thomas, nicht weniger kühl.

Die Amazonierin spürte, dass sie zu weit gegangen war.

„Wünschen Sie, dass ich Ihnen und Ihrer Crew die Arbeitsweise des Generators erläutere, Commander?“, lenkte sie ein.

„Dafür wäre ich Ihnen dankbar. Es wären wertvolle Erkenntnisse für uns“, erwiderte der Terraner. Thomas übergab das Kommando an Kwiri und bat die gesamte Mannschaft der Freiwache in die Mannschaftsmesse.

Silna fütterte den Hologrammcomputer mit den notwendigen Präsentationsdaten. Als sie fertig war, war auch die Mannschaft außer den zur Flugbedienung unbedingt erforderlichen Personen vollzählig versammelt. Suli Kulibos löschte das Licht, der Hologrammcomputer entwarf ein dreidimensionales Bild eines fiktiven Sonnensystems mit vier Planeten und fünfzehn Monden. Im Abstand einer Lichtminute leuchtete ein roter Punkt, der sich – im Gegensatz zu den Planeten – nicht auf einer Kreisbahn um die Sonne bewegte.

„Dies hier ist ein Sonnensystem, das so nicht existiert. Der rote Punkt stellt den Schwingungsunterbrecher dar. Es handelt sich dabei genau genommen um ein Raumschiff, das mit starken Strahlungsschirmen versehen ist und seine aus ein bis zehn Wesen bestehende Besatzung gegen jegliche Abstrahlung einer Sonne schützen kann, wobei es natürlich auf den Abstand zur Sonne ankommt. Auf den Abstand kommt es auch bei der eigentlichen Wirkung des Unterbrechers an. Er hängt von der Größe und dem Energiepotenzial der abzubremsenden Sonne ab. Bei dieser Sonne hier – Größenklasse 5 – genügt eine Lichtminute. Bei der Sonne Anwida, die ein Stern der Größenklasse 3 ist, benötigen wir einen Abstand von vier Lichtminuten. Mithilfe von Strahlungsabsorbern wird die Energie der Sonne gegen sich selbst gekehrt, die damit einer gegengerichteten Gravitation ausgesetzt wird. Praktisch gesehen wird der Sonne die zum Abbremsen nötige Energie entzogen.

Diese Energieumsetzung muss langsam erfolgen, sonst besteht die Gefahr, dass der Sonne zu schnell zu viel Energie entzogen wird. Das hätte zwei mögliche Konsequenzen: Erstens dass die Sonne zur Nova wird – das würde bedeuten, dass die Planeten eines Systems ausglühen würden. So etwas Ähnliches ist im Zweiten Galaktischen Krieg bei Brawida geschehen. Zweitens könnte ein übermäßiger, zu schneller Energieabfluss schlicht zum Erkalten der Sonne führen. Das würde zum Ausfrieren der Planeten führen. Beide Möglichkeiten sind nicht sehr erstrebenswert. Also muss das richtige Maß der Energieumsetzung gefunden werden. Das ist abhängig von der Gesamtmasse des Sonnensystems und der Energieabgabe der Sonne – aber auch von der Geschwindigkeit, mit der das System schwingt.

Wenn Sie ein praktisches Beispiel brauchen, dann lässt sich das wie folgt erklären: Stellen Sie sich vor, Sie binden sich einen Strick um den Leib, werfen das andere Ende über einen querhängenden Ast und wollen sich selbst hochziehen. Dabei wenden Sie Ihre eigene Kraft gegen Ihr Körpergewicht an. Sie werden sich also langsam hoch hieven. Wenn Sie sich jetzt vorstellen, dass Sie nicht am Boden stehen, sondern von irgendwo herunterfallen, also eine gehörige Geschwindigkeit haben, gerade noch ein Seil über einen vorstehenden Fahnenmast werfen können, dann müssen Sie eine viel höhere Kraft gegen ihr Gewicht anwenden, weil zur Masse eben noch Geschwindigkeit kommt. Im Extremfall kann es dann geschehen, dass Ihre Kraft nicht ausreicht – Sie fallen also weiter, weil Sie das Seil nicht halten können. Oder ihre Kraft langt zwar, aber das Seil ist nicht stark genug und reißt – also fallen Sie ebenfalls weiter. Ist das so verständlich?“, führte die ehemalige Universitätsprofessorin aus. „Gut, ich sehe, das haben Sie begriffen“, fuhr sie dann fort, als sie allgemeines Nicken in der Messe bemerkte. Sie schaltete das Hologramm um. Statt des fiktiven Systems erschien das Anwida-System mit einem Planeten und einem Mond.

„Beziehen wir das nun auf das Anwida-System: Hier haben wir das Problem einer zunehmenden Geschwindigkeit, solange das System noch nicht die Hälfte des Schwingungsweges überschritten hat. Danach nimmt die Geschwindigkeit wieder ab. Setzen wir den Unterbrecher zum falschen Zeitpunkt ein, wird der Stern kollabieren und zur Nova werden oder der Unterbrecher hält dem gewaltigen Energiefluss nicht stand – siehe Seil, das reißt – und wird zerstört. Abgesehen von den Wesen, die dann im Unterbrecher verglühen, geschieht vordergründig nicht viel, aber tatsächlich wird die Geschwindigkeit der Schwingung noch zunehmen und das System letztlich so weit in das Gebiet der Großen Leere hineinwerfen, dass die Gravitationskräfte des Galaxisarms nicht ausreichen, um das Anwida-System wieder zurückzuführen. Das Anwida-System würde in der Großen Leere zwischen den Galaxisarmen hängen bleiben – und damit auf dem Gebiet des Imperiums“, schloss Silna ihren Vortrag. „Gibt es dazu noch Fragen?“, erkundigte sie sich dann. Thomas meldete sich.

„Commander Hansen?“

„Was – meinen Sie – könnte man tun, um die negativen Folgen zu verhindern?“, fragte der Terraner.

„Wie gesagt: Der Energiefluss muss langsam wirken können. Der Unterbrecher darf also nicht mit voller Kraft arbeiten. Das könnte aber bedeuten, dass der Pendelweg nicht mehr im Bereich der Föderation unterbrochen werden kann.“

„Wann müsste dann der Unterbrecher spätestens eingesetzt werden, um das System auf der Seite der Föderation zu halten?“, fragte Thomas weiter.

„Wenn Sie mir die genaue derzeitige Position des Anwida-Systems, die Extrempunkte der Schwingung, die Systemmasse und die Energiedaten der Sonne geben, sage ich Ihnen innerhalb einer Standardstunde, ob es noch zu schaffen ist oder nicht“, bot die Amazonierin an. Thomas sah Lawida an, der neben ihm saß.

„Haben wir die Daten?“

Lawida bejahte.

„Geben Sie sie Frau Karama“, forderte er den Raumüberwachungsoffizier auf, der auch gleich reagierte und aus seinem Handcomputer die geforderten Daten abrief. Silna Karama erbat sich Ungestörtheit und begann sofort mit der Berechnung, als sie in der Messe allein war.

Pünktlich, eine galaktische Stunde später, meldete sich die Amazonierin bei Thomas:

„Ich habe die Berechnung fertig, Commander.“

Der Ton, in dem sie es sagte, klang sorgenvoll.

„Und was ergibt Ihre Berechnung?“, erkundigte sich Hansen.

„Uns bleiben drei galaktische Tageseinheiten“, keuchte die Wissenschaftlerin. Thomas spürte, wie seine Innereien rebellieren wollten.

„Drei Tage? Das ist verdammt wenig!“, entfuhr es ihm.

„Das ist nicht wenig, Commander, das ist zu wenig!“, versetzte Silna. „Wir brauchen zwei Tage, bis wir das Anwida-System erreichen. Selbst, wenn uns keiner behindert, ist es noch schwer genug. Ich kenne die genaue Position des Unterbrechers nicht. Wir müssen ihn erst suchen, finden und aktivieren.“

„Wenn Ihre Kollegin das noch nicht getan hat“, bemerkte Thomas.

„Schön, dass Sie die Hoffnung noch haben, Commander. Ich jedenfalls versuche seit vier Tagen vergeblich, Loka Filena zu erreichen. Ich fürchte fast, dass ihr etwas zugestoßen ist“, gab Silna zurück. Thomas sprang auf und rief die Brücke an, wo Kwiri Swin die Schicht führte.

„Kwiri – wie ist unsere Position?“

„Wir haben noch fünf Lichttage bis Galoba. Bei der gegenwärtigen Geschwindigkeit erreichen wir das System in drei galaktischen Tageseinheiten“, antwortete Kwiri prompt.

„Silna hat eben ihr Berechnungsergebnis genannt. Drei Tage bleiben uns insgesamt noch, um die Katastrophe zu verhindern! Und zwar einschließlich der Suche nach dem Unterbrecher! Bitte, Kwiri, lass Höchstgeschwindigkeit fliegen. Hol’ alles ‘raus, was in ihr steckt!“

„Wird gemacht, Thomas. Wir sind in zwei Tagen an Ort und Stelle“, bestätigte Kwiri und gab Pela, der amazonischen Pilotin seiner Schicht, die Anweisung, mit Höchstgeschwindigkeit den kürzesten Kurs nach Galoba zu fliegen.

 

Kapitel 8

Sabotage

Wie von Kwiri angekündigt, erforderte die Reise nach Galoba einen Hyperraumflug von zwei galaktischen Standardtagen. In dieser Zeit rechnete niemand mit weiteren Behinderungen und so blieb nur die Rumpfbesatzung auf Wache, die unbedingt für den Flugbetrieb erforderlich war. Thomas hatte mit Kwiri und Suli abgemacht, dass Leutnant Lawida als Erster Offizier das Schiff führen sollte, wenn Thomas selbst Freiwache hatte. Kwiri und Suli hatten nichts dagegen, zumal Lawida später ohnehin den Posten des Ersten Offiziers auf der Phobos erhalten sollte.

Seine Freiwachen verbrachte Thomas mit Gabi und fand es eine gute Idee der Drehbuchautoren der Star-Trek-Serie, dass sie bei der Reihe der Nächsten Generation die Familien der Raumreisenden mit an Bord genommen hatten. Zwar war die Phobos kein Forschungsschiff, das über Jahre hinweg autark im Raum operieren sollte, aber das musste ja nicht am Träumen hindern … Thomas konnte sich gut vorstellen, künftig mit seiner Frau zusammen durch den Weltraum zu reisen.

„Woran denkst du?“, störte ihn Gabis sanfte Stimme aus seinen Träumen auf.

„Wie schön es wäre, wenn du nicht nur diese eine Reise mitmachen würdest“, antwortete er. „Guten Morgen, übrigens“, setzte er dann hinzu und küsste sie.

„Guten Morgen“, lächelte Gabi und strich ihm über die stoppelige Wange. „Deinem Lächeln nach zu urteilen, bist du richtig in deinem Element, Captain Kirk“, neckte sie. Thomas lachte leise.

„Captain Kirk, Commander McLane, General Solo – was immer du willst, mein Schatz!“, kicherte er. „Von mir aus auch Captain Future.“

„Kommt dir das nicht wie die Erfüllung all’ deiner Kinderträume vor?“

„Schon, aber diese Träume werden jetzt zum Teil auch zu ganz realen Gefahren – siehe Amazonia. Ich habe gemerkt, dass Laserlöcher im Fell recht schmerzhaft sein können. Das bremst die Euphorie etwas, ist aber auch gesünder. Es ist einfach kein Computerspiel, mit Laserwaffen im Weltall herumzufuchteln. Dieses Schiff hat gegenüber der alten Klasse der Kleinen Kreuzer zwar wesentlich verbesserte Deflektoren, aber wenn wir Großraumern wie der Megara, der Solterra oder einem imperialen Sternzerstörer vor die Impulskanonen fliegen, sehen wir alt aus“, erwiderte er ernst.

Gabis Hand vergrub sich sanft kraulend in seinem Haar. Niemals zuvor hatte Thomas von einer beruflichen Aufgabe mit so viel Ernst gesprochen. Gabi wurde klar, dass Thomas für Reisen durch den Raum geboren war. Sein früheres Leben hatte ihn mit unangenehm schweren Ketten an die Erde gefesselt. Er war unglücklich gewesen, solche Reisen nur in seiner Fantasie unternehmen zu können. Sie begann zu verstehen, warum er zugegriffen hatte, als man ihm die Chance geboten hatte, ein eigenes Raumschiff zu kommandieren.

„Von der Solterra dürfte eigentlich keine Gefahr drohen“, bemerkte sie schließlich.

„Nein, gewiss nicht „bestätigte er. „Aber von jedem Schiff der ehemaligen Sechsten Flotte. Gribor betrachtet mich als seinen persönlichen Feind – und alle, die sich zu meinen Freunden rechnen, ebenso. Alle Schiffe dieser Piratenflotte haben sehr viel stärkere Geschütze als die vergleichbarer Modelle der Föderationsflotte. Die Solterra ist ein Schiff der Megara-Klasse, aber der Megara waffentechnisch hoffnungslos unterlegen. Unsere Deflektorschilde halten von der nicht mehr als drei Treffer aus – aber dann ist der Großteil der Außenhaut Schrott. Siehe Persischer Golf.“

Gabi kam erschrocken hoch.

„Heißt das, das war nur ein einziger Schuss?“, fragte sie entsetzt. Thomas strich ihr lächelnd eine Haarsträhne aus der bleich gewordenen Stirn.

„Allerdings“, sagte er leise. „Zehn von solchen Schüssen hätten die Erde zerrissen. Der Strahl, der den Raum beleuchtet hat, hat mich davon überzeugt, dass es die Impulskanone der Megara war, die Millionen von Lebewesen ausgelöscht hat.“

„Oh, Gott im Himmel! Gut, dass du mir das jetzt erst sagst. Sonst hätte ich vor Angst einen Schreikrampf bekommen.“

„Tu mir das nicht an. Wenn du auch als Zivilist hier an Bord bist, brauche ich dich doch nüchtern an deinem Pult“, bat Thomas.

„Dann bete, dass ich dem Druck standhalte. Ich habe keine Ahnung gehabt, dass uns jemand daran hindern will, nach Galoba zu kommen. Sonst hätte ich nicht mitwollen. Ich bin für Gefahren nicht geschaffen, Tommy“, schnaufte Gabi.

„Gewusst habe ich das auch nicht. Glaub’ mir: Risiken gehe ich nicht bewusst ein. Dafür hänge ich selbst zu sehr am Leben. Und dich würde ich nie freiwillig einem Risiko aussetzen. Ich habe zu lange auf dich verzichten müssen.“

„Nun, jetzt ist wohl klar, dass jemand Interesse daran hat, dass der Dritte Galaktische Krieg ausbricht. So, wie ich Gribor einschätze, wird er es noch mal versuchen. Was wirst du dann tun?“, fragte Gabi. Sie legte sich wieder hin und kuschelte sich dicht an Thomas. Nie zuvor war ihr bewusst geworden, wie wunderbar warm sein Körper war.

„Zugegeben, ich weiß es noch nicht“, gestand er. „Ich hoffe, dass ich rechtzeitig die richtige Idee habe – oder dass Kwiri oder Suli mir einen entscheidenden Tipp geben oder mich notfalls des Kommandos entheben.“

„Ich hab’ Angst“, flüsterte Gabi.

„Ich auch – vor allem vor Gribor und Konsorten.“

Gabi wollte etwas erwidern, als ein Ruck durch das Schiff ging, das Maschinengeräusch sich stark veränderte und darauf hindeutete, dass die Phobos den Hyperraum verlassen hatte. Verblüfft sah Thomas auf die Uhr. Es waren noch fast zehn Standardstunden bis Galoba. Eigentlich hätte das Diskusschiff noch mit Überlichtgeschwindigkeit fliegen sollen. Thomas drehte sich um und drückte auf die Intercomtaste.

„Hansen an Brücke. Leutnant Lawida, was soll das? Sind wir schon im Orbit von Galoba?“, fragte er ärgerlich.

„Guten Morgen, Chef. Schön wär’s, wenn wir dort wären. Bedaure, ich habe keine Ahnung, weshalb wir auf Unterlicht gegangen sind.“

„Schon den Maschinenraum befragt?“

„Nein, Gaul. Sie haben meine halb gedrückte Taste leider unterbrochen.“

„Schön, dann fragen Sie. Und fliegen Sie möglichst bald mit Überlicht weiter“, wies Thomas den Ersten Offizier an.

„Wird gemacht. Ich informiere Sie weiter.“

Thomas trennte die Verbindung und ließ sich in sein Kissen zurückfallen.

„Hast du auch so ‘n blödes Gefühl in der Magengrube?“, fragte er Gabi. Sie war ganz blass und zitterte.

„Allerdings“, bestätigte sie zähneklappernd. Thomas zog sie an sich.

„Verflixter Blechsarg!“, murmelte sie.

Im gleichen Moment piepte das Intercom.

„Brücke an Commander Hansen. Ich habe mit Leutnant Decker gesprochen. Das Hyperraumtriebwerk hat selbsttätig abgeschaltet. Er hat im Moment keine Erklärung dafür und sucht nach dem Fehler. Vorläufig fliegen wir mit höchster Impulsgeschwindigkeit weiter. Ich habe hier auf dem Mittelstreckenscanner allerdings etwas sehr Unangenehmes. Sieht beinahe wie ein imperialer Sternzerstörer aus.“

„Wie ist unsere Position?“, erkundigte sich Thomas.

„Eine gute Lichtstunde entfernt, aber er kommt schnell näher. Wenn er Geschwindigkeit und Kurs beibehält, hat er uns in etwa zehn Minuten erreicht.“

„Hat er uns schon in seinem Sensorenbereich?“

„Schlimmer noch. Ich registriere ein Tastersignal! Zum tarnen ist es zu spät“, erwiderte der Sulukaner.

„Aktivieren Sie die Deflektorschilde. Ich komme ‘rauf!“, gab Thomas zurück und sprang aus dem Bett. „Und ich hatte mich so auf ‘ne ruhige Kreuzfahrt gefreut!“, seufzte er.

Thomas und Gabi, die es allein in ihrer gemeinsamen Kabine nicht ausgehalten hätte, betraten kaum fünf Minuten später die Brücke.

„Wo sind wir?“, fragte Thomas.

„Auf jeden Fall da, wo wir besser nicht wären“, schnaufte Lawida und schaltete den Hauptschirm um. Ein riesiger Sternzerstörer der imperialen Raummarine befand sich in der bedrohlichen Nähe von nicht einmal hundert Kilometern Abstand. Offenbar hatte das imperiale Schiff zunächst die Geschwindigkeit noch erhöht und jetzt der der Phobos angepasst.

„Er funkt die ganze Zeit. Bis jetzt habe ich mich eisern in Schweigen gehüllt.“

Thomas nickte

„Lassen wir ihn noch ein paar Sekunden schmoren.“

Er drückte die Intercomtaste auf der rechten Armlehne des Kommandantensessels.

„Brücke an Maschinenraum. Lewis, was habt ihr finden können?“,

„Was ganz Merkwürdiges, Chef. Ich habe die Steuereinheit auseinander genommen und was finde ich da? Einen Transponderchip, der da nach den Bauplänen einfach nicht hineingehört. Ich baue ihn aus und probiere dann, den Hyperraumantrieb neu zu starten.“

„Gut. Oh, übrigens: Sind die Magnesiumkammern klar?“

„Sicher. Warum?“

„Weil wir Begleitung von einem Sternzerstörer haben, der uns mit einem Happs verschlingen könnte wie einst der Walfisch den biblischen Jonas. Möglicherweise müssen wir eine Explosion vortäuschen. Sobald du einen Ruck bemerkst, den du nicht selbst im Maschinenraum auslöst, zündest du die oberen und unteren Kammern des mittleren Rings und tarnst das Schiff. Verstanden?“

„Verstanden“, bestätigte Decker.

Thomas atmete tief durch.

„Okay. Und dann versetzt du den Kreuzer um vierzig Kilometer nach vorn. Klar?“

„Roger, Chef“, bestätigten Decker.

„Gut. Lawida, gib den Funk auf den halben Hauptschirm.“

Lawida räumte den Kommandantensessel, setzte sich wieder an seine Überwachungskonsole und schaltete um, als Thomas Platz genommen hatte. Zunächst blieb die eine Hälfte des Hauptschirms noch dunkel

„… Salmanda! Identifizieren Sie sich oder wir zerstören Sie!“

„Hallo, Salmanda? Können Sie uns verstehen?“, fragte Lawida.

„Hier Sternzerstörer Salmanda. Ja, wir verstehen Sie. Identifizieren Sie sich oder wir zerstören Sie!“

„Zerstörer Salmanda, hier ist der Kleine Kreuzer Phobos, Kennung C 9660, Achte Interstellare Flotte der Galaktischen Föderation. Ich bin Commander Thomas Hansen, Kommandant dieser Einheit. Wir hatten leider ein kleines Problem mit unserem Funkgerät. Ich darf Sie um ordnungsgemäße Identifikation bitten.“

Das Visio im Hauptschirm flammte auf und das harte Gesicht eines imperialen Offiziers erschien, der ganz offensichtlich ein Mensch weißer Hautfarbe war.

„Hier ist der Sternzerstörer Salmanda, Kennung D 95751 der Eliteflotte der imperialen Interstellaren Marine. Ich bin Commander Mandon. Commander Hansen: Ich fordere Sie zur Kapitulation und zur Übergabe Ihres Schiffes auf.“

Thomas schluckte einmal heftig.

„Ich glaube, ich habe Sie nicht richtig verstanden, Commander Mandon. Habe ich Übergabe und Kapitulation gehört?“, erkundigte Thomas sich mit erzwungener Frechheit.

„Ja, das haben Sie völlig korrekt verstanden.“

„Darf ich fragen, aus welchem Grunde? Ich meine, habe ich den Ausbruch des Dritten Galaktischen Krieges verschlafen?“

„Was Sie alles verschlafen, ist mir egal. Ergeben Sie sich!“, forderte der imperiale Commander schon lauter.

„Ich sehe keine Veranlassung dazu. Nach meiner Positionsanzeige befinden Sie sich mit Ihrem netten Zerstörer einige Lichtjahre auf dem Gebiet der Föderation. Woher also nehmen Sie die Legitimation, um nicht Frechheit zu sagen, für die Forderung, diese Einheit solle sich ergeben?“, fragte Thomas weiter. Der Imperiale schnaufte schon gereizt.

„Commander Hansen, Sie verkennen Ihre Lage: Ihr Schiff ist augenscheinlich manövrierunfähig, Ihre Funkanlage ist nicht in Ordnung. Welche Rücksicht sollte ich auf ein Schiff nehmen, das nicht einmal in der Lage ist, die Führung der so genannten Galaktischen Föderation zu informieren. Aber falls Sie sich weiter fragen, woher ich das Recht nehme, Sie und Ihre Besatzung gefangen zu nehmen oder zu vernichten: Das Galaktische Imperium von Lukan sieht sich nach dem Vertragsbruch der Föderation nicht mehr an den Friedensvertrag gebunden.“

Thomas und seine Brückenoffiziere sahen den Commander verständnislos an.

„Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr. Welchen Vertrag soll die Föderation gebrochen haben, Commander Mandon?“

„Die Föderation hat Sie entsandt, um den Planeten Galoba ohne vorherige Rücksprache mit dem Galaktischen Imperium von Lukan in die Föderation aufzunehmen. Meine Aufgabe ist es, das zu verhindern. Also: Ergeben Sie sich oder muss ich schießen?“

Thomas räusperte sich.

„Ihr Geheimdienst hat den Grund dieser Mission gründlich missverstanden, Commander. Dafür kann ich Sie nicht verantwortlich machen, aber ich werde den Teufel tun, Ihnen dieses doch recht wertvolle Stück Eigentum der Föderation auszuliefern. Ich bin nicht unbedingt willens, die Sache auszufechten, deshalb empfehle ich Ihnen, dass Sie sich zurückziehen und mich nicht zum feuern nötigen, falls Sie ein Prisenkommando schicken“, versetzte Thomas. Commander Mandon lächelte freudlos.

„Sie haben gewählt, Commander Hansen“, erwiderte er kalt, der Bildschirm wurde dunkel.

Thomas schaltete die Verbindung endgültig ab.

„Volle Energie auf die Frontaldeflektoren!“, kommandierte er. Narwin, der macromanische Waffenoffizier reagierte sofort und keine Sekunde zu früh. Der imperiale Sternzerstörer feuerte eine Salve aus drei Turbolasertürmen, die von den Deflektoren nur knapp abgefangen werden konnte und der Phobos einen gehörigen Stoß versetzte, weil die Trägheitsabsorber im Stillstand nicht in Betrieb waren. Auf der Brücke konnten sich die Leute gerade noch festhalten, um nicht von den Sitzen geworfen zu werden. Nur Sekunden später füllte ein gleißendes Licht den Raum um die Phobos, als Decker nach dem heftigen Stoß die Magnesiumkammern zündete.

Die Brückenoffiziere der Salmanda schützten sich mit den Armen, als der Magnesiumblitz sie fast vollständig blendete. Als sich die ungeheure Helligkeit in Myriaden von kleinen Leuchtpartikeln auflöste, war dort, wo vorher der Föderationskreuzer gewesen war, nur noch leerer Raum.

„Bei allen Schwarzen Löchern, was war das?“, fragte Commander Mandon, als er wieder sehen konnte und vor dem Brückenschirm nur noch schwarzer Raum mit sanft davon trudelnden Leuchtteilchen war.

„Ich glaube, wir haben sie zerstört, Sir“, meldete sich der Kommunikationsoffizier. „Alle Kanäle tot.“

„Raumüberwachung! Haben Sie den Föderationskreuzer noch auf dem Schirm?“, fragte der Commander nach.

„Nein, kein Radarbild mehr.“

„Suchen Sie mit dem Massetaster!“, befahl Mandon. Der Offizier sah zum Brückenumgang hinauf.

„Das hat wenig Zweck, Sir. Im Moment fliegt die Masse des Schiffes noch zu konzentriert auseinander. Eine Messung hat erst in etwa zehn Standardminuten Sinn.“

„Irgendwelche Zeichen von organischem Leben?“, fragte Mandon weiter. Der Wissenschaftsoffizier auf der Brücke schüttelte bedauernd den Kopf

„Nein, keinerlei Anzeichen dafür.“

„Ich habe sie gewarnt!“, knurrte der Commander. „Kommunikator, übernehmen Sie ins Logbuch: Ein Warnschuss, der auf den energiereichsten Deflektorpunkt zielte, hat die offenbar zu schwachen Schutzschilde des Kleinen Kreuzers der Galaktischen Föderation Phobos durchdrungen und das Schiff vernichtet. Die Föderation erhält eine offizielle Entschuldigung für den bedauerlichen Vorfall und Beileidsbekundungen für die Angehörigen der ums Leben gekommenen Besatzung der Phobos.“

„Logbuchaufzeichnung ist gespeichert, Commander“, bestätigte der Kommunikationsoffizier.

„Gut, unsere Aufgabe ist erfüllt. Steuermann: Kurs Pollicus!“, befahl er dann. Der Rudergänger nickte und programmierte den neuen Kurs.

An Bord der getarnten Phobos sahen alle, die auf der Brücke waren, gebannt auf den riesigen Sternzerstörer, der sich langsam in Bewegung setzte und in Richtung Grenze abflog, dabei Geschwindigkeit gewann und schließlich im Hyperraum verschwand.

„Ich glaub’ den sind wir los“, atmete Thomas hörbar auf. „Schadensmeldung?“, fragte er dann ab.

„Maschine an Brücke: Keine kampfbedingten Schäden. Maschine, einschließlich Hyperraumantrieb voll einsatzbereit“, meldete Decker.

„Kampfstand an Kommandant: Keine Ausfälle. Deflektoren und Tarnanlage arbeiten einwandfrei.“

„Raumüberwachung an Kommandant: Keine Ausfälle. Radar zeichnet drei Objekte, Kugelraumer der Megara-Klasse!“, meldete Lawida.

„Tarnung aufrechterhalten, Narwin“, wies Thomas den Waffenoffizier an. „Gabi, kannst du etwas im Funk hören?“

Gabi lauschte mit Lawida zusammen durch die Kanäle. Lawida nickte.

„Ja, sie führen eifrigen Funkverkehr.“

„Können wir ‘rein hören?“, erkundigte sich Thomas. Lawida nickte und drückte einige Tasten auf seiner Konsole.

„… nach dem Massetaster ist die Masse eines Kleinen Kreuzers der Phobos-Klasse im Raum vorhanden, aber es ist kein Objekt in der Größe sichtbar, auch auf dem Radarschirm ist nichts, nicht einmal ein Tarnschatten. Aber da draußen fliegen Millionen von Partikeln herum, das kann die Messung beeinflussen. Sieht so aus, als wäre die Phobos explodiert. Außerdem ist die Ionisierungsspur eines Sternzerstörers auf dem Schirm.“

„Danke, Kapitän Sardan“, kam es aus dem Lautsprecher. Es war unverkennbar Kilma Gribor, der sprach. „Ihre Idee mit dem Transponder in der Maschinensteuerung war äußerst wertvoll. Die Imperialen haben uns eine lästige Arbeit mit unseren Friedensengeln abgenommen. Sardan, Sie fliegen weiter zum Treffpunkt Hyp 6 und warten dort auf mich. Kapitän Grador?“

„Hier Sternschiff Lavona, Kapitän Grador. Admiral?“

„Grador, fliegen Sie nach Galoba voraus, geben Sie unseren Freunden dort Bescheid, dass ich nach Faxarol fliege und dann in einigen Tagen nachkomme. Unsere Freunde sollen sich mit dem Vorauskommando unserer Verbündeten unbedingt um den Unterbrecher kümmern, damit er nicht vorzeitig eingesetzt wird.“

„Verstanden, Admiral“, antwortete Kapitän Grador. Die drei Kugelraumer, die auf dem Bildschirm sichtbar waren, trennten sich und verschwanden in verschiedenen Richtungen im Hyperraum.

Thomas sah zur Kommunikationskonsole.

„Habt ihr das aufgezeichnet?“, fragte er. Lawida und Gabi nickten im Takt.

„So, so! Unser allerliebster Freund Gribor hat also wieder mal seine grünen Griffel im Spiel“, brummte Thomas. Kwiri, der durch die Erschütterung aus seinem wohlverdienten Schlaf gerissen worden war und eilig auf die Brücke gestürzt war, wurde sichtlich heller grün.

„Bei den Göttern von Mingon! Ich hätte Gribor viel zugetraut, aber dass er den Dritten Galaktischen Krieg auslösen will, dann doch nicht.“

Thomas drehte den Sessel um und sah seinen denebischen Freund an.

„Ist der ernsthaft Deneber?“, fragte er. Kwiri nickte bedrückt.

„Ja, das ist er zweifelsfrei. Aber ich frage mich oft, ob eine solche Ansammlung negativer Eigenschaften noch einmal in der Galaxis existiert. Was hast du jetzt vor?“

„Schleunigst nach Galoba weiterfliegen und retten, was zu retten ist. Und wenn wir von dort zurückkommen und Gribor wagt es, wieder auf Megara zu landen, dann trage ich ihn eigenhändig in den Knast – oder was steht sonst auf Hochverrat?“

„Nach rein denebischem Recht steht darauf die Todesstrafe. Nach dem Gesetz der Föderation lebenslänglicher Gefängnismond“, erklärte Kwiri knapp. Thomas nickte.

„Ich bin sonst nicht unbedingt rachsüchtig, aber dem muss endlich ein Ende gemacht werden. Ansina, Kurs Galoba, Höchstgeschwindigkeit!“

 

Kapitel 9

Unverschämte Passagiere

Als Thomas seinen Dienst auf der Brücke wieder planmäßig antrat, befand sich die Phobos noch im Hyperraum, war aber kurz vor dem Eintritt in den Normalraum. Nora nahm an der Steuerkonsole Platz, Wanrin setzte sich wieder an sein Waffenpult, Gabi übernahm die Kommunikationskonsole und die Raumüberwachung.

„Normalraumscanner zeichnet acht Objekte“, meldete sie.

„Über den Scanner identifizieren“, wies Thomas sie an. Sie betätigte einige Tasten.

„Objekte identifiziert. Acht Sternzerstörer“, gab Gabi bekannt.

„Nora, wir sollten nicht sichtbar rematerialisieren. Geh’ unter Tarnschirm auf Unterlicht.“

„Getarnt rematerialisieren, wird gemacht, Commander“, bestätigte die Amazonierin.

Die Phobos trat in Sonnendistanz zu Galoba getarnt aus dem Hyperraum. Thomas wandte sich an Silna, die inzwischen auf die Brücke gekommen war:

„Wo ist der Unterbrecher?“

„Ich werde ihn mit dem Radar suchen“, erwiderte die Amazonierin und bat Gabi, sie an den Radarschirm zu lassen. Gabi stand auf und sah der Amazonierin interessiert zu, die ein Codesignal aussandte.

„Wir müssen innerhalb von acht Minuten Antwort haben, wo der Unterbrecher ist“, sagte sie dann. Kwiri, den auch nichts mehr in seiner Kabine gehalten hatte, sah das Gewimmel auf dem Normalraumradar.

„Auf jeden Fall tummeln sich hier ‘ne Menge Imperialer“, seufzte er schließlich. Wie zur Bestätigung tauchte an der Steuerbordseite einer der gewaltigen Sternzerstörer auf, die mit ihren über eineinhalb Kilometern Länge schlicht sechzehnmal so lang waren wie die Phobos. Der Kleine Kreuzer hätte auch gut als Beiboot eines solchen Sternzerstörers durchgehen können.

„Wenn der uns bemerkt, sind wir geliefert“, brummte Andulor, der als Steward gerade eine Zwischenmahlzeit servierte.

„Der ahnt nichts von uns“, erwiderte Thomas und hoffte gleichzeitig, dass es so war. „Und mit dem Massetaster würde sie nur suchen, wenn sie uns hier vermuten würden“,

„Dein Wort in des Allmächtigen Gehörgang“, schnaufte Gabi. „Ich registriere ein Tastersignal.“

„Was fliegt hier noch durch den Raum?“, erkundigte sich Thomas, ohne den Blick von dem schirmausfüllenden Bild des Sternzerstörers abzuwenden.

„Eine größere Anzahl von Asteroiden. Nur gut, dass wir die Deflektoren eingeschaltet haben“, antwortete Gabi.

„Masse?“

Gabi suchte mit dem eigenen Massetaster.

„Größer als unsere.“

„Gut. Dann finden sie uns nicht“, beruhigte Thomas sie und sandte gleichzeitig ein Stoßgebet in die Unendlichkeit des Alls, hoffte, dass Gott ihn erhörte, auch wenn er nicht auf einer Wolke schwebte.

„Sir, ich registriere eine Raumanomalie. Könnte beinahe ein Tarnschatten sein“, meldete der Raumüberwachungsoffizier an den Kommandanten des Sternzerstörers.

„Führen Sie eine Massetastersuche durch, Leutnant“, wies der Commander den Offizier an, gab aber seine lockere Haltung mit hinter dem Rücken gehaltenen Händen nicht auf. Er konnte sich nicht vorstellen, dass ein normaler Bewohner der Galaxis es wagen würde, inmitten einer Flottille von acht Sternzerstörern aus dem Hyperraum zu treten, auch wenn es einige Wesen gab, die verrückt genug waren, ein solches Risiko einzugehen. Faxianische Schmuggler gehörten dazu, aber sie hatten für gewöhnlich keine Tarnanlagen in ihren Schiffen. Der Commander sah zum Raumüberwacher hinunter.

„Nun?“, fragte er.

„Sir, der Massetaster zeichnet ein größeres Asteroidenfeld auf. Keine Anzeichen für die Anwesenheit eines anderen Raumschiffs“, meldete der Leutnant. Der Commander schnaubte verächtlich.

„Von wegen Raumanomalie! Noch so eine Fehlanalyse und Sie nehmen drei Semester Nachhilfe auf der Raumakademie, Leutnant!“, fuhr der Commander den zusehends rot werdenden Offizier an.

„Ja, Sir! Es wird nicht wieder vorkommen, Sir!“, salutierte der Leutnant eifrig. Der Commander drehte sich zum Steuermann um.

„Gehen Sie auf halbe Impulskraft voraus, Rudergänger!“, befahl er. Der Rudergänger bestätigte und tippte auf einige Tasten seiner Steuerkonsole.

„Er zieht vorbei, Thomas“, meldete Gabi mit gewisser Verblüffung. Suli Kulibos, der wie Kwiri aus blanker Neugier auf der Brücke war, grinste über das ganze Gesicht.

„Alle Schwarzen Löcher! Du führst diese imperialen Spinner geschickter an der Nase herum als ein berufsmäßiger faxianischer Schmuggler!“

„Die haben auch keine Tarnanlage“, schmälerte Thomas das Lob des Centauren. „Silna, haben Sie den Unterbrecher geortet?“, fragte er dann die an Gabis Pult sitzende Amazonierin.

„Ja, aber er ist scheußlich weit weg. Das Raumschiff liegt uns gegenüber, auf der anderen Seite der Anwida.“

„Nora, berechne den zeitlich kürzesten Kurs zu dem Punkt, den Silna dir in den Navigationscomputer überträgt“, wies er die Pilotin an. Nora nickte mit einem schelmischen Grinsen.

„Der zeitlich kürzeste wäre auch der entfernungsmäßig kürzeste: Direkt durch die Sonne hindurch“, kicherte sie.

„Danke für die humoristische Einlage!“, versetzte Thomas. „Und jetzt berechnest du einen überlebensfähigen Kurs.“

„Öh, ja“, erwiderte die amazonische Pilotin verblüfft. Sie begriff, dass gelegentlich flapsige Anweisungen des terranischen Commanders nicht bedeuteten, dass er nichts von seinem Job verstand.

„Gabi, leg’ die Abtastung der Bugscanner auf den Hauptschirm und gib auch gleich die Identifikationssignale mit dazu.“

Gabi bestätigte.

„Commander, Kurs ist berechnet und liegt an. Ziel wird bei voller Impulskraft in zweiundsiebzig Stunden, bei Stufe II der Überlichtgeschwindigkeit in zwei Stunden erreicht“, meldete Nora.

„Danke, Nora. Stufe Ü II, sobald die Sprungkoordinaten erreicht sind.“

„Aye, Commander!“

Die Phobos blieb unter dem Tarnschirm, erreichte schnell das Hyperraumfenster und entmaterialisierte in den Hyperraum. Etwa eine Stunde verging, bis Gabi einen Notruf auffing.

„Empfange Subraumnotruf von Orbit-Shuttle Galoba I, Kennung A 1010. Nach dem Handbuch ist es das Verbindungsshuttle der galobanischen Regierung.“

„Wo sind sie?“, fragte Thomas.

„Im Normalraum. Der Orbit-Shuttle ist nicht hyperraumfähig“, gab Gabi zurück.

„Genaue Position?“, hakte Thomas nach.

„Nur fünfhunderttausend Kilometer entfernt.“

„Nora, sofort getarnt auf Unterlicht gehen!“, befahl Thomas.

„Wir müssen dann erst ein neues Hyperraumfenster suchen!“, warnte die Pilotin.

„Dessen bin ich mir bewusst. Aber Notruf ist Notruf. Die Galobaner sind mutterseelenallein unter Imperialen“, versetzte Thomas.

Die Amazonierin seufzte, legte eine Reihe von Schaltern um. Die Trägheitsdämpfer wurden in die höchste Leistungsphase gefahren, als die Phobos praktisch eine Vollbremsung im Hyperraum machte und in den Normalraum fiel. Kaum tausend Kilometer von der Phobos entfernt torkelte einer der typischen Orbital-Shuttles auf die Sonne zu, verfolgt von einer Korvette mit imperialen Kennzeichen, von der schwärmeweise blaue Lichtstrahlen auf das schon angeschlagene Shuttle zuckten.

„Wanrin, projiziere einen Ferndeflektor um das Shuttle und hol’ es mit dem Traktorstrahl ‘rein.“

Der Macromanier nickte mit entzücktem Flügelschlag. Aus dem Tarnfeld, das die Phobos umgab, schoss ein blass gelber Strahl, der auf den Shuttle auftraf, sich zu einer Kugel aufblähte und das ganze Raumfahrzeug umhüllte. Die Imperialen gaben nicht auf, schossen weiter, ungeachtet dessen, dass die Laserschüsse funkensprühend an der Deflektoraura zerstoben. Dann verschwand der Shuttle in einer fernprojizierten Tarnabschirmung.

„Wanrin: Einen Protonentorpedo auf die letzten Sichtbarkeitskoordinaten des Shuttle. Lass ihn dort detonieren.“

„Verstanden, Chef“, kiekste der Waffenoffizier fröhlich und betätigte seine Tasten. Dort, wo eben noch der beschädigte Shuttle sichtbar gewesen war, explodierte der Torpedo. Schlagartig hörte der Beschuss durch die imperiale Korvette auf, sie drehte in Richtung des Planeten ab.

„Schön. Wieder einen genarrt“, brummte Thomas. Er drehte sich um.

„Kwiri, bist du so nett, dich um den eingefangenen Shuttle zu kümmern?“, bat er. Kwiri nickte und verschwand im Lift II, der zur Luftschleuse hinunter führte.

Es dauerte nur Minuten, bis der Lift wieder in die Brücke zurückkehrte, sich öffnete und ein groß gewachsener Galobaner in einer Haltung auf die Brücke trat, die darauf schließen ließ, dass er ehrerbietige Behandlung gewohnt war.

„Kapitän! Greifen Sie die Korvette sofort an!“, sagte der Galobaner in einem Ton, der keine Zweifel daran ließ, dass diese Anweisung als Befehl gemeint war und eine sofortige, widerspruchslose Befolgung erwartet wurde. Thomas drehte den Kommandantensessel um, sah den Galobaner an und zog fragend eine Augenbraue hoch.

„Willkommen an Bord des Kleinen Kreuzers der Galaktischen Föderation Phobos. Ich bin Commander Hansen, der Kommandant dieser Einheit. Mit wem habe ich das Vergnügen?“, erkundigte er sich.

„Das werden Sie spätestens dann erfahren, wenn man Ihnen sagt, wer für Ihren Rauswurf gesorgt hat!“, fauchte der Galobaner. „Befolgen Sie augenblicklich meinen Befehl!“

„Wer hat Ihnen Vollmacht erteilt, auf einem Schiff der Galaktischen Föderation Befehle zu erteilen?“

„Commander Hansen, ich bin Krankor, der gewählte Präsident der Republik von Galoba! Sie führen meinen Befehl aus oder Sie werden es bitter bereuen!“

„Herr Präsident, Sie befinden sich – wie gesagt – an Bord eines Schiffes der Galaktischen Föderation. Eine Befehlsgewalt steht Ihnen hier nicht zu, es sei denn, Sie weisen mir nach, dass Präsident Sulukum, der gewählte Präsident der Galaktischen Föderation, Ihnen eine entsprechende Vollmacht schriftlich erteilt hat. Hat er das?“

„Ich habe es nicht nötig, einem dahergelaufenen Terraner irgendwelche Vollmachten zu präsentieren, wenn das Wohl meines Volkes bestimmte Handlungsweisen erfordert!“, versetzte der Galobaner gallig.

„Wenn schon, dann dahergeflogener Terraner, Herr Präsident“, gab Thomas mit beißender Ironie zurück. „Aber davon mal abgesehen, ist nicht erkennbar, dass es Ihrem Volk Vorteile bringen würde, wenn wir uns auf einen Kampf mit der Korvette dort einlassen. Das würde eher Selbstmord gleichkommen – und ich trage die Verantwortung für achtzig Wesen plus x Schiffbrüchige, die wir gerade aus dem Raum gefischt haben. Wir haben weder genügend Feuerkraft, um das Schiff dort zu zerstören, noch sind unsere Deflektoren stark genug, um das Echo zu vertragen.“

„Sie sind ein Feigling, Commander! Ein Feigling, der es nicht wert ist, ein Sternschiff der Föderationsflotte zu kommandieren! Ich sorge dafür, dass Sie unehrenhaft aus dem Raumdienst entfernt werden. Ich enthebe Sie hiermit Ihres Kommandos!“, schnauzte der galobanische Präsident.

Thomas spürte, dass er vor Wut zu zittern begann, dass seine Pulsfrequenz allmählich eine kritische Stärke annahm. Er beherrschte sich nur noch mit Mühe.

„Irgendwie müssen Galobaner die Ohren unter den Fußsohlen haben!“, knurrte er. „Sie sind nicht mein Vorgesetzter, sondern ein Raumflüchtling, der auf diesem Schiff Gast ist! Also benehmen Sie sich auch wie ein Gast!“, fuhr er den Galobaner an.

„Ich werde Ihnen zeigen, was ich kann!“, schrie Krankor uns stürmte auf Thomas los. Er kam nicht weit. Suli Kulibos packte blitzschnell zu und der Galobaner zappelte hilflos im mächtigen Griff des Centauren.

„Lass mich sofort los, du niedere Kreatur!“

„Halt den Schnabel!“, versetzte Suli mit kaltem Grinsen und hielt dem Präsidenten einfach den Mund zu. Alles Zappeln und unterdrücktes Zetern half nichts: Kulibos hielt ihn fest und sicher. Aus den schwarz glänzenden Augen des Galobaners schienen zornige Blitze zu schießen.

„Thomas, er will die Mannschaft zur Meuterei aufwiegeln!“, warnte Andulor. Auf den Gesichtern der Brückenoffiziere zeigte sich deutlich Wut, der Galobaner wurde vor Schreck blass, als er den gedankenlesenden Sulukaner bemerkte. Thomas stand auf und ging auf den Galobaner zu.

„Herr Präsident, ich mache Sie auf folgendes aufmerksam – und ich sage es nur einmal, also hören Sie gut zu: Ich bin mit meinem Schiff aus dem Hyperraum gekommen, weil wir Ihr Notsignal aufgefangen haben. Gemäß den interstellaren Gepflogenheiten und den Abmachungen haben wir Sie und Ihre Mitpassagiere als praktisch Schiffbrüchige an Bord genommen, denn Ihr Shuttle ist weder hyperraumfähig, noch hätte es dem Beschuss mit Laserstrahlen sehr viel länger standgehalten. Sie sind Gäste hier an Bord und werden entsprechend zuvorkommend behandelt. Gaststatus schließt aber keinerlei Befehlsbefugnis über den Kommandanten oder irgendein anderes Mitglied dieser Crew ein. Und wenn Sie hier eine Meuterei anzuzetteln versuchen, dann setze ich Sie in Ihrem Shuttle wieder aus – egal, wie schlimm es beschädigt ist. Haben Sie das verstanden?“

„Ich habe keine Meuterei vor!“, widersprach Krankor, als Suli ihm wieder Redefreiheit gönnte.

„Herr Präsident, Andulor Selno ist vom Volk der Sulukaner. Wie Sie wissen, können Sulukaner früher Gedanken lesen als Bücher. Ich habe keinen Zweifel, dass Andulor Ihre Gedanken korrekt wiedergegeben hat. Sulukaner können – wie Ihnen ebenfalls bekannt sein dürfte – nicht lügen; zwar beharrlich schweigen, aber nicht lügen.“

Präsident Krankor sah ein, dass er verloren hatte. Dieser terranische Commander kannte die Eigenheiten galaktischer Rassen offenbar genau.

„Darf ich fragen, welch glücklichem Zufall wir Ihre Anwesenheit hier zu verdanken haben, Commander?“, fragte er in einem versöhnlichen Ton.

„Wir sind hier, um den Dritten Galaktischen Krieg zu verhindern“, versetzte Thomas kurz und bündig.

„Wollten Sie die Korvette deshalb nicht angreifen?“

„Unter anderem“, gab Thomas zu. „Tatsächlich ist dieses Schiff auch nicht stark genug, um sich mit solch einem Gegner zu messen. Eine imperiale Korvette hat an die achtzig Turbolaser-Batterien auf jeder Seite. Eine Breitseite von denen und wir segeln als Sternstaub durch die Galaxis – Deflektorschilde oder nicht. Wir sind auf dem Weg zum Schwingungsunterbrecher, um die Systemschwingung jetzt zu stoppen.“

„Das wird schwierig werden, Commander. Das Imperium hat den Unterbrecher bereits unter seine Kontrolle gebracht“, warnte der Präsident.

„Danke für die Warnung, Herr Präsident. Dann werden wir sie daran hindern, das Ding zu benutzen und schießen es selbst in Stücke“, erwiderte Thomas, ging zu seinem Sessel zurück und dreht ihn wieder in Flugposition.

„Nora: Neue Zielanpeilung Unterbrecher, volle Kraft dorthin!“

Kapitel 10

Falsches Spiel

In der nächsten Stunde hatte Thomas Gelegenheit, mit den Galobanern – es war die gesamte Regierungsmannschaft – und der zweiten Gravitationsexpertin zu sprechen.

„Ja, ich habe für die galobanische Regierung gearbeitet“, bestätigte Loka Filena die früheren Angaben ihrer Kollegin Silna Karama. „Mithilfe des von mir und Silna entwickelten Unterbrechers wollten wir genau das tun, was Sie jetzt auch versuchen, Commander. Unser Plan ist dem Imperium irgendwie verraten worden. Sie waren schneller als wir und haben den Unterbrecher übernommen, als zwei meiner Techniker allein mit einem Umbau beschäftigt waren. Jetzt ist es im Übrigen zu spät, die Schwingung noch auf der Seite der Föderation zu beenden. Wir müssten zu stark abbremsen, und das würde die Sonne zerreißen“, warnte Loka. Thomas’ Gesichtszüge versteinerten sich. Alles umsonst! Er seufzte tief.

„Dann bleibt uns nur noch, den Schwingungsunterbrecher zu zerstören, damit das Imperium ihn nicht benutzen kann und Galoba auf der imperialen Seite hängenbleibt“, sagte er leise. Silna und Loka sahen ihn entsetzt an.

„Commander, wir haben fünf Jahre an dem Gerät gearbeitet!“, rief Silna erschrocken.

„Dass das Gerät sehr wertvoll ist und überdies schwer ersetzbar ist, ist mir durchaus bewusst, Silna. Es erscheint mir gegenwärtig aber die einzige Möglichkeit zu sein, einen vernichtenden Krieg zu verhindern, den weder die Föderation noch das Imperium überlebt. Aber wenn Sie eine andere Lösung wissen, sagen Sie es mir“, bat Thomas. Silna sah zu Boden

„Ich weiß keine“, erwiderte sie mit erstickter Stimme.

„Sie haben fünf Jahre an der Gesamtkonstruktion gearbeitet, für den eigentlichen Bau dürfte weniger Zeit erforderlich sein. Sie haben die Pläne und können danach jederzeit einen neuen Unterbrecher bauen“, versuchte Thomas die Amazonierinnen über den drohenden Verlust hinwegzutrösten. „Die Föderation ist daran interessiert und wird Sie finanziell unterstützen, wenn ich mich mit einem entsprechenden Vorschlag im Rat durchsetzen kann.“

Loka schüttelte den Kopf, dass die offene, mehr als schulterlange Skalplocke flog.

„Nein, es gibt noch eine andere Lösung“, widersprach die jüngere Konstrukteurin. „Warum zerstören, wenn unbrauchbar machen es auch tun würde?“, schlug sie vor.

„Wie meinen Sie das genau?“, hakte Thomas ein.

„Nun, wir brauchen nur ein bestimmtes Teil auszubauen, und der Unterbrecher tut überhaupt nichts mehr. Die Konstruktionspläne sind den Imperialen nicht bekannt“, empfahl sie. Jetzt schüttelte Silna verständnislos den Kopf.

„Loka, denk nach: Auf jeden Fall kennt Kilma Gribor unsere Konstruktionspläne.“

„Und wo ist das Problem?“, grinste Loka.

„Das Problem ist, dass Gribor mit zu den Verrätern gehört. Er hat gewaltsam versucht, uns vom Herflug abzuhalten“, präzisierte Thomas die Bedenken der Älteren. Loka grinste noch breiter.

„Na, ist doch wunderbar“, kicherte sie.

Als sie die verwirrten Mienen Hansens und ihrer Co-Konstrukteurin sah, merkte sie, dass es Zeit war für eine deutlichere Erklärung.

„Also, was ich sagen will, ist folgendes: Kilma Gribor kennt die ursprüngliche Konstruktion. Nur hat der Schwingungsunterbrecher da draußen nicht mehr viel mit dieser ursprünglichen Konstruktion zu tun. Ich musste den Wellentransformator mehrfach modifizieren und habe schließlich ein völlig neues Teil konstruiert. In der Zeichnung, die Gribor kennt, ist nur unsere gemeinsame Entwicklung drin – und die tut ‘s einfach nicht. Wenn ich den Transformator ausbaue, könnte jemand, der unsere früheren Pläne kennt, nur das nicht funktionierende Teil einbauen, das er aus der Zeichnung entnehmen kann. Und das bringt nun mal keine Wirkung, außer, dass die Bedienmannschaft dadurch hochgradig gefährdet wird“, präzisierte sie. Silnas Gesicht leuchtete auf.

„Hören Sie Commander, ich habe einen Wellentransformator als Ersatzteil dabei. Wenn wir das Teil einbauen, können wir die Imperialen noch zusätzlich ärgern und ihr Unterbrecherprogramm für lange Zeit lahmlegen. Und wenn ich noch ein paar von Harkorts berühmt-berüchtigten Spalttranspondern einsetze, dann suchen sie sich tot. Die probieren jahrelang, bis sie spitzkriegen, dass es am Wellentransformator liegt, und das ganze Teil unbrauchbar ist. Bis dahin ist das Anwida-System wieder auf dem Gebiet der Föderation. Was halten Sie davon?“, schlug sie vor. Thomas überlegte nicht lange.

„Das Ergebnis ist zunächst das gleiche, aber die Folgen sind besser behebbar. Gut, das machen wir.“

Er eilte auf die Brücke, Loka folgte ihm.

„Leutnant Narwin!“, sprach er den diensthabenden Waffenoffizier an.

„Ja, Chef?“

„Narwin, machen Sie die Paralysolpumpen klar. Wir docken getarnt am Unterbrecher an, pumpen Paralysol in das Schiff, gehen mit Atemschutz an Bord, demontieren ein Bauteil und verschwinden wieder. Verstanden?“

„Verstanden, Chef.“

Präsident Krankor begriff nun, dass der Unterbrecher nicht mitgenommen werden sollte.

„Und was wird mit Ihren Leuten auf Galoba, wenn der Planet vom Imperium besetzt wird?“, erkundigte er sich. Thomas sah ihn an.

„Unsere Leute sind darauf vorbereitet, im Falle einer imperialen Invasion unterzutauchen. Das wird auch gelingen, wenn die galobanische Regierung die Identitäten der Föderationsmitarbeiter nicht an die größte Glocke des Universums gehängt hat. Ein wirkliches Problem würde sich nur ergeben, wenn das Anwida-System auf der imperialen Seite des Galaxisarms hängen bliebe.“

„Und was wird aus meinem Volk?“, erkundigte sich der erschrockene Präsident. Thomas wich dem forschenden Blick aus den tiefschwarzen, irislosen Augen des Galobaners nicht aus.

„Im schlimmsten Falle wird Ihr Volk fünf Galaxo-Jahre Untertan des Kaisers sein. Das war es bereits häufiger und hat Übung damit. Bisher hat ein Konflikt mit dem Imperium Galoba wenig Opfer gekostet. Der weitaus größte Blutzoll ist von der Föderation, genauer: den Grenzplaneten, getragen worden. Auf jeden toten Galobaner kamen in den beiden letzten Kriegen rund zweihunderttausend tote Bewohner der Föderation. Da ist wohl kaum eine Diskussion angebracht, ob es Ihrem Volk zuzumuten wäre, fünf Galaxo-Jahre brav zu sein!“, fuhr Thomas den Präsidenten an.

„Was glauben Sie eigentlich, weshalb ich mich mit meiner Regierung auf den Weg gemacht habe? Ich wollte Hilfe für mein Volk, nicht die dummen Ausreden der Föderation!“

„Mit einem Interplanetar-Shuttle, das nicht hyperraumtauglich ist?“, fragte Thomas spöttisch.

„Wir haben gehofft, auf ein Schiff der Föderation zu treffen“, gab der Präsident mit vorgerecktem Kinn zurück.

Thomas sah Andulor an, der nur bedauernd den Kopf schüttelte.

„Tut mir Leid, Thomas, er hat sich für mich blockiert“, erwiderte der Sulukaner.

„Wenn Sie sich gegen Andulor blockieren, Herr Präsident, unterstelle ich, dass Sie die Unwahrheit sagen“, warnte er den Präsidenten. Loka sah den Galobaner von oben bis unten verächtlich an.

„Ich hätte Sie für mutiger gehalten, Herr Präsident“, zischte sie. „Natürlich lügt er wie ‘ne elektronische Zeitung!“, setzte sie dann hinzu. „Andulor kann meine Gedanken gern mitlesen, ich kann mich nicht wie ein Galobaner abkapseln. Ich werde Ihnen sagen, was hier gespielt wird, Commander: Ich bin Präsident Krankor bildschön auf den Leim gegangen. Er hat mit den Imperialen ein kleines Abkommen getroffen und wollte ihnen den Unterbrecher ausliefern. Dazu hat er mich angeworben, um den Unterbrecher hier überhaupt einzusetzen. Gleichzeitig hat er die Föderation mit der Beitrittserklärung unter Druck gesetzt, wohl wissend, in welche Not er die Föderation mit dieser Erklärung stürzen würde. Und was den Shuttle-Flug anbetrifft: Er wusste, dass ein Föderationsschiff vorbeikommen würde – allerdings wartete er auf die Megara von Admiral Gribor. Nachdem Silna mich über Gribors Verrat aufgeklärt hat, ist klar, dass Präsident Krankor ebenfalls mit in die Sache verstrickt ist!“

Thomas sah Andulor an, der aus der Telepathie-Trance erwachte.

„Stimmt im Prinzip. Zusatzinformation: Gribor hat drei Schiffe, die über verschiedene Treffpunkte in das Anwida-System kommen“, gab der Sulukaner Auskunft.

„Davon weiß ich aber nichts!“, bemerkte Loka erschrocken. Andulor lächelte freundlich.

„Nein, Sie nicht. Aber der Herr Präsident hat sich so erschrocken, dass er seine Blockade für einen Moment vergessen hat.“

Thomas sah den vor Schreck bleich gewordenen Galobaner an, der kaum mehr die Farbe eines Veilchens hatte.

„Ich muss Sie und Ihre Regierung unter Arrest stellen, bis sich aufklären lässt, was sich genau zugetragen hat, Herr Präsident.“

Krankor setzte zu einer zornigen Erwiderung an, aber Suli Kulibos hatte ihn bereits am Arm genommen.

„Ich bringe ihn zu seiner Kabine und sorge für entsprechende Bewachung. Noch was, Thomas: Ich komme nachher mit.“

Loka lachte auf.

„Daraus, fürchte ich, wird kaum etwas werden, großer Centaure.“

Suli blieb stehen.

„Was sollte mich daran hindern? Sie?“, fragte Kulibos süffisant.

„Ich weniger als die ausgesprochen beengten Verhältnisse im Unterbrecher. Für das breite Hinterviertel eines Centaurenhengstes ist da zu wenig Platz, Kapitän.“

Der Schwingungsunterbrecher war erreicht. Es handelte sich um ein pfeilförmiges Schiff, dessen breites Ende der Sonne Anwida zugewandt war. Aus dem schmalen Ende erhob sich eine sichelförmige Antenne, die ebenfalls auf die Sonne gerichtet war. Die Phobos dockte – gesteuert von Nora – getarnt so vorsichtig an, dass das im Verhältnis zum Föderationskreuzer sehr viel kleinere Schiff nicht erschüttert wurde. Die Luftschleuse wurde von der Phobos her geöffnet und augenblicklich strömte das betäubende Gas Paralysol in den Unterbrecher, das innerhalb von wenigen Sekunden auf nahezu alle auf Kohlenstoff basierenden Lebewesen lähmend wirkte – es gab nur ganz wenige Ausnahmen davon. Von diesen Wesen war aber keines an Bord des Unterbrechers zu erwarten, weil die Truppen des Imperiums mit gewissen Rassen nicht zusammenarbeiteten. Und gerade zu diesen Völkern gehörten die paralysolresistenten Rassen.

Der Landetrupp – die beiden Gravitationstechnikerinnen, Thomas, Kwiri, Andulor und Leutnant Lawida – wartete mit schwerem Atemschutz in der Luftschleuse. Die Schleuse öffnete sich, Lawida ging vorsichtig vor, fand vier imperiale Offiziere und einen Mann, der sich von Menschen nur dadurch unterschied, dass er starke, hornartige Wülste auf Nase und Stirn hatte. Alle fünf lagen bewusstlos vor den Kontrollen des Unterbrechers.

Lawida winkte und bedeutete den anderen, dass die Mannschaft außer Gefecht gesetzt war. Die Föderationsleute huschten in die Druckkammer des Unterbrechers, Loka und Silna öffneten mit geübten Handgriffen eine Bodenplatte und verschwanden in dem sich öffnenden Wartungsschacht, um den Wellentransformator auszubauen, das falsche Teil zu integrieren und einige Störtransponder zu verteilen. Thomas und Kwiri besahen sich die außer Gefecht gesetzte Mannschaft näher.

„Seltsam“, sagte Kwiri. „Mir ist neu, dass in den Flotten des Imperiums Naruner sind“, sagte er und wies auf den Humanoiden ohne Uniform. Thomas sah ihn an und dachte an Klingonen, eine in der Star-Trek-Saga vorkommende Rasse.

„Ich hätt’ den bald für ‘nen Klingonen gehalten“, sagte er und wandte seine Aufmerksamkeit wieder den dunklen Bereichen hinter der Kontrollkonsole zu.

„Ja, so ist die sulukanische Übersetzung für Naruner“, grinste Kwiri.

Lawida wurde plötzlich stocksteif. Sein mentales Auge verfärbte sich blau.

„Etwas stimmt nicht, Thomas“, meldete sich auch Andulor zu Wort. „Ich empfange Gehirnwellenmuster, die auf einen Wachzustand schließen lassen – außer unseren.“

„Wacht schon einer von denen auf?“, erkundigte sich Hansen. Andulor antwortete nicht, er versank in telepathischer Trance. Lawida wachte dafür auf.

„Eigentlich kann es nicht sein, aber die Männer die hier liegen, sind nicht so tief eingeschläfert, wie sie sollten. Möglich, dass wir uns in der Dosis etwas verschätzt haben. Aber was ich sonst noch spüre, ist kein Gehirnwellenmuster, das auf eine Rasse schließen ließe, die der imperialen Flotte angehören“, erwiderte er und rechnete die Aufwachzeit in seinem Handcomputer nach.

„Klingonen?“, fragte Thomas kurz. Lawida schüttelte den Kopf.

„Es wundert mich sowieso, weshalb einer von denen hier ist. Aber das meine ich nicht“, sagte er und rüttelte den Computer. „Komm, erzähl’ mir jetzt nichts von Faxianern, elende Blechschüssel!“, beschimpfte er das Gerät gleich darauf. Suchend glitt der Blick des Sulukaners durch den dunklen Teil des Unterbrechers. Thomas verstand.

„Kwiri, blieb du mit Andulor bei den Mädchen. Lawida und ich sehen mal nach, wer hier ‘rumschleicht.“

Kwiri kam aus dem Schacht hoch.

„Sie sind gleich fertig. Pass bloß auf! Wenn es wirklich Faxianer sind, dann …“

Er brach ab und wackelte warnend mit einer Hand. Thomas winkte ab und Kwiri tauchte wieder unter, als Thomas sich abwandte.

Hansen hatte kaum einen Schritt getan, als Lawida einen Warnruf ausstieß:

„Achtung, Commander! Faxianer!“

Der leuchtend gelbe Faxianer, der um einen Schaltschrank lugte, zögerte nicht lange, sondern schoss sofort. Thomas hatte keine Chance, dem lichtschnellen Strahl auszuweichen. Nur die Tatsache, dass er aus purer Gewohnheit die linke Hand in die Hosentasche gesteckt hatte, einen Finger auf der Aktivierungstaste seines Personenschutzschildes hatte und reflexartig reagierte, rettete den Terraner. Der Laserstrahl, der ihn an seiner alten Verletzung traf, wurde schnell unterbrochen, aber Thomas flog ein Stück zurück, als der anhaltende Strahl auf den Schild aufprallte und ihn in einem Funkenregen zurückwarf. Lawida reagierte ebenfalls blitzartig und erwiderte das Feuer. Der Faxianer wurde getroffen und sackte tödlich verletzt zusammen.

„Sind Sie verwundet, Commander?“, fragte der Sulukaner besorgt, als Thomas hinter der Konsole hervorkam, hinter die ihn der Strahl geschleudert hatte.

„Ja, aber es scheint nur oberflächlich zu sein. Prüfen wir lieber, ob noch mehr wach sind“, gab Thomas zurück. Er presste die rechte Hand auf die rechte Seite und verbiss sich mühsam den aufkommenden Schmerz. Lawida hielt ihn auf, als Thomas an ihm vorbei wollte.

„Ich prüfe das anders“, sagte er, schloss kurz die visuellen Augen.

„Nein“, sagte er einen Augenblick später, „Außer uns ist jetzt kein waches Gehirnwellenmuster mehr vorhanden. Und Sie wissen genau, wie gefährlich Ihre Verletzung ist.“

„Leg’ dich nie mit einem Telepathen an“, seufzte Thomas. „Kwiri, Silna, Loka! Wie weit seid ihr?“, rief er dann.

Aus dem Serviceschacht kam wieder ein Kopf. Es war Silna.

„Wir sind gleich soweit. Noch zwei Anschlüsse, dann … Bei der Großen Mutter! Sie sind ja verletzt!“

„Ja, ein Faxianer, der wohl für unsere imperialen Freunde gearbeitet hat, hat das Paralysol besser vertragen, hat nicht lange gefragt, was wir hier suchen, sondern gleich geschossen. Los, macht weiter, damit wir hier verschwinden können.“

Silna und Kwiri sahen sich verdutzt an.

„Andulor, Lawida – bringt Commander Hansen sofort auf die Phobos zurück!“, befahl der Deneber den Sulukanern. „Ich komme mit den Amazonierinnen gleich nach.“

„Aber …“, setzte Thomas an.

„Nichts aber!“, unterbrach Kwiri ihn heftig. „Thomas, ich mache ausnahmsweise von Admiral Luk-Suns Order Gebrauch und übernehme das Kommando, bis du wieder dienstfähig bist“, stellte er klar und stemmte sich aus dem Schacht hoch. Loka und Silna kamen ebenfalls nach oben.

„Wir sind fertig. Verschwinden wir lieber, bevor die Imperialen doch noch aufwachen“, sagte Silna. Kwiri nickte. Der Landetrupp ging voraus, Kwiri sah sich noch einmal um. Keine Spur verriet, dass an dem Schwingungsunterbrecher eben gerade schwerwiegende Arbeiten vorgenommen worden waren.

Als sich die Luftschleuse des Unterbrechers hinter ihnen schloss, ließ die Anspannung nach, die Thomas bislang aufrecht gehalten hatte. Er sackte zusammen und hatte Glück, dass die Schleuse zum Stürzen zu klein war und dass Lawida und Andulor ihn auffangen konnten.

„Ehrlich: Du solltest solche Verletzungen nicht auf die leichte Schulter nehmen!“, warnte Kwiri. Andulor grinste.

„Tut er ja gar nicht. Er gibt es bloß nicht zu, dass er höllische Schmerzen hat.“

Thomas war nicht mehr zum Scherzen zumute. Der Schmerz nahm rasch zu, ihm wurde schwindlig. Die Dockschleuse der Phobos öffnete sich. Die Sulukaner stützten Hansen und führten ihn gleich zur Krankenstation, während Loka, Silna und Kwiri gleich zur Brücke stürzten.

„Los, sofort abdocken, Kurs Palavor, Hyperraumsprung, sobald er möglich ist!“, befahl Kwiri als er die Brücke erreichte. „Alarmstart!“, setzte er hinzu, als Nora nicht sofort reagierte.

„Ist was schiefgegangen, Kwiri?“, erkundigte Gabi Hansen sich erschrocken, als sie die ungewöhnlich hektische Stimmung von Kwiri Swin registrierte.

„Nicht direkt schiefgegangen. Aber die Imperialen haben die Faxianer offenbar als Verbündete gewonnen. Es sind Raumpiraten und Schmuggler, die in der Nähe von Palavor einen großen Stützpunkt auf einem Mond haben und die mit uns Föderalen gar nicht können. Und wenn sie jetzt mit dem Imperium zusammenarbeiten, dann haben wir den Dritten Galaktischen Krieg – und zwar direkt vor der Haustür eines unserer wichtigsten Flottenstützpunkte in der Galaxis!“, keuchte Kwiri.

„Wo ist Thomas?“, fragte Gabi weiter. „Er hätte doch jetzt Dienst!“

Kwiri stand noch mal vom Kommandantensessel auf und trat an Gabis Kommunikationspult.

„Gabi, wir sind einem Faxianer begegnet. Es sind Wesen, die erst schießen und dann fragen“, sagte er leise.

„Was ist mit Thomas?“, hakte Gabi mit böser Ahnung nach.

„Er hat eine Laserverletzung in der Nähe seiner alten Narbe. Lawida und Andulor haben ihn gleich in die Krankenstation gebracht.“

„Ist es schlimm?“

Die Besorgnis in Gabis Stimme war unüberhörbar.

„Es sah nicht sehr lecker aus“, gab Kwiri zu. „Ob es schlimm ist, weiß ich noch nicht. Ich wollte in die Krankenstation, sobald wir im Hyperraum sind.“

„Dann könnt ihr gehen. Wir haben eben den Sprung gemacht!“, rief Nora. Gabi und Kwiri verließen die Brücke, nachdem Kwiri Nora das Kommando übertragen hatte.

Kapitel 11

Interessante Entdeckung

Dr. Sulnawi, ein Macromanier, war dabei, Thomas mit Hilfe eines Vacudocs – einer luftdicht abschließenden Operationskapsel, die in bestimmten Standardsituationen auch selbständig arbeiten konnte – zu operieren.

„Vacudoc: Verschweiße die Wunde“, wies er das Gerät gerade an, als Gabi und Kwiri die Krankenstation betraten.

„Wunde verschweißen“, wiederholte eine mechanische Stimme. An einem stählernen Arm innerhalb der Kapsel blitzte ein Laserstrahl auf, der um vieles schwächer war, als der, der Thomas verletzt hatte. Auf dem Sichtschirm vor Dr. Sulnawi war die Wunde erkennbar, die sich unter dem Laserlicht schnell schloss.

„Verschweißung abgeschlossen“, meldete die mechanische Stimme raspelnd.

„Wundumgebung reinigen und prüfen, ob Keime vorhanden sind.“

Einige Lichter an der dem Arzt zugewandten Seite der Operationskapsel leuchteten rhythmisch auf.

„Wunde ist gereinigt. Keine Keime eingeschlossen“, meldete der Vacudoc.

„Danke, Vacudoc. Anästhesie aufheben.“

Wieder bestätigte die raspelnde Droidenstimme. Eine Reihe von Anzeigen am Vacudoc wechselte von Rot auf Grün.

„Anästhesie ist aufgehoben. Patient wird in zehn Standardminuten aus der Narkose erwachen. Empfehle eine Standardwoche Ruhe und tägliche bakteriologische Kontrolle.“

Ein leises Zischen, dann öffnete sich die Kuppel über dem robotischen Operationstisch, wurde ganz in den unteren Teil eingezogen. Eine Hydraulik hob den Operationstisch hoch, bis er in gleicher Höhe mit dem Patientenbett war. Sechs gepolsterte Griffel beförderten Thomas ganz vorsichtig in das vorbereitete Bett, aus dem Fußende des Bettes erschien eine zwar dünne, aber wärmeerhaltende Decke, die computergesteuert bis an Thomas’ Schultern gezogen wurde. Gabi konnte sehen, dass sich ein kleiner Bügel, der die Decke straff gehalten hatte, in das Bettgestell zurückzog. Die Transportgriffel fuhren zurück in den Vacudoc, die Kuppel schob sich wieder zu, alle Anzeigen schalteten auf Violett, was den Beginn der Desinfektionsphase bedeutete. Auf einen gesprochenen Befehl von Dr. Sulnawi rollte der Operationsrobot an seinen Abstellplatz in der Krankenstation.

Der kleinwüchsige Arzt schob die langen Hände in die Taschen seines weißen Overalls und sah zu Kwiri und Gabi.

„Besteht Lebensgefahr?“, erkundigte sich Gabi.

„Nein, zum Glück nicht. Die Wunde war eher oberflächlich, was daraus resultiert, dass Ihr Mann noch seinen Schutzschild aktivieren konnte. Unglücklich ist nur, dass der Strahl ihn an derselben Stelle wie beim letzten Mal getroffen hat. Deswegen und wegen seiner bekannten Plasmatenallergie habe ich die Wunde verschweißt. Das sieht schlimmer aus, als es ist. Er wird zwei, drei Tage Ruhe brauchen, dann ist er wieder okay“, gab Dr. Sulnawi Auskunft.

„Ich weiß nicht, ob Sie die Frage beantworten können, aber warum ist bei seiner ersten Verletzung eigentlich nicht geschweißt worden?“, hakte Gabi nach. Sulnawi lächelte freundlich.

„Aus unterschiedlichen Gründen. Erstens steckte die galaktische Medizin für Terraner noch sehr in den Kinderschuhen. Zum damaligen Zeitpunkt war noch nicht sicher, ob Terraner überhaupt eine Epidermis haben, die sich für das Verschweißen eignet. Nicht bei allen Wesen der Föderation ist es möglich. Aber selbst wenn diese Möglichkeit damals bekannt gewesen wäre, wäre sie daran gescheitert, dass die Verschweißung nur sehr kurze Zeit nach der Verwundung möglich ist. Er ist aber erst Stunden nach seiner Verletzung in einer Station gewesen, die über diese Technik verfügte. Darum hat man es damals mit den Plasmaten versucht, gegen die aber die meisten Terraner allergisch sind. Das ist kein Phänomen, das auf Ihren Mann beschränkt ist, Frau Hansen“, erklärte er. Mit einem Blick auf die Uhr setzte der Arzt hinzu: „Bleiben Sie hier. Ihr Mann wird in rund zehn Standardminuten aufwachen.“

Sulnawi verschwand im angrenzenden Computerraum, Gabi und Kwiri setzten sich an Thomas’ Bett.

„Eins verstehe ich immer noch nicht:“, murmelte Kwiri.

„Und was?“, fragte Gabi nach.

„Warum zwischen den Imperialen ein Faxianer war. Noch verblüffter bin ich über die Anwesenheit eines Naruners. Erstens sind die sich nicht grün und zweitens ist das Imperium bekannt dafür, sehr rassistisch zu sein. Sie nehmen die Dienste anderer Rassen zwar für Spitzeldienste in Anspruch, aber kein imperialer Soldat würde sich dazu herablassen, mit Angehörigen einer anderen Rasse in einem Schiff mit derart beengten Raumverhältnissen zu arbeiten. Das ist für mich nicht passend.“

„Sag, Kwiri, welcher galaktischen Rasse gehören die Imperialen eigentlich an?“, fragte Gabi. „Den Commander der Salmanda hätte ich schlicht für einen weißen Erdmenschen gehalten.“

Kwiri grinste.

„Du liegst mit der Vermutung gar nicht so falsch, liebe Gabi. Sie sind euch Terranern genetisch mehr als nur ähnlich. Ebenso wie die Amazonierinnen.“

„Von denen hat Nora erzählt, sie kämen tatsächlich von der Erde, wenn sie auch schon vor Hunderten von Erdjahren ausgewandert sind“, gab Gabi zu bedenken.

„Nun, nicht nur die Caneler haben schon vor Hunderten von Erdjahren die überlichtschnelle Reise beherrscht, andere Rassen auch. Auf der Erde gibt es zahlreiche, sehr alte Felszeichnungen, die Besuch aus dem Raum dokumentieren. Schon diese frühen Besucher haben immer wieder Speziesproben mitgenommen. Tausende, vielleicht Hunderttausende von Erdmenschen wurden auf andere Planeten im Raum geholt und sind dort verblieben. Die meisten hatten auch Nachkommen, weil sowohl Männer wie Frauen mitgenommen wurden.

Gabi, die menschliche Rasse ist nicht auf den Planeten Erde beschränkt – sie ist nicht einmal auf diesem Planeten entstanden. Es gibt Untersuchungen bei euch, die belegen, dass der Mensch eigentlich ein Wesen ist, das nach einem Fünfundzwanzig-Stunden-Rhythmus lebt. Eure Sonne ertragt ihr nur, weil euch ein Ozongürtel vor ihrer UV-Strahlung schützt. Euer ursprünglicher Planet in einem der arkonidischen Systeme existiert leider nicht mehr. Eine planetare Katastrophe zerstörte ihn vor Jahrmillionen. Die im Wesentlichen aus menschenartigen, sehr intelligenten Affenwesen bestehende Bevölkerung konnte rechtzeitig evakuiert werden und wurde auf die Erde gebracht. Leider gingen einige Schiffe, die Werkzeuge und Maschinen transportierten, verloren und die Wesen, die auf der Erde ankamen, vergaßen bald ihre Fähigkeiten. Sie fielen auf eine niedrigere Entwicklungsstufe zurück und begannen sogar, Besucher aus dem Raum als Feinde zu betrachten. Sie entwickelten sich zwar weiter, aber nicht unbedingt in der Form, die sich die Arkoniden gewünscht hätten. Deshalb sind immer wieder Raumschiffe zur Erde geflogen um festzustellen, ob sich diese verpflanzten Wesen besser entwickeln würden. Ihr habt es zum Leidwesen der Galaxis nicht getan und wenn ich nicht alle Überredungskunst aufgewandt hätte, wäre die Erde jetzt ein Haufen Sternstaub.“

Gabi sah den Deneber eine Weile an.

„Was ist nur so anders bei euch? Ihr führt Krieg, ihr seid neidisch, machtgierig und verschlagen – siehe Gribor und seine Kumpane. Und was werft ihr uns vor?“,

Kwiri wurde violett vor Beschämung.

„Weißt du, genau diese Frage habe ich dem Rat damals mal gestellt. Tatsache ist, dass ihr euch in genau der gleichen Weise entwickelt habt, wie wir. Und das hat die meisten von uns ganz fürchterlich erschreckt.“

„Mal abgesehen von diesem galaktischen Schwachsinn: Heißt das, dass Commander Mandon ein Erdmensch ist?“

„Genetisch hundertprozentig – auch wenn er nicht auf der Erde, sondern auf dem Planeten Pollicus geboren ist und die Erde nie gesehen hat.“

„Hm, ich weiß nicht, die ganze Sache ist ungereimt“, brummelte Gabi nach einer Weile.

„Stimmt. Ich weiß aber nicht, wo ich ansetzen soll“, erwiderte Kwiri mit deutlichem Seufzen.

„Seltsam: Das Imperium droht den Galobanern, die Schwingung des Systems abzubrechen. Der imperiale Botschafter hat sich nach Klims Aussage auf eine Technik bezogen, die von Amazonierinnen erfunden und benutzt wird. Die Galobaner wenden sich an eine der Konstrukteurinnen dieser Technik, um die Schwingung vor Eintritt in die imperiale Zone zu stoppen. Diese Erfindung ist aber noch nicht ganz ausgereift, wie sich bei der ersten praktischen Erprobung zeigt. Kwiri, ist es nicht mehr als merkwürdig, wenn der imperiale Botschafter gegenüber der galobanischen Regierung von einer Technik spricht, die er gar nicht kennen kann? Und wenn das Imperium so rassistisch ist, wie du sagst, dann würde ich davon ausgehen, dass die Imperialen dann auch sexistisch sind – und Frauen nicht ernst nehmen. Ich habe jedenfalls auf dem Bildschirm nicht einen einzigen weiblichen Offizier auf der Brücke der Salmanda entdecken können. Wenn sie sie schon nicht als Raumfahrer einsetzen, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie einem weiblichen Wesen Erfindungsgeist in dieser Größenordnung zutrauen.“

Kwiri, der einige Minuten im Raum auf und ab gewandert war, setzte sich wieder.

„Stimmt“, gestand er verblüfft. „Daran habe ich noch gar nicht gedacht.“

„Könnt ihr nicht mit dem Gesabbel aufhören?“, murmelte Thomas verschlafen. Gabi und Kwiri zuckten erschrocken zusammen.

„Du bist ja wach, mein Schatz!“, hustete Gabi und beugte sich über Thomas.

„Ihr lasst mich ja nicht schlafen!“, maulte der Verletzte – aber er lächelte. Gabi strich ihm sanft über das Gesicht und küsste ihn.

„Großes Loch?“, fragte er matt. Sie schüttelte den Kopf.

„Nein, so wie ich sehen konnte kleiner als das letzte Mal, aber dafür an derselben Stelle.“

„Wo sind wir?“, erkundigte er sich weiter.

„Im Hyperraum mit Kurs auf Palavor. Kwiri befürchtet Ärger mit den Faxianern, die bei Palavor einen Stützpunkt haben“, antwortet Gabi.

„Wo ist Kwiri?“

„Ich bin hier“, meldete sich der Deneber und reckte sich, damit Thomas ihn ohne Schwierigkeiten sehen konnte.

„Habt ihr die Imperialen noch untersucht?“

„Kein Gedanke. Wir mussten schnell weg, weil die Paralyse nicht mehr lange angehalten hätte. Und außerdem musstest du ganz dringend auf den Operationstisch“, erinnerte Kwiri grinsend.

„Kwiri, ich hab’ was Verrücktes geträumt.“

„Aha, und was?“

„Hör mal: Das Imperium hat irgendwelche Probleme mit internen Rebellen, wenn ich nicht falsch gehört habe. Wir kriegen mit Sicherheit nicht alle Systeme dazu, einen Krieg um Galoba zu führen. Stimmt’s?“

„Ja, stimmt – aber du solltest vielleicht noch nicht wieder so viel reden“, mahnte der Deneber mit einem freundlichen Lächeln. Thomas wehrte ab.

„Schlafen kann ich immer noch. Jetzt mal ehrlich: Wem würde es nützen, wenn sich Föderation und Imperium gegenseitig aufreiben?“

Kwiri dachte lange nach. Plötzlich würde er blassgrün.

„Ach, du dicker Meteor! Hast du etwa den gleichen Albtraum gehabt, den ich eben hatte?“, fragte er erschrocken.

„Könnte sein. Es wäre doch möglich, dass Galoba dann als historischer Hauptplanet beider Machtsysteme wieder eine führende Rolle übernehmen könnte und würde?“

„Ja, du hast Recht, das wäre eine mögliche Konsequenz“, gab Kwiri zu.

„Vielleicht ist es wirklich nur ein Albtraum, aber wäre es nicht denkbar, dass uns die Galobaner nur eine Falle stellen? Uns und dem Imperium?“

„Ja, aber bei unserem gemeinsamen Albtraum übersehen wir – fürchte ich – dass Galoba über keine eigene Flotte verfügt“, bemerkte Kwiri.

„Irre ich mich oder hatte Faxian nicht eine der größten Handelskolonien auf Galoba? Und eine Flotte von Raumschiffen, die binnen Minuten zu schlagkräftigen Schlachtschiffen gemacht werden können? Behauptete jedenfalls unser Dozent an der Flottenakademie.“

„Worauf willst du hinaus?“, fragte Gabi, als Kwiri wegen eines größer werdenden Kloßes in der Kehle nicht mehr reden konnte.

„Darauf, dass die Galobaner uns und das Lukanische Imperium mit faxianischer Hilfe gegeneinander ausspielen“, versetzte Thomas.

„Dann müssten die Imperialen auf dem Unterbrecher ja …“

„… Galobaner gewesen sein, ganz recht“, vollendete Thomas Kwiris Satz.

„Das hat den Schönheitsfehler, dass Galobaner nun mal vier Arme haben“, bemerkte der spöttisch.

Gabi nickte, aber es war keine Zustimmung in ihrem Nicken.

„Schon, aber sie sind telepathisch begabt. Den Sulukanern verdanken wir Terraner via telepathischer Eingebungen unsere Kenntnisse der raumbewohnenden Völker – und haben das für unsere eigene Fantasie gehalten“, gab sie zu bedenken. „Wenn die Galobaner Telepathen sind, warum sollten sie dann nicht die Fähigkeit haben, uns bestimmte Bilder vorzugaukeln, Halluzinationen hervorzurufen?“

Kwiri nickte langsam.

„Ja, dazu sind sie in der Lage. Normalerweise aber nur bei Einzelwesen. Eventuell haben sie aber ein Verfahren entdeckt, mit dem sie mehrere Wesen beeinflussen können.“

„Wie weit sind wir?“, fragte Thomas.

„Nah genug, um umzukehren.“

„Dann flieg’ bitte zurück, damit wir uns die Burschen unter die Lupe nehmen können“, bat Thomas. Kwiri sah auf den Chronometer in der Krankenstation.

„Das wird nicht ohne Rangelei abgehen, weil die Paralyse inzwischen unwirksam ist. Und ein zweites Mal Paralysol innerhalb so kurzer Zeit ist für so ziemlich alle Wesen tödlich.“

„Das müssen wir riskieren“, gab Thomas zurück. Kwiri nickte und verließ die Krankenstation.

„Hast du noch nicht genug?“, fragte Gabi mit einem ebenso besorgten wie liebevollen Blick. Thomas lächelte.

„Ich tue nichts Verrücktes, mein Schatz. Aber ich will verdammt sein, wenn ich diese … oh, Mann, fast wäre mir was sehr Rassistisches ‘rausgerutscht! Wenn ich zulasse, dass Menschen wieder aufeinander losgehen, weil es Irre gibt, die ihren uralten Machtverlust nicht vergessen und schon gar nicht verzeihen können.“

„Du bist vor kaum einer Stunde operiert worden“, erinnerte Gabi. „Was hältst du davon, wenn du noch schläfst? Kwiri wird das Schiff schon so behandeln, wie du es dir vorstellst.“

Er nickte nur müde. Gabi strich ihm sanft über das Gesicht und wartete, dass ihr Mann wieder einschlief.

Thomas wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte, als ihn ein vorsichtiges Schütteln am Arm wieder weckte.

„Hm?“, brummte er verschlafen.

„Thomas, wach auf. Ich bin’s; Kwiri.“

Hansen blinzelte in das helle Licht der Deckenbeleuchtung.

„Bitte, nicht so hell!“, bat er. Prompt wurde das Licht dunkler, als Dr. Sulnawi die Beleuchtung dimmte.

„Na, Kwiri, was gibt’s?“, fragte Thomas dann. Der Deneber grinste breit.

„Es gibt Momente, da frage ich mich, ob du Hellseher bist. Wir haben den Unterbrecher noch mal untersucht. Treffer ins Schwarze! Außerdem hatten wir sehr viel Glück. Die Besatzung war immer noch k.o. Es waren tatsächlich Galobaner. Aber sie sind noch raffinierter als wir dachten.“

„Und?“

„Nun, sie haben ein entzückendes Gerät entwickelt, das eine Art Hologrammprojektion wenige Zentimeter vom Körper herstellt. Wir haben es entdeckt, als Ingenieur Decker einen der Burschen anfasste und seine Hand plötzlich in der angeblichen Uniform verschwand. Er hat ihn dann abgetastet und fand diesen Kasten am Gürtel, der auf Berührung reagiert und sich so ein- und ausschalten lässt. Wir haben die ganze Truppe vom Unterbrecher geborgen. Ich habe schon daran gedacht, das Gerät doch abzuschleppen, aber sein Fehlen könnte den Verwirrungseffekt stören.“

„Danke, Kwiri“, sagte Thomas. „Aber – warum hatte der Faxianer keinen solchen Projektor?“

„Hatte er, aber der hatte eine Fehlfunktion, ebenso wie der des Naruners. Schätze, er ist einfach in Panik geraten, als er merkte, dass er entdeckt und erkannt war. Ach so, noch was: Loka hat sich diese Projektoren näher angesehen und festgestellt, dass diese Dinger auch Radargeräte narren können. Könnte eine gute Ergänzung zu unserer Tarnanlage sein“, schlug der Deneber vor.

Thomas setzte sich auf und schüttelte sich, um die Benommenheit loszuwerden.

„Sie sollen noch liegenbleiben, Commander!“, mahnte Dr. Sulnawi.

„Ich kriege noch die Schlafkrankheit, Doktor“, widersprach Thomas. Sulnawi räusperte sich.

„Ahem, die wird nur von terranischen Tse-Tse-Fliegen übertragen. Die haben wir weder an Bord noch sonst wo außerhalb der terranischen Atmosphäre“, bemerkte er. Thomas musste lachen.

„Doktor, manchmal verstehen Sie ironische Anspielungen ebenso schlecht wie ein Vulkanier.“

Sulnawi schlug mit den Fledermausflügeln.

„Macromanier sind ähnlich logikfixiert wie Vulkanier, wenn auch nicht in dem extremen Maß“, erwiderte er kühl.

„Danke für die Information, Doktor. Trotzdem: Wenn ich liege, kommt der Kreislauf überhaupt nicht in Schwung. Ist doch logisch, oder?“

„Es ist logisch, dass Ihnen schwindlig ist, weil Sie ungefähr einen Liter Blut verloren haben, sich in der Bordapotheke aber leider nur ein halber Liter Blutkonserve Ihrer Blutgruppe befand. Ich empfehle dringend eine Anpassung an die Stärke des Personals, Commander.“

„Ich werde es bei der nächsten Zwischenlandung auf Palavor berücksichtigen, Doktor“, erwiderte Thomas mit sanftem Grinsen.

„Und was war das nun mit den Illusionsprojektoren?“, wandte er sich an Kwiri.

„Man kann damit das äußere Erscheinungsbild eines Wesens – oder auch eines Raumschiffes damit verändern. Wäre doch praktisch, oder?“

„Sicher. Ist die Veränderung am Scanner feststellbar?“

„Loka untersucht es gerade. Warum?“

„Weil mir die Idee kam, dass nicht alle Sternzerstörer, die durch dieses System schleichen, auch wirklich welche sind, sondern vielmehr faxianische Korvetten, die mit solchen Illusionsprojektoren ausgerüstet sind“, mutmaßte Thomas.

Im selben Moment fiepte das Intercom.

„Brücke, Loka Filena an Kapitän Swin. Das hier ist sehr interessant, Kapitän.“

Kwiri drückte auf die Freigabetaste.

„Hier Swin. Was haben Sie gefunden?“

„Sie sehen sich das am besten selbst an“, empfahl Filena. „So ist es schwer zu erklären.“

„Gut, ich komme, Swin Ende“, kündigte Kwiri an. Thomas schwang die Beine aus dem Bett.

„Ich komme mit“, sagte er. Kwiri drehte sich um.

„Commander Hansen: Sie sind verwundet und haben drei Galaktische Tageseinheiten Bettruhe verordnet bekommen. Und genau dort werden Sie bleiben! Das ist ein dienstlicher Befehl!“, erwiderte Kwiri, ganz vorgesetzter Offizier. Thomas sah ihn verblüfft an.

„Tut mir Leid, aber du bist so unvernünftig, dass ich nicht anders kann, Thomas“, setzte Kwiri hinzu, als er Thomas erschrockene Miene sah. Thomas seufzte.

„Jetzt wird ‘s interessant und du sperrst mich hier ein. Ey, das ist nicht fair“, maulte der Terraner. Kwiri stemmte die Hände in die Hüften.

„Mir sind schon einige galaktische Idioten begegnet, aber kaum jemand, der sich seine Gesundheit so vorsätzlich ruinieren will wie du! Erinnere dich bitte an Amazonia! Du wärst beinahe draufgegangen, weil du nicht im Bett bleiben konntest und unbedingt durch die Galaxis gondeln musstest! Es ist nicht mal einen halben Tag her, seit dir ein panikgebeutelter Faxianer wieder ein Loch in den Pelz gebrannt hat und du willst schon wieder herumspringen wie ein Banthabulle im Frühling! Du spinnst wohl! Das grenzt ja an Selbstverstümmelung! Kommt nicht in Frage, du bleibst hier! Ich werde dich informieren“, wetterte der kleine Deneber. Thomas seufzte tief und deutete einen militärischen Gruß an.

„Aye, aye, Sir!“

Kapitel 12

Kaperung

Kwiri kam auf die Brücke, wo Loka neben Gabi vor den Scannern saß.

„Na, was ist so interessant?“, fragte Kwiri.

„Hier, sehen Sie: Von den zehn Sternzerstörern, die sich in diesem System befinden, weisen neun eine gewisse Unschärfe im Scannerreflex auf. Unter normalen Umständen fiele das nicht weiter auf, weil solche Unschärfen immer mit magnetischen Feldern erklärt werden können. Ich habe bei den Projektionen eine bestimmte Frequenz entdeckt, die einer in den Scannern enthaltenen Wellenlänge entspricht. Überlagern sich diese Wellen, wird die Projektion für den Scanner aufgelöst und verschwindet. Und jetzt …“

Loka drehte an der Scannerjustierung.

„Schwupp – sind neun von zehn Zerstörern verschwunden und es erscheinen die Scannerreflexe von faxianischen Korvetten!“

Wie von Geisterhand geknetet formten sich die großen keilförmigen Gebilde zu schlanken, schwanähnlich aussehenden Schiffen, die knapp so groß wie die Phobos waren. Nur ein echter Sternzerstörer blieb übrig. Es war der, der an der Phobos vorbeigezogen war.

„Der Trick ist bestechend“, entfuhr es Gabi.

„Was meinst du? Die Tarnung oder das Aufspüren?“, erkundigte sich Kwiri.

„Beides, um ehrlich zu sein.“

Kwiri sah nachdenklich auf das veränderte Scannerbild.

„Sagen Sie, Loka, Mit den Projektoren, die wir den Galobanern abgenommen haben – könnte man damit auch die Phobos tarnen?“

„Wir haben sechs solcher Geräte. Damit können Sie dieses Schiff in einen Planeten von der Größe Megaras verwandeln“, antwortete die Amazonierin. Kwiri nickte.

„Gut. Wir sollten unseren galobanischen Freunden nicht unbedingt erzählen, dass wir uns eine Verwendung ihrer neckischen Projektoren vorstellen können und überdies auch noch eine Möglichkeit gefunden haben, die Tarnung zu durchschauen. Wir hauen ihnen nur die Tatsache um die Ohren, dass wir wissen, dass es sich bei der Unterbrecherbesatzung nicht um Imperiale gehandelt hat und dass wir die Projektoren als Beweismittel beschlagnahmen.“

Er drehte sich um

„Leutnant Lawida: Lassen Sie die Regierungsmitglieder Galobas auf die Brücke holen“, wies er den Sulukaner an.

Nur wenige Minuten später waren Präsident Krankor und seine Regierungsmannschaft auf der Brücke. Krankor setzte zu lautstarkem Protest an, aber Kwiri brachte ihn mit einem scharfen:

„Ruhe!“,

zum Schweigen. Alle sahen den kleinwüchsigen Deneber verblüfft an, dem niemand die vorhandene Stentorstimme zugetraut hatte.

„Es reicht jetzt, was Sie uns an Theater vorgespielt haben! Der Schwingungsunterbrecher war von Ihren eigenen Leuten besetzt! Und da Sie in der Lage sind, Wesen mit einem solchen Projektor auszustatten, der Illusionen von anderen Wesen hervorruft, ist es durchaus wahrscheinlich, dass nicht alle Sternzerstörer, die durch dieses System geistern, tatsächlich welche sind. Herr Präsident, ich bin nicht nur Kapitän der Achten Interstellaren Flotte, ich bin auch Mitglied des Galaktischen Rates. Und in genau dieser Eigenschaft verlange ich eine Erklärung!“, fuhr Kwiri Krankor an.

Der Präsident sah seine Regierungsmitglieder anscheinend irritiert an. Dann hob er langsam den unteren rechten Arm. Eine Mündung erschien unter einem nur scheinbar schmückenden Armband.

„Ich denke, das Theater ist tatsächlich vorbei, Kapitän Swin. Allerdings für Sie. Wir übernehmen dieses Schiff jetzt. Ich rate Ihnen, keinen Widerstand zu leisten, sonst machen Sie mit einem Lähmstrahl Marke Galoba Bekanntschaft!“

Nora beging den Fehler, eine Bewegung zu machen, die Hand des Verteidigungsministers zuckte kurz, ein blauer Strahl lähmender Energie zischte quer über die Brücke und warf die Amazonierin rückwärts über die Steuerkonsole. Sie blieb zwischen dem Hauptbildschirm und der Konsole liegen. Zwei der Galobaner zerrten sie in den sichtbaren Bereich, um vor Überraschungen sicher zu sein. Die Galobaner scheuchten die Brückencrew auf der um die Brücke laufenden Galerie zwischen der Wissenschafts- und der Maschinenstation zusammen, wo sie von beiden Liftausgängen der Brücke weit genug entfernt waren, um nicht einfach entwischen zu können.

Präsident Krankor wollte auf dem Kommandantensessel Platz nehmen, der jetzt aber auf Kwiris Maße eingestellt war.

„Wie wird das verstellt?“, schnauzte der Galobaner Kwiri an, als er merkte, dass er nicht in den Sitz passte.

„Wie verstellt? fragte Kwiri harmlos.

„Frag’ nicht so dämlich, Grünling! Der Erdling hat hier gesessen und er ist deutlich breiter als du. Also?“

Kwiri überlegte einen Moment. Verweigerte er die Auskunft, würden sich die Galobaner an Thomas halten – und der war mit seiner Verletzung vermutlich nicht in der Lage, sich ihrer Art zu fragen zu widersetzen, meinte der Deneber. Er nannte Thomas’ Codierung und zeigte dem Präsidenten den Gebrauch der Sesseleinstellung. Der Kommandantensessel schob sich auf Hansens Maße zurecht und Präsident Krankor hatte ausreichend Platz.

„Schön“, sagte er. „Und nun werden wir uns um den Sternzerstörer kümmern. Raumüberwachung: Wo sind die Kugelraumer?“

Einer der Galobaner setzte sich an die Scannerkonsole und suchte den Raum ab.

„Sie kommen von drei fünf null“, meldete er.

„Wunderbar, wie vereinbart. Also – Kurs Sternzerstörer. Anweisung an die Faxianer, sich nach Galoba zurückzuziehen und sich im Sichtschatten des Planeten in Kugelraumer der Megara-Klasse zu verwandeln“, befahl der Präsident.

Kwiri Swin hoffte, durch seine geringe Größe zwischen den anderen verschwinden zu können, doch der unmittelbar bewachende Verteidigungsminister zerrte ihn wieder nach vorn.

Wenn ich mir je gewünscht habe, dass jemand meinen Befehl ignoriert und handelt, dann jetzt’, dachte er und warf Lawida einen sehnsüchtigen Blick zu. Der Sulukaner reagierte und meldete sich telepathisch:

Ja, was ist?

Kannst du Thomas und Suli telepathisch erreichen?’, dachte Kwiri.

Denk’ nicht so laut, sonst merken die Galobaner was’, warnte Lawida in Kwiris Gedanken. Kwiri spürte, dass der Gedankenimpuls schwächer wurde. Lawida konzentrierte sich offenbar auf Thomas oder Suli. Er wirkte abwesend, aber sein mentales Organ verfärbte sich nicht.

Thomas schreckte heftig hoch. Er hatte von einer versuchten Kaperung seines Raumschiffs geträumt!

„Teufel noch mal! Was träumt man nach ‘ner Narkose bloß für einen Blödsinn!“, fluchte er laut, als er sich vor Schauder geschüttelt hatte.

Nein, das war kein Traum – das ist leider Realität’, meldete sich ein aufdringlicher Gedanke in seinem Kopf. ‚Thomas – die Galobaner haben die Brücke besetzt und halten uns mit Lähmstrahlen in Schach. Nora musste natürlich unvernünftig sein und hat ‘ne Ladung abbekommen. Ich habe auch Suli gerufen. Euch muss was einfallen, sonst haben wir sehr bald Ärger mit einem Sternzerstörer. Krankor lässt auf ihn zusteuern.

Thomas schüttelte sich erneut, dann merkte er, dass er nicht allein war. Es war Suli Kulibos, der mit nervösem Schwanzwedeln neben seinem Bett stand.

„Ich seh ‘s dir an. Du hattest den gleichen Albtraum wie ich“, stellte der Centaure fest.

„Wenn du die Übernahme der Phobos durch unsere galobanischen Freunde meinst, liegst du richtig“, bestätigte Thomas. „Sie sind zu siebt und auf der Brücke sind sechs Personen der Besatzung. Es gibt nur zwei Liftzugänge. Schlechte Karten“, seufzte er.

„Hör mal: Die Brücke kann isoliert werden. Wir können die Kommandokommunikation in die Notbrücke umleiten und das Schiff von dort aus übernehmen“, empfahl Suli. Thomas schüttelte den Kopf.

„Dafür legen die Galobaner dann vier reguläre Besatzungsmitglieder, meine Frau und eine Ziviltechnikerin um? Kommt nicht in Frage!“, versetzte er. „Komm mit, wir gehen zu Lewis Decker“, setzte er hinzu und schwang die Beine aus dem Bett.

„He, du bist verletzt und gehörst ins Bett!“, protestierte der Centaure.

„Wenn’s um Gabi geht, steige ich sogar aus dem Sarg – zur Not auch als Vampir. Komm jetzt, wir haben nicht viel Zeit“, gab Hansen zurück, schlüpfte in seinen blutverschmutzten Overall und lief eilig aus der Krankenstation.

„Was willst du überhaupt von Decker?“, rief Suli, als er hinterher trabte.

„Ihn was fragen!“

Unangefochten erreichten der Terraner und der Centaure den Maschinenraum der Phobos. Lew Decker, Sarni Kulibos und Maschinenmaat Van den Broek sahen mit bleichem Gesicht auf einen Visioschirm, auf dem erkennbar war, dass die Brücke in der Hand der Galobaner war und die Brückencrew auf der Galerie in deren Blickfeld stand. Der Chefingenieur hörte die eiligen Schritte und das Hufgeklapper und zuckte erschrocken herum. Er wurde noch bleicher, als er den Commander sah – und dessen vom Bauch bis zum Oberschenkelansatz von Blut dunkel gefärbten Overall. Der Stoff, aus dem die Bordanzüge gefertigt waren, war ausgesprochen saugfähig und so hatte sich das Blut weiter verteilt, als der tatsächliche Blutverlust vermuten ließ.

„Großer Gott, wie siehst du denn aus?“, entfuhr es Decker.

„Wie frisch aufgestanden, ohne zu duschen“, erwiderte Thomas und trat an das Visio. „Können sie uns hören oder sehen?“, fragte er dann leise.

„Nein. Als ich gemerkt habe, dass auf der Brücke was nicht stimmte, habe ich die Verbindung vorsichtshalber unterbrochen und nur die Einwegverbindung stehen lassen. Von der Brücke kann im Moment keine Visioverbindung aufgenommen werden – zu keinem Punkt im Schiff.“

Thomas nickte.

„Gut. Kannst du die Brücke mit Paralysol fluten?“, fragte Thomas. Decker nickte.

„An sich kein Problem. Dazu muss ich die Brücke nur isolieren. Aber wenn ich das mache, kommen keine Steuerbefehle mehr bei der Maschine an. Muss ich dir sagen, was dann passiert?“

„Nein. Leite die Kommandokommunikation in die Notbrücke um. Wir werden sie besetzen und genau das tun, was an Anweisungen von der Brücke kommt. Wie lange braucht das Paralysol zur Wirkung?“

„Zehn, maximal zwanzig Sekunden, aber …“

„Was aber?“

„Terranische Frauen vertragen kein Paralysol“, bemerkte Van den Broek.

„Tödlich?“, erkundigte sich Thomas. Der Maschinenmaat nickte.

„Absolut.“

„Verdammt! Gabi, Nora und Loka sind oben. Sie müssen vorher ‘raus“, knurrte Thomas.

„Idee!“, strahlte Suli. „Hör mal: Du bist offiziell außer Gefecht, Wenn ich mich als Ersatzgeisel für die Mädchen anbiete, kann das Krankor nur recht sein. Mir macht das Gas nichts aus, jedenfalls ist es für mich nicht lebensbedrohend.“

„Schön“, erwiderte Thomas. „Fang’ an zu verhandeln. Ich gehe mit Andulor und Wanrin auf die Notbrücke, damit wir alle Kontrollen im Griff haben. Lass die Mädchen dorthin kommen.“

Thomas eilte aus dem Maschinenraum. Decker und Van den Broek schalteten die Kommandokommunikation auf die Notbrücke um. Weil Decker die Rückmeldeleitungen zur Hauptbrücke unterbrach, konnte von dort die Aktivierung der Notbrücke nicht registriert werden.

Suli meldete sich mit einer harmlosen Anfrage auf der Brücke und tat völlig verblüfft, als sich statt des vorgeblich erwarteten Kwiri Swin der galobanische Präsident meldete.

„Oh, Herr Präsident. Ist Kapitän Swin nicht auf der Brücke, dass Sie sich melden?“

„Kapitän Swin ist durchaus auf der Brücke, aber er kann nicht ans Mikrofon, weil ich es ihm nicht erlaube. Kapitän Kulibos, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass meine Regierungsmannschaft und ich das Kommando über dieses Schiff übernommen haben. Ich rate Ihnen und der restlichen Besatzung, genau das zu tun, was ich befehle. Sollte das nicht der Fall sein, oder sollte jemand Schwierigkeiten machen, werde ich mir überlegen, wer von Ihren Besatzungsmitgliedern hier auf der Brücke an unwichtigsten ist. Machen Sie also keine Dummheiten, verstanden?“

„Ich gestehe, Sie sind in einer formidablen Position. Gut. Wir werden brav sein. Aber ich bitte Sie, dass Sie als Zeichen Ihres guten Willens wenigstens die beiden Amazonierinnen und die Terranerin freilassen.“

„Damit gebe ich drei wertvolle Geiseln her. Lassen Sie sich was Besseres einfallen“, erwiderte der Präsident.

„Ich biete Ihnen im Austausch dafür mich selbst an. Sie hätten dann beide noch einsatzfähigen Kommandooffiziere in Ihrer Hand. Ist das ein Angebot?“

„Was ist mit Commander Hansen?“

„Commander Hansen ist von einem Ihrer faxianischen Verbündeten auf dem Unterbrecher so schwer verletzt worden, dass er nochmals operiert werden muss. Er ist in keiner Weise einsatzfähig und ich kann mir nicht vorstellen, dass sich der Präsident eines bedeutenden Planeten wie Galoba an einem Verwundeten vergreifen muss, um seine Forderungen erfüllt zu bekommen.“

„Das hängt ganz davon ab, ob die Besatzung Schwierigkeiten macht. Aber Ihr Angebot ist bedenkenswert. Wenn Sie noch die Leute vom Unterbrecher mitbringen, nehme ich das Angebot an – was Sie selbst betrifft akzeptiere ich Sie, allerdings nur mit Handfesseln.“

„Kann ich mir denken“, murmelte Suli grimmig. „Von mir aus“, sagte er laut. „Ich komme nach oben und betrete die Brücke, wenn die Frauen im Lift sind.“

„Auch gut“, knurrte der Galobaner. Die Verbindung erlosch. Eilig schaltete Suli auf die Notbrücke um.

„Thomas, Achtung. Es könnte sein, dass von der Brücke geprüft wird, ob du auch gerade operiert wirst.“

„Danke. Sie werden was zu sehen bekommen!“, grinste Thomas. „Ich wünsch’ dir viel Glück, mein Freund.“

„Mach’ einen bei dir eingehenden Kanal auf. Wenn ich oben bin, werde ich dir sagen, ob die Mädchen ‘raus sind. Dann kannst du das Paralysol in die Klimaanlage pumpen.“

Thomas schluckte hart. Zwar wusste er, dass keiner seiner Freunde ernsthafte Schäden durch das Betäubungsgas erleiden würde – aber es hatte auch auf der Erde schon Tote durch Lachgas gegeben …

„Kommunikation: Eine Visioverbindung zur Krankenstation!“, befahl Krankor. Gabi und Kwiri wurden blass. Wenn der Galobaner herausfand, dass Thomas keineswegs im Vacudoc lag, konnte er befehlen, ihn auch auf die Brücke zu holen. In seinem Zustand war das wenig angebracht, aber würde das einen Raumpiraten kümmern? Wie ein solcher hatte der galobanische Präsident sich jedenfalls des Schiffes bemächtigt. Die Brückencrew sah das Visio aufleuchten – und sah Dr. Sulnawi mit sorgenvoller Miene am Vacudoc stehen, bemüht, den verletzten Commander zu behandeln. Kwiri, Gabi und Lawida sahen sich verblüfft an. Ging es Thomas tatsächlich so schlecht oder spielte er nur Theater?

Auf der Notbrücke kicherten Sarni Kulibos, Andulor Selno und Thomas Hansen wie Schüler nach einem gelungenen Streich. Krankor sah gerade die Aufzeichnung von der Operation einige Stunden zuvor, die Andulor in die Visioverbindung einspielte.

„Gut, das stimmt also“, hörten sie Krankors Stimme über die Verbindung. „Na gut, die Terranerin und die beiden Amazonierinnen zum Lift. Ihr geht ‘raus, wenn der Centaure hier ist.“

Über die einseitige Verbindung konnten die Männer auf der Notbrücke sehen, dass sich die Lifttür öffnete und Suli erschien – wie gefordert an den Händen gefesselt. Krankor sah ihn und gab den Frauen einen Wink. Loka und Gabi gingen zum Lift, Nora blieb wie angewurzelt stehen.

„Ich bleibe!“, zischte sie.

„Das darf nicht wahr sein!“, entfuhr es Thomas halblaut. „Muss sie jetzt mit ihrem falsch verstandenen Heldentum alles versaubeuteln?“

„Nora, mach’ jetzt keinen Aufstand und geh’!“, versetzte Suli knurrend.

„Ich lasse mir von einem Centauren …“

„Oberleutnant Rosok – es reicht! Sie gehen jetzt in den Lift und werden jeglichen Widerstand unterlassen. Das ist ein dienstlicher Befehl!“, fuhr Kwiri dazwischen.

„Männer!“, schnaufte Nora verächtlich. „Ihr lernt es nie, euch wirksam zu wehren!“

Immerhin – sie gehorchte und betrat den Lift. Der galobanische Verteidigungsminister gab Suli einen unsanften Stoß, damit er sich zur übrigen Brückencrew stellte. Dem Galobaner war anzusehen, dass er sich nur deshalb traute, weil Kulibos sich nicht wehren konnte.

„Wenn Suli nachher wieder zu sich kommt, hat der drei blaue Augen“, brummte Sarni. „Feiges Pack!“, setzte er zornig hinzu.

„Wir sind auch recht hinterhältig“, erwiderte Thomas.

„Kommunikation: Öffnen Sie mir einen Allgemeinkanal!“, forderte der centaurische Kapitän den an der Konsole sitzenden Galobaner auf. Der Galobaner nickte.

„Kapitän Kulibos an alle! Das Schiff ist in der Hand der galobanischen Regierung. Ich weise alle Besatzungsmitglieder an, die Befehle von der Brücke uneingeschränkt zu befolgen und keinen Widerstand zu leisten. Kulibos Ende.“

Thomas gab sich einen verzweifelten Ruck und drückte die Auslösetaste für die Paralysolpumpen, womit das Gas in die Klimaanlage der isolierten Brücke geleitet wurde.

„Was zischt da?“, fragte Krankor erschrocken.

„Die Besatzung hebt nur die Isolierung der Brücke auf“, behauptete Kulibos. Von einer Sekunde auf die andere wurde ihm schwindlig, aber die Galobaner sackten noch vor ihm zusammen. In Thomas krampfte sich alles zusammen, als er die Wesen auf der Brücke bewusstlos zusammenbrechen sah. In knapp zwölf Sekunden waren alle auf der Brücke befindlichen Lebewesen eingeschläfert.

„Gebe Gott, dass das nicht falsch war!“, betete Thomas halblaut.

 

 

Kapitel 13

Tarnen und Täuschen

Die drei Frauen, die mit dem Lift direkt auf der Notbrücke ankamen, sahen zu ihrem blanken Entsetzen, dass auf der Brücke anscheinend alle tot waren.

„Nein!“, schrie Gabi auf. „Nein, was ist passiert?“

Thomas drehte sich um.

„Nichts. Nur ein bisschen Paralysol, um die Freunde von Galoba zur Vernunft zu bringen“, sagte er.

„Aber … aber …“, stotterte sie fassungslos, als sie ihn sah. Zunächst hatte sie nur auf das Visiobild geachtet. Thomas stand auf und umarmte sie.

„Ist ja gut, mein Schatz. Es ist nichts passiert“, beruhigte er sie. Gabi klammerte sich an ihm fest.

„Und was ist mit Kwiri, Suli, Narwin und Lawida?“

„Sie sind bewusstlos, das ist alles. Aber ihr drei musstet unbedingt von der Brücke, weil das Gas für euch tödlich gewesen wäre“, erwiderte Thomas und strich seiner Frau sanft durchs Haar. Über Ihre Schulter hinweg grinste er Nora an.

„Beinahe hätte unsere amazonische Walkürendarstellerin die Vorstellung allerdings geschmissen.“

„Ich kann doch nicht ahnen, dass ihr alles im Griff habt. Bin ich Telepath?“, maulte die Amazonierin.

„Nein, nur eigensinnig für drei!“, versetzte Thomas und drückte die Intercomtaste.

„Lewis, schick’ genügend Leute mit Atemschutz auf die Brücke, damit wir den normalen Flugbetrieb aufnehmen können. Sobald die Brücke geräumt ist, verbindest du die Brücke wieder mit dem Schiff und saugst das Paralysol ab.“

„Wird gemacht, Chef“, bestätigte der Chefingenieur.

Nora verschränkte die Arme und sah Thomas mit schiefem Lächeln an.

„Eins muss man dir lassen: Du hältst uns für sehr selbstständig“, sagte sie.

„Was meinst du?“

„Nun, alle drei Kommandooffiziere und der Erste Offizier außer Gefecht gesetzt und du lässt uns weiterarbeiten. Kommt, Mäuse, wir tanzen auf den Tischen, die Kater sind nicht da!“, entgegnete die Amazonierin.

„Falsch, liebes Amazonier-Mäuschen: Ich bin noch da“, erwiderte Hansen lächelnd.

„So, wie dein Bordanzug aussieht, bist du nicht in der Lage, das Schiff zu führen“, versetzte Nora. Thomas wusste, dass sie im Prinzip Recht hatte, aber er hätte sich im Moment eher die Zunge abgebissen, als das zuzugeben.

„Blödsinn! Die Wunde ist geschweißt. Punkt. Und jetzt geht wieder an eure Arbeit“, knurrte Thomas. Nora salutierte amazonisch und verließ stolz die Notbrücke. Loka folgte ihr schulterzuckend.

„Und wie geht es dir wirklich?“, fragte Gabi besorgt und zupfte vorsichtig an seinem verschmutzten Overall.

„Frag’ mich das, wenn der Adrenalinspiegel wieder unten ist“, erwiderte Thomas. „Im Moment genügt die Anspannung noch. Andulor, wie sieht’s auf der Brücke aus?“

Der Sulukaner prüfte den statischen und atmosphärischen Zustand der Brücke am Computer und sah auf das Visiobild.

„Atmosphäre normal, Brücke mit dem Schiffskörper wieder vollständig verbunden, Isolierung ist aufgehoben. Brücke ist geräumt“, meldete er. Fast gleichzeitig kam Loka Filena wieder auf die Notbrücke.

„Alle, die das Paralysol auf der Brücke erwischt hat, sind von dort geborgen und auf ihre Kabinen verteilt. Die Galobaner werden bewacht. Hier, das hat Präsident Krankor verloren“, sagte sie und gab Thomas eine Plastikkarte, etwa so groß wie eine Scheckkarte, versehen mit mehreren Transponderchips.

„Nicht übel. Eine Personenidentifikationskarte“, bemerkte der Commander. „Wo ist sie genau gefunden worden?“

„Sie steckte im Identifikationsschlitz des Hauptcomputers. Er hat sie ‘reingesteckt, als er die Kontrolle übernommen hat.“

„Hatten wir Funkkontakt zu anderen Schiffen in dieser Zeit?“

„Soweit ich sehen konnte, haben wir unser Identifikationssignal zu den Kugelraumern gesandt“, sagte Gabi.

„Das heißt, Gribor weiß, dass die Phobos noch existiert. Und er muss annehmen, dass sie unter Krankors Befehl steht, sehe ich das richtig?“, erkundigte sich Thomas.

„Korrekt“, stimmten Gabi und Loka wie aus einem Munde zu.

„Haben wir für jeden auf der Brücke einen Illusionsprojektor?“, fragte er weiter. Wieder nickte Loka.

„Schön, dann wird Gribor eine ganz böse Überraschung erleben. Wir rüsten uns mit den Dingern aus und werden, falls Gribor uns rufen sollte, als galobanische Regierungsmannschaft in unseren Sesseln sitzen. Also, Brücke besetzen!“

Minuten später war die Hauptbrücke wieder mit der normalen Personalstärke besetzt. Die Leutnants Lawida und Narwin wurden durch ihre Wachablösungen ersetzt.

„Nora, sofort den Anflug auf den Sternzerstörer abbrechen!

Nora bestätigte, die Phobos wich in einem Bogen aus und flog ein Stück zurück,

„Geschwindigkeit drosseln, der des Zerstörers anpassen, volle Energie auf die Deflektoren, falls er uns falsch versteht.“

Nora führte die Anweisung aus, die Phobos schwebte in gleich bleibendem Abstand zu dem imperialen Schiff.

„Gabi, einen Komm-Kanal zum Sternzerstörer.“

„Verbindung ist hergestellt. Sobald visuelle Verbindung da ist, gebe ich sie auf den Hauptschirm.“

„Hier ist das Föderationsschiff Phobos unter dem Kommando von Commander Hansen. Ich rufe den Sternzerstörer des Lukanischen Imperiums. Identifizieren Sie sich bitte und schalten Sie eine Visioverbindung.“

Die linke obere Ecke des unterteilten Hauptschirms leuchtete auf und das verwirrte Gesicht eines noch recht jungen imperialen Offiziers mit den Abzeichen eines Commanders erschien.

„Hier Sternzerstörer Pollicus, Eliteflotte der kaiserlichen Raummarine. Ich bin Commander Raschun. Was, bei allen Schwarzen Löchern, sollte dieser Anflug eben?“

„Ich bitte um Entschuldigung für das allzu rasante Manöver, Commander Raschun. Tut mir Leid, wenn wir Sie erschreckt haben, aber der Anflug im Angriffswinkel lag nicht in der Absicht der berechtigten Besatzung, das dürfen Sie mir glauben.“

„Wollen Sie das bitte näher erläutern, Commander Hansen?“, fragte der Imperiale.

„Hören Sie, Commander Raschun – Sie und Ihre Besatzung sind in erheblicher Gefahr“, warnte Thomas, ohne auf die Frage einzugehen. Raschun lachte auf.

„Nun, vor einem Kleinen Kreuzer wie dem Ihren muss ich mich sicher nicht fürchten. Ihre Feuerkraft reicht nicht mal, um unsere Deflektoren überhaupt zu einem Viertel ihres Energieniveaus zu nötigen.“

„Wenn Sie von uns etwas zu befürchten hätten, Commander Raschun, würde ich Sie vermutlich nicht warnen. Und nachdem meine Besatzung und ich unser Schiff wieder selbst unter Kontrolle haben, müssen Sie nicht mal Ihre Feuerleitzentrale mehr abschirmen. Die wäre selbst durch das – gemessen an der Größe Ihres Schiffes – geringe Energieniveau unserer Laser gefährdet. Es befinden sich drei Kugelraumer im Anflug auf dieses System. Sie werden Sie angreifen oder zu einem Angriff provozieren. Um des Friedensvertrages von Drawund willen bitte ich Sie, das neutrale System Anwida zu verlassen, sonst bricht der Dritte Galaktische Krieg aus“, bat Thomas eindringlich. Raschun lächelte kühl.

„Commander, das Imperium von Lukan betrachtet sich nicht mehr an den Vertrag von Drawund gebunden, da die Föderation das neutrale System Anwida vertragswidrig aufnehmen will, ohne vorher die vertraglich vereinbarte Übereinkunft mit meiner Regierung zu treffen. Ich habe die Anweisung von Seiner Majestät persönlich, diesen Vertragsbruch zu verhindern.“

„So etwas hat mir Commander Mandon vom Sternzerstörer Salmanda schon erzählt. Sie sollten die Ermittlungsergebnisse Ihres Geheimdienstes sorgfältig prüfen, denn sie treffen nur zum Teil zu, Commander Raschun. Ich bin im Auftrag des Galaktischen Rates hier, um einen drohenden Konflikt zu verhindern. Deshalb bitte ich Sie, dem Minister des Auswärtigen Ihrer Regierung mitzuteilen, dass die Galaktische Föderation daran interessiert ist, mit dem Imperium von Lukan direkte Verhandlungen über die künftigen Beziehungen aufzunehmen. Die Kugelraumer, die sich diesem System nähern, tun das, was sie tun, nicht im Auftrag meiner Regierung. Sie beabsichtigen, das Imperium von Lukan und die Galaktische Föderation in einen vernichtenden Krieg zu stürzen, aus dem Galoba als historischer Hauptplanet beider Sternsysteme als alleiniger Sieger hervorgeht“, erklärte Thomas.

„Commander, Sie verbreiten Ihre Propaganda zwar überzeugend, aber nicht überzeugend genug. Das Imperium von Lukan hat zehn Sternzerstörer in diesem System. Wir werden uns von drei Kugelraumern nicht erschrecken lassen“, gab Raschun zurück.

„Verzeihen Sie die Frage, aber sind Sie mit den anderen Sternzerstörern gemeinsam hergekommen oder sind Sie erst später hier eingetroffen?“

„Wieso?“

„Nun, wir mussten feststellen, dass auf einem Raumschiff in diesem System nicht imperiale Offiziere waren, sondern Faxianer, Galobaner und Naruner, die mit Illusionsprojektoren getarnt waren. Weitere Nachforschungen haben ergeben, dass neun von zehn Sternzerstörern ebenso getarnte faxianische Korvetten sind. Die einzelne Korvette kann Ihren Abwehrsystemen auch nicht viel anhaben, aber nach dem Funkverkehr, den wir abgehört haben, ist zu befürchten, dass einer der Kugelraumer auf Faxarol, dem Hauptplaneten des Systems Faxian, Zwischenstation gemacht hat, von wo möglicherweise die großen faxianischen Schlachtschiffe unterwegs sind. Aber davon abgesehen: Mit drei Kugelraumern bekommen Sie arge Probleme, wenn Sie auch noch neun kleine Korvetten gegen sich haben. Ich werde versuchen, die Kugelraumer aufzuhalten, damit Sie nicht unnötig in einen Konflikt mit Föderationsschiffen geraten.“

Raschun schwieg einen Moment, sah Thomas nur an, als wollte er herausfinden, ob der Föderationsoffizier ernst meinte, was er sagte.

„Gut“, sagte er schließlich, „ich gehe das Risiko ein, Ihnen zu trauen. Aber wenn meine Regierung erfahren muss, dass Sie Galoba in die Föderation aufnehmen, ohne die erforderlichen Verträge zu schließen, werden die Folgen unabsehbar sein“, warnte Raschun dann.

„Ich werde Sie in Kenntnis setzen, wenn es mir gelingen sollte, Gribor aufzuhalten. Wenn Sie in den nächsten zehn Standardstunden nichts von diesem Schiff hören, dann existiert es nicht mehr. Dann ist meine Mission gescheitert.“

Raschun lächelte leicht, fast verlegen.

„Wissen Sie eigentlich, dass Sie bereits als tot gelten? Commander Mandon ist der Überzeugung, er hätte Ihr Schiff versehentlich vernichtet. Könnte es nicht sein, dass die drei Kugelraumer hier sind, um für Sie Vergeltung zu üben?“

„Aus dem Funkverkehr weiß ich es besser. Aber wenn es so wäre, sollte das ein Grund mehr für Sie sein, zu verschwinden, wenn Sie nicht das schuldlose Opfer sein wollen. Schließlich wären Sie nicht persönlich verantwortlich für die angebliche Vernichtung der Phobos“, versetzte Thomas.

„Ich höre in spätestens zehn Standardstunden von Ihnen. Sonst ist es nicht mehr aufzuhalten“, erwiderte Raschun und das Visio erlosch.

„Er zieht sich zurück“, meldete Gabi.

„Gut, wir fliegen den Kugelraumern entgegen. Tarnt euch als Galobaner.“

„Thomas, da sind plötzlich keine Sternzerstörer mehr, sondern neun weitere Kugelraumer der Megara-Klasse!“, warnte Gabi.

„Sieh dir die Radarschatten genau an. Unschärfen?“, fragte Thomas.

„Ja, recht deutliche.“

„Das sind die faxianischen Korvetten. Sie müssen sich wieder in Sternzerstörer verwandeln. Gabi, gib mir eine Verbindung zu den Korvetten. Nora, Kurs drei fünf null.“

Die Amazonierin bestätigte, ihre Finger huschten über die Tasten der Navigationskonsole und die Phobos änderte ihren Kurs, den Kugelraumern der ehemaligen Sechsten Flotte entgegen.

„Thomas – weißt du, was du tust?“, fragte Gabi erschrocken, als ihr einfiel, was Thomas ihr von der Megara und ihren Impulskanonen erzählt hatte.

„Ja, ich weiß es“, erwiderte Thomas ruhig und ernst. „Beruhige dich, ich habe nicht vor, die Phobos zu Schrott zu fliegen.“

„Hoffentlich weiß Gribor das auch!“, orakelte Gabi düster.

„Sag’ lieber: Hoffentlich weiß er es nicht!“, kicherte Nora. „Sonst wirkt der Bluff nicht.“

„Sehr beruhigend“, gab Gabi mit einem Kloß im Hals zurück.

„Danke, Gabi. Also los, tarnt euch“, forderte Thomas seine Brückencrew auf und schob die Identifikationskarte des Präsidenten statt seiner eigenen in den Computerschlitz. Sie betätigten die Illusionsprojektoren und verwandelten sich in die galobanische Regierungsmannschaft.

Thomas erhielt die Verbindung zu den faxianischen Korvetten und befahl ihnen die Verwandlung in imperiale Sternzerstörer.

„Aber das sind doch unsere Freunde, die Kugelraumer“, bemerkte einer der Kapitäne zweifelnd.

„Ich habe von unseren Gefangenen erfahren, dass es nicht Admiral Gribor und seine Freunde sind, sondern Raumer der Achten Flotte. Wir müssen sie vertreiben, damit wir ungestört arbeiten können. Ich gebe euch den Angriffsbefehl mit einem Blinksignal auf dem Scanner“, befahl Thomas den Faxianern.

„Zu Befehl, Präsident Krankor“, meldete der Flottenführer – und die angeblichen Kugelraumer verwandelten sich wieder in Sternzerstörer. Der echte Imperiale war inzwischen hinter dem Mond von Galoba verschwunden.

Der Kloß in Gabis Hals wurde noch sperriger, als sie auf dem Normalraumscanner den Austritt der Gribor’schen Kugelraumer bemerkte.

„Sie kommen aus dem Hyperraum“, meldete sie würgend. „Eingehender Ruf von der Megara“, ergänzte sie.

„Gib es auf den Hauptschirm, aber lass die rechte Hälfte des Schirms noch frei“, wies Thomas sie an. „Und die Rückübertragung noch dunkel. Er soll denken, wir können noch nicht richtig mit dem Schiff umgehen.“

Gabi nickte und tat, was Thomas ihr gesagt hatte.

„Ich grüße meinen Freund, den Präsidenten von Galoba, Rado Krankor. Wo habt ihr den Kreuzer her? Ich denke, die Phobos ist vernichtet?“

„Ich grüße meinen Freund, den Admiral Kilma Gribor. Verflixt, wie schaltet man das Bild zu?“, fluchte Thomas mit gekonnt verstellter Stimme.

„Bei den neuen Kreuzern ist das die grüne Taste ganz rechts auf der Komm-Konsole“, kam es aus dem Lautsprecher. Gabi grinste unter ihrer Tarnung und betätigte die Taste. Gribors Gesicht erschien auf der linken Bildschirmfläche.

„Schön, dich zu sehen, Rado. Wie habt ihr das Schiff bekommen?“

„War ganz einfach. Diese Schwachköpfe haben uns mit dem Shuttle aufgefangen, als wir auf euch gewartet haben. Wir hatten nicht viel Mühe, sie mit den Spezialarmbändern davon zu überzeugen, das Kommando an uns abzutreten. Aber ich fürchte, dieser Erdling hat die Föderation gewarnt“, sagte Thomas. Gribor lachte herzlich – eine Reaktion, die weder Thomas noch sonst ein Mitglied seiner Brückencrew jemals an Kilma Gribor gesehen hatte. Sein Lachen ähnelte dem von Kwiri Swin verblüffend. Zu Gribor schien dieser freundliche Gesichtsausdruck nicht zu passen, aber im Moment war er ehrlich gemeint.

„Ja, typisch Erdling Hansen. Er wird nie begreifen, dass er mich nicht besiegen kann. Schön, dass er nicht weiß, dass der Funkspruch auf Palavor an unsere faxianischen Verbündeten geraten ist. Er wird vergeblich auf Verstärkung warten. Aber wieso ist die Phobos nicht vernichtet?“

„Wenn ich eine Ahnung gehabt hätte, dass dir so viel an der Beantwortung dieser Frage liegt, hätte ich ihn vorher gefragt“, erwiderte Thomas. „Was hast du jetzt vor? Nimmst du dir den Sternzerstörer vor?“

„Ja, wo ist er?“

„Raumüberwachung?“, fragte Thomas auffordernd und zwinkerte Gabi so zu, dass Gribor es nicht sehen konnte.

Sie sah auf ihren Scanner. Thomas drückte wie versehentlich eine Taste an seinem Sessel, was kurzfristig die Tarnanlage der Phobos aktivierte. Das Scannersignal des Schiffes würde auf allen Radarschirmen flackern

„Er ist eben hinter dem Mond verschwunden. Ich scanne nochmals, Herr Präsident.“

Scheinbar völlig erschrocken sah sie auf.

„Er hat Verstärkung bekommen! Neun Sternzerstörer kommen hinter dem Mond vor!“, stieß sie hervor. Gribor zuckte zu seinem eigenen Raumüberwacher herum.

„Was? Sternzerstörer?“

„Ja, der Herr Minister hat Recht, Gaul. Neun Sternzerstörer, die direkten Angriffskurs auf uns nehmen“, bestätigte der Raumüberwachungsoffizier.

„Tut mir Leid, Rado, dafür reicht unsere Feuerkraft nicht aus. Aber ich werde dir ersparen, unter imperialer Herrschaft leben zu müssen. Waffenoffizier: Impulskanone ausrichten. Rado – ich wünsche dir und den deinen eine angenehme Reise ins Nirwana.“

Es dauerte zwei Sekunden, bis Thomas begriff, dass Gribor die Phobos vernichten wollte.

„Holla, so haben wir nicht gewettet, Kilma!“, entfuhr es ihm.

„Du wirst einsehen, dass ich es nicht dulden kann, dass du in deiner Geschwätzigkeit den Imperialen erzählst, dass wir sie gegen die Föderalen nur zu deinem Besten ausspielen. Es ist mir zu riskant, ob dein Schiff vernichtet oder aufgebracht wird. Die Imperialen sind wahre Meister darin.“

Damit erlosch die Verbindung. Auf dem Hauptschirm war das charakteristische Vorglühen der Impulskanone erkennbar. Gabi war angesichts der drohenden Vernichtung einem Schreikrampf nahe und konnte nicht begreifen, warum Thomas sie alle in diese aussichtslose Position gebracht hatte.

 

Kapitel 14

Feuerball

Wanrin: Die Feuerleitzentrale ist direkt neben der Impulskanone. Wenn sie feuern wollen, müssen sie kurzzeitig den Schild an der Kanone öffnen. Setz’ zwei Protonentorpedos auf die Zentrale“, wies Thomas den Waffenoffizier an.

„Ja, Chef!“, bestätigte Wanrin. Der Macromanier benötigte nur Sekunden, um seine Torpedos zu programmieren.

„Sie öffnen die Abschusskanäle für die Protonentorpedos!“, rief der Waffenoffizier der Megara.

„Impulskanonensequenz fortsetzen!“, befahl Gribor ungerührt.

„Aber wir müssen den Schild öffnen!“, gab der Waffenoffizier erschrocken zurück.

„Niemand kann so genau zielen, dass er innerhalb der wenigen Sekundenbruchteile trifft, die wir den Schild auf so winzigem Raum öffnen müssen. Blast diesen Abschaum in das All!“

Wanrin ließ den Schildscanner nicht eine Sekunde aus den Augen. Er kannte die geringe Öffnungszeit sehr genau. War der Protonentorpedo erst einmal innerhalb des Schildes, brauchte er nicht einmal mehr direkt zu treffen, um verheerende Zerstörungen anzurichten. Das Glühen wurde intensiver, Wanrin verließ sich völlig auf seinen Instinkt, löste die Abschussvorrichtung in der richtigen Zehntelsekunde aus. Die Protonentorpedos sausten geradewegs auf die Mündung der Impulskanone zu, erreichten den Schild, als er eben gerade geöffnet wurde und detonierten im Abstand von nur wenigen Zehntelsekunden, zerschmolzen die Impulskanone und die Feuerleitzentrale daneben. Auch die Gravitationskontrolle erlitt einen empfindlichen Schaden

Die Einschläge erschütterten den gewaltigen Kugelraumer wie eine Riesenfaust, die eine Sparbüchse schüttelt. Gribor und seine Brückencrew wurden aus ihren Sitzen geschleudert, der Admiral selbst schlug nach Veränderung der Gravitationsphase mit dem vierfachen seines Körpergewichtes auf das stählerne Seitenteil der Navigationskonsole, um gleich darauf wieder schwerelos im Brückenraum zu schweben. Wieder wechselte die Gravitation und Gribor krachte an die Wand. Japsend, weil ihm der Aufprall die Luft aus den Lungen gepresst hatte, befahl er zu feuern.

„Negativ, Admiral“, bedauerte der Waffenoffizier. Aus zwei oder drei Platzwunden lief ihm Blut über das Gesicht und färbte den hellblauen Bordanzug grün. „Die Impulskanone ist zerstört, die Feuerleitzentrale ebenfalls. Ohne die Zentrale haben auch die Normallaser wenig Wert. Zudem kitzeln die die Schutzschilde der Phobos nur.“

„Dann haut ihnen ebenfalls Torpedos um die Ohren!“, fauchte der Admiral, immer noch nach Luft schnappend.

„Waffenraum!“, brüllte der Waffenoffizier ins Mikrofon. Nach – wie es schien – unendlicher Zeit, meldete sich der Waffenraum im Ringwulst des Kugelraumers.

„Waffenraum, Bootsmann Handor.“

„Handor, ich brauche zwei Protonentorpedos, die die Schutzschilde der Phobos aufreißen. Sie müssen sie mit der Hand steuern, weil die Feuerleitzentrale ausgefallen ist. Los, machen Sie schon!“, befahl der Waffenoffizier.

„Statusbericht der anderen Kugelraumer!“, wies Gribor inzwischen die Raumüberwachung an.

„Tut mir Leid, Admiral. Statusbericht nicht möglich, weil der Nahscanner ebenfalls zerstört ist. Der Funkkontakt ist auch ausgefallen.“

„Repariert das sofort!“, brüllte Gribor seine Besatzung an.

Auf der Brücke der Phobos löste der Feuerball am Pol der Megara Jubel aus.

„Ruhe!“, rief Thomas, der sich vom ersten Erfolg nicht aus der Fassung bringen lassen wollte – so schwer es ihm auch fiel, Ruhe zu bewahren.

„Konzentriert euch lieber auf, das, was die drei Banditen machen!“

Der Jubel verstummte augenblicklich, als bei der Buduka das Polgeschütz zu glühen begann.

„Achtung! Aufglühen Polgeschütz bei der Buduka!“, warnte Nora.

„Wanrin – zwei Stück auf den Pol der Buduka! Und gleich zwei für die Lavona reservieren!“, kommandierte Thomas.

„Vorsicht! Nummer drei will ebenfalls schießen!“, rief Gabi.

„Wanrin: Fächerschuss!“, befahl Hansen. Der kleine Macromanier betätigte seine Tasten mit der schlafwandlerischen Sicherheit eines Konzertpianisten. Je zwei Torpedos flogen zu den die Megara flankierenden Kugelraumern, zwei Polgeschütze und zwei automatische Feuerleitzentralen verglühten im Protonenblitz.

„Volle Energie auf die Deflektoren, falls sie uns mit den Normallasern einheizen wollen!“

„Aber …“, meldete Gabi vorsichtigen Protest an. Thomas drehte sich kurz zu ihr um und lächelte sie an.

„Die Normallaser durchdringen die Abschirmungen nicht. Und Torpedos haben sie keine, weil sie mit der Impulskanone als bestens bewaffnet gelten“, beruhigte er sie.

„Bist du sicher?“, fragte Gabi und wies auf sich öffnende Klappen am Ringwulst der Megara. Thomas sah hin.

„Wanrin: Frontlaserbank – Feuer!“, befahl er kurz entschlossen.

Ein armdicker grüner Strahl zuckte durch den Raum und traf den austretenden Torpedo unmittelbar vor der Außenhaut des Triebwerksringwulstes. Die Explosion riss ein gewaltiges Loch in den Rumpf der Megara. Augenscheinlich hatte die Explosion eines der Triebwerke zerstört, das aber in den Kreuzer hinein zerbarst und eine schreckliche Kettenreaktion auslöste. Innerhalb von Minuten stand der Kugelraumer im unteren Teil in Flammen, soweit Sauerstoff vorhanden war.

Erneut wurde die Megara wie eine Rumbakugel durchgeschüttelt. Die künstliche Schwerkraft fiel endgültig aus.

„Statusbericht!“, hustete Gribor durch den Nebel der ausgelösten Sprinkleranlage. „Umschalten auf Notsysteme!“

Einer der drei Wissenschaftsoffiziere ruderte durch die Schwerelosigkeit zu seinem Kontrollpult, legte Schalter um und wurde vom Druck der Kurzschlüsse zurückgeschleudert.

„Mingonische Feuerengel!“, fluchte der Offizier. „Der Torpedo muss direkt vor der Bordwand am Wulst detoniert sein. Totalausfall aller Systeme, einschließlich der Notaggregate!“

Kilma Gribor sah den Commander mit einer schwer definierbaren Mischung aus Zorn und Furcht an. Er hatte Kugelraumer der Megara-Klasse immer für unverwundbar gehalten. Jetzt erwies sich sein Schiff als ausgesprochen unsicher

„Besteht Aussicht, die Situation unter Kontrolle zu bekommen?“, fragte er.

Ein zweiter Wissenschaftsoffizier kämpfte sich zu seiner Station durch und checkte die anderen Stationen des mit rund zweihundert Denebern besetzten Schiffes durch, soweit die immer mehr zusammenbrechenden Nachrichtenleitungen das überhaupt zuließen.

„Admiral – im unteren Teil der Kugel weist der Lebensanzeiger keinerlei Lebensformen mehr aus. Nur die Besatzung im oberen Teil hat die Explosion überlebt.“

„Alles in die Brücke! Brücke dann isolieren.“

Der Wissenschaftsoffizier tat sein Bestes, aber selbst die Brückenkupplungen funktionierten nicht mehr. Er schüttelte nur bedauernd den Kopf.

„Admiral, die Brücke lässt sich nicht mehr isolieren und auskuppeln. Zu den Space-Jets kommen wir nicht mehr durch“, sagte er. Gribor begann vor Angst zu frieren.

Während die Besatzung der Megara tot war oder die schlimmsten Momente ihres Lebens durchmachte, zogen die Kapitäne der beiden anderen Kugelraumer es vor, vor dem augenscheinlich gut bewaffneten und zu allem entschlossenen galobanischen Regierungsteam einen noch halbwegs geordneten Rückzug anzutreten. Thomas wollte es zunächst nicht glauben, als sich die Explosionshelligkeit verlor und sich der Abstand der Lavona und der Buduka zur Phobos vergrößerte.

„Täusche ich mich oder ziehen die ab?“, fragte er. Gabi prüfte den Abstand nach.

„Zehntausend und steigend. Nein, du hast Recht. Sie verziehen sich!“

„Juhu! Denen haben wir’s gezeigt! Sie geben Fersengeld!“, jubelte Nora.

„Wanrin: Schick ihnen einen Peilsender hinterher. Hefte ihn an den Ringwulst der Buduka“, wies Thomas den Waffenoffizier an. Eilig programmierte der Macromanier einen Torpedo um, tauschte den Sprengkopf gegen einen Peilkopf aus. Der Torpedo würde dem Schiff auch bis in den Hyperraum folgen, sich am Ausstoß der Triebwerke orientierend, bis er das Schiff eingeholt haben würde und sich mit einem Magnetanker an der Außenhaut befestigen, sobald die Deflektoren deaktiviert würden. Mit dem Sender würde es möglich sein, das Schiff wiederzufinden, wohin immer in der Galaxis es sich wenden würde.

„Gabi, kannst du mir einen Statusbericht der Megara geben?“, fragte Thomas. Gabi seufzte hörbar.

„Ich versuch’s mal. Mecker’ nicht, wenn’s nicht klappt. Ich mache das zum ersten Mal.“

Gabis schlanke Finger huschten über die Kontrollen, wobei sie sich selbst wunderte, mit welcher Selbstverständlichkeit sie sie bereits bediente. Die Anzeigen boten ihr den Statusbericht von selbst an, als sie einen Oberflächenscan vornahm. Was der Bericht ergab, zeichnete kein hoffnungsvolles Bild vom Zustand des Kugelraumers.

„Ich hab’ ihn“, sagte sie. „Decks 21 bis 40 atmosphärelos, großenteils geschmolzen, Totalausfall der künstlichen Schwerkraft, kompletter Ausfall aller Navigations- und Waffensysteme, Lebenserhaltungssystem instabil, wird innerhalb der nächsten zehn Minuten zusammenbrechen. Alle inneren Isolationskupplungen ausgefallen.“

Sie sah Thomas erschrocken an.

„Und wenn ich das hier nicht völlig falsch verstehe, droht ein Konverterkollaps!“, stieß sie hervor. Thomas wurde blass.

„Ich kann den Scheißkerl nicht ausstehen – aber so lasse ich ihn nicht verrecken.“

Er drückte die Intercomtaste.

„Kommandant an Maschine!“

„Ich höre, Thomas.“

„Lewis, Alarmstart für die Space-Jets! Sie sollen mit drei Mann besetzt ‘raus. Fischt mir die Jets aus den Hangars der Megara auf und holt über die Brückenschleuse alle aus dem Wrack da drüben ‘raus.“

„Sofort, Chef!“, bestätigte Decker.

„Gabi, dringenden Funkspruch nach Macros. Sie sollen uns Transportkreuzer der Stellaren Polizei entgegenschicken. Auf Dauer können wir nicht so viele Leute an Bord beherbergen“, wies er dann seine Frau an.

Auf der Brücke der Megara tobte das Chaos. Der Chefwissenschaftsoffizier kämpfte sich erneut zu seiner Konsole durch, um den Status zu checken. Entsetzt musste er feststellen, dass praktisch alle lebenserhaltenden Systeme nach und nach ausfielen. Zwar hatten sich noch ungefähr fünfzig Besatzungsmitglieder der Megara in die Brücke als der einzigen, noch effektiv lebenserhaltenden Station retten können, aber wenn sie keine Hilfe von außen bekamen, würde der Trost nicht mehr lange anhalten.

„Wir sitzen hier fest, Admiral. Wir haben nicht genug Raumanzüge für alle und an die übrigen kommen wir nicht mehr heran, weil der untere Teil komplett ausgebrannt ist.“

Gribor wurde noch schwindliger, als ihm durch die für ihn ungewohnte Schwerelosigkeit ohnehin schon war. Plötzlich spürten sie einen sanften Ruck, dann ein leises Zischen am Brückennotausstieg. Einstechender Geruch drang dem Admiral in die Nase, dann war es ebenso plötzlich dunkel um ihn.

Thomas Hansen sah mit steigender Anspannung auf die Anzeigen.

„Was machen die Konverter der Megara?“, fragte er.

„Temperatur steigt. Wenn die Geräte nicht spinnen, kollabieren sie in drei Minuten.“

Was so ein Torpedo an der falschen Stelle anrichten kann, ist unglaublich. Der zerreißt einen ausgewachsenen Kugelraumer!’, durchzuckte es Thomas. Über den Hauptschirm sah er, dass außer den drei eigenen Jets der Phobos weitere vier größere Versionen des Space-Jets aus den hinteren Hangars der Megara kamen und zur Brückenschleuse flogen. Er schaltete sich in die Kommunikation der Space-Jets ein.

Phobos an Space-Jets: Ihr habt genau zwei Minuten, um die Besatzung zu bergen und euch wieder hier im Hangar einzufinden, sonst fliegen euch die Konverter um die Ohren!“

Maschinenmaat van den Broek bestätigte kurz, meldete sich zwei Minuten später wieder und teilte mit, dass die Space-Jets rund fünfzig Überlebende von der Megara geborgen hatten – Admiral Gribor eingeschlossen. Eilig flogen die Beiboote zurück zur Phobos.

„Nora, mach die Hangars auf. Sobald die drin sind, müssen wir mit maximaler Geschwindigkeit hier weg!“

Hinter Thomas zischte es leise. Er drehte sich flüchtig um und sah einen verschlafenen, noch leicht benommenen Kwiri Swin auf die Brücke stolpern. Das Erste, was Kwiri wahrnahm, waren die Trümmer der Megara, in denen das atomare Feuer der jetzt kollabierenden Konverter zu lodern begann.

„Bei den Göttern von Mingon! Was ist das?“, schrie er auf.

„Die Megara nach zwei Torpedotreffern am Pol und einem nach Laserbeschuss direkt vor dem Triebwerkswulst explodierten Protonentorpedo“, antwortete Thomas.

„Was ist mit Gribor und seiner Besatzung?“, fragte Kwiri mit böser Ahnung.

„Sind eben unterwegs in unsere Jet-Hangars“, erwiderte Hansen. Das Intercom piepte.

„Brücke“, meldete sich Thomas.

„Maat van den Broek an Kommandant: Alle sieben Space-Jets an Bord.“

„Danke, Herr van den Broek. Gute Arbeit. Sorgen Sie jetzt nur noch dafür, dass die Herren von der Megara möglichst sicher verwahrt werden“, lobte Thomas.

„Wird gemacht, Chef“, bestätigte der Maschinenmaat.

„Nora, volle Kraft zurück! Lichtfilter!“, kommandierte Hansen dann. Nora nickte nur, die Phobos setzte rückwärts eilig aus dem Gefahrenbereich. Das Schiff hatte kaum die gefährdete Zone verlassen, als die Megara in einem sonnengleichen Blitz explodierte. Nora konnte den Sichtschutz gerade noch aktivieren, um die Leute auf der Brücke vor dem Erblinden zu bewahren.

„Mit den Geschützen wird kein Unheil mehr geschehen!“, sagte Thomas leise.

Kapitel 15

Vorsichtige Annäherung

Sag’ mal, was ist hier eigentlich passiert?“, erkundigte sich Kwiri erschrocken, als die gleißende Helligkeit langsam wieder verging. Thomas drehte sich zu dem verwirrten Deneber um.

„Kilma Gribor ließ mir nur noch die Wahl, dass die Phobos von seiner Impulskanone zerlegt wurde oder dass er eins auf die Kanone bekam. Ich habe mich für die zweite Variante entschieden. Er mochte das nicht einsehen und wollte noch einen Protonentorpedo draufsatteln und den hat Wanrin mit Laser abgeschossen. Daraus resultierte das Riesenloch im Wulst, das die zerstörende Kettenreaktion ausgelöst hat“, erklärte er. Kwiri runzelte verwundert die Stirn.

„Aber die Kugelraumer der Megara-Klasse sind doch gar nicht mir Protonentorpedos ausgerüstet, weil sie die schweren Impulskanonen haben!“, protestierte er.

„Das habe ich bis vor einer Viertelstunde auch geglaubt, Kwiri“, erwiderte Thomas schulterzuckend. „Gabi, spielst du Kwiri bitte die Aufzeichnung vom Schusswechsel vor?“, bat er dann Gabi nickte. Kwiri trat an Gabis Konsole und bekam die Aufzeichnung vorgespielt. Aufmerksam betrachtete er sie, ließ sich Szenen wiederholen, Bildausschnitte vergrößern – und schüttelte nur noch den Kopf.

„Das ist ja unglaublich!“, stieß er hervor.

„Was? Dass ich ihm eins vor den Latz geknallt habe?“, fragte Thomas unüberhörbar sarkastisch.

„Nein“, wehrte Kwiri ab, „das war mehr als überfällig. Aber, wo sind die beiden anderen geblieben? Es waren doch drei.“

„Mit zerstörten Impulskanonen auf der Flucht im Hyperraum. Wir haben einen Peilsender hinterhergeschickt“, erwiderte Thomas.

„Thomas, was ist mit den faxianischen Korvetten?“, erkundigte sich Gabi.

„Danke. Die hätte ich jetzt bald vergessen. Gib mir noch mal eine Komm-Verbindung ohne Bild.“

Gabi betätigte einige Tasten, dann leuchtete eine Anzeige auf.

„Verbindung steht“, sagte Gabi.

„Rado Krankor, Präsident von Galoba, an die faxianischen Korvetten. Verstehen Sie mich?“, fragte Thomas mit verstellter Stimme. Kwiri sah ihn verblüfft an.

„Klar und deutlich. Es war ein großartiger Schuss, Herr Präsident. Welche weiteren Befehle haben Sie für uns?“, fragte ein faxianischer Kapitän nach.

„Im Moment ist Ihre Anwesenheit hier nicht mehr nötig. Kehren Sie auf Ihre Basen zurück und warten Sie auf weitere Anweisungen“, wies Thomas die Faxianer an.

„Gut. Wir fliegen zurück nach Faxarol und erwarten dort Ihre weiteren Weisungen, Herr Präsident.“

„Danke, guten Flug.“

Die faxianischen Korvetten gaben ihre Tarnung als Sternzerstörer auf, formierten sich neu, änderten die Richtung und nahmen Kurs auf Faxarol, verschwanden wenige Minuten später im Hyperraum. Kwiri Swin sah mit ungläubigem Blick, dass die Faxianer Thomas Hansen aufs Wort gehorchten.

„Sag’ mal, wie machst du das?“, fragte er schließlich, als die Verbindung wieder unterbrochen war. Thomas grinste spitzbübisch und zog die Codekarte von Präsident Krankor aus dem Identifikationsschlitz des Bordcomputers, schob seine eigene Karte hinein.

„Freund Krankor ist so schnell vom Stuhl gefallen, dass er nicht mal mehr die Zeit hatte, seine Codekarte wieder ‘rauszuziehen.“

„Mir ist noch etwas schwummerig. Hast du etwa …“

„… die Brücke mit Paralysol geflutet; genau“, beendete Thomas Kwiris Satz. „Anders hätte ich die Burschen nicht außer Gefecht setzen können. Ich hoffe, es hat bei keinem sonst Nachwirkungen?“

„Nein. Nur Menschenfrauen vertragen Paralysol nicht. Hast du deshalb über Suli die Frauen ausgetauscht?“

Thomas nickte.

„Ich hatte auch schon überlegt, mit einem Illusionsprojektor getarnt auf die Brücke zu kommen, aber ich war mir nicht sicher, ob es ohne Kampf abgeht. Und das hätte ich mir nicht leisten können“, erklärte er.

„Und jetzt?“, fragte Swin.

„Wir fliegen noch mal zum Unterbrecher und nehmen das Ding in Schlepp, dann nichts wie ab nach Hause. Wir servieren Präsident Sulukum Kilma Gribor und Rado Krankor inklusive Anhang wie die Rollbraten verschnürt. Die Lukaner werden sich über kurz oder lang wegen direkter Verhandlungen mit uns in Verbindung setzen, womit Galoba als Vermittler wegfällt. Und gemeinsam wird uns schon einfallen, wie wir künftig Konflikte vermeiden …“

„Apropos …“, unterbrach Gabi, „solltest du nicht eigentlich im Bett liegen, Commander?“

„Schon, aber ich habe erst noch etwas zu erledigen. Kannst du den imperialen Sternzerstörer erreichen?“

Gabi versuchte es und hatte nach kurzer Zeit auch Erfolg.

„Hallo, Pollicus, können Sie mich verstehen? Hier Föderationsschiff Phobos.“

„Hier Sternzerstörer Pollicus. Wir hören Sie, Phobos.“

„Danke, ein Gespräch für Commander Raschun. Schalten Sie bitte auf Bildübertragung um.“

Die Visioverbindung im Hauptschirm leuchtete auf und Commander Raschun erschien.

„Alle Schwarzen Löcher! Sie leben ja noch!“, wunderte sich der imperiale Commander. „Ich habe gesehen, dass Sie sich mit ihrem Kreuzerlein den Kugelraumern in den Weg gestellt haben. Hier an Bord hätte keiner nur einen Astra auf Sie verwettet.“

„Ich hatte Ihnen versprochen, mich vor Ablauf von zehn Stunden zu melden – und ich werde ungern wortbrüchig. Wollen Sie Seiner Majestät Minister vorschlagen, dass sich eine Delegation des Imperiums mit einer Delegation der Galaktischen Föderation zu direkten Verhandlungen trifft?“

Raschun lächelte verbindlich.

„Sie sind hartnäckig, Commander. Ja, ich werde es Seiner Majestät persönlich vortragen, aber ich stelle die Bedingung, dass Sie dieser Verhandlungsdelegation angehören.“

„Ich hoffe, dass ich bis dahin wieder voll einsatzfähig bin, um es zu ermöglichen. Kehren Sie jetzt nach Pollicus zurück?“

„Ja. Guten Flug.“

„Danke, ebenso“, verabschiedete sich Thomas.

Das Visio erlosch und Thomas sah in Kwiris staunendes Gesicht.

„Sag’ mal, weißt du wer das war?“, fragte der Deneber verblüfft.

„Commander Raschun von der imperialen Eliteflotte“, antwortete Thomas. Kwiri grinste von einem Ohr zum anderen.

„Ja, das auch. Thomas, Commander Kim Raschun ist ganz zufällig der Neffe des Kaisers“, sagte er schließlich. Thomas sah ihn verwirrt an, dann merkte er, dass die Anspannung wich, die ihn bisher aufrecht gehalten hatte.

„Kwiri, kannst du übernehmen?“, fragte er.

„Ja, sicher. Warum?“

„Weil mein Adrenalinspiegel soweit abgesackt ist, dass er nicht mehr ausreicht. Ich werde jetzt brav sein, der Verordnung des Bordarztes folgen und meine drei Tage Bettruhe abreißen.“

Thomas war gerade fünf Stunden im Bett, als ein Transportkreuzer der Stellaren Polizei bei der Phobos andockte und die Reste der Megara-Besatzung, die Besatzung des Unterbrechers und die verhaftete galobanische Regierung übernahm. Als die Phobos Palavor erreichte, kam fast die Hälfte der Achten Flotte bei Galoba aus dem Hyperraum, um die Föderationsmitarbeiter von Galoba abzuholen, damit eventuelle Racheakte vermieden wurden. Ein weiterer Großteil der Achten Flotte folgte den Funksignalen der geflohenen Kugelraumer, brachte sie im Nachbarsystem von Faxarol auf und sorgte für eine Rückführung der Fahnenflüchtigen. Als die Phobos eineinhalb Galaktische Wocheneinheiten darauf Megara erreichte, lief bereits ein Hochverratsprozess gegen Kilma Gribor und seine Mitverschworenen der ehemaligen Sechsten Flotte, ein weiterer Prozess gegen die Mitglieder der galobanischen Regierung. Der Schwingungsunterbrecher war sichergestellt, das Imperium war beruhigt, dass die Föderation auf Galoba keine eigenen Interessen verfolgte – jedenfalls nicht dahingehend, dass Galoba unbedingt in die Föderation aufgenommen werden sollte. Zwar befürchtete der Galaktische Rat, dass die notwendigen Verhandlungen mit dem Imperium nicht ganz einfach werden würden, aber es war gewiss einfacher, mit den Imperialen direkt zu reden, als ohnehin schwierige Themen noch durch einen Dritten weiter zu verkomplizieren.

Die Konfrontation des neuen Diskusschiffes mit den Kugelraumern hatte gezeigt, dass die Kugelraumer extrem unsichere Schiffe waren, wenn der Gegner um die Schwäche wusste, dass die Schutzschilde zum Abfeuern der Impulskanonen und Protonentorpedos geöffnet werden mussten. Niemand konnte genau sagen, wer außer den eigenen Flottenangehörigen davon noch wusste. Durch Gribors Verrat war es nicht auszuschließen, dass von diesem gefährlichen Geheimnis auch andere Raummächte wussten – zum Beispiel die Lukaner oder die Faxianer. Auf Galoba war einfach alles käuflich, wie sich in den Prozessen herausstellte – ob es nun normale Handelswaren wie Lebensmittel, Möbel und Kleidung waren, oder Luxusgüter wie Edelmetalle und -steine oder auch Waffen und ausspionierte Geheimnisse anderer Mächte. Durch seinen neutralen Status hatte weder das Imperium noch die Föderation die Bildung eines Marktes für kleine und große Geheimnisse auf Galoba verhindern können. Es lag im beiderseitigen Interesse, sich nicht wieder durch die auf diese Weise geförderten Machtgelüste eines einzelnen Planeten gegeneinander ausspielen zu lassen – und damit war der Friede in der Galaxis gerettet.

Ende

 

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