SOL 3 = Erde Teil 5 Die Juwelen des Imperators

Kapitel 1

Schreck in der Morgenstunde

Seit die Verschwörung Kilma Gribors mit dem galobanischen Präsidenten aufgeflogen war, waren nun eineinhalb Galaktische Jahreseinheiten oder volle drei Erdenjahre vergangen. Der Prozess gegen Gribor und seine Anhänger hatte durch sämtliche Instanzen der föderalen Gerichtsbarkeit geführt; aber so sehr sich Gribors Anwälte auch bemüht hatten, Beweise zu widerlegen oder auch anzuzweifeln und Zeugen einzuschüchtern, es war umsonst gewesen. Am Ende war das Urteil der ersten Instanz, das zwanzig Jahre Gefängnis auf Megaras künstlichem Mond bedeutet hatte, von allen weiteren Instanzen bestätigt worden. Präsident Sulukum hatte ein Gnadengesuch abgelehnt und einen Erlass unterschrieben, nach dem über ein neues Gnadengesuch frühestens in zehn Jahren entschieden werden durfte. Kilma Gribor erhielt eine Zelle auf dem Gefängnismond und stellte zunächst keine Gefahr mehr für die Galaxis dar.

Die Tatsache, dass die Verschwörer im Gefängnis waren, bedeutete aber nicht, dass sie von jeglichem Nachrichtenfluss abgeschnitten waren. In den Zellen waren Informationsterminals angebracht, über die die Gefangenen jederzeit Abrufzugang zum Galaxnet hatten. Auf diese Weise war Gribor über das unterrichtet, was sich seit der Zerstörung der Megara ereignet hatte. Mit wachsendem Zorn musste er feststellen, dass das Ansehen seiner beiden größten Feinde – Kwiri Swin und Thomas Hansen – durch die Verhinderung des Dritten Galaktischen Krieges weiter gestiegen war. Damit nicht genug, war die Erde, dieser nach Gribors Meinung völlig überflüssige Planet im System SOL, auch noch der Hauptverhandlungsort für die Kooperationsvereinbarungen der Galaktischen Föderation mit dem Lukanischen Imperium. Die elektronischen Zeitungen im Galaxnet berichteten beinahe täglich über die fortschreitenden Verhandlungen, schließlich über den Abschluss des Kooperationsvertrages und die Einrichtung einer imperialen Botschaft beim Galaktischen Rat auf Megara sowie diverser imperialer Konsulate, von denen das größte auf der Erde sein sollte. Kilma Gribor schäumte vor Zorn, aber er hatte keine Möglichkeit, hindernd einzugreifen. Dann fiel sein Blick auf eine Notiz, mit der auf eine Ausstellung des Lukanischen Imperiums auf SOL 3 hingewiesen wurde – und darauf, dass die imperialen Kronjuwelen dabei gezeigt werden sollten. Gribor sah speziell in den angekündigten Juwelen einen Hoffnungsschimmer …

Der Sommer auf der nördlichen Hemisphäre der Erde war in diesem Jahr besonders heiß. Thomas und Gabriele Hansen beglückwünschten sich zum Erwerb einer Klimaanlage für ihr altes Bauernhaus, die die Temperaturen in der schattenarmen Lüneburger Heide erträglicher werden ließ. Die von Thomas nach dem Kauf des Hauses gepflanzten Kastanien würden noch einige Jahre brauchen, um das Reetdach des Hauses zu überragen. Die regulierbare Kühle des Hansen’schen Hauses und die Abgeschiedenheit trotz der Nähe der Stadt Hamburg bot nicht nur dem Ehepaar selbst, sondern auch den häufigen Gästen einen Ort der Erholung von den anstrengenden Verhandlungen. In diesem Sommer bestand der Kooperationsvertrag zwischen Föderation und Imperium nun eine Galaktische Jahreseinheit; Grund genug, das Imperium mit einer Ausstellung bei den Welten der Föderation bekannter zu machen. Weil die Erde der Un­terzeichnungsplanet des Kooperationsvertrages war, sollte die Ausstellung hier ihren Anfang nehmen. Noch war es fast ein Erdenmonat, bis die Ausstellung in den Hamburger Messehallen eröffnet werden sollte, aber der größte Teil der Ausstellungsstücke war schon auf der Erde angekommen. Die überaus wertvollen Stücke waren über eine Ausstellungsversicherung bei Sperling mit einem Wert von mehr als drei Milliarden Galaxonen versichert – und Thomas war sicher, dass Herr Baron und Herr Töpfer einige schlaflose Nächte hatten.

Für die Zeit der Expo Imperium hatten die Hansens Kim Raschun eingeladen, den Neffen des Imperators, der auch dessen designierter Nachfolger auf dem Thron war. Während der langen Verhandlungen auf der Erde hatte sich zwischen Thomas und dem imperialen Thronfolger über gegenseitige Achtung und Verständnis für die Position des Anderen relativ schnell eine Freundschaft entwickelt, weshalb Kim Raschun jede Gelegenheit nutzte, Besuche in der Föderation mit einer Visite bei Gabi und Thomas Hansen zu verbinden. Zu diesem Besuch hatte er eigentlich noch seine Frau, Kronprinzessin Solena, mitbringen wollen, doch Solena war hochschwanger, und das Kind sollte auf jeden Fall auf Pollicus geboren werden, weil es sonst kein Anrecht auf den Thron gehabt hätte. Kim war nicht glücklich, dass er bei der Geburt seines ersten Kindes nicht dabei sein konnte, aber die kaiserlichen Juwelen verlangten nach kaiserlicher Begleitung – dieser Pflicht konnte Kim sich nicht entziehen.

„Guten Morgen, Kim. Meine Güte, hast du wieder nicht geschlafen?“, erkundigte sich Gabi besorgt, als Kim an diesem Morgen bleich und übernächtigt zum Frühstück herunterkam. Er gähnte unterdrückt.

„Nein, habe ich nicht, aber diesmal hat mich euer Sternenhimmel so fasziniert. Er ist so anders als der über Pollicus, aber fast noch interessanter. Thomas hatte mir gestern Abend noch von euren Sternbildern und der Bedeutung erzählt, die man ihnen hier zuschreibt. Auf Pollicus sind wir noch nicht auf die Idee gekommen, scheinbare Sterngruppen zu Bildern mit Bedeutung zu erklären; aber es ist überaus faszinierend. Nach eurer Rechnung wird die Geburt unseres Kindes im Sternbild der Waage erfolgen. Eure Sterndeuter sagen Menschen dieser Gruppe ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl nach. Schade, dass unser Kleiner nicht auf SOL 3 geboren werden kann“, sagte er. „Wann müssen wir eigentlich zur Ausstellungsvorbereitung los?“, fragte er dann. Thomas sah auf die Uhr.

„Wir wollten uns um elf mit Dr. Heinrich vom Museum für interstellare Kunst treffen. Wir haben noch gut zwei Stunden. Mit dem Gleiter sind wir in einer knappen Stunde in Hamburg“, erwiderte er. Kim Raschun sah ihn zunächst verwirrt an, da ihm die irdische vierundzwanzig-Stunden-Zählung nicht vertraut war. Erst nach einigen Minuten gelang ihm die Umrechnung in die Galaktische Einheitszeit. Trotz des Beitritts der Erde zur Galaktischen Föderation hielt sich die terranische Zeitrechnung von vierundzwanzig Stunden ebenso hartnäckig wie die Sieben-Tage-Woche und das Zwölf-Monats-Jahr. Thomas bemerkte Kims Verwirrung.

„Entschuldige. Wenn ich auf der Erde bin, rechne ich immer in terranischen Zeiteinheiten.“

„Ist schon gut. Wenn ich zu Hause auf Pollicus bin, dann zähle ich auch immer nach unserem Dreißig-Stunden-Tag.“

Das Telefon klingelte. Thomas seufzte.

„Nicht mal beim Frühstück hat man seine Ruhe!“, schnaufte er, legte die Serviette beiseite und ging ans Telefon.

„Hansen, guten Morgen“, meldete er sich. Gabi und Kim sahen, dass Thomas von einer Sekunde zur anderen leichenblass wurde, als er dem Anrufer lauschte.

„Wie bitte?“, würgte er. „Sagen Sie das noch mal!“

Die Worte des Anrufers waren nicht zu erkennen, aber Gabi und Kim spitzten gebannt die Ohren.

„Moment, Herr Kommissar. Nein, warten Sie. Ich stelle mal laut, weil der Eigentümer nämlich bei mir ist.“

Er betätigte einen Knopf, es knackte vernehmlich, das Atemgeräusch des Anrufers war plötzlich zu hören.

„Bitte, Herr Martens, erzählen Sie’s noch mal. Ich glaub’s einfach nicht“, bat er dann.

„Schön, zum dritten Mal, langsam zum Mitschreiben: Heute Nacht wurde in den Tresorraum der Messehallen eingebrochen. Die Einbrecher haben den Tresor aufgeschweißt, in dem die imperialen Juwelen eingeschlossen waren und haben die Juwelen entwendet. Um an den Tresor zu gelangen, haben sie die vier Wachtposten erschossen, die den Raum bewachten. Nach den ersten Spuren, die wir haben, handelt es sich offenbar um denebische Laserwaffen, mit denen sowohl die Posten getötet wurden, wie sie auch als Einbruchswerkzeug in den Tresor verwendet wurden.“

Thomas hatte sich gesetzt, Gabi und Kim waren nicht weniger geschockt.

„Haben Sie mich verstanden, Herr Hansen?“, fragte Kommissar Martens besorgt nach.

„Ja, jetzt ja. Fehlt noch etwas außer den Steinen?“

„Das kann ich Ihnen nicht sagen. Deshalb rufe ich auch an. Ich möchte Sie und Herrn Raschun bitten, ins Kommissariat am Neuen Pferdemarkt zu kommen. Wir benötigen eine genaue Liste der im Tresor befindlichen Gegenstände.“

„Sind … sind die Angehörigen der Wächter schon informiert worden?“, erkundigte sich Thomas. Vor nichts graute ihm mehr, als den Angehörigen von Leuten seiner Einheit sagen zu müssen, dass die Leute nicht mehr wiederkommen würden, weil sie in Ausübung ihres Dienstes getötet worden waren.

„Ja, das ist bereits geschehen. Wann können Sie hier sein?“

„Wir sind in einer halben Stunde bei Ihnen“, erwiderte Thomas. „Bis gleich“, verabschiedete er sich und legte auf.

„Sagt mir, dass das ein Albtraum ist!“, bat er dann.

„Wenn ja, dann träumen wir ihn zu dritt“, keuchte Gabi. „Oh, mein Gott, das ist ja furchtbar!“

„Komm, Kim, verlieren wir keine Zeit“, sagte Thomas schließlich. Kim nickte nur, unfähig, ein Wort herauszubringen. Die beiden Männer eilten aus dem Haus, Gabi hörte das Triebwerk von Thomas’ Gleiter aufheulen, dann sah sie durch das Küchenfenster, wie ihr Mann mit fast maximaler Geschwindigkeit in Richtung Dorfstraße jagte.

 

Kapitel 2

Schadenmeldung

Kommissar Martens war ein Mann mittleren Alters, für den ein Juwelendiebstahl kaum etwas anderes war als ein Radiodiebstahl aus einem geparkten Gleiter. Er fragte die beiden ihm gegenüber sitzenden Männer routiniert ab, fertigte aus den Angaben eine Liste der im Tresor befindlichen Gegenstände. Außer den Juwelen fehlte nichts.

„Haben Sie einen Täterverdacht?“, erkundigte er sich. Es war mehr eine rhetorische Frage, denn Martens hatte es in fünfundzwanzig Dienstjahren erst viermal erlebt, dass jemand einen Täterverdacht hatte. Thomas und Kim sahen sich an, zuckten verlegen mit den Schultern.

„Eigentlich nicht“, sagte Hansen.

„Und uneigentlich?“, hakte Martens nach.

„Nun, können Sie uns schon etwas zu den näheren Umständen der Entwendung sagen?“, fragte Thomas.

„Wie meinen Sie das?“

„Möglicherweise könnten wir dann sagen, ob der oder die Täter Terraner sind oder nicht, Herr Kommissar.“

„Das würde den Täterkreis auch sehr einengen, meine Herren! Es leben ja auch nur schlappe fünf Milliarden Menschen auf diesem Planeten!“, versetzte Kommissar Martens giftig.

„Nun, es würde jedenfalls Sie davon entbinden, verzweifelte Anstrengungen zu unternehmen, den oder die Diebe zu finden“, gab Kim kühl zurück. „Und wenn die Täter tatsächlich außerhalb dieses Planeten zu suchen sein sollten, engt es den möglichen Täterkreis beträchtlich ein – denn dann kann es sich nur um Rebellen gegen das Imperium von Lukan handeln. Die gestohlenen Edelsteine sind – wie würden Sie es auf Terra nennen? – Amtszeichen Seiner Majestät. Im Grunde gibt es keinen anderen, der an den Steinen Interesse haben könnte.“

„Nun, es handelt sich immerhin um zwei Edelsteine, die nach übereinstimmenden Angaben des Museums und Ihrerseits einen Gesamtwert von guten zwei Milliarden haben. Da wüsste ich noch diverse andere Gauner, die ihre Finger im Spiel haben könnten“, gab der Polizist zurück.

„Schon“, stimmte Thomas eingeschränkt zu. „Die Sache hat nur den Haken, dass diese Steine wirtschaftlich völlig uninteressant sind. Im Stück sind sie schlicht unverkäuflich, weil sie viel zu auffällig sind. Und in kleine Häppchen zerlegt taugen sie bestenfalls zum Glasschneiden, weil sie dann nicht lupenrein wären. Ein Diebstahl, um daraus direkt Geld zu machen, scheidet nach meiner Meinung aus.“

„Aha. Und was wäre – nach Ihrer Meinung, Herr Hansen – dann die wahrscheinlichste Theorie?“, fragte Martens mit unverhohlenem Spott. Thomas’ Augen verdunkelten sich leicht.

„Ich bin kein Hobby-Sherlock-Holmes, Herr Martens. Aber auf den Holographien, die hier vorliegen, ist deutlich erkennbar, dass die Zeichenstruktur die Steine völlig durchzieht. Es handelt sich um jeweils eine im Stein eingeschlossene Holographie. Die Informationen sind in der Karbonstruktur eingelagert und durchziehen jedes Molekül dieser Juwelen. Das macht sie als komplette Steine unermesslich wertvoll, denn sie sind nicht ersetzbar. Der Wert von zwei Milliarden Galaxonen ist relativ willkürlich gewählt und stellt nur die Versicherungssumme dar. Normalerweise wären diese Juwelen nicht käuflich zu erwerben und haben deshalb keinen echten Marktwert. Andererseits wäre auch ein noch so kleiner Splitter dieser Steine mit einer Teilinformation des Gesamthologramms ausgestattet, die die Lichtbrechung des Smaragdes oder Rubins beeinträchtigen würde. Insofern scheidet es meiner Ansicht nach aus, dass jemand die Juwelen stiehlt, um sie – sagen wir mal regulär – unter die Hehler dieser Welt zu bringen.“

„Sie wären also der Meinung, dass die Steine sich möglicherweise gar nicht mehr auf der Erde befinden?“, fragte Martens.

„Zugegeben, das ist schwer zu sagen.“

„Wenn wirtschaftliche Interessen keine Rolle spielen, wie Sie meinen, könnte etwas anderes der Hintergrund sein? Eine Erpressung vielleicht?“

„Das liegt durchaus im Bereich des Wahrscheinlichen, Herr Kommissar“, erwiderte Kim. „Wie gesagt: Es handelt sich um die Amtszeichen des Kaisers. Wenn jemand sie hat, könnte er damit drohen, sie zu vernichten oder sie an jemanden auszuliefern, der dem Kaiserhaus schaden will. Ein im Wesentlichen absolut regierendes Haus hat genügend Feinde, die dazu imstande wären.“

„Und wenn man den Dieben vorspiegeln würde, sie hätten gar nicht die richtigen erwischt?“, sagte Thomas unter einer plötzlichen Eingebung.

„Wie meinen Sie das, Herr Hansen?“, fragte Martens nach.

„Nun, wenn man verbreiten würde, es seien Kopien gestohlen worden, weil die echten Juwelen Pollicus noch nicht verlassen hätten, weil sie erst unmittelbar vor Beginn der Ausstellung hergebracht würden, könnte das die Diebe aus der Reserve locken, oder?“

„Hm, keine schlechte Idee. Und was machen Sie in drei Wochen, wenn die Ausstellung eröffnet wird und die Steine sind bis dahin nicht wieder vorhanden?“, erkundigte sich der Polizist.

„Nun, ich kenne jemanden, der Industriediamanten in der entsprechenden Größe herstellen und einfärben kann. Mit etwas Geschick dürfte er auch in der Lage sein, die Hologramme zu kopieren. Damit könnte man die Diebe narren. Oder man behauptet einfach, die Steine seien wieder da, was einen ähnlichen Effekt haben dürfte.“

„Ich halte das für eine gute Idee, für den Fall, dass hier tatsächlich eine erpresserische Absicht hinter dem Raub steckt“, erklärte der Kommissar, wie um den skeptisch dreinschauenden Raschun zu beruhigen. „Die Frage ist für uns nur: Wo sollen wir nach den Steinen suchen? Haben Sie eine Idee dazu?“

Thomas und Kim schüttelten die Köpfe.

„Nein, wir hätten auch keine Idee dazu, wohin die Räuber die Steine gebracht haben könnten. Aber vielleicht verraten sie sich, wenn wir die Kopien präsentieren“, entgegnete Thomas.

„Sie sagten, die Juwelen seien versichert. Bei welcher Gesellschaft?“, fragte Martens weiter.

„Bei Sperling Assekuranz über eine Ausstellungsversicherung“, antwortete Thomas.

„Haben Sie den Schaden dort schon gemeldet?“

„Nein“, erwiderte Raschun, „wir sind zunächst zu Ihnen gekommen.“

„Melden Sie es bald, damit man Ihnen keine Schwierigkeiten mit dem Versicherungsschutz macht. Eventuell haben Sie auch eine Wartezeit, bis entschädigt wird.“

Kim lächelte gezwungen.

„Geld – und seien es auch zwei Milliarden Galaxonen – schafft die Juwelen nicht wieder herbei. Für meinen Onkel, den Imperator, sind die Steine selbst äußerst wichtig. Wenn er sie nicht vorweisen kann, ist seine Stellung sehr gefährdet“, gab er zurück.

„Nur seine oder die der gesamten Monarchie?“, hakte der Kommissar ein.

„Der gesamten Monarchie. Es wäre für mich kein Vorteil, die Steine verschwinden zu lassen, weil das die Monarchie insgesamt ins Wanken bringen würde. Sehen Sie, bei uns gibt es den Glauben – wahr oder nicht – dass der Imperator nur durch diese Juwelen Macht über seine Untertanen erhält. Dem Smaragd wird nachgesagt, er mache den Imperator weise, vom Rubin behauptet man, er gebe dem Imperator Autorität. Ohne Weisheit und Autorität ist der Imperator eben nicht mehr der Imperator, sondern nur noch ein normaler Pollicaner, der seine Qualifikation als Regierungschef erst unter Beweis stellen müsste.“

„Mit der Ausnahme doch, dass Ihr Onkel dahingehend erpressbar wäre, er solle den Thron zu Ihren Gunsten aufgeben“, mutmaßte Martens.

„Nein. Der Imperator ist Imperator bis zu seinem natürlichen Ableben. Das Gesetz verbietet ihm, zugunsten eines anderen auf den Thron zu verzichten. Gegen Mord ist der Imperator insoweit sehr gut geschützt, als dass der Thronprätendent im Falle des gewaltsamen Todes Seiner Majestät seine Unschuld daran beweisen muss. Sie können sich denken, dass das nicht ganz einfach ist. Ich hätte also nichts davon, hier meine Finger hineinzustecken“, erklärte Kim.

„Gut“, sagte der Kommissar, „ich nehme das so zu Protokoll. Ich bitte aber um Verständnis, dass wir in alle Richtungen ermitteln müssen.“

„Das ist Ihre Pflicht, Herr Kommissar. Ich wäre Ihnen nur verbunden, wenn Sie dies möglichst diskret täten. Es wäre eine Katastrophe, wenn der Verlust der Juwelen zur Unzeit an die Öffentlichkeit käme. Deshalb bitte ich, die Medien auf keinen Fall zu informieren“, bat Raschun. Der Kommissar versprach, dies zu tun und Thomas und Kim waren entlassen.

Wenig später wurde Alwin Töpfer leichenblass, als Thomas und Kim zu Sperling ins Haus kamen und den Schaden vorsorglich anzeigten.

„Ich muss das als Großschaden nach Köln melden, Herr Hansen! Haben Sie sich das mal überlegt?“

Thomas zog spöttisch eine Augenbraue hoch.

„Sperling hat die Ausstellung versichert und die Prämie in einer Größenordnung von schlappen fünf Millionen Galaxonen ohne mit der Wimper zu zucken kassiert. Haben Sie sich das mal überlegt?“, versetzte er. „Herr Töpfer, Sie haben das Risiko übernommen. Und nun erwartet der Versicherungsnehmer grundsätzlich, dass Sie Ihren Teil des Versprechens einlösen und bezahlen. Da aber auch zwei Milliarden Galaxonen das entstandene Problem als solches nicht lösen können, weil die Juwelen einmalig sind und damit unersetzlich sind, werden wir zunächst Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um die Steine wiederzufinden. Genau aus diesem Grunde meldet Commander Raschun als Bevollmächtigter Seiner Majestät zunächst nur vorsorglich. Mit Hilfe der Ermittlungsbehörden und der Flotte werden wir nach den Steinen suchen. Was mich interessiert, wäre zu erfahren, ob Sperling die Kosten für Nachforschungen übernimmt.“

„Bis zu einem Prozent der Versicherungsprämie, aber nur, wenn die Steine gefunden werden. Ansonsten ist die Versicherungssumme nun einmal die oberste Grenze unserer Leistungspflicht“, gab Töpfer recht schroff zurück.

„Herr Töpfer, schätzen Sie sich glücklich, dass ich viele Jahre für das Haus Sperling gearbeitet habe. Wenn Sie in diesem Ton mit einem gewöhnlichen VN reden, haben Sie als nächstes den Rechtsanwalt am Hals. Davon abgesehen, ist mir durchaus bewusst, dass ein Schaden in dieser Größenordnung geeignet sein könnte, das Haus an den Rand des Ruins zu bringen, weil ich erfahren habe, dass nicht mal unsere eigene Rückversicherung hierfür Rückdeckung geben wollte. Insofern gehe ich davon aus, dass die Tatsache, dass ich hier mal gearbeitet habe, Ihnen bei der Risikoübernahme eine Denkhilfe war. Ich habe kein Interesse daran, ein Haus zu ruinieren, in dem ich selbst gern gearbeitet habe und von dem ich eines Tages noch ein paar Galaxonen Rente erwarte. Wir beide, Commander Raschun und ich, möchten nicht, dass der Verlust im Moment zu sehr breitgetreten wird. Darum erfolgt diese Meldung nur vorsorglich, weil wir noch die Hoffnung haben, dass die Juwelen wiedergefunden werden. Und wir sind persönlich zu Ihnen gekommen, weil es im Moment nicht in unserem Interesse ist, wenn auch nur Mitarbeiter dieses Hauses davon Wind bekommen. Wir haben vor, die Räuber aus der Reserve zu locken, indem wir Kopien herstellen lassen und zur Not diese in der Ausstellung präsentieren werden, wenn die echten Juwelen bis dahin nicht wieder vorhanden sein sollten.“

„Demnach sind die Juwelen doch nicht so einmalig?“, hakte Töpfer ein. Thomas lächelte.

„Sie sind absolut einmalig. Aber es gibt nur ganz wenige Personen, die sie zweifelsfrei identifizieren können. Eine davon ist Commander Raschun, die beiden anderen der Imperator selbst und der Wächter der Steine. Ich werde mithilfe von mir vorliegenden Holographien Kopien herstellen lassen, die aber ein eindeutiges Identifikationsmerkmal enthalten werden – so ähnlich wie früher bei werksseitig gefertigten Schlüsselkopien von Kfz-Schlüsseln – damit später auch wirklich die echten Juwelen an den Imperator übergeben werden können.“

„Hm, und wo wollen Sie die Kopien herstellen lassen, ohne dass der Rest der Welt etwas davon erfährt?“, fragte Töpfer.

„Ich habe vor, meinen Freund und Ratskollegen Kwiri Swin zu Rate zu ziehen. Er ist verschwiegen und vertrauenswürdig“, erwiderte Thomas. Töpfer überlegte einen Moment.

„Schön. Wie lange wollen Sie sich mit einer endgültigen Meldung Zeit lassen?“

„Solange, wie es irgend möglich ist. In wessen Arbeitsbereich würde die Bearbeitung fallen?“

„Ausstellungsversicherungen sind Herrn Eichners Aufgaben im Schadenbereich. Aber bei der Größenordnung würde die Sache grundsätzlich mir vorzulegen sein.“

„Dann weihen Sie bitte Herrn Eichner in die Sachlage ein, damit er die Bearbeitung schon soweit vorbereiten kann. Mehr wäre von Seiten der Sperling Assekuranz derzeit nicht erforderlich.“

Am selben Abend traf sich im Hause des Ehepaars Hansen der kleine Kreis Eingeweihter, die um den Verlust der Juwelen wussten oder davon unterrichtet sein sollten. Außer Hansens und Kim Raschun waren es noch Kwiri Swin, Klim Hamor und Frank Eichner. Letztere wurden erst jetzt informiert. Kwiris dunkle Augen bekamen einen fragenden Ausdruck.

„Ich habe einmal gehört, der Imperator verfüge über zwei Edelsteine, die ihm Weisheit und Macht verleihen. Handelt es sich etwa um diese Steine?“, fragte der Deneber erschrocken.

„Allerdings“, bestätigte Kim. „Der Wächter der Steine, Wan Kobi vom Orden der Yedaina-Ritter glaubt fest daran, mein Onkel und ich sind nicht sonderlich überzeugt und halten es eher für eine Art Aberglauben. Vor allem beim Volk ist dieser Glaube sehr weit verbreitet – obwohl es sich um eine seit einigen hundert Galaxo-Jahren raumfahrende Rasse handelt. Eigentlich unglaublich, dass ein sonst technikgläubiges und wissenschaftsorientiertes Volk so einen Blödsinn glaubt.“

Kwiri lächelte freundlich.

„Sie sollten das nicht als Blödsinn abtun, Kaiserliche Hoheit“, erwiderte er. „Es gibt noch eine Menge Dinge zwischen den Sternen, die dem gewöhnlichen Geist eines Lebewesens verschlossen sind – außer man beschäftigt sich mit ihnen. Ist es zutreffend, dass diese Juwelen vom Planeten Tatonar stammen, einem recht trockenen Planeten am Rande des Imperiums?“

„Ich muss gestehen, ich habe mich mit dem Ursprung dieser Steine noch nicht befasst. Sie sind Amtszeichen des Imperators. Mein Onkel hat es bisher nicht für angemessen gehalten, mich in alle Geheimnisse dieser Juwelen einzuweihen.“

„Schade. Sonst hätten Sie nicht ums Verrecken zugelassen, dass diese Steine jemals den Tresor von Pollicus verlassen. Wenn diese Juwelen nicht wieder zurückkommen, droht nicht nur Ihrem Onkel große Gefahr, sondern auch Ihnen persönlich und eigentlich dem Bestand des Imperiums“, gab Kwiri zu bedenken.

„Kwiri, es ist jetzt vielleicht sinnvoller, darüber nachzudenken, wie wir die Juwelen wieder herbeischaffen. Könnt ihr beide, du und Klim, mit Hilfe der Holographien, die wir haben, Kopien der Steine herstellen?“

„Kein Problem“, erwiderte Klim und drehte eine der Holographien in den grünen Fingern. „Die kann ich dir in drei Erdentagen herstellen

„Gut. Sobald sie fertig sind, geben wir eine Nachricht an Galaxnet, dass bei dem Einbruch in die Messehallen zum Glück nur Kopien entwendet wurden oder dass die Steine wiedergefunden wurden“, entschied Thomas. Kwiri wog bedenklich den Kopf.

„Moment, mal ganz langsam: Was wollen wir eigentlich erreichen?“, fragte er schließlich. Dass diese Frage eher rhetorischen Charakter hatte, verriet bereits Kwiris Tonfall. „Maßgebend ist doch, dass wir die echten Steine wiederbeschaffen und dem Imperator nach der Ausstellung zurückgeben, oder?“

Allgemeines Nicken folgte dieser Feststellung.

„Gut. Machen wir uns also Gedanken, wie wir an die Juwelen herankommen. Dazu müssen wir zunächst wissen, wer sie haben könnte. Bislang konnten wir nur ausschließen, dass Terraner die Räuber sind, weil die Wächter mit augenscheinlich denebischen Waffen niedergemacht wurden. Es kann weiter ausgeschlossen werden, dass die Juwelen aus wirtschaftlichem Interesse gestohlen wurden, weil sie praktisch unverkäuflich sind und auch zerschnitten keine Reichtümer einbringen. Wer also könnte ein Interesse an diesen Juwelen haben? Interesse kann sich aus den Eigenschaften der Juwelen ergeben. Da wäre einmal die Symbolik als Machtzeichen, aber auch der Umstand, dass den Steinen zugeschrieben wird, sie würden tatsächlich weise und mächtig machen. Macht und Weisheit sind geeignet, jemanden regierungsfähig zu machen. Commander Raschun, fällt Ihnen jemand ein, der eigene Interessen in dieser Richtung verfolgt?“, fragte er dann.

„Nun, das Lukanische Imperium kämpft seit vielen Jahren mit einer Allianz von Rebellen, die um die Systeme Tatonar, Yinva, Hont und Bagoda bereits erhebliche Erfolge zu Lasten der imperialen Marine erzielt haben und dort gut geschützte Stützpunkte haben. Diesen Rebellen geht es darum, die kaiserliche Regierung zu stürzen und stattdessen eine republikanische Regierungsform zu errichten. Sie sind damit zwar nicht allein unter den Welten des Imperiums, aber noch jedenfalls in der Minderzahl. Wenn es ihnen allerdings gelänge, die Juwelen der Weisheit und der Macht an sich zu bringen, wären sie diesem Ziel ein deutliches Stück näher. Wenn das der Fall sein sollte, wage ich nicht, auf Ihre Unterstützung rechnen zu können, denn die Galaktische Föderation ist selbst eine Republik“, antwortete Kim.

„Die Systeme sind sehr weit weg, genauer: auf der anderen Seite der Galaxis“, gab Thomas zu bedenken, ohne auf Kims Zweifel einzugehen. „Ich würde nicht annehmen, dass die Rebellen es riskieren, so weit von ihren Stützpunkten zu operieren.“

„Ja und nein“, erwiderte der imperiale Commander. „In großen Verbänden würden sie in der derzeitigen Situation ihre Hauptsysteme nicht verlassen, das ist wohl richtig. Andererseits sind kleine Gruppen oder Einzeltäter durchaus bereit, quer durch die Galaxis zu reisen, um dem Imperium zu schaden – auch ohne Rücksicht auf das Gastrecht anderer politischer Vereinigungen im All zu nehmen.“

„Schön. Nehmen wir sie erst mal zu den Verdächtigen“, bemerkte Thomas und notierte die imperialen Rebellen auf seinem Zettel.

„Wer könnte noch Interesse an den Steinen haben?“, fragte Kwiri weiter, aber es fand sich kein möglicher Interessent mehr, der in der Lage gewesen wäre, die Steine zu rauben.

„Was mich so stutzig macht, ist die Tatsache, dass denebische Waffen verwendet wurden“, brummte Klim nach einer Weile.

„Denebische Waffen bedeutet nicht zwangsläufig Deneber“, erklärte Kwiri. „Wir waren in der Vergangenheit nicht sehr zimperlich mit der Wahl unserer Geschäftspartner beim Waffenhandel. Leider grenzt das den Täterkreis nicht sehr ein – außer, dass Terraner ausgeschlossen werden können, weil wir auf die Erde noch nie Waffen geliefert haben. Ich fürchte, wir müssen doch abwarten, ob die Räuber sich durch die Kopien aus der Reserve locken lassen.“

Kapitel 3

Drohungen

Drei irdische Tage später präsentierte Klim die Juwelenkopien. Kim Raschun schluckte sichtbar. Diese künstlich erzeugten Juwelen unterschieden sich von den echten Steinen nur durch einen winzigen, dreieckigen Kantenabschliff an der Oberseite der Edelsteine. Die Holographie, die in der Kristallstruktur eingeschlossen war, glich der in den echten Steinen bis ins Detail. Zweifelnd drehte Kim beide Juwelen in der Hand.

„Seid ihr sicher, dass das falsche Steine sind?“, fragte er verblüfft. Klim lächelte gewinnend.

„Ganz sicher. Schließlich habe ich sie selbst hergestellt.“

„Sagen Sie, Wissenschaftsrat, ist es denkbar, dass auch die echten Steine auf diese Weise produziert worden sind?“

Klim schüttelte den grünen Kopf.

„Nein, gewiss nicht. Bekanntermaßen gibt es auf Tatonar diese Kristallstrukturen, wie ich sie hier künstlich erzeugt habe, in gewissen natürlichen Vorkommen. Sie sind schwer zu finden und die Technik des Hologrammeinschlusses ist sehr schwer nachzuarbeiten – jedenfalls, wenn die Speicherung dauerhaft sein soll. Dieses Hologramm, was darin enthalten ist, ist in spätestens drei Galaxo-Jahren verblasst. Daran erkennen Sie die Fälschung spätestens dann. Um es Ihnen und dem Wächter der Steine leichter zu machen, habe ich eine obere Ecke zusätzlich abgefräst. Eine Verwechslung ist damit ausgeschlossen“, erwiderte Klim. Raschun nickte zufrieden.

„Gut. Wie verfahren wir weiter?“

„Wir haben zwei Möglichkeiten: Erstens: Wir verbreiten, beim Einbruch in den Tresorraum sei zum Glück nichts gestohlen worden. Zweitens: Wir tun im Moment gar nichts und warten bis zur Ausstellung ab, präsentieren dann die Kopien als echte Juwelen“, sagte Thomas.

„Nun, der Einbruch ist nicht publik gemacht worden, oder?“, fragte Kwiri.

„Nein, es wurde darüber nichts bekannt“, bestätigte Thomas.

„Man könnte doch auch einen Artikel über die Juwelen lancieren, oder? Ich meine, dass ein Experte die Steine jetzt untersucht, zum Beispiel.“

„Keine schlechte Idee. Wir sollten nur hinzusetzen, dass die Juwelen nicht wie die anderen Ausstellungsobjekte im Tresorraum der Messehallen lagern, sondern an einem geheim gehaltenen Ort untergebracht sind“, schlug Klim vor. Thomas sah ihn zweifelnd an.

„Du bringst dich in ziemlich große Gefahr, Klim. Da du der Experte für Karbonisotope beim Wissenschaftsrat bist, kann die Untersuchung eigentlich nur von dir sein. Die Diebe könnten dich unsanft befragen wollen“, warnte Gabi.

„Die Sache ist nicht ohne Risiko“, gab Klim zurück. „Aber wenn wir die Räuber aus der Reserve locken wollen, müssen wir ihnen schon was bieten.“

Drei weitere Tage später erschien im Hamburger Abendblatt ein ganzseitiger Artikel über die Juwelen des Imperators – mit mehreren Fotos, einer detaillierten Beschreibung der Objekte und einem Hinweis auf die ihnen nachgesagte magische Wirkung. Die Reaktionen blieben nicht aus. Zum einen verzeichnete die Messe GmbH einen deutlichen Anstieg der Kartenvorbestellungen für die Expo Imperium. Zum anderen geschah das, was Thomas und seine Freunde sich ausgerechnet hatten: Eine Woche nach Erscheinen des Artikels im Abendblatt und im Galaxnet brachte der Postbote einen Brief, von dem der Absender genau wissen wollte, ob er zugestellt war, sonst hätte man ihn nicht als Einschreiben mit Rückschein geschickt. Als Rückadresse war allerdings ein Postfach in Zürich angegeben. Sonst war ein Absender nicht erkennbar. Thomas fasste den Brief nur vorsichtig an einer Ecke an, und öffnete ihn später unter Zuhilfenahme von Aidshandschuhen.

„Das ist er“, sagte er und hielt Kim den Brief hin. Er lautete:

Verehrter Prinz Kim,

Sie wissen ebenso gut wie wir, dass die Steine, die gerade untersucht wurden, nicht die echten Exemplare sind. Die nämlich befinden sich in unseren Händen. Wir erwarten, dass Sie dies in der Öffentlichkeit richtigstellen. Wenn nicht innerhalb von drei terranischen Tagen die Korrektur in den terranischen Medien erscheint, werden wir dies für Sie tun. In Ihrem Interesse kann das kaum sein.

Sollten Sie sich dennoch darauf einlassen wollen, sind wir bereit, Ihnen eine weitere Frist von zehn terranischen Tagen zu geben; dann liefern wir die Steine an die Allianz aus. Sie wissen, welche Folgen das haben wird. Um die Juwelen zurückzubekommen, müssten Sie allerdings schon mehr bieten, als Ihre Konkurrenten um die Macht im Imperium von Lukan. Machen Sie ein Angebot. Wir werden es natürlich vertraulich behandeln.

Mit freundlichem Gruß

Die Rächer der Galaxis

„Ziemlich eindeutig auf einem Computer geschrieben. So was pinselt man nicht mit der Hand“, brummte Thomas, als Kim den Brief durchgelesen hatte. Mit einem feuchten Wattestäbchen wischte er über einen Buchstaben am Rand, der auch verlief.

„Tintenstrahldrucker“, bemerkte Thomas. „Die Dinger gibt’s Tonne voll. Das hilft uns nicht sehr viel weiter. Aber: Es gibt sie nur auf der Erde und der Brief ist auch auf der Erde aufgegeben worden. Also sitzen jedenfalls Leute, die über die Juwelen Bescheid wissen, auf der Erde. Es sind aber keine Erdmenschen, sonst würden sie nicht terranische Tage als Zeitangabe benutzen. Und es muss jemand sein, der weiß, dass du mich besuchst. Das schränkt den Kreis der Verdächtigen dann doch gründlich ein. Wem ist bekannt, dass du hier bist?“

Kim dachte eine Weile nach.

„Solena, Onkel Lukan, Wan Kobi, Botschafter Marsuk. Dann deinen denebischen Freunden und Herrn Eichner und Herrn Töpfer. Außerdem Dr. Heinrich und Kommissar Martens. Die wissen, dass ich dich besuche. Aber im Galaxnet wurde veröffentlicht, dass ich die Ausstellung begleite. Zudem ist über Galaxnet bekannt geworden, dass wir persönlich miteinander befreundet sind. Da könnte jemand geschlossen haben, dass ich mich bei dir aufhalte und es einfach probiert haben. Wer hat deine Privatanschrift?“

„Mal überlegen: Kwiri und meine Freunde ohnehin. Mein Admiral. Der Präsident der Erdregierung Butros-Ghali. Präsident Sulukum auch. Meine amazonischen Freundinnen. Meine Mannschaft. Aber die kommen für solche Scherze nicht in Betracht“, murmelte Thomas halblaut.

„Und wer hat deine Adresse, der dich nicht ausstehen kann?“, fragte Gabi. Thomas zuckte mit den Schultern.

„Ich wüsste nicht, dass ich sie jemandem gegeben habe, mit dem ich mich nicht vertrage.“

„Schon möglich. Aber ich wüsste wenigstens einen, der über das Adressbuch der Flotte deine Privatanschrift bekommen konnte und dich lieber heute als morgen im Nirwana sähe: Gribor“, gab sie zu bedenken.

„Stimmt zwar, aber Gribor sitzt nun mal im Knast“, erwiderte Thomas.

„Gut. Er selber und ‘ne Menge Leute seiner Besatzung“, räumte Gabi ein. „Aber nicht die gesamte ehemalige Sechste Flotte. Du weißt, dass du bei denen keine Freunde hast. Sie alle wissen, wem ihr alter Admiral seinen Aufenthalt im Gefängnis und den Verlust seiner Megara zu verdanken hat.“

Kwiri bekam einen nachdenklichen Gesichtsausdruck.

„Du hast konkret Deneber im Verdacht, Gabi?“

„Du lieber Himmel, nein!“, entfuhr es Gabi erschrocken. „Nein, ich würde euch nicht verdächtigen.“

„Schade“, grinste der kleine Deneber.

„Wie meinst du das jetzt?“, erkundigte sich Gabi.

„Mir kam gerade ein komischer Gedanke. Folgendes: Den Juwelen wird nachgesagt, sie hätten – nennen wir es mal magische – Kräfte. Darüber ist breit in der Medienwelt berichtet worden. Wie ihr wisst, hat unser lieber Freund Gribor selbst auch bestimmte mentale Kräfte, die für einen Großteil seiner Umgebung sehr unangenehm sind. Er selber sitzt zwar im Gefängnis, aber – wie du richtig bemerkst – sind noch eine Menge seiner Anhänger in Freiheit, weil man ihnen nichts nachweisen konnte oder kein direkter Verdacht gegen sie bestand. Die Angehörigen der ehemaligen Sechsten Flotte sind samt und sonders Thomas’ und meine Gegner, wobei unsere Freunde nach guter alter Deneberart automatisch zu Feinden unserer Gegner werden – also auch Kim Raschun, respektive das Imperium Lukanum als solches. Wenn wir weiter berücksichtigen, dass die Wächter mit denebischen Waffen getötet wurden, wird denebische Mitwirkung immer wahrscheinlicher – vor allem, wenn man weiß, dass die Kräfte dieser Juwelen für Gribor vielleicht die Hoffnung auf Freiheit wären. Und dann ist mir so, als hätte die Flotte ein Verbindungsbüro in der Erdprovinz Schweiz, wo Zürich schließlich liegt. Das müsste ich allerdings noch mal überprüfen Ich für meinen Teil würde deshalb Deneber durchaus im Verdacht haben – und zwar die ehemalige Sechste Flotte.“

„Wenn das so sein sollte – speziell, was die möglichen Kräfte der Steine betrifft – ist das ein Wink mit dem Meteorschweif an dich, Kwiri“, warnte Klim.

„Natürlich ist es das!“, versetzte Swin. „Und genau deshalb muss ich nach Zürich reisen.“

„Okay, wann fliegen wir?“, fragte Thomas.

„Was heißt wir?“, erkundigte sich Kwiri. „Nein“, sagte er dann, als er begriff, dass die ganze Truppe nach Zürich mitwollte. „Kommt nicht in Frage! Ich fahre nach Zürich! Ihr haltet hier brav die Stellung und informiert die Polizei.“

„Und wer soll dich begleiten?“, fragte Thomas.

„Klim, sonst niemand. Das sind Leute, mit denen werdet ihr – mit Verlaub – nicht fertig. Klim und ich können das.“

„Kwiri, es ist dumm, wenn ihr zwei euch einer nicht näher bekannten Anzahl von Räubern und Erpressern in den Weg stellen wollt. Es ist schon ein Unterfangen, wenn wir es in diesem Rahmen von kaum zehn Leuten tun wollen. Zu zweit ist es verrückt“, warnte Thomas. Kwiri schüttelte den Kopf.

„Nein, im Gegenteil. Je weniger wir sind, desto unauffälliger können wir agieren. Wir geben euch auf jeden Fall Bescheid, wenn wir etwas herausgefunden haben.“

Kim wollte noch etwas einwenden, aber Kwiri schüttelte den Kopf.

„Nein, Kaiserliche Hoheit, hier geht es auch um denebische Ehre. Wenn Ihre Juwelen tatsächlich von Denebern geraubt wurden, haben sich die Räuber nicht nur Ihre Rechte missachtet, sondern auch die Ehre des denebischen Volkes verletzt. Sie kann nur durch Deneber wiederhergestellt werden. Darum werden zwei Deneber sich um die Wiederbeschaffung Ihrer Juwelen kümmern“, versetzte er. Thomas kannte zwar die Ehrbesessenheit seiner denebischen Freunde, aber in diesem Fall schien ihm der Hinweis kaum mehr als eine Ausrede zu sein. Andererseits würde Kwiri seine Gründe haben, wenn er mit Klim allein arbeiten wollte. Kim schmunzelte trotz der für ihn unglücklichen Situation.

„Na schön“, sagte er, „Sie werden wissen, was Sie tun, Kapitän Swin. Ich halte es aber für besser, wenn ich jetzt doch den Imperator und den Wächter der Steine informiere.“

Kwiri und Klim flogen eine knappe halbe Erdstunde später mit Swins Privatraumer nach Zürich. Es war jenes Fluggerät, mit dem sie seinerzeit zu dritt auf der Erde gelandet waren, um die Menschheit zur Mitgliedschaft in der Föderation zu bewegen. Als sie wenig später auf dem Raumhafen Zürich-Kloten landeten, kamen Kwiri erste Zweifel, ob es klug gewesen war, so offen mit einem Raumfahrzeug denebischer Bauart an einem Ort zu landen, wo möglicherweise denebische Banditen saßen und sich ihren Reim auf die Anwesenheit eines Raumers der Xythara-Klasse machen konnten. Rasch verdrängte er die Zweifel und zwang sich, einen klaren Kopf zu behalten. Kim Raschun und Kwiris terranische Freunde mussten sich auf ihn und seine Fähigkeiten verlassen können.

In Undeloh ging Kim Raschun unruhig auf und ab. Das Visiogespräch mit seinem Onkel, dem Imperator, machte ihn noch immer unruhig. Sein Onkel hatte es zunächst sehr gefasst aufgenommen, dass die Juwelen verschwunden waren, er hatte auch nicht offen mit Konsequenzen für Kim selbst oder die Föderation als für die Sicherheit der Steine verantwortlicher Institution gedroht; aber Kim kannte den Imperator gut genug, um aus den freundlichen Worten eine sehr gut versteckte Drohung herauszuhören. Er wunderte sich allerdings, dass sein Onkel nicht offener gewesen war. An sich verpackte er Kriegsdrohungen nicht in schöne Worte. Thomas, der Kim für das vertrauliche Gespräch mit dem Imperator allein gelassen hatte, bemerkte die Nervosität seines Freundes, als Kim ins Wohnzimmer kam.

„Du siehst aus, als wären dir Gespenster begegnet“, sagte der Terraner. Kim seufzte tief.

„So was ähnliches, ja. Thomas, wenn die Steine nicht wiedergefunden werden, könnten sie zu einer Gefahr für den galaktischen Frieden werden.“

„Wie meinst du das genau?“, erkundigte sich Thomas verblüfft. Wieder seufzte der Pollicaner.

„Ganz genau: Ich weiß es nicht. Es kann heißen, dass mein Onkel die Föderation bei dauernder Verschwindsucht der Juwelen mittels eines Krieges zur Verantwortung ziehen wird, es kann aber auch bedeuten, dass diejenigen, die sich die Steine unter den Nagel gerissen haben, Streit mit dem Rest des Universums anfangen.“

„Wenn es die zweite Möglichkeit wäre: Hätten die Räuber eine Chance gegen den Rest des Universums?“

„Wenn ich dir das genau sagen könnte, wäre mir wohler. Ich habe auch mit Wan Kobi gesprochen. Er ist vor Schreck fast in Ohnmacht gefallen und sagte, es wäre eine kosmische Katastrophe, wenn die Steine in die Hände von Wesen fallen würden, die mit der Macht vertraut wären, vor allem der dunklen Seite davon. Er hat schon häufiger diesen Begriff gebraucht, aber die Bedeutung weder mir noch meinem Onkel erklärt. Ich weiß nicht, was er damit meinen kann.“

„Oha, ich glaube, ich kapiere allmählich!“, entfuhr es Thomas. Kim sah ihn verwirrt an.

„Jetzt erzähl’ mir nicht, du könntest mit dem Begriff Macht etwas anfangen.“

„Vielleicht doch. Sieh mal, die Sulukaner haben uns Erdmenschen seit vielen Jahren Informationen über das Leben in den Weiten des Universums gegeben, indem sie unsere eigene Fantasie als Medium genutzt haben. Darunter waren auch Hinweise auf das, was der Wächter der Steine die Macht nennt. Nach diesen Informationen sind der Imperator und die imperiale Marine allerdings als böse eingestuft, und es gab keinen Hinweis auf die fraglichen Juwelen. Aber es hat sich auch schon bei anderen mentalen Eingebungen gezeigt, dass uns durch die telepathischen Kräfte der Sulukaner nicht jede Einzelheit mitgeteilt wurde. Das könnte in Bezug auf diese Dinge ähnlich sein. Nach dem, was ich weiß, ist die Macht ein wesentlicher Bestandteil der Fähigkeiten eines Yedaina-Ritters, wenn uns der Name dieses Ritterordens auch nur verstümmelt übermittelt wurde. Sie befähigt ihn, telepathische oder telekinetische Energien zu gebrauchen. Wenn es das ist, habe ich die dunkle Ahnung, dass durch diese Juwelen solcherlei vorhandene Kräfte verstärkt werden könnten.“

„Als eine Art Feldverstärker?“

„Populär ausgedrückt, ja.“

„Warum glaubt mein Onkel dann nicht an diese … Macht?“

„Bedaure, die Frage kann ich dir nicht beantworten. Ich kenne deinen Onkel nicht. Allerdings hast du mir gesagt, dass dein Volk sehr technikgläubig wäre. Wesen, die an künstlich geschaffene Maschinen und deren Nutzen für sich selbst glauben, neigen dazu, alles, was rational nicht direkt erklärbar ist, als Hokuspokus abzulehnen. Das wäre eine denkbare Erklärung“, erwiderte Thomas. Dann stutzte er. „Moment, hattest du nicht gesagt, du glaubst selbst nicht daran?“

Kim lächelte gezwungen.

„Glauben und Erfahrung sind zweierlei. Ich habe Wan Kobi dabei erlebt, als er seine mentalen Kräfte einmal eingesetzt hat, um meinen Onkel zu schützen. Er hatte die Steine aber nicht bei sich. Deshalb ist mir der Zusammenhang nicht völlig klar.“

„Vorausgesetzt, es gibt überhaupt einen und Wan Kobi beherrscht diese Kräfte nicht nur durch langes Training“, gab Thomas zurück.

Das Visio piepte. Thomas eilte hin und schaltete auf Empfang.

„Hansen, guten Morgen, Klim.“

„Hallo, Thomas“, erwiderte Klim – und er machte ein unglückliches Gesicht.

„He, was ist los?“, fragte Thomas besorgt.

„Kwiri ist verschwunden. Er wollte sich vor einer Stunde gemeldet haben, aber ich höre nichts von ihm. Sein Kommunikator ist jedenfalls abgeschaltet. Hat er sich bei dir gemeldet?“

„Nein. Wieso seid ihr nicht zusammen, verdammt noch mal?“

„Thomas, du kennst doch Kwiri Swin und seinen Dickschädel“, seufzte Klim. „Er musste unbedingt nach mal in das Hotel. Von dort hat er sich vor drei Stunden zuletzt gemeldet und mir gesagt, er hätte was gefunden. Was, hat er nicht gesagt. Nur, dass er mich in etwa zwei Stunden wieder informieren wollte, ob an der Spur was dran ist.“

„Wo bist du jetzt genau?“

„Ich bin im denebischen Konsulat.“

„Adresse?“

„Zürich, General-Guisan-Quai. Ist nicht zu übersehen.“

„Bleib, wo du bist, wir kommen hin!“, wies Thomas den Deneber an. Klim nickte.

„Gut. Aber es muss nicht jeder wissen, dass Thomas Hansen und Kim Raschun, Kronprinz des Lukanischen Imperiums, nach Zürich kommen“, warnte er. Thomas zwinkerte schelmisch.

„Wir haben doch kleine Hilfsmittelchen für solche Fälle. Wir sehen uns in einer Stunde.“

Thomas schaltete da Visio ab. Kim sah ihn verblüfft an.

„Was meinst du mit Hilfsmittelchen?“

„Nun, wir haben unseren galobanischen Freunden ein paar Illusionsprojektoren abgenommen. Sie haben sich in den letzten Jahren als sehr Erfolg versprechend erwiesen, wenn man unerkannt bleiben will“, antwortete Thomas. „Gabi!“, rief er dann.

„Ja, was ist?“, meldete sich Gabi und kam aus dem oberen Stockwerk herunter.

„Kim und ich müssen sofort nach Zürich. Kwiri ist irgendetwas zugestoßen. Versuchst du bitte, mit Luk-Sun Verbindung aufzunehmen? Frag’ ihn doch, ob die Verschwörer des Galoba-Komplotts noch da sind, wo sie hingehören.“

„Ist gut. Soll ich auch Kommissar Martens informieren?“

„Ja, kannst du machen. Wir fliegen jetzt gleich.“

„Seid vorsichtig, ja?“, ermahnte sie ihren Mann und gab ihm einen Kuss. „Keine Löcher im Fell mehr, ja?“

„Es wird sich hoffentlich vermeiden lassen, Schatz. Ich melde mich, sobald wir etwas wissen.“

Kapitel 4

Handgreiflichkeiten

Eineinhalb irdische Stunden später befanden sich der Terraner und der Pollicaner im denebischen Konsulat von Zürich. Die äußerlich alte Villa beherbergte ein höchst modernes Interieur, einschließlich eines Minilabors, in dem irdische Speisen auf Verträglichkeit für Deneber geprüft wurden. Klim spielte ihnen die Aufzeichnungen von Kwiris letzten Meldungen vor. Er schien tatsächlich eine Spur zu haben.

„In welches Hotel ist er gegangen?“, fragte Thomas.

„Hotel Stellar der Kasernenstraße. In der alten Kaserne daneben ist das Verbindungsbüro der Raummarine.“

„Hatte er sich ein Zimmer gemietet?“

„Ja, er sagte, er wäre in Suite Nummer elf.“

Thomas nahm die Information auf und sah auf den Stadtplan von Zürich, der an der Wand hing. Die Kasernenstraße war nicht weit entfernt und trotz der zahlreichen Einbahnstraßen offenbar gut zu erreichen.

„Gut, das ist in der Nähe. Hier, schnallt euch die Projektoren um. Wir verwandeln uns im Hotel in Reinigungspersonal. Wir müssen die Lumpen nicht noch warnen.“

Knapp zwanzig Minuten später waren sie in der Lobby des Hotels Stellar. Wesen von allen Planeten der Föderation befanden sich hier. Klims nichtirdische Erscheinung fiel weniger auf als die Erdmenschen Kim und Thomas.

„Guten Tag, was kann ich für Sie tun?“, begrüßte sie die Empfangsdame.

„Wir möchten zu Herrn Swin, Suite Numero elf.“

„Ja, gewiss. Hier die Treppe hinauf und dann rechts um die Ecke, das zweite Zimmer. Herr Swin hat das Haus heute noch nicht verlassen. Darf ich Sie anmelden?“

„Nicht nötig, Herr Swin erwartet uns“, wehrte Thomas freundlich lächelnd ab.

Sie stiegen die Treppe hinauf, schalteten auf dem Absatz, der von der Lobby nicht einzusehen war, die Projektoren ein und wurden Hotelpersonal. Als sich an der Suite elf auf ein Klopfzeichen nichts rührte, schloss Klim die Tür mit einem Dietrich auf. Den dreien bot sich ein verwüstetes Zimmer.

„Du liebe Zeit! Hier sieht’s ja aus, wie nach einem Magmaten-angriff!“, stieß Klim erschrocken vor. Thomas rief nach Kwiri, aber er bekam keine Antwort. In der ganzen Zimmerflucht war von Kwiri nichts zu sehen.

„Hier wurde fürchterlich gekämpft“, brummte Kim. Er hockte sich hin und wies auf einen grünen Fleck am Boden.

„Was ist das?“, fragte er. Klim kam dazu.

„Ich würde es fast für Deneberblut halten“, sagte er.

„Kannst du das sofort überprüfen?“, erkundigte sich Thomas. Klim Hamor nickte.

„Kein Problem. Ich habe meinen Analysator dabei.“

Der Wissenschaftsrat nahm einen Tropfen der grünen, undurchsichtigen Flüssigkeit und benetzte damit ein handliches Gerät, das gewisse Ähnlichkeit mit einem irdischen Refraktometer hatte, einem Messinstrument, mit dem der Zuckergehalt von Wein ermittelt wird. Klim sah durch die Optik, die in diesem Fall die Molekularstruktur der Substanz analysierte.

„Klare Sache. Eindeutig denebisches Blut“, sagte er. Er gab die Werte in einen Handcomputer ein, der als Rufgerät für das Hotelpersonal getarnt war.

„Nicht nur denebisch, es ist Kwiris Blut“, sagte er dann, sichtlich heller grün.

„Hier ist noch mehr!“, winkte Kim von der Balkontür. Eilig reinigte Klim seinen Analysator und sprang zu dem Pollicaner.

„Auch denebisch, aber nicht von Kwiri“, gab er dann das Ergebnis bekannt.

„Also waren hier mindestens zwei Deneber, die gerauft haben“, fasste Thomas zusammen. Im selben Moment klingelte das Telefon auf einem der beiden Nachttische. Thomas hob ab.

„Hallo?“

„Hallo, Commander Hansen. Ich weiß zwar nicht, wie Sie ungesehen in das Zimmer von Kapitän Swin gekommen sind, aber ich rate Ihnen dringend, sich aus der Sache herauszuhalten. Ich warne Sie: Kapitän Swin ist in unserer Hand! Lassen Sie die Finger von der Juwelengeschichte, sonst wird Kapitän Swin auf Deneberart hingerichtet!“

Der anonyme Anrufer wartete nicht auf eine Reaktion, sondern legte einfach auf. Thomas, der das Telefon laut gestellt hatte, sah seine beiden bleich gewordenen Begleiter an. Klim fasste sich als Erster.

„Halt, leg’ nicht auf. Prüfen wir mal, woher der Anruf kam“, wehrte er Thomas’ Bewegung ab, das Telefon auf die Gabel zu legen. Er nahm seinen Handcomputer von der Seite, legte das Telefon darauf und betätigte zwei Schalter. Im Display erschien ein Grundriss des Hotelflurs. Das Zimmer, in dem sie sich befanden, leuchtete als grünes Rechteck, das Nebenzimmer blinkte.

„Es kommt aus dem Zimmer nebenan“, sagte Klim. Alle drei stürzten auf den Flur hinaus. Die Tür des Nachbarzimmers stand offen. Sie sahen hinein, aber es war leer. Kim hakte seinen eigenen Computer von Gürtel, aktivierte einen Scanner.

„Tarnschatten!“, sagte er. „Im Aufzug sind drei Tarnschatten!“

„Der Aufzug fährt nach unten!“, rief Klim.

„Klim: Die denebische Guillotine ist doch so ‘ne Art Mikrowelle, oder?“, sinnierte Thomas.

„Ja, stimmt. Warum?“

„Der Aufzug fährt nach unten, dort ist die Küche. Ich nehme an, dass dieses Hotel wie jedes gute Haus eine ziemlich großräumige Mikrowelle hat. Los, vorwärts, zur Küche! Dorthin bringen sie Kwiri!“

Thomas, Klim und Raschun rannten die Treppe hinunter, weil der Fahrstuhl nicht mehr aufzuhalten war.

Gerade als sie das Untergeschoss erreichten und um die Ecke zur Küche bogen, wurden zwei Kellner, die aus der Küche kamen, von unsichtbaren Entgegenkommern umgerannt. Platten mit Spezialitäten des Hauses flogen durch die Luft; Thomas konnte einem Tablett nur knapp entkommen, Klim bekam das zweite ab und blieb benommen in einem kleinen See aus Zürcher Geschnetzeltem liegen. Ehe Thomas und Kim die Küchentür erreichten, wurde sie zugeworfen und abgeschlossen.

„Verdammt! Zu!“, fluchte Thomas.

„Zu spät. Den holen wir nicht mehr ‘raus“, keuchte Raschun. In der Küche brach ein Höllenlärm von durcheinander stürzenden Töpfen, Pfannen und anderen Gerätschaften los, Stimmen schrien erschrocken auf, verstummten plötzlich.

„So schnell geben wir nicht auf, Commander“, grinste Thomas und holte einen Stromunterbrecher aus der Hosentasche. Er aktivierte ihn und schlagartig wurde es stockdunkel in dem fensterlosen Flur.

„Tolle Idee. Jetzt sehen wir nix mehr!“, maulte Kim. Fast im selben Moment leuchtete ein Kaltlichtstab auf, dessen Licht nicht elektrisch, sondern chemisch erzeugt wurde und der deshalb vom Stromunterbrecher nicht beeinträchtigt wurde.

„Du hast einfach kein Vertrauen, Kim“, grinste Thomas. „Mit der Mikrowelle können sie Kwiri jedenfalls nicht mehr an den Kragen. Komm, brechen wir die Tür auf.“

Thomas und Kim warfen sich mit voller Wucht gegen die Küchentür, die schnell nachgab. Noch im Fallen erwischte Thomas einen Deneber, der an ihm vorbei wollte. Er war sichtbar, weil durch den Stromunterbrecher auch die Illusionsprojektoren ausgefallen waren. Der Deneber schlug hart auf dem gefliesten Küchenboden auf, als Thomas ihn festhielt. Durch den heftigen Aufprall verlor der Deneber kurzzeitig das Bewusstsein. Kim sprang auf, als er am anderen Ende der Küche einen zweiten kleinwüchsigen Deneber erkannte. Mit zwei Sätzen, die er über die Herde machte, war er dort und stellte den Flüchtling in einer Ecke, nahm ihn am Kragen und trug ihn zu Thomas, der sich inzwischen einen dritten gegriffen hatte und ihn einfach an einer Gürtelschlaufe seines Overalls an einen Fleischhaken hängte. Mit wenigen Schritten war er an der Mikrowelle, öffnete sie und holte einen wie einen Rollbraten verschnürten Kwiri Swin heraus. Dann erst wagte er, den Stromunterbrecher zu deaktivieren.

„Gott sei Dank, dir ist nichts passiert!“, stieß Thomas hervor, als Kwiri die Augen aufschlug. Erst, als er Kwiri absetzte, bemerkte Thomas, dass seine linke Hand voller grünem Blut war.

„Wo bist du verletzt?“, fragte er besorgt und schnitt die Stricke durch, die Swin fesselten.

„Gib dir keine Mühe, Thomas. Die haben mich voll erwischt“, ächzte Kwiri leise. Thomas sah zu seinem Entsetzen, dass Kwiris Anzug an der linken Seite fast völlig grün war.

„Klim!“, rief er. „Kliiiim!“

Noch etwas benommen kam Wissenschaftsrat Hamor um die Ecke in die Küche, wischte sich noch Reste des Geschnetzelten vom Gesicht.

„Was ist?“, fragte er.

„Kwiri ist böse verletzt. Kannst du ihm helfen?“, winkte Thomas ihn heran. Klim sah die blutdurchtränkte Kleidung seines Freundes.

„Auf der ganzen Erde könnte das keiner reparieren!“, entfuhr es ihm. „Kwiri muss so schnell wie möglich nach Megara. Nur dort haben wir entsprechende Einrichtungen, um ihn zu heilen.“

„Kannst du seinen Zustand wenigstens stabilisieren?“, hakte Thomas nach. Klim nickte und mühte sich ab, die Blutung zum Stillstand zu bringen.

Kim und Thomas verhafteten die drei Deneber, die Kwiri geschnappt hatten. Handschellen klickten. Einer hatte eine kleine Verletzung am Kopf, wie eine Spur getrockneten grünen Blutes im Gesicht zeigte.

„Und jetzt wüssten wir gern, was das eigentlich sollte“, knurrte Thomas die verdutzten Deneber an.

„Was was sollte?“, fragte einer. Thomas beherrschte sich mit Mühe, dem grünhäutigen Wesen nicht schallende Ohrfeigen zu verpassen.

„Was es sollte, Kapitän Swin mit Gewalt aus seinem Zimmer abzuschleppen und ihn in die Mikrowelle zu stecken?“

Alle drei schwiegen.

Kim hatte inzwischen die Kammer gefunden, in der das Küchenpersonal eingesperrt war und die Leute freigelassen.

Impossible!“, schnaufte der Chefkoch. Kim sah den Koch verwirrt an. Französisch verstand er nicht. Thomas seufzte leise. An Erdsprachen fanden sich bisher nur Deutsch und Englisch in den Weiten des Alls. Französisch wurde an den galaktischen Schulen noch nicht gelehrt.

Monsieur le cuisinier, parlez vous allemand?“, erkundigte sich Thomas.

„Oui, isch schrpesche doitsch. Eh, un peu“, radebrechte der Koch.

„Gut. Was ist hier passiert?“

Pardon, monsieur, sind Sie von die police cantonal?“

„Nein, Sicherheitskräfte der Galaktischen Föderation“, gab Thomas zurück.

„Wir ‘aben gekocht die Menu für die ‘eutige Tag, als eh, wie soll isch sagen, packte misch eine ‘and oder auch zwei und ‘aute misch die Nudel’olz über die Kopf. Dann isch nichts mehr weiß und wachte auf in die Kammer. Mamerde – isch weiß nischt, was ist passiert.“

„Haben Sie jemanden gesehen?“

Non.“

Thomas sah das Küchenpersonal an. Alle schüttelten die Köpfe.

„Wir ‘aben gesehen niemand“, bekräftigte der Koch.

„Also sind die drei hier unsichtbar eingedrungen, haben das Küchenpersonal außer Gefecht gesetzt, haben sich dann Kwiri gegriffen und ihn in die Mikrowelle gesteckt, als wir hier aufgekreuzt sind“, konstatierte Klim.

Er durchsuchte die Taschen der gefangenen Deneber, förderte einen Ausweis der Sechsten Flotte zu Tage.

„Oh, schau an, Sechste Flotte! Und auch noch ein Vertrauter unseres verehrten Freundes Kilma Gribor. Commander Ondor Kamun, sein Obernavigator. Fragen stellt er für gewöhnlich nicht“, grinste er.

„Lassen Sie uns frei oder Sie werden es bitter bereuen!“, forderte Kamun.

„Mit wem habe ich sonst eigentlich das Vergnügen?“, fragte Klim weiter, ohne auf die Bemerkung des Commanders einzugehen.

„Kreuzerkommandant Kasor Kamun“, schleuderte ihm der entgegen, der am Gürtel am Fleischhaken baumelte.

„Oh, Kilma Gribors privater Pilot“, grinste Klim freundlich. „Und Sie?“, fragte er den, den Kim am Kragen hielt.

„Oberleutnant Vanor Kamun.“

Klims Grinsen wurde noch breiter.

„Kasors und Ondors jüngster Bruder, Gribors Chefleibwächter. Thomas, die Brüder Kamun sind Kilma Gribor bedingungslos ergeben. Sie tun alles, was Gribor ihnen aufträgt, ergreifen aber nie von sich aus die Initiative. Gribor muss sie geschickt haben.“

„Wie sollten wir mit ihm in Kontakt stehen?“, schnauzte Ondor Kamun. „Gribor ist seit langer Zeit im Mondgefängnis von Megara.“

„Eh, messieurs, ist es möglisch, dass Sie machen die Ver’ör woanders? Wir müssen weiter machen die Tagesmenu“, bat der Koch.

„Na, schön, wir müssen uns nicht unbedingt in der Küche mit den Knaben unterhalten“, sagte Thomas. „Wenn es möglich ist, benutzen Sie bitte nicht die Mikrowelle.“

„Ohne Desinfektion? Non, monsieur“, wehrte der Chefkoch erschrocken ab.

„Prima, dann verstehen wir uns ja“, lächelte Thomas.

 

Kapitel 5

Verhör

Wenig später befanden sich die Außerirdischen und Thomas in dem vom Kwiri gemieteten Zimmer, das immer noch schlimm verwüstet war. Klim untersuchte Kwiri, um festzustellen, welche Verletzungen er im Einzelnen erlitten hatte. Thomas nahm sich die Brüder Kamun vor.

„Also, was war Ihr Auftrag?“, fragte er direkt. Ondor Kamun grinste freudlos.

„Erdling, Sie nehmen doch nicht ernsthaft an, dass wir Ihnen unseren Auftrag preisgeben“, spottete er. Thomas Augen wurden zu schmalen Schlitzen.

„Commander Kamun, ich weiß nicht, weshalb Sie mit dieser barbarischen Brutalität über Kapitän Swin hergefallen sind. Ich weiß aber, dass Ihr Handeln den Prinzipien der Galaktischen Föderation komplett zuwiderläuft. Sie gleicht einem Verhaltensmuster, das ich in der Föderation bislang nur einmal getroffen habe – und zwar bei Admiral Gribor. Deshalb unterstelle ich jetzt, dass Admiral Gribor Ihr Auftraggeber ist. Was mit Leuten geschieht, die dessen Weisungen widerspruchslos ausführen, muss ich Ihnen hoffentlich nicht erzählen.“

„Sie haben keinen Beweis, dass wir mit dem Admiral etwas zu tun haben“, versetzte Kasor Kamun bissig. Thomas zeigte ein kaltes Lächeln.

„Der Ausweis hier ist Beweis genug, Kreuzerkommandant“, erwiderte er. „Es ist bekannt, dass Admiral Gribor bei seiner Flotte nur Leute geduldet hat, die ihm bedingungslos gehorchten. Das ergibt sich schon aus den Flottenakten, die nach der Auflösung der Sechsten Flotte an den Galaktischen Rat gegeben wurden. Daraus resultiert auch die Einstufung der Sechsten Flotte als kriminelle Vereinigung. Allein Ihr Flottenausweis genügt, um Sie für einige Zeiteinheiten hinter Schloss und Riegel zu bringen.“

„Welchen Vorteil sollten wir dann davon haben, Ihnen behilflich zu sein?“, erkundigte sich Vanor Kamun.

„Mitgliedschaft in der kriminellen Vereinigung Sechste Flotte macht etwa drei Jahre Haft aus. Verschwörung gegen den Frieden, gegen den Galaktischen Rat, versuchter Mord in Tatmehrheit mit einer schweren Körperverletzung bringt mindestens zehn ein. Jetzt klar, wo der Vorteil ist?“

„Sie wissen genau, dass man uns für all das nicht verurteilen würde, denn es gibt keinen Zeugen für das, was Sie uns gerade anhängen wollen“, giftete Ondor. Thomas sah den Illusionsprojektor an, den er in der Hand hielt. Er hatte ihn Kasor Kamun abgenommen. Er entschloss sich zum Bluff.

„Och, ich wäre mir an Ihrer Stelle nicht so sicher. Sehen Sie, die Zusammenarbeit der Föderation mit dem Imperium beschränkt sich nicht auf gelegentliche gegenseitige Ausstellungen. Es gibt auch Technologietransfer. Eine wundervolle Erfindung des Imperiums sind Tarnfeldscanner. Kapitän Swin hat so einen hier im Zimmer installiert. Spätestens, wenn wir den auswerten, haben wir einen unwiderlegbaren Beweis, denke ich. Dann allerdings kostet es Sie den Kopf, wie jeden überführten, aber ungeständigen und nicht reuigen Mörder, Commander Kamun.“

Die Brüder Kamun sahen zu Kim Raschun, der Thomas’ Spiel erkannt hatte und mitspielte.

„Ja, es ist wirklich interessant, was man mit so einem Scanner alles entdecken kann“, sagte er und nahm seinen vom Gürtel. Den denebischen Brüdern wurde unwohl.

„Hmm, ist ja sehr aufschlussreich, was ich da gerade aus Kwiris Gedächtnis erfahren habe“, brummte Klim Hamor.

„Und? Was hast du erfahren?“, fragte Thomas, ohne den Blick von Gribors Handlangern zu nehmen.

„Also: Kwiri hat sie abgehört, als sie mit Kilma Gribor Funkverbindung hatten. Dabei sprachen sie mit Gribor über ein Schiff, die Marovia einen Kreuzer, der im Orbit auf eine Postrakete wartete. Mit dieser Rakete sollten die Steine übergeben werden und zum Treffpunkt gebracht werden. Sie wurden angewiesen, jeden zu liquidieren, der auch nur eine entfernte Ahnung davon haben könnte, dass die Steine in Zürich waren“, erklärte Hamor. Die Gefangenen sahen sich verdutzt an. Ondor fasste sich als Erster.

„Alles nur Bluff! Kapitän Swin ist bewusstlos. Außerdem …“

„Haben Sie die Aufzeichnung des Gesprächs vernichtet, ich weiß“, grinste Klim. Ondor wurde bleich.

„Aber, … aber wie …?“, stotterte er. Klim sah ihn recht arrogant an.

„Sie sollten nicht denken, dass die Wissenschaft nur auf den Schiffen von Admiral Gribor Platz hätte“, knurrte er. „Es gibt ein ganz entzückendes Gerät, das wir Gedächtnisscanner nennen. Mit dem habe ich Kapitän Swin untersucht. Das ist nur recht schmerzhaft, wenn man wach ist. Bislang habe ich es Ihnen erspart, aber wenn Sie weiter bockig sind, lese ich den Ablauf der Geschehnisse direkt aus Ihren Gedanken und zeichne das auf. Angesichts dessen, was Sie mit Kapitän Swin gemacht haben und was Sie mit ihm noch vorhatten, habe ich keine Hemmungen, Sie dieser ausgesprochen unangenehmen Prozedur zu unterziehen. Es ist mir auch ziemlich egal, ob Sie es überleben, wenn damit die von Ihnen und Gribor schwer beschädigte Ehre Megaras wiederhergestellt wird. Also?“

„Das würden Sie nie wagen!“, knurrte Kasor Kamun. „Dafür sind Leute wie Sie viel zu gefühlsduselig. Außerdem verstößt es gegen das Gesetz.“

Klim sah Thomas grinsend an.

„Findest du es auch so lustig, wenn sich Leute, die den ganzen Tag und abends mit Beleuchtung die Gesetze brechen, sich ausgerechnet dann auf das Gesetz berufen, wenn es ihnen selbst an den Kragen geht?“, fragte er. Thomas grinste breit.

„Stand heute nicht gegrillter Leguan auf der Speisekarte?“, erkundigte er sich. Alle drei Gefangenen wurden bleich.

„Was meinen Sie damit?“

„Ihr wolltet Kwiri in der Mikrowelle umbringen. Daran zweifle ich keine Sekunde – und davon werde ich auch einen oder mehrere Richter überzeugen können. Die Mikrowelle ist nun mal die denebische Variante des irdischen Fallbeils. Wir können die Sache ganz abkürzen und euch nach dem Auslesen eurer Spatzenhirne direkt auf die Speisekarte setzen. Gegrillt seid ihr vielleicht noch zu was nutze“, drohte Thomas finster. „Also, zum letzten Mal: Packt aus, oder es geht euch schlecht!“

Die Brüder Kamun wussten nicht, ob Thomas und Klim ihre Drohungen ernst meinten, aber sie wussten auch nicht, ob sie es riskieren konnten, weiter jemanden zu decken, der ihnen erstens nicht helfen konnte und es zweitens wahrscheinlich nicht tun würde, wäre er dazu in der Lage gewesen. Mit Versagern wollte ihr Auftraggeber nichts zu tun haben – und Versager würden sie in seinen Augen sein, weil sie ihren Auftrag noch nicht einmal ausgeführt hatten und man sie obendrein geschnappt hatte. Weil sie noch einige Momente überlegten, nestelte Klim schon an einem Gerät herum, das den Dreien verdächtig nach Gedächtnisscanner aussah.

„Ich geb’ Ihnen noch drei Sekunden zum Überlegen. Dann haben Sie das Ding hier um den Kopf und brüllen wie am Spieß, weil die Untersuchung wirklich verflixt wehtut!“, knurrte Klim drohend. Ondor, dem Klim am nächsten war, schluckte schwer.

„Ist gut. Hören Sie auf. Hat doch keinen Zweck. Wir werden alles sagen.“

„Fein. Ich höre“, grinste Klim und legte den Illusionsprojektor wieder weg, mit dem er gespielt hatte.

„Also:“, begann Ondor schluckend, „Gribor will die Steine haben. Er … er hat meine Brüder und mich beauftragt, sie zu besorgen.“

„Dann haben Sie den Einbruch in den Tresor der Messehallen verübt“, stellte Kim fest. Ondor nickte.

„Ja. Wir … wir haben die Wachen ausgeschaltet, den Tresor aufgeschweißt und die Juwelen an uns genommen. Dann haben wir uns hierher abgesetzt und warteten auf ein Zeichen von Admiral Gribor.“

„Auf welche Weise kommunizieren Sie mit ihm, wenn er im Mondgefängnis sitzt?“

„Er hat sich wohl einen Kommunikator gebastelt, schätze ich. Genau weiß ich es nicht“, sagte Kasor Kamun.

„Was will er mit den Steinen?“, fragte Thomas.

„Das wissen wir nicht. Der Admiral hat uns nur mit der Beschaffung beauftragt. Gründe für seine Wünsche nennt er in der Regel nicht. Und wir pflegen nicht danach zu fragen.“

Das erschien plausibel. Gribor würde Untergebenen dieser Rangstufen nie einen kompletten Plan mitteilen.

„Gut, glauben wir. Wo sind die Steine jetzt?“

„Sie befinden sich an Bord der Marovia und sind auf dem Weg nach Megara.“

„Wie sollen sie Gribor übergeben werden?“

„Keine Ahnung. Das wird nur der Kapitän der Marovia wissen“, antwortete Ondor Kamun.

„Wie lange ist es her, dass die Steine zur Marovia geschossen wurden?“, fragte Klim. Die Kamuns stutzten.

„He, das war nur ‘n Bluff!“, rief Kasor wütend. „Die wussten gar nichts!“

Klim lachte.

„Aber jetzt wissen wir. Ihre Aussagen habe ich aufgezeichnet.“

Vanor sackte zusammen.

„Es hat keinen Zweck, Ondor. Leugnen nützt nichts mehr. Gribor würde uns nie und nimmer helfen“, sagte er.

„Ja, du hast Recht. Wie sind Sie überhaupt auf uns gekommen?“

„Eigentlich soll man Banditen nicht noch Tipps geben, aber wenn Sie das nächste Mal Erpresserbriefe schreiben, schicken Sie sie nicht gerade von Ihrem Aufenthaltsort ab“, versetzte Thomas. „Haben Sie dafür auch von Gribor die Anweisung bekommen?“

Alle drei nickten.

„Und auch die Anweisung, hier zu warten, bis er sich meldet.“

„Wie lange ist das her?“

„Wir waren als Vertreter der Neunten Flotte hier im Verbindungsbüro in Zürich. Wir bekamen einen Anruf von Admiral Gribor, der sagte, er brauche die imperialen Juwelen, um aus dem Gefängnis zu kommen. Vielleicht wollte er Wächter damit bestechen, ich weiß es nicht so genau“, sagte Vanor. „Er meldete sich vor etwa drei terranischen Wochen zum ersten Mal und gab uns die Informationen, wo die Juwelen zu finden waren. Wir sind dann dort eingedrungen und haben die Steine geholt, sind nach Zürich zurück. Hier haben wir auf eine weitere Nachricht von ihm gewartet. Wir erhielten dann die Weisung, den bewussten Brief zu schreiben, um mögliche Verfolger von zu genauer Suche abzuhalten. Gleichzeitig teilte er uns mit, die Marovia sei zur Erde unterwegs, um die Steine abzuholen und zu ihm zu bringen. Vor zwei terranischen Tagen haben wir wie – von Admiral Gribor befohlen – die Postrakete an die Marovia geschickt und bekamen den Befehl, Kapitän Swin zu liquidieren, der sich in Zürich aufhielt und sich zu sehr für die Juwelen interessierte. Dann kamen Sie uns noch in die Quere. Wir hatten gehofft, Sie mit dem Telefonat von weiterer Suche abzuhalten, aber dass Sie einen Stromunterbrecher bei sich hatten, konnten wir nicht ahnen.“

„Das heißt: Wenn wir uns der Erpressung gebeugt hätten, hätte es Kapitän Swin nichts genützt?“, fragte Thomas mit nur noch mühsam verhaltenem Zorn. Die Kamun-Brüder nickten.

„Ich sollte euch direkt in die Sonne schießen!“, knurrte Thomas. „Aber wir wissen, was wir wissen wollen“, setzte er dann hinzu. „Jetzt müssen wir uns erst mal um Kwiri kümmern und zusehen, dass wir die Marovia noch abgefangen bekommen.“

Kapitel 6

Panik

Vom denebischen Konsulat aus versuchte Thomas, zu Hause anzurufen, aber Gabi nahm nicht ab. Auch auf einen Kommunikatorruf reagierte sie nicht. Thomas überfiel ein Gefühl der Angst, das er schon lange nicht mehr erlebt hatte und von dem er gehofft hatte, er würde es nie wieder spüren müssen.

„Verdammt! Sie kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben!“, fluchte er.

„Was ist?“, fragte Kim.

„Gabi nimmt das Telefon nicht ab, ihr Kommunikator funktioniert nicht oder ist abgeschaltet. Oh, Himmel, auch das noch!“

Eilig stürmte er ins Labor, wo Klim denebisches Blutplasma synthetisierte, um Kwiris Zustand zu verbessern.

„Klim, ich muss sofort nach Hause. Gabi meldet sich nicht“, hechelte Thomas atemlos, als er das Labor betrat.

„Entführt?“, fragte Klim besorgt nach. Thomas zuckte mit den Schultern.

„Ich weiß es nicht. Im Moment kann ich nur beten, dass es eine harmlosere Erklärung dafür gibt. Wie geht es Kwiri?“

„Schlecht. Er hat sehr viel Blut verloren. Im Moment versuche ich, ausreichend Plasma herzustellen, damit ich ihn lebend bis nach Megara bringe. Auf der ganzen Erde gibt es keinen Tropfen Deneberblut. Es ist zum Verzweifeln.“

„Hat keiner der hier anwesenden Deneber Kwiris Blutgruppe?“, erkundigte sich Thomas. Klim schüttelte den Kopf.

„Die Bluteigenschaften von Denebern sind sehr viel komplizierter als die von Terranern. Es gibt etwa achthundert verschiedene Faktoren, die übereinstimmen müssen, damit Blut von einem Wesen zum anderen übertragen werden kann, ohne dass es zu Abstoßungsreaktionen kommt. Deshalb kann er nur auf Megara wirksam behandelt werden. Aber mit Plasma kann man den Zustand stabil halten, bis er in eine richtige Klinik kommt. Wir werden heute noch nach Megara starten.“

„Okay. Ich fliege mit Kim nach Undeloh zurück und sehe nach Gabi. Wir kommen dann nach Megara nach.“

Wenige Minuten später waren Thomas und Kim schon auf dem Weg zum Flughafen und schon bald mit Thomas privatem mehrsitzigem Space-Jet unterwegs in die Lüneburger Heide. Je näher er seinem Heim kam, desto unwohler wurde Thomas. Was wäre, wenn sich Gribor – oder besser: dessen eifrige Handlanger – tatsächlich an Gabi vergriffen hätten? Seine Angst wuchs noch mehr, als er den Jet neben dem zum Hangar umgebauten Schuppen landete und Gabis Gleiter nicht auf dem Parkplatz stand, aber die Terrassentür offen stand. Thomas stellte nicht einmal das Triebwerk ab, sprang aus dem Jet und hetzte die dreißig Meter zum Haus hinüber.

„Gabi!“, rief er, als er das Haus durch den Terrasseneingang betrat, aber eine Antwort blieb aus.

„Gaabii!“

Wieder nur Stille.

„Oh, verdammt, warum hab’ ich sie allein gelassen?“, fluchte er laut und lief zum Flur.

„Gabi!“, brüllte er in den Keller.

„Sag mal, was machst du für ein Geschrei, Schatz?“, hörte er Gabi direkt über sich. Erschrocken fuhr Thomas zurück und sah hoch. Gabi sah ihn durch die offenen Stufen der Treppe an.

„Sag mal, kannst du nicht antworten, wenn ich dich rufe?“, fragte er wütend, dennoch äußerst erleichtert, weil seine Befürchtungen nicht zutrafen.

„Du brüllst zwar die halbe Nachbarschaft zusammen, aber dass ich aus dem Klo geantwortet habe, hast du offensichtlich nicht gehört“, erwiderte Gabi. „Warum schreist du eigentlich so?“

„Weil ich mir vor Angst fast in die Hose gemacht habe, als ich dich vor drei Stunden angerufen habe und hier keiner ans Telefon ging und du auch auf einen Kommunikatorruf nicht reagiert hast!“, versetzte er.

„Thomas, was ist eigentlich mit dir los, dass du so gereizt bist?“, fragte Gabi verständnislos. Er wischte sich erschöpft über das Gesicht, machte eine hilflose Handbewegung.

„Kwiri ist von Gribors Hofhunden gekidnappt und schwer verletzt worden“, sagte er schließlich. „Klim Hamor, Kim Raschun und ich konnten ihn zwar befreien und die Entführer dingfest machen, aber Kwiri schwebt in Lebensgefahr. Klim bringt ihn nach Megara ins Krankenhaus, weil ihm hier keiner helfen kann. Und als ich dich angerufen habe, um dich zu informieren, geht hier keiner ans Telefon. Dein Gleiter steht nicht auf dem Parkplatz, die Terrassentür ist sperrangelweit offen, und es meldet sich kein Mensch. Du kannst dir nicht vorstellen, welche Ängste ich ausgestanden habe, Mädchen! Wo hast du gesteckt?“

„Ich war in Hamburg bei Kommissar Martens, wie besprochen. Vor zehn Minuten bin ich zurückgekommen, habe den Gleiter wegen der Gluthitze nicht auf den offenen Parkplatz gestellt, sondern in den Hangar und musste ganz fürchterlich nötig auf den Topf. Da habe ich die Terrassentür wohl nicht richtig zugemacht. Ich nehme an, der Wind hat sie aufgeweht, weil sie nicht eingerastet war.“

„Und warum reagierst du nicht auf den Kommunikatorruf?“

„Weil der Kommunikator ‘ne Macke hat. Rate mal warum: Harkort’sche Transponder! Ich hatte aber keinen Ersatz hier und habe erst aus Hamburg die Teile mitbringen müssen und wollte mich jetzt dabei machen. Erklärung genug?“, sagte Gabi sanft. Sie kam die Treppe ganz herunter und umarmte Thomas. Er seufzte leise.

„Ja, natürlich. Tut mir Leid, dass ich so ausgetickt bin.“

„Schon gut. Nach dem, was mit Kwiri passiert ist, kann ich deine Sorge verstehen. Wie geht es ihm?“

„Nicht gut. Klim hat Blutplasma fabriziert, um ihn am Leben erhalten zu können und ist jetzt auf dem Weg nach Megara, mitsamt den Brüdern Kamun, die sich Kwiri gekrallt hatten und ihn per Mikrowelle um die Ecke bringen wollten. Und wer hat die Finger im Spiel? Kilma Gribor, unser aller Freund.“

„Oh, apropos Gribor: Ich habe Admiral Luk-Sun noch nicht anrufen können – wegen des Defekts im Kommunikator.“

Thomas zog seinen eigenen Kommunikator aus der Hosentasche, rief Kim und bat ihn, das Triebwerk abzustellen und auch ins Haus zu kommen. Draußen verstummte die Maschine und ein paar Sekunden später war Kim an der Terrassentür – mit gezogener Waffe.

„Alles in Ordnung, du kannst die Lichtspritze wieder wegstecken“, beruhigte Thomas ihn. Mit einem erleichterten Seufzer sicherte Raschun die Laserwaffe und schob sie gemächlich in sein Holster.

„Den hättest du auf dem Flug hierher erleben sollen! Thomas hat gezittert wie eine pollicanische Angstpappel, hat jeden, der uns in die Flugbahn kam, lauthals beschimpft und ist Manöver geflogen, dass mir bald schlecht wurde, was bei einem ausgebildeten Jägerpiloten wie mir was heißen will“, grinste Kim. Gabi umarmte Thomas fest.

„Ich will dir nicht unnötig Angst machen, aber es ist schön zu wissen, dass du dir Sorgen um mich machst“, sagte sie leise.

„Danke, meine Magenwände machen das kein zweites Mal mit, ohne Geschwüre zu entwickeln“, erwiderte er und küsste sie. „Ich glaube, ich werde erst mal den Kommunikator reparieren, damit das nicht wieder vorkommt“, sagte er dann mit einem verschmitzten Lächeln.

„Lass nur; das Teil kann ich selbst auswechseln. Du wolltest doch noch den Admiral anrufen“, erinnerte Gabi ihn.

Während Gabi den Transponder auswechselte, ließ Thomas sich mit Admiral Luk-Sun verbinden.

„Hallo, Commander Hansen. Wie geht es Ihnen, mein Junge?“, begrüßte der Admiral ihn.

„Guten Tag, Gaul. Mir geht’s gut, aber Kwiri Swin ist leider schwer verletzt und schon auf dem Wege nach Megara.“

„Wie ist das passiert?“

„Ich berichte gleich darüber. Eine Frage nur: Ist Kilma Gribor noch im megaranischen Mondgefängnis?“

„Wissen Sie es noch nicht? Gribor ist vor zwei planetaren Tagen Megaras ausgebrochen und ist mit etwa fünfzig anderen Insassen des megaranischen Mondgefängnisses auf der Flucht, nachdem sie einen Polizeikreuzer gekapert haben. Ich habe gestern und heute schon versucht, Sie zu erreichen, um Sie zu warnen, Commander.“

„Ist näheres über den Ausbruchsweg bekannt?“, erkundigte sich Thomas. Luk-Sun schüttelte den Kopf.

„Nein, bisher nicht. Aber sämtliche Wachmannschaften des Gefängnisses und der Direktor leiden unter seltsamen Traumata. Wir wissen aber noch nicht, wie das mit dem Ausbruch zusammenhängt“, antwortete der Admiral. „Und was war das mit Kapitän Swin?“

Thomas berichtete kurz und wies auch auf die im Auftrag von Gribor gestohlenen Juwelen hin, die mit der Marovia auf dem Weg nach Megara seien.

„Nach den Flugdaten, die wir bisher vorliegen haben, ist die Ocrama, der gestohlene Kreuzer, auf dem Weg nach Palavor. Die Marovia hat ebenfalls den Zielpunkt Palavor“, sagte Luk-Sun. „Commander, wie weit sind Sie mit der Zusatzausrüstung der Phobos?“

„Ich habe vor einer terranischen Woche vom Raumdock erfahren, dass der Umbau abgeschlossen ist. Meine Mannschaft befindet sich derzeit nur im Landurlaub. Manche sind nicht mal auf der Erde. Aber fliegen könnte sie ohne Probleme.“

„Trommeln Sie alle zusammen, die Sie auf der Erde finden können. Ich veranlasse, dass alle, die sich außerhalb der Erde aufhalten, nach Palavor fliegen, um dort zuzusteigen. Ich gebe Ihnen den dienstlichen Auftrag, die flüchtigen Häftlinge wieder einzufangen und in den Gewahrsam der denebischen Justiz zu bringen, Commander. Beide Schiffe sind zu schnell, um von den normalen Patrouillenkreuzern abgefangen zu werden. Ihre Phobos ist das einzige Schiff, das sie stellen kann.“

„Jawohl, Gaul. Ich bitte dann um die Erlaubnis, dass mich Commander Kim Raschun von den Streitkräften des Lukanischen Imperiums und meine Frau mich begleiten dürfen“, bat Thomas.

„Commander Raschun, das sehe ich ein. Schließlich ist er der Vertreter des Imperators. Aber warum Ihre Frau?“

Thomas sah Gabi an.

„Aus zweierlei Gründen, Gaul. Erstens: Gribor hat eine Menge Handlanger in den Weiten des Universums verstreut – auch hier auf der Erde. Wenn ich jetzt wegfliege und auf Verbrecherjagd gehe, besteht die Gefahr, dass sie sich an Gabi vergreifen könnten, wie sie es auch schon mit Kwiri gemacht haben. Zweitens: Sie hat wesentlichen Anteil an den Neueinbauten in der Phobos und kennt sich besonders mit der veränderten Kommunikationsanlage aus“, erklärte Thomas.

„Geben Sie mir mal Ihre Frau, Commander“, forderte der Admiral Thomas auf. Thomas rutschte beiseite, Gabi kam vor das Visio.

„Herr Admiral?“

„Wollen Sie es noch mal riskieren, Frau Hansen? Letztes Mal ist es schon recht heiß hergegangen, und diesmal ist es keine diplomatische Mission“, warnte der Admiral. Gabi lächelte freundlich.

„Thomas würde vor Angst fast sterben, wenn ich hierbleiben würde und er befürchten müsste, jemand könnte mich dazu benutzen, ihn von seinen Aufgaben abhalten zu wollen. Außerdem möchte ich gern wissen, ob die neuen Tarnsysteme und das neue Kommunikationsnetz auch in der Praxis so gut funktionieren wie in den Testläufen“, erwiderte Gabi.

Luk-Sun kraulte sich mit einem Anflug von Nervosität den blauen Bart.

„Na gut. Aber weil es diesmal eine militärische Mission ist, darf es keine Zivilisten an Bord geben. Kommen Sie beide heute noch zum Raumdock. Ich erwarte Sie beide um fünf Uhr nachmittags Ortszeit in der Officer’s Lounge.“

„Wir sind da, Gaul“, bestätigte Thomas. Das Visio erlosch.

„Was hat er vor?“, fragte Gabi.

„Gabi, wenn du mitwillst, müsstest du wenigstens zeitweilig eine Uniform anziehen. Hast du dir das gut überlegt?“, antwortete Thomas. Gabi lächelte und zupfte an Thomas Kragen. Seit er der Flotte angehörte, trug er seine Rangabzeichen auch an Zivilsachen, weil die unauffälligen runden Anstecker eher wie ein ziviler Schmuck wirkten. Als Commander trug Thomas drei kleine goldfarbene Pins an Zivilsachen und etwas größere Exemplare an Bordanzug und Uniform.

„So ein kleines Ansteckerchen würde mich nicht verunzieren“, erklärte Gabi. Thomas dachte an ihre Ablehnung, die seine Entscheidung zur Flotte zu gehen, einmal hervorgerufen hatte und erinnerte sie daran.

„Du hast mir damals gesagt, dass kein Mensch sein Leben lang gleich bleibt. Ich bin da keine Ausnahme“, versetzte Gabi. „Außerdem … hast du mich vielleicht … überzeugt“, setzte sie zögernd hinzu. Thomas lächelte wissend und küsste sie.

Kapitel 7

Unerwartete Verstärkung

Zwei Stunden später waren die Hansens in der Officer’s Lounge im Raumdock bei Admiral Luk-Sun.

„Sie sind also entschlossen, eine militärische Mission der Phobos mitzumachen?“, fragte der Admiral nach der Begrüßung.

„Ja, Herr Admiral“, bestätigte Gabi.

„Frau Hansen, bei militärischen Missionen dürfen keine Zivilisten an Bord sein. Das bestimmt das Flottengesetz so. Wenn Sie mitfliegen wollen, müssten Sie Soldat werden. Ist Ihnen das klar?“, erkundigte sich Luk-Sun.

„Ja, dessen bin ich mir bewusst.“

„Auch, dass Sie nach dem Ende dieser Mission die Uniform nicht einfach wieder an den Nagel hängen können? Die Mindestdienstzeit für Offiziere – und nur als solchen kann ich Sie als Ratsmitglied einstellen – beträgt eine Galaktische Jahreseinheit, wobei die Ausbildungszeit angerechnet wird.“

„Ich weiß.“

Luk-Sun sah Thomas an.

„Sie haben wieder einen Kadetten, Commander. Ich verlasse mich auf Sie, dass Kadett Gabriele Hansen eine Ausbildung erhält, wie sie von der Akademie vorgeschrieben ist – und nicht nur in Nachrichtentechnik“, ermahnte der Admiral Thomas.

„Natürlich nicht, Admiral.“

„Und nicht, dass sie so ein schießwütiger Computerakrobat wird wie Sie“, warnte er dann. Thomas grinste.

„Besser sich als Kadett austoben denn als Raumschiffkommandant“, versetzte er. Luk-Sun klopfte ihm lachend auf die Schulter.

„So wie Sie, was? Ich gebe zu, ich hatte Sorge, Sie würden das nicht ablegen, aber Ihre bisherigen Einsätze haben mich eines Besseren belehrt.“

Der Admiral wandte sich an Gabi und zeigte ihr ein kleines, schwarzes Pin.

„Dieser Anstecker weist Sie als Kadettin der Interstellaren Flotte aus. Wenn Sie auch mit so viel Elan an die Ausbildung herangehen wie Commander Hansen, tauschen Sie ihn bald gegen einen goldenen ein. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg“, sagte er uns befestigte den Anstecker eigenhändig an Gabis Blusenkragen. „Melden Sie sich nach Beendigung der Mission bei mir auf Palavor.“

An Bord der Phobos war nur die zum Flugbetrieb unbedingt notwendige Rumpfmannschaft, als das Schiff aus dem Raumdock glitt. Da alle drei Pilotinnen erst auf Palavor zusteigen würden, flog Thomas seinen Kreuzer selbst. Der Kommandantensessel war verwaist, alle Systeme waren auf den Pilotenplatz umgeschaltet. Von den nichtirdischen Besatzungsmitgliedern waren nur die macromanischen Brüder Wanrin und Narwin und der sulukanische Erste Offizier Asnar Lawida an Bord. Nach dem Passieren der Mondbahn schob Thomas die Geschwindigkeitskontrollen auf Höchstgeschwindigkeit und der Kreuzer entmaterialisierte in den Hyperraum. Die Hälfte des Hauptbildschirms blieb für die Fernortung reserviert.

„Bekommst du eine Ortung der flüchtigen Schiffe?“, fragte Thomas, der mit Gabi allein auf der Brücke war.

„Ich lasse die Scanner kreisen, Thomas“, erwiderte sie. Er hörte ihre flinken Finger über die Kontrollen tippen.

„Da ist nichts“, murmelte sie halblaut. „Da is’ auch nix. Schweigen im Weltraum. Nichts. Wie von einem Schwarzen Loch verschluckt“, meldete sie schließlich. Er seufzte.

„Fast wünschte ich, es wäre so. Dann müsste sich der Rest der Galaxis keine Gedanken wegen dieser dummen Steine machen.“

„Was ist so wichtig an diesen Steinen?“

„Vordergründig sind sie Amtszeichen des Kaisers. Wenn Kwiri sich aber nicht irrt, dann steckt sehr viel mehr dahinter, eine geheimnisvolle Kraft, die dem Träger dieser Steine eine ungeheure Macht verleiht, wenn er sich mit den mentalen Fertigkeiten eines Yedaina-Ritters auskennt.“

„Yedaina-Ritter? Sag’ mal, das klingt nach Jedi-Ritter, oder hab’ ich ‘nen Hörfehler?“

„Nein, keineswegs. Dann kannst du dir auch vorstellen, was mit der Macht in diesem Sinne gemeint ist?“

Star Wars pur?“, fragte Gabi ohne von den Ortungskontrollen aufzusehen.

„Dreiviertel. Ich würde Kim Raschun nicht gerade als bösartig bezeichnen. Und der Imperator gilt in Star Wars als bösartig“, erwiderte Thomas.

„Hmm, irgendwas habe ich hier als Resonanzkontakt, aber ich kann es nicht identifizieren. Könnte so was wie ein Tarnschatten sein“, brummte Gabi.

„Gib es auf den Hauptschirm“, bat Thomas. Gabi schaltete um. Im einheitlichen Grau des Hyperraums waren zwei leichte Schlieren zu erkennen, die entfernt dem Umriss eines kleineren Kugelraumers ähnelten – allerdings nur sehr entfernt.

„Kannst du den Kurs berechnen?“, fragte Thomas. Gabi arbeitete mit der Eingabetastatur. Es piepte einige Male protestierend.

„Du hörst es. Blechi meint, er hat zu wenig Informationen für eine Kursberechnung.“

„Abstand?“

„Mindestens zwei Lichtjahre. Das hier ist die Fernortungsanzeige im hohen Auflösungsmodus. Im niedrigen Modus sehe ich die Schatten überhaupt nicht.“

„Ob Blechi da den Kurs berechnet oder peng. Eine Abweichung um nur ein Grad und die fliegen ans andere Ende der Milchstraße“, seufzte Thomas. „Mist, verdammter!“, setzte er drastisch hinzu. „Behalt’ sie auf jeden Fall im Auge.“

„Entfernung zweieinhalb Lichtjahre, Geschwindigkeit sinkend“, nannte Gabi dann die genaue Entfernung. „Wenn es so bleibt, haben wir die Objekte in zehn Stunden erreicht. Sie befinden sich exakt vor uns.“

Thomas drückte die Intercomtaste vor sich auf dem Pult.

„Kommandant an Maschine: Lewis, haben wir noch Reserven?“

„Ich hab’ noch dreißig Prozent freie Energiereserve“, antwortete der Maschinist.

„Dann gib mehr Stoff. Scheint so, als wären unsere Freunde vor uns.“

„Sei vorsichtig! Wir sind nur eine Notbesatzung, kein kampffähiger Verein!“, warnte Lewis.

„Das wissen die doch nicht!“, grinste Thomas. Lewis lachte. Der Maschinenton wurde etwas schriller, die Phobos flog um eineinhalb Faktoren schneller.

„Abstand verringert sich schneller“, meldete Gabi. Ein Geräusch hinter ihm verriet Thomas, dass sie die Annäherung berechnete.

„Kollisionskurs!“, meldete sie. „Objekte nähern sich schnell. Ver…! Objekte zeichnen! Thomas, das sind Torpedos!“

„Verflucht noch mal!“, wetterte Thomas. „Lewis, Energiereserve weg!“, wies er den Maschinisten an. „Sofort ‘raus aus dem Hyperraum und abdrehen!“, kommandierte er sich selbst.

Mit wenigen Handgriffen hatte er die Phobos abgebremst und in den Normalraum gelenkt und drehte aus der Flugbahn weg. Die Trägheitsabsorber jaulten protestierend auf, aber sie taten ihren Dienst. Auf dem Hyperraumscanner sausten erkennbar zwei Protonentorpedos vorbei, die plötzlich zu schlingern begannen, als sie ihr Ziel verloren hatten.

„Berechne bitte den Austritt aus dem Hyperraum, Gabi.“

„Jetzt muss ich dumm fragen: Wie mache ich das?“

„Hyperspace-Faktor in die Schlingertabelle 4 eingeben und unseren eigenen Standort zufügen“, erklärte Thomas.

„Ah ja. Komm, verrat’s mir, Blechi!“, murmelte Gabi. Thomas lächelte. Das klang vertraut nach der gemeinsamen Arbeit bei Sperling. Nur hatte Gabi dort eher nach Schadennummern und Zahlungen gesucht.

„Abstand zweihundert.“

„Gut, schalte das Waffenpult auf deinen Schirm um, richte die hintere Laserbank aus und schalte auf Normalraumsicht. Sobald du die Dinger im Fadenkreuz hast, brat’ ihnen eins über“, wies Thomas sie an. Gabi nickte und hatte den Steuerknüppel für die Laserkanonen schon in der Hand. Auf ihrem Bildschirm erschien ein grünes Fadenkreuz. Sekunden später erschienen die unkontrolliert torkelnden Torpedos in unmittelbarer Nachbarschaft des Fadenkreuzes. Gabi reagierte zuerst überhastet und schoss zweimal daneben, dann zerplatzte der erste Torpedo wie eine orangefarbene Seifenblase. Dem zweiten Torpedo folgte sie besonnener und vernichtete die Bedrohung mit einem Schuss.

„Glückwunsch!“, lobte Thomas. „Das hab’ ich selbst in der Simulation erst mit dem zehnten Schuss geschafft.“

Gabi grinste ihn an.

„Vielleicht besteht zwischen Simulationen und echten Bedrohungen doch ein gewisser Unterschied“, mutmaßte sie.

„Auf jeden Fall ist es beruhigend, dass du dich nicht scheust, die Laserkanone abzuschießen, wenn’s sein muss“, versetzte Thomas mit einem sanften Lächeln.

„Oh, Torpedos und andere Raumschiffe sind mit Sicherheit zwei Paar Schuhe!“, erwiderte Gabi mit deutlichem Seufzen.

„Wir sind sie los, und das ist die Hauptsache. Also, wieder retour in den Hyperraum. Lewis, Geschwindigkeit auf Hyperspace erhöhen.“

Der Maschinist bestätigte und die Phobos beschleunigte stark. Die Trägheitsabsorber sorgten erneut dafür, dass die Mannschaft die Fliehkräfte nicht spürte. Gabi suchte erneut den Raum mit allen zur Verfügung stehenden Scannern ab, fand aber nichts.

„Nix mehr. Nicht mal der Schatten eines Schattens. Auch keine Ionisierungsspuren“, sagte sie schließlich.

„Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als auf Verdacht nach Palavor zu fliegen und zu hoffen, dass die Marovia und die Ocrama dort tatsächlich auftauchen“, erwiderte Thomas. Er gab Decker Anweisung, mit höchstmöglicher Geschwindigkeit zu fliegen und überließ die Steuerung dann dem Autopiloten.

Nach einer ruhigen Standardwoche Flug, in der mangels anderer Aufgaben für die Besatzung die neuen Systeme nochmals getestet worden waren und für einsatzfähig befunden wurden, erreichte die Phobos den Planeten Palavor. Thomas ging mit dem Kreuzer in eine geostationäre Umlaufbahn über der Hauptstadt Palun und flog mit dem bordeigenen Shuttle zum Raumhafen von Palun, begleitet von seiner Frau und Kim Raschun. Zu ihrer großen Überraschung empfing Klim Hamor sie am Raumhafen.

„Klim, was machst du hier? Ich denke, du bist mit Kwiri auf dem Weg nach Megara?“, entfuhr es Thomas verblüfft. Klim lächelte freundlich.

„Nicht nur ich bin hier. Kwiri auch – und auch noch putzmunter“, erwiderte er.

„Das erklär’ mir jetzt bitte näher“, bat Thomas.

„Wir waren – zu Kwiris Glück – an Bord es megaranischen Schiffes Deneb. Die Deneb ist unser größtes Lazarettschiff, das mehr zufällig gerade im terranischen Raumdock zwei Triebwerke überholen ließ. Die medizinische Ausrüstung ist fast noch besser als die des Ratskrankenhauses auf Megara. Das hat ihn gerettet. Wir brauchten deshalb nicht den Umweg über Megara zu nehmen, sondern konnten direkt nach Palavor fliegen. Innerhalb der einen Woche, die der Flug hierher dauert, ist er vollständig genesen. Er wird nur eine Narbe zurückbehalten, die ihn an seine Laserverletzung erinnern wird.“

„Was ist mit der Marovia und der Ocrama?“, erkundigte sich Gabi.

„Das ist das größte Problem, das sich uns gegenwärtig stellt. Sie haben etwa eine halbe Tagesreise vor Palavor den Kurs geändert und sind direkt in das Territorium des Imperiums geflogen. Als es hier bemerkt wurde, konnten sie nicht mehr aufgehalten werden. Nun sind sie seit einem Standardtag im Bereich des Imperiums, wohin wir sie nach dem geltenden Vertrag nicht verfolgen dürfen“, erklärte Klim. Thomas schüttelte verzweifelt den Kopf.

„Das kann doch nicht sein! Wir sind ihnen doch unmittelbar gefolgt!“

„Stimmt schon, aber ihr seid Kurs Palavor geflogen, nicht Kurs Galoba. Das hat einen halben Tag gekostet, dann habt ihr den Hyperraum vorschriftsmäßig im Abstand einer Lichtsekunde verlassen und abgebremst, während die Marovia und die Ocrama mit unverminderter Geschwindigkeit weitergeflogen sind. Daraus ergibt sich insgesamt ein Standardtag Differenz.“

„Dann waren es doch deren Tarnschatten, die ich auf dem Scanner hatte!“, stieß Gabi hervor.

„Ihr seid ihnen noch begegnet?“, erkundigte sich Klim.

„Begegnet ist zu viel gesagt“, erwiderte Thomas. „Wir haben sehr verschwommene Tarnschatten auf dem Scanner gehabt und hatten Besuch von zwei Torpedos, vor denen wir in den Normalraum flüchten mussten. Dadurch haben wir den Scannerkontakt mit den Schatten verloren und dann hatten sie wohl so viel Vorsprung, dass die Sensoren nicht mal mehr die Tarnschatten erfasst haben.“

Er machte eine kurze Pause.

„Kim, es tut mir Leid. Ich fürchte, ich werde deinem Onkel beichten müssen, dass uns die Diebe entwischt sind“, sagte Thomas dann mit schuldbewusstem Gesicht. Kim lächelte. Diese Reaktion hatte Thomas angesichts der nun nicht mehr wiederzubeschaffenden Steine nicht erwartet.

„Woher hättest du wissen sollen, dass die Diebe mit den Steinen nicht Palavor anfliegen, sondern sich direkt in die Höhle des Löwen begeben? Mach’ dir nichts daraus. Die imperiale Marine wird sie auftreiben.“

„Commander Raschun, ich fürchte, ich muss Ihren Optimismus dämpfen“, meldete sich Klim. „Nach den letzten Erkenntnissen sind die Marovia und die Ocrama nicht in Richtung Pollicus unterwegs, sondern eher zu den Gebieten, von denen Ihr Botschafter hier auf Palavor meint, sie wären in der Hand der regierungsfeindlichen Rebellen.“

Kims überlegenes Lächeln erlosch.

„Das wäre ein Katastrophe für die imperiale Regierung!“, keuchte er. „Thomas, Klim, das muss das Imperium alleine regeln. Ihr könnt uns dabei nicht helfen.“

„Wir haben die Steine in unserer Obhut gehabt und wir werden sie wiederbeschaffen, Commander Raschun“, erwiderte Klim bestimmt. Raschun schüttelte den Kopf.

„Nein, das hat keinen Sinn. Ihr kennt euch in unseren Territorien nicht aus, wisst nicht, wem ihr trauen könnt und wem nicht. Außerdem würdet ihr in die Auseinandersetzung mit den Rebellen hineingezogen. Das ist eine innerlukanische Angelegenheit, in die Außenstehende nicht verwickelt werden sollten. Nein, ich werde umgehend nach Tatonar starten.“

„Kim, das ist verrückt!“, widersprach Thomas. „Du hast nur den Diplomatenkreuzer hier; das ist ein Witz gegen einen Sternzerstörer!“

„Sicher. Aber die Rebellen haben keine Sternzerstörer, sondern besitzen nur ein paar kurzatmige Korvetten und haben zwei oder drei mittelgroße Lazarettschiffe von der imperialen Marine erbeutet. Mit dem Diplomatenkreuzer kann ich durchaus dagegenhalten. Wartet hier auf mich. Ich melde mich bei meinem Onkel und werde euch auf jeden Fall informieren, ob ich Erfolg hatte oder nicht. Wollt ihr ein förmliches Auslieferungsersuchen stellen?“

Thomas nickte.

„Wenn die imperiale Justiz uns die Häftlinge überlässt …“, sagte er mit deutlichem Zögern.

„Ich glaube nicht, dass mein Onkel großes Interesse an ihnen hat. Er will nur seine Edelsteine zurück“, beruhigte Kim lächelnd.

„Ich möchte sie noch auf etwas hinweisen, Commander: Die Wachen im megaranischen Mondgefängnis leiden unter posthypnotischen Traumata, wie wir zwischenzeitlich ermitteln konnten. Es spricht viel dafür, dass Gribor mit dem Besitz der Juwelen seine ohnehin mächtigen mentalen Fähigkeiten erheblich gesteigert hat. Sie sollten sich nur mit jemandem auf die Suche machen, der mit diesen Kräften vertraut ist. Am besten mit Wan Kobi, der als Yedaina-Ritter damit umgehen kann und Sie wirksam schützen kann“, warnte Klim.

„Wan Kobi ist sehr alt. Er hatte es schon abgelehnt, die Steine überhaupt auf die Erde zu begleiten, was eigentlich seine Aufgabe gewesen wäre. Er fühlt sich für solche Reisen mit seinen zweihundertzwanzig Jahren dann doch zu alt.“

„Wie viel ist das in Galaktischen Jahreseinheiten?“, erkundigte sich Gabi, staunend über das hohe Alter.

„Gut hundertfünfzig. Yedaina-Ritter können fürchterlich alt werden, wenn sie nicht eines gewaltsamen Todes sterben. Wan Kobi hütet die Juwelen des Imperators seit vielen Generationen. Nein, ich werde die Suche zunächst allein beginnen und die imperiale Marine dazu holen, sobald ich weiß, wohin die Steine gebracht worden sind“, erklärte Kim.

„Dann kann ich dir nur Glück wünschen, Kim“, sagte Thomas. Kim verabschiedete sich, ließ sich zur imperialen Botschaft bringen und verließ wenig später Palavor mit der Diplomatenkorvette mit Kurs auf Pollicus.

Thomas meldete unmittelbar nach Kims Abflug die veränderte Situation dem Admiral.

„Unschön“, brummte der Centaure. „Warten Sie auf Reaktionen der imperialen Regierung. Sollte Ihnen angeboten werden, die Verfolgung aufzunehmen, tun Sie das sofort. Halten Sie also Ihre Mannschaft in Bereitschaft, Commander“, wies Luk-Sun Thomas an.

„Wir gemacht, Gaul“, bestätigte Thomas.

„Und vergessen Sie nicht die gründliche Ausbildung Ihrer Frau, Commander“, mahnte der Admiral.

„Nein, bestimmt nicht. Solange wir hier bei Palavor sind, ist genügend Zeit für Trockenübungen und auch praktischen Unterricht an den Instrumenten.“

Luk-Sun lächelte freundlich.

„Ich wünschte mir, es gäbe mehr solche Ehepaare wie Sie und ihre Frau, Commander. Sie sind ein gutes Team. Ich gebe an den Rat weiter, dass Sie im Flottenauftrag auf Palavor sind und in Abrufbereitschaft stehen, damit keiner auf die Idee kommt, Sie zu Ratssitzungen zu kommandieren.“

 

Kapitel 8

Ausbildung und Diplomatie

Seit Kim Raschuns Abflug waren fast zwei Monate vergangen, in denen Thomas sich mangels anderer Aufgaben ausschließlich Gabis Ausbildung widmen konnte. Die Intensivschulung hatte zur Folge, dass Gabis Ausbildung erheblich schneller fortschritt, als dies bei normalen Kadettenschulungen der Fall war. Üblicherweise kümmerte sich ein Ausbilder um zehn bis zwölf Kadetten. In diesem Fall lehrte nicht nur Thomas seine Frau die Feinheiten des Raummilitärs, auch Nora Rosok brachte Gabi Hansen einiges bei; insbesondere die fliegerische Ausbildung im Atmosphärenflug wurde von der Amazonierin gemacht. Von ihr lernte Gabi aber auch den Umgang mit der Laserpistole und zeigte damit bald ähnliche Fähigkeiten wie Thomas. Schließlich, nach nun zwei Monaten, schlug Nora vor, Gabi zur Prüfung anzumelden.

„Nora, sie ist erst zwei Monate dabei!“, warnte Thomas. Nora grinste über das ganze Gesicht.

„Du hast doch nur Angst, sie könnte dir eines Tages unter die Nase reiben, dass sie nur zwei Standardmonate für die Ausbildung benötigt hat, während du brav drei Galaxo-Monate Ausbildung hinter dich gebracht hast“, kicherte sie.

„Eigentlich hatte ich angenommen, dir wäre inzwischen klar, dass es Männer und Männer gibt und dass ich nicht zur Machosorte gehöre, liebe Nora. Und Gabi gehört nicht zu den militanten Emanzen. Mögliche Fähigkeiten haben wir uns noch nie gegenseitig vorgehalten“, versetzte Thomas unwirsch. „Ich habe nur Sorge, ob sie wirklich weit genug ist. Nichts wäre für sie selbst peinlicher, als wenn sie durchfallen würde.“

„Glaub’ mir: Sie ist soweit. Ich verwette meine Skalplocke, dass sie besteht.“

Jetzt war es Thomas, der grinste.

„Deine geheiligte Skalplocke? Dann musst du wirklich sicher sein. Na schön, aber nicht ohne Gabis Einverständnis“, erwiderte er.

Gabi war einverstanden und Thomas meldete sie als Ausbildungsverantwortlicher zur Prüfung an.

Am Prüfungstag war Thomas erheblich nervöser als seine Frau. Weil er selbst an der Prüfung nicht teilnehmen durfte, wollte er sich anderweitig ablenken und durchforstete das Galaxnet nach Neuigkeiten. Im Bereich der Föderation gab es wenig, was er nicht schon durch die täglichen Nachrichten gehört oder gelesen hatte; und das, was er durch diese Medien noch nicht erfahren hatte, war für ihn nicht interessant. Thomas wechselte den Browser und sah ins imperiale Galaxnet, das seit dem Kooperationsvertrag auch von der Föderation her abgerufen werden konnte. Und die Nachrichten, die er dort fand, waren nicht erfreulich. Kim Raschun war verschwunden – und zwar kurz nachdem er mit dem Diplomatenkreuzer das von den Regierungstruppen gehaltene Gebiet verlassen hatte.

Kurz entschlossen rief Thomas bei Wan Kobi an, dem greisen Wächter der Steine, den er im Zuge der Verhandlungen zwischen Föderation und Imperium kennen gelernt hatte.

„Ich grüße Euch, Commander Hansen“, sagte der alte Mann, als das Visio aufflammte. Thomas nickte lächelnd.

„Ich grüße Euch, Wan Kobi, Wächter der Steine. Ich habe über das imperiale Nachrichtenmagazin erfahren, dass Commander Raschun, der Thronfolger des Imperiums, spurlos verschwunden ist, seit er in das von Aufständischen beunruhigte Gebiet vorgedrungen ist. Könnt Ihr mir näheres sagen, Wan Kobi?“, erkundigte sich Hansen. Der Wächter der Steine lächelte sanft.

„Ihr wisst die Worte mit Bedacht zu wählen, Commander Hansen. Jeder andere Föderale hätte von einem Gebiet gesprochen, das von den Rebellen erobert wurde. Manche sprechen sogar schon von kontrollierten Gebieten oder gar von einer neuen Republik“, bemerkte der Yedaina-Ritter.

„Die meisten Regierungen und ihnen nahestehende Personen sind sehr empfindlich, wenn es Unruhe im Land gibt – oder in der eigenen Galaxis. Deshalb habe ich versucht, mich einigermaßen neutral auszudrücken, Wan Kobi. Aber könnt Ihr mir näheres sagen?“, beharrte Thomas.

„Mehr wissen wir auch nicht, Commander Hansen. Die letzte Meldung von Commander Raschun erhielt Seine Majestät zu dem im Nachrichtenmagazin genannten Zeitpunkt.“

„Dieser Zeitpunkt fällt etwa zusammen mit der Flucht einiger in der Föderation zu langjährigen Haftstrafen Verurteilter, die zwei Schiffe gekapert haben und die Raumgrenze zum Lukanischen Imperium überschritten haben, bevor wir sie daran hindern konnten. Nach den letzten Erkenntnissen sind sie in etwa in die Raumsektoren geflogen, in denen die Aufständischen aktiv sind“, bemerkte Thomas. Wan Kobi zog eine Augenbraue hoch. Er erinnerte Thomas fatal an Mr. Spock.

„Worauf wollen Sie hinaus, Commander Hansen?“, fragte der Wächter, nun nicht mehr ganz so förmlich.

„Ich frage mich, ob man nicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen kann, wie man auf meinem Planeten sagen würde. Ich nehme an, dass sich die imperiale Marine in den Rebellensektoren nicht sehen lassen kann, ohne sich auf ein Gefecht einlassen zu müssen – das Ergebnis lasse ich in Unkenntnis der Stärke der Aufständischen jetzt mal beiseite. Wenn ein Föderationsschiff dort erscheint – auf der Suche nach den flüchtigen Verbrechern, die für die Rebellen auch keine Bereicherung wären – würde es vermutlich nicht sofort angegriffen werden. Es bestünde immerhin die Chance, dass wir für Sie herausfinden, was mit Commander Raschun geschehen ist. Im besten aller möglichen Fälle gelänge es uns vielleicht, ihn zu befreien und obendrein noch unsere Ausbrecher wieder mitzunehmen.“

Wan Kobi sah den Erdmenschen mit einem gewissen Mitleid an.

„Sie wissen nicht worauf Sie sich einlassen, Commander Hansen. Nach unserer Erfahrung greifen die Aufständischen zuerst an und fragen danach nach dem Begehr. Außerdem sind bestimmte Leute unter ihnen mit dem Gebrauch der Macht vertraut. Da es im Bereich der Föderation meines Wissens nach keine Yedaina-Schulen gibt, glaube ich nicht, dass Sie oder jemand anderes aus der Föderation sich diesen Leuten Erfolg versprechend entgegenstellen können“, warnte der alte Ritter.

„Ich weiß es nicht genau, weiser Wächter der Steine, aber es wäre möglich, dass ich gegen diese Kräfte immun bin. Einer der entsprungenen Häftlinge verfügt über gewisse mentale Kräfte, die aber auf mich keinerlei Wirkung haben, während er andere damit völlig in seinen Einfluss bringt. Dieser Häftling, Kilma Gribor ist sein Name, vom Volk der Deneber, ist übrigens hinter den Steinen der Macht und der Weisheit her. Ich wage mir nicht vorzustellen, was er anstellt, wenn er die in die Finger bekommt.“

Wan Kobi seufzte.

„Es könnte sein, Commander Hansen, dass Gribors Kräfte noch nicht geformt genug sind, um auf jegliche Entität* einen Einfluss zu haben. Aber wenn es ihm gelingen sollte, die Juwelen an sich zu bringen, dann wird er Sie vernichten – oder wen immer er vernichten will.“

„Dann sollte man ihn daran hindern, weiser Wächter der Steine“, empfahl Thomas lächelnd.

„Ich werde den Imperator unterrichten und ihn bitten, Ihnen die Suche nach Ihren Häftlingen zu genehmigen und nebenbei nach Commander Raschun zu fahnden. Ich werde mich in etwa drei Standardstunden bei Ihnen melden, Commander.“

„Ich danke Ihnen, Wan Kobi.“

„Die Macht begleite Sie, Commander.“

„Und Sie ebenfalls.“

Das Visio erlosch. In der schwarzen Mattscheibe des Schirms sah Thomas eine Person hinter sich und drehte sich erschrocken um. Hinter ihm stand Gabi. Erleichtert atmete Thomas auf.

„Puh, hast du mich erschreckt!“, entfuhr es ihm. Er stand auf.

„Und? Wie ist es gelaufen?“, fragte er, als er Gabi umarmte.

„Sieht man es mir nicht an?“, fragte sie mit verschmitztem Lächeln. Mit den Fingern der rechten Hand spielte sie mit ihrem Kragen, an dem ein goldfarbener Rangpin ihren Erfolg bestätigte.

„Herzlichen Glückwunsch, Fähnrich Hansen“, jubelte Thomas und wirbelte Gabi einmal im Kreis herum.

„Oh, Mann, ich war was von nervös!“, seufzte Gabi, als Thomas sie wieder absetzte. „Die Prüfungskommission hat mir ‘n zweites Loch ins Hinterviertel gefragt. Raumschifftechnik ‘rauf und ‘runter, allein eine Stunde Taktik und Militärgeschichte. Drei Simulatorflüge in den unmöglichsten Situationen. Eine tatsächlich bei Ausfall beider Haupttriebwerke und unter der Voraussetzung einer feindseligen Verfolgung durch ein waffentechnisch überlegenes und voll manövrierfähiges Schiff.“

„Und? Wie hast du dich heraus laviert?“, fragte Thomas interessiert.

„Ich fürchte, es war nicht sehr klug. Ich hab’ mich einfach unsichtbar gemacht. Leider hatte ich übersehen, dass der Gegner einen Tarnfeldscanner hatte. Pech.“

„Kommentar der Prüfer?“

„Soll ich dir das ernsthaft sagen?“

Thomas nickte.

Wenn das nicht ein Simulatorflug wäre, hätten Sie jetzt ein Verfahren wegen Feigheit vor dem Feind am Hals!“, gab Gabi die Reaktion der Prüfer wörtlich wieder.

„Aha. Und wie hättest du dich verhalten sollen?“

„Das haben sie mir leider nicht gesagt. Nur zehn Punkte abgezogen, weshalb ich nur mit gut statt mit sehr gut bestanden habe.“

Nur? Gabi, ich habe meine Prüfung mit knapp gut bestanden. Mach’ dir darüber keine Gedanken“, lachte Thomas auf. „Aber die Schwachköpfe möchte ich in der Situation mal erleben …“, grinste er dann. „Gabi, die würden die Hosen bis zum Kragen voll haben.“

„Das habe ich mir dann auch gesagt. Aber es hat mit eindrucksvoll bewiesen, dass Kommissköppe einfach nicht aussterben wollen. Und dem Verein soll ich jetzt mindestens ein Jahr angehören …“

Thomas umarmte sie.

„Ich habe den Admiral gebeten, dass du auf der Phobos bleibst. Er hat – vorbehaltlich deines erfolgreichen Examens – zugestimmt. Du kommst also nicht zu Kommissköppen, sondern nur unter das Kommando deines verrückten Ehemannes.“

Gabi grinste.

„Ich weiß nicht, was schlimmer ist“, lachte sie. Thomas und Gabi versanken in einem liebevollen Kuss.

„Kommt es eigentlich oft vor, dass ein Commander einen Fähnrich küsst?“, fragte sie dann.

„Nun, spätestens seit heute wird es täglich vorkommen, mein Schatz. Jedenfalls bis einer von uns beiden befördert wird“, erwiderte Thomas. „Im Übrigen wäre ich dafür, dass wir deinen Erfolg mit einem netten Essen krönen. Was hältst du davon?“

„Keine Einwände, Euer Ehren. Aber du wartest auf einen Rückruf, oder?“

„Wenn Wan Kobi angerufen hat, sind wir zwei Sekunden danach im Gleiter.“

Wie auf Kommando piepte die Visioanlage. Thomas schaltete auf Empfang und sah sich zu seiner Verblüffung dem Außenminister des Lukanischen Imperiums gegenüber.

„Guten Tag, Commander Hansen. Ich bin Sol Hanib, der Außenminister des Lukanischen Imperiums. Sie hatten mit dem Wächter der Steine, Wan Kobi, über eine Expedition in das Rebellengebiet gesprochen?“

„Guten Tag, Herr Minister. Ja, das hatte ich.“

„Ich gehe davon aus, dass Ihre Regierung Ihnen eine entsprechende Genehmigung erteilt hat“, mutmaßte der Außenminister.

„Die liegt bereits vor. Ich benötige nur noch Ihre Genehmigung, beziehungsweise die Seiner Majestät, des Imperators Lukan.“

„Dann zeichnen Sie jetzt auf“, forderte der Außenminister Thomas auf. Hansen nickte und berührte eine Schalfläche am Visio.

„Aufzeichnung ist bereit“, sagte er.

„Ich erteile Ihnen hiermit im Namen des Imperators die Genehmigung, im Raumterritorium des Imperiums nach den bei Ihnen entsprungenen Häftlingen zu suchen und sie in das Territorium der Galaktischen Föderation zurückzubringen.

Sie haben ferner die Vollmacht, Informationen über den Verbleib Seiner Kaiserlichen Hoheit, Prinz Raschun, anzustellen und, falls Sie ihn finden, auch zu befreien. Letztlich sind Sie auch bevollmächtigt, den Rebellen die unrechtmäßig in deren Händen befindlichen Juwelen des Imperators abzunehmen und sie Seiner Majestät persönlich auszuliefern.

Um dies tun zu können, erhalten Sie die ausdrückliche Genehmigung, auf dem Territorium des Imperiums die Waffen einzusetzen, die Ihnen für die Verfolgung Ihrer Absichten angemessen erscheinen. Der Wortlaut dieser Genehmigung wird Ihrer Regierung überspielt und auch hier als Computerweisung festgehalten. Jeder Sternzerstörer wird angewiesen, Ihnen jede von Ihnen angeforderte Hilfe zu geben. Ebenso wird unsere Kampfstation angewiesen, Ihnen Aufenthalt zu gewähren und Sie mit Proviant, Waffen- und Antriebsenergie auszurüsten.

Ein Hinweis noch: Der Verlust der imperialen Kronjuwelen wurde bisher nicht öffentlich gemacht. Wir erwarten, dass Sie in dieser Sache diskret vorgehen, nachdem Sie schon nicht in der Lage waren, die Juwelen angemessen zu schützen, Commander“, sagte Hanib.

Thomas ließ die Aufzeichnungstaste los, mit der er die Genehmigung mitgeschnitten hatte.

„Ich danke für die offizielle Genehmigung, Herr Außenminister. Wir werden uns um größtmögliche Diskretion bemühen, genauer, nichts über die Suche nach den Juwelen des Imperators verlauten lassen. Es ist wirklich peinlich genug, dass sie auf der Erde gestohlen wurden und die Diebe uns entwischt sind. Wir werden uns ferner bemühen, möglichst wenig von unseren Waffen Gebrauch zu machen, weil die Politik der Föderation eher deeskalierend ausgerichtet ist. Sobald wir nähere Informationen haben, werden wir uns bei Ihnen oder Wan Kobi melden, Herr Minister.“

„Sehr gut. Wann starten Sie?“

„Ich erwarte übermorgen meinen Cheftechniker. So schnell hatte ich nicht mit einer Genehmigung gerechnet“, erwiderte Thomas.

„Ich hatte etwas mehr Eifer erwartet, nachdem Sie bisher schon recht nachlässig waren, Commander.“

„Ich verstehe zwar Ihren Zorn darüber, dass die Juwelen gestohlen wurden, aber Ihren Hinweis auf Nachlässigkeiten unsererseits kann ich nicht nachvollziehen, Herr Außenminister. Die Föderation hatte ausdrücklich um eine angemessene Begleitung der Juwelen gebeten. Aus Ihrem Haus wurde erklärt, der persönliche Schutz durch Seine Kaiserliche Hoheit reiche vollkommen aus. Wäre es nach den Anweisungen Ihres Hauses gegangen, wären die Juwelen nicht einmal unter Tresorverschluss zu halten gewesen. Mit keinem Wort ist auf die existenzielle Bedeutung der Juwelen hingewiesen worden. Ich habe erst durch Kapitän Swin von der Wichtigkeit dieser Juwelen erfahren – und da waren sie bereits entwendet. Bedaure, aber den Schuh ziehe ich mir nicht an“, versetzte Thomas. „Nichtsdestoweniger werden wir tun, was wir können, um die Juwelen wiederzubeschaffen“, setzte er dann hinzu.

„Nichts anderes erwartet der Imperator. Aber beeilen Sie sich, bevor er ungeduldig wird“, erwiderte der Minister und schaltete grußlos ab.

„Du hättest besser den Kratzfuß beibehalten, Tommy“, seufzte Gabi, die daneben stand.

„Aufgeblasener Gockel, der!“, knurrte Thomas. „Hier, das ist die Weisung des imperialen Außenministeriums. Darin heißt es wörtlich: Es ist nicht notwendig, besondere Sicherungsmaßnahmen für die Juwelen zu ergreifen. Insbesondere bedarf es keines besonderen Verschlusses. Ein einfaches Schloss an einer Glasvitrine oder ein normaler Schutzschirm sind völlig ausreichend. Es bedarf keiner speziellen Bewachung, auch nicht der Schaltstelle für den Schutzschirm, falls ein solcher verwendet wird. Zitat Ende“, sagte er und gab Gabi die schriftliche Weisung des Außenministeriums.

„Komisch. Wären das meine Juwelen, würde ich sie bewachen wie die Bank von England“, sagte sie. Thomas nickte.

„Ich weiß nicht. Irgendwas stinkt da. Das kommt mir alles sehr merkwürden vor. Komm, mein Schatz, gehen wir erst mal deine Beförderung feiern.“

Zwei planetare Tage Palavors später war die gesamte Mannschaft der Phobos in der Schiffsmesse versammelt. Außer den planmäßig zur Besatzung gehörenden Wesen waren auch Kwiri Swin und Suli Kulibos an Bord – offiziell Beauftragte des Galaktischen Rates für die Rückführung der Häftlinge.

„Also, Sie wissen, worum es geht: Wir suchen die Marovia und die Ocrama, zwei Kreuzer mit einer leider sehr guten Tarnanlage, die von etwa fünfzig Ausbrechern aus dem megaranischen Mondgefängnis unter der Führung von Admiral Kilma Gribor gekapert wurden. Diese Flüchtlinge sind extrem gefährlich. Keiner von denen hatte weniger als zehn Jahre zu brummen. Die meisten sind in verantwortlicher Position bei der Sechsten Flotte gewesen, als diese sich gegen die Föderation verschwor. Es sind Profis, was Kriegführung im Raum anbelangt. Sie haben nichts zu verlieren und werden vermutlich zuerst schießen und dann fragen. Wir werden also nie ohne aktivierte Deflektorschilde aus dem Hyperraum kommen. Wanrin, Narwin: Ich möchte, dass ihr jederzeit voll aufgeladene Waffenlaser habt und dass in der Hälfte der Abschusskammern scharfe Torpedos sind.“

„Heißt das, wir sollen ohne Warnung schießen?“, fragte Wanrin.

„Nein, heißt es nicht“, erwiderte Thomas. „Wir werden sie anrufen und erst dann schießen, wenn sie uns angreifen. Deshalb nie ohne Deflektoren auftauchen! Was wir nicht wissen ist, in welchem Verhältnis unsere Freunde zu den Rebellen stehen. Was den Konflikt zwischen Rebellen und Regierungstruppen des Imperiums betrifft, sind wir neutral, werden uns also in deren Kampfhandlungen nicht einmischen. Sollten wir in eine Raumkeilerei zwischen Imperium und Rebellen geraten, halten wir uns raus, es sei denn, dass ein von uns gesuchtes Schiff mitmischt. In dem Falle werden wir versuchen, es zu isolieren und aufzubringen.“

„Wissen wir, wo wir nach den gekaperten Schiffen suchen müssen?“, wollte Sarni Kulibos wissen.

„Offen gestanden, nicht genau“, gab Thomas zu. „Nach allem, was bisher bekannt wurde, ist das Gebiet der Rebellen auf der anderen Seite des imperialen Galaxisarms. Es bedeutet etwa eine Wochenreise Flug. Dann beginnt die Suche im Heuhaufen. Im Grunde müssen sie uns finden, nicht wir sie.“

„Und wie glaubst du, werden sie uns finden?“, erkundigte sich Kwiri.

„Als fremdes Schiff werden wir rasch auffallen. Ich bin sicher, dass die Rebellen das näher untersuchen werden. Und dann können wir uns erkundigen“, erwiderte Hansen.

„Entschuldige, wenn ich an diese Methode nicht recht glaube, lieber Thomas. Ich glaube nicht, dass ein paar Kreuzer auftauchen und uns fragen, wohin wir wollen. Wäre es dir recht, wenn ich dir gelegentlich einen Rat gebe, welchen Kurs das Schiff nehmen sollte?“

„Nimm ‘s mir nicht übel, aber das scheint mir auch eine Heuhaufensuche zu sein“, gab Thomas zu bedenken.

„Ich präzisiere den Vorschlag: Wir fliegen in das Gebiet, was als Rebellengebiet bekannt ist, dann prüfen wir anhand der bekannten Systeme, wo sich am wahrscheinlichsten jemand aufhalten könnte“, erwiderte Kwiri.

„Kennst du dich dort aus?“, fragte Suli verblüfft.

„Nein, aber der imperiale Botschafter hat mir eine Zusammenstellung der Systeme gegeben, in denen definitiv Rebellen gesichtet worden sind. Wenn wir das mit der Sternkarte vergleichen, lässt sich daraus vielleicht schließen, wo wir suchen müssen“, grinste der Deneber. „Und außerdem … ich glaube, ich habe ein Gespür dafür, wo Gribor steckt. Ich habe ihn schon ein paar Mal gesucht – und auch gefunden“, antwortete Swin.

„Gut, Kwiri. Machen wir so. Wacheinteilung wie auf der Galoba-Mission. Noch Fragen?“, schloss Thomas die Besprechung ab. Es kamen keine Fragen mehr. „Wenn alles klar ist, dann ab auf eure Plätze. Nora, bring’ uns ‘raus.“

Die Versammlung löste sich auf, die Brückencrew nahm auf ihren Sitzen Platz, Nora aktivierte die Triebwerke der Phobos, nachdem die Starterlaubnis erteilt war und koppelte das Schiff von den Versorgungseinheiten des Docks ab. Die Raumschleuse öffnete sich, die Phobos glitt in den Raum hinaus und nahm Kurs auf die Föderationsgrenze.

Kapitel 9

List und Tücke

Eine knappe Wocheneinheit später hatten sie das fragliche Gebiet erreicht, ohne dass ein Schiff der Phobos begegnet war. Nicht einmal auf dem Fernscanner war ein Resonanzkontakt gewesen. Während Suli Brückendienst hatte, saß Kwiri im Bereitschaftsraum und programmierte den Holoprojektor. Dann rief er Thomas an. Hansen meldete sich.

„Hansen hier. Was gibt’s?“

„Kwiri hier. Ich habe die Informationen in den Holoprojektor gegeben. Sieht ganz interessant aus. Willst du es dir ansehen?“

„Ja, ich komme.“

Kwiri ließ die kugelförmige Projektion rotieren. Die Systeme Yinva, Bagoda, Tatonar und Hont hatte der Deneber rot markiert. Sie lagen relativ dicht zusammen, bildeten praktisch eine Einheit am Rande des Galaxisarms. Auf der anderen Seite der Projektion kam Thomas zur Tür herein. Hinter ihm glitt die Tür fast geräuschlos zu, ebenso lautlos drehte sich die Projektion im Zentrum des Raumes.

„Ah, da bist du ja. Hier, das ist es“, präsentierte Kwiri seinem terranischen Freund. Thomas setzte sich auf der gegenüberliegenden Seite in einen der großen Sessel und betrachtete die holographische Projektion.

„Seltsam. Irgendwie erinnert es mich an Galoba“, sagte er.

„Stimmt genau“, erwiderte Kwiri. „Die Konstellation ist sehr ähnlich. Ich habe durch die Rotationsdaten festgestellt, dass diese vier Systeme praktisch genauso einer wechselnden Raumströmung unterliegen, wie das Anwida-System im Bereich der Föderation. Die Voraussetzungen sind hier fast gleich. Dadurch ist dieses Gebiet nur zu bestimmten Zeiten vom Imperium her überhaupt kontrollierbar.“

„Und was befindet sich in den Sektoren dahinter?“

„Darüber ist bisher nichts bekannt. Besuch aus dem benachbarten Galaxisarm hatte das Imperium offenbar noch nicht. Aus den Daten, die ich aus dem imperialen Computer bekommen habe, ergibt sich darüber nichts“, sagte Kwiri. Er vergrößerte den Ausschnitt, der nun nur noch die vier Systeme zeigte. „Hier, das sind die Rebellensysteme aus der Nähe. Der Botschafter hat uns noch die letzten bekannten Standortdaten der hier eingesetzten Sternzerstörer gegeben. Du siehst, sie machen einen großen Bogen um die Rebellensysteme. Und das hier …“, Kwiri wies mit einem Lichtmarkierer auf einen grünen Punkt in einem System, das den Namen Lantemm hatte. „… das hier ist die Kampfstation, von der im Wortlaut der Genehmigung die Rede ist.“

Thomas begutachtete den grünen Punkt.

„Wie groß ist das Ding?“

„Etwa die Größe von Megaras künstlichem Mond“, antwortete Kwiri.

„Welche Bewaffnung?“

„Willst du es wirklich wissen?“, erkundigte sich Kwiri.

„Ja.“

„Sie hat schlappe zehntausend Lasergeschütze unterschiedlichen Kalibers für die Nahverteidigung, einen gegen Großkampfschiffe wirksamen Schutzschirm, verfügt über einige tausend Raumjäger, hat knapp achthunderttausend Mann Besatzung – und eine Fernlaserkanone …“

„… die einen ganzen Planeten zerbröseln kann. Danke, das genügt“, seufzte Thomas mit bleichem Gesicht. „Meine Albträume werden wahr.“

„Sulukaner?“, fragte Kwiri. Thomas nickte.

„Oh ja, auch davon haben sie uns berichtet. Bin ich froh, dass nicht das Imperium die Erde über den Schnabel nehmen wollte. Ich glaube nicht, dass die uns überhaupt gefragt hätten, ob wir mitmachen wollen. Die hätten die Erde besetzt oder gleich zerschossen. Aber eins begreife ich nicht: Wenn das Imperium diese Wahnsinnsstation dort hat – warum pusten sie den Hauptstützpunkt nicht ins Nirwana?“

„Die Frage habe ich mir auch schon gestellt, Thomas – und die Antwort war nicht komisch“, erwiderte Kwiri.

„Werd’ deutlicher.“

„Nun, das Imperium hat uns gewisse Vollmachten erteilt, hat uns gewisse Informationen gegeben – aber nicht, wo der Hauptstützpunkt der Rebellen ist. Der Grund ist einfach: Sie wissen es selber nicht. Sie haben nur eine grobe Ahnung, wo sich die Rebellen aufhalten. Sie können aber nicht alle Welten zerstören, ohne das gravitationelle Gefüge des Raumsektors durcheinanderzubringen. Und genau dafür brauchen sie uns. Wir als neutrales Schiff sollen für sie praktisch spionieren. Sofern sie wissen, wo sich der Hauptstützpunkt befindet, werden sie ihn angreifen. Und zwar mit der mobilen Kampfstation“, erklärte Kwiri.

„Das würde voraussetzen, dass die Imperialen wissen, wo wir uns aufhalten. Wenn wir ihnen unsere Koordinaten nicht geben …“

„… dann holen sie sie sich selbst“, beendete Kwiri Thomas Satz. „Ich habe ein dummes Gefühl, Thomas. Der imperiale Botschafter hat das Schiff nicht durch den Hauptkorridor verlassen, sondern ist mit einem Space-Jet vom kleinen Hangar gestartet. Wir sollten das Schiff untersuchen. Ich würde dich deshalb bitten, zu stoppen und eine genaue Untersuchung der Außenhaut durchführen zu lassen. Es könnte sein, dass sie uns einen Peilsender angeklebt haben.“

Thomas nickte.

„In Ordnung. Wir sehen uns die Außenhülle mal näher an.“

Eine halbe Stunde später waren zehn Besatzungsmitglieder in Raumanzügen außen an der Phobos und suchten sie mit Messgeräten ab. Alle fünf Minuten gaben sie durch, dass sie nichts entdecken konnten.

„Bei mir piept ‘s!“, meldete sich Bootsmann Van den Broek plötzlich außerhalb des Meldemodus. „Ich habe hier eine kleine, halbkugelförmige Ausbeulung neben dem Tor des kleinen Hangars entdeckt. Von dort aus gehen Sendeimpulse aus. Ich demontiere sie.“

„Bootsmann – nein, Finger weg!“, kommandierte Thomas. „Es kann sein, dass der Sender eine Eigensicherung hat. Entfernen Sie es nur mit dem isolierten Greifarm!“

„Ja, Chef“, bestätigte Van den Broek. Er nahm den Greifarm aus der Tasche seines Raumanzugs und fuhr die Schere aus, die etwa drei Meter Sicherheitsraum bot. Vorsichtig hob er den magnetischen Halter ab. Er hatte ihn keinen halben Meter von der Bordwand weggebracht, als der Sender explodierte und wie eine Silvesterrakete sternförmig auseinanderflog. Der Bootsmann konnte sich gerade noch hinter einem Vorsprung am Rumpf des Schiffes in Sicherheit bringen, um nicht von den Trümmern getroffen zu werden.

„Van den Broek an Brücke! Der Sender ist explodiert! Die Splitter haben sich jetzt verzogen. Ich sehe nach, ob es Schäden an der Schiffshaut gegeben hat“, meldete der Bootsmann.

„Was ist mit Ihnen selbst, Pieter?“, erkundigte sich Thomas besorgt.

„Ich habe Glück gehabt, dass ich gleich neben einem Vorsprung war, der mich gedeckt hat. Mir ist nichts passiert.“

Der Bootsmann unterzog die Außenhaut im Explosionsbereich einer genauen Untersuchung.

„Van den Broek an Brücke. Es sieht so aus, als ob der Eingangsscanner des Hangartors was abbekommen hat. Lässt sich das Tor manuell betätigen?“

„Wanrin, öffne das kleine Hangartor“, wies Thomas den Macromanier an. Wanrin betätigte einen Schalter, eine Leuchtfläche zeigte an, dass das Tor geöffnet wurde.

„Tor geht auf. Manuelle Funktion nicht gestört“, meldete Van den Broek. „Ich komme durch den Hangar zurück. Dann müssten wir auch sehen, ob die Schließautomatik funktioniert.“

Er stieß sich vom Rand des Tores ab und schwebte hinein. Langsam erfasste ihn die stärker werdende künstliche Gravitation und zog ihn zum Boden des Hangars. Das Tor schloss sich nicht, obwohl er die Lichtschranke durchflogen hatte.

„Van den Broek an Brücke: Die Schließautomatik spricht nicht an. Tor manuell schließen“, meldete der Bootsmann zur Brücke. Wanrin schloss das Tor mit dem Schalter auf seinem Pult. Van den Broek gab die entsprechende Meldung zur Brücke.

„Danke, Pieter. Können wir das mit Bordmitteln beheben?“, erkundigte sich Thomas.

„Nur, wenn ich die Schließautomatik ausbaue und nach dem genauen Fehler suche. Allein das Ausbauen dauert vier Stunden galaktischer Zeitrechnung. Soll ich …?“

„Wenn Sie mal viel Zeit haben, gern. Aber wir brauchen die Automatik nicht unbedingt“, erwiderte Thomas. „Gehen Sie wieder auf Ihre Station, Pieter.“

„Ja, Chef“, kam es aus dem Intercom, dann war die Verbindung beendet. Die übrige Suchmannschaft war bereits wieder an Bord.

„Gut, Nora, Nimm Kurs auf das System gerade vor uns. Fernscanner im hohen Auflösungsmodus ein, Nahscanner aktivieren. Stufe II Überlicht.“

Die Pilotin bestätigte den Kurs, Gabi schaltete die Scanneranzeigen von Nah- und Fernscanner auf die linke Bildschirmhälfte.

Kwiri, der auf dem Platz des Wissenschaftsoffiziers saß, bekam einen glasigen Blick, den Thomas aber nicht registrierte, weil er auf den Hauptbildschirm sah. Dafür bemerkte Gabi Kwiris ungewöhnlichen Zustand.

„Kwiri, ist dir nicht gut?“, fragte sie. Swin schüttelte sich einmal kurz.

„Thomas, dort sind sie nicht. Flieg’ das Hont-System an“, sagte er. Thomas sah ihn verblüfft an.

„Und woher weißt du das?“, fragte er. Kwiri zuckte mit einem schiefen Lächeln die Schultern.

„Ich weiß es halt.“

Thomas drehte seinen Sessel um und sah Kwiri genau an.

„Hör mal, mir machst du nichts vor. Du weißt irgendwas, was wir nicht wissen. Und ich wäre gern informiert.“

„Ich kann dir nur sagen, dass sie nicht im Bagoda-System sind. Ich kann dort keine Präsenz feststellen.“

Präsenz? Kwiri, kannst du etwa mit der …? Hast du auch solche Kräfte wie Gribor?“, stotterte Thomas. Kwiri sah ihn unschuldig an. Nach einer Weile nickte er.

„Ja, aber ich setze meine Kräfte zum Wohle der Föderation und ihrer Wesen ein, nicht so destruktiv wie Gribor“, beeilte er sich dann zu sagen.

„Als ob ich was anderes von dir erwartet hätte. Warum rückst du damit erst jetzt ‘raus?“

„Nun, in der Föderation werden die meisten, die mit der Macht umgehen können, als eine Art Monster betrachtet. So ähnlich wie auf Terra früher Hexen und Zauberer Außenseiter waren, sind die Wesen, die diese mentalen Kräfte beherrschen in der Föderation Randgruppen. Man bekennt sich besser nicht dazu. Außer, man macht sich nichts draus, wie Kilma Gribor“, erklärte der Deneber. Thomas schüttelte den Kopf.

„Und ich hab’ geglaubt, ihr wärt vernünftiger als wir! Junge, nutze deine Kräfte und führ’ uns. Das spart Zeit“, grinste Thomas, stand auf und winkte Kwiri, der sich noch zögernd im Kommandantensessel niederließ und Nora den neuen Kurs angab.

Das Bagoda-System bestand aus einem Doppelstern, einem roten Riesen und einem weißen Zwerg, die einander umkreisten, sowie zehn Planeten, von denen acht mehrere Monde hatten. Der vierte Planet hatte zusätzlich zu seinen drei Monden noch einen Partikelring um den Äquator. Angesichts der starken Energie, die die beiden Sonnen abstrahlten, waren die vier inneren Planeten dürre Wüstenwelten, auf denen bestenfalls Magmaten existieren konnten. Der fünfte Planet war im Gegensatz zu den inneren vieren eher als Eiswürfel zu bezeichnen, auf dem die Lebensanzeiger nicht genug Leben fanden, um auch nur eine viersitzige Rettungskapsel zu füllen. Nora programmierte den neuen Kurs und steuerte das Yinva-System an.

Yinva war eine Sonne, die etwa mit der Sonne Sol zu vergleichen war: Ein kleiner, gelber Stern mit fünf Planeten und achtzehn Monden, der innerste wüst und dürr, mit Temperaturen, die um die sechshundert Grad Celsius betrugen, der zweite ein kochender Wolkenplanet, der Venus nicht unähnlich. Der dritte Planet glich der Erde, war ein wasserreicher Planet, der nach dem Lebensanzeiger die besten Möglichkeiten für kohlenstoffbasierendes Leben bot. Er schien auch von Lebewesen zu wimmeln. Der vierte Planet war kalt und wüstenhaft, der fünfte war ein Gasriese mit zahlreichen Monden. Dann folgte nur noch eine riesige Staubwolke, die zwar genügend Materie für Planeten enthielt, die sich aber seltsamerweise nicht gebildet hatten. Die Gravitation der Sonne und die Rotation des Gesamtsystems waren aber gut dafür geeignet, ebensolche Außenplaneten zu bilden wie das Sol-System.

„Seltsam, Chef“, murmelte Wanrin. „Es fehlen mindestens vier Planeten. Die … die Materie ist da, aber keine Planeten.“

„Was sagen die Scanner sonst noch? Kontakte zu anderen Raumschiffen?“

„Keine direkten Kontakte, insbesondere keine Anzeigen für die Anwesenheit von imperialen Schiffen. Aber einige nicht näher zu definierende Störungen“, erwiderte Gabi.

„Gib sie auf den Hauptschirm“, wies Thomas sie an.

Auf dem Schirm erschienen flirrende Verzerrungen, ähnlich einer Fata Morgana, aber ohne ein Bild zu zeigen.

„Tarnschatten?“, mutmaßte Wanrin.

„Kwiri?“, fragte Thomas und drehte sich um. Der Deneber nickte.

„Durchaus möglich. Wir sind sehr nahe am dritten Planeten. Ich spüre die Präsenz der Lebewesen dort und kann nicht genau sagen, ob sich hinter diesen Tarnschatten Wesen verbergen“, antwortete er.

„Die gleichen Verzerrungen registriere ich auch achtern“, meldete Gabi. Sie hatte es kaum ausgesprochen, als sich die Verzerrungen in Raumschiffe verwandelten – insgesamt zehn Raumschiffe unterschiedlichster Bauarten und Größen. Sie wirkten nicht sehr gepflegt, hatten an allen Seiten Spuren von Lasertreffern. An manchen war noch schemenhaft das imperiale Hoheitszeichen, eine Sonne mit stark stilisierten Strahlen, zu erkennen, notdürftig übermalt, von Sengspuren überlagert oder freigelegt.

„Ich empfange einen Ruf“, meldete Gabi.

„Auf den Schirm damit, wenn eine visuelle Verbindung möglich ist“, befahl Thomas. Gabi brachte die Verbindung auf das obere linke Viertel des Hauptschirms. Ein Gesicht mit unverkennbar menschlichen Zügen erschien.

„… identifizieren Sie sich.“

„Hier ist der Kleine Kreuzer Phobos, Kennung C 9660, Achte Interstellarflotte der Galaktischen Föderation unter dem Kommando von Commander Thomas Hansen“, stellte Thomas sein Schiff und sich vor. „Und mit wem habe ich das Vergnügen?“, fragte er dann.

„Ich bin General Valkener, Flotte der Neuen Republik von Avalon. Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Sie sich uneingeladen und damit widerrechtlich in diesem Raumsektor aufhalten, Commander Hansen. Wir wurden bereits vor Ihnen gewarnt und wissen, dass Sie für das verbrecherische Imperium, das der Freiheit der galaktischen Völker im Wege steht, zu spionieren gedenken. Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Sie von zehn meiner Kreuzer umzingelt sind. Auch wenn wir uns hier im freien Raum befinden, lohnt es sich für Sie nicht, sich zu tarnen und wegzutauchen. Meine Informanten haben mir berichtet, dass es Ihre Spezialität ist, in einer Explosionssimulation zu verschwinden. Das zieht nicht. Wir werden Sie finden, da wir über Tarnfeldscanner und Massetaster verfügen.“

„Darf ich daraus schließen, dass Sie uns jetzt zusammenschmelzen wollen, General?“, erkundigte sich Thomas mit einem würgenden Gefühl in der Kehle.

„Wir könnten es tun. Aber wir möchten doch zuerst wissen, was Sie den Imperialen schon weitergegeben haben.“

„Wenn ich Ihnen sage, dass wir bisher nichts an die imperialen Einheiten gefunkt haben, werden Sie es mir vermutlich nicht glauben, General. Ich biete Ihnen an, ein Prisenkommando zu schicken, das sich von der Wahrheit meiner Worte überzeugen kann. Im Konflikt mit dem Imperium sind wir neutral. Damit haben wir nichts zu schaffen.“

„Gut. Wir kommen an Bord. Haben Sie eine Transportereinrichtung?“

„Nein, über so etwas verfügen wir nicht. Wenn Sie wollen beamen Sie Ihre Leute herüber oder kommen Sie mit Shuttles. Der kleine Hangar ist frei“, erwiderte Thomas.

„Wir kommen mit drei Shuttles. Wenn Sie auch nur die geringsten Schwierigkeiten machen, war das Ihre letzte Tat!“, warnte der General und schaltete die Verbindung ab.

„Ein Muster an Vertrauensseligkeit!“, schnaufte Kwiri.

„Wen meinst du?“, fragte Thomas.

„Den Kerl, der sich General nennt. Ich hoffe, dass du keinen Fehler gemacht hast, die Burschen an Bord zu lassen.“

„Wanrin: Fahr’ die Deflektoren hoch, sobald die Shuttles im Hangar sind, und lade den Ring. Für den Fall, dass etwas schiefgeht, sollen sie merken, dass wir nicht ganz so wehrlos sind, wie sie meinen.“

Auf dem Bildschirm war erkennbar, dass von den drei Kreuzern, die der Phobos den Weg nach vorn versperrten, jeweils eine dreiflügelige Fähre abflog und auf das kleine Hangartor zuhielt, an dem Einflugsignale leuchteten.

„Hangar öffnen!“, befahl Hansen. Nora öffnete das Tor.

„Du weißt, dass die Automatik nicht funktioniert?“, erkundigte sie sich.

„Natürlich. Deshalb will ich sie ja dort haben. Sie können sich jedenfalls nicht verpieseln, wenn wir es nicht wollen.“

„Das ist riskant“, warnte Gabi.

„Abwarten. Kwiri, Gabi, kommt mit. Nora, du übernimmst die Brücke.“

„Jawohl, Gaul“, bestätigte die Amazonierin, als Thomas und seine Begleiter den Lift I zum kleinen Hangar betraten und hinunterfuhren.

Unten im Hangar setzten die drei Shuttles auf, die Luken öffneten sich und wenigstens fünfzehn Uniformierte sprangen mit Lasergewehren im Anschlag heraus.

„Hände hoch!“, befahl der General. „Ich verhafte Sie im Namen der neuen Republik von Avalon!“

 

Kapitel 10

Schwieriges Gespräch

Thomas, Kwiri und Gabi sahen die Rebellen verblüfft an.

„Ich glaube, das habe ich nicht richtig verstanden“, sagte Thomas mit einem Anflug von Frechheit. Er konnte sich die Frechheit leisten, da sie alle drei mit eingeschaltetem Schutzschirm den Hangar betreten hatten. Die leichte, gelbliche Aura war auf die Entfernung nur schwer wahrnehmbar.

„Nehmen Sie die Hände hoch, oder wir sind gezwungen, von der Schusswaffe Gebrauch zu machen!“, fauchte der General. Der Mann sah sich nervös um. Ihm behagte die Situation nicht recht. Er hatte keine Ahnung, über welche Innenverteidigung Schiffe der Galaktischen Föderation verfügten. Er wurde noch unsicherer, als die drei Föderalen, die an der Innenschleuse des Hangars standen, keinerlei Anstalten machten, die Hände zu heben oder sich gar zu ergeben. Valkener sah seine Soldaten an, die auch nicht wussten, wie sie mit der Situation umgehen sollten. Einer von Valkeners Leuten verlor die Nerven und schoss ohne Befehl. Sein Laserstrahl traf Kwiris Schutzschirm, löste einen Funkenregen aus und brachte den kleinen Deneber kurzfristig aus dem Gleichgewicht.

„Verdammt! Sie haben Schutzschirme, Sir!“, fluchte ein anderer Mann neben Valkener und sah den General betroffen an.

„General Valkener, lassen Sie den Unsinn!“, forderte Thomas den Kommandeur auf. „Ich habe Sie an Bord kommen lassen, damit Sie sich überzeugen können, dass wir uns nicht als Verbündete des Imperiums betrachten, sondern neutral sind. Also: Wollen Sie die Übertragungsspeicher kontrollieren oder wollen Sie Streit?“

Valkener drückte die Waffe eines anderen Soldaten neben sich herunter und schüttelte den Kopf.

„Sichern Sie die Waffen!“, befahl er. Zögernd senkten seine Leute die Lasergewehre.

„Lassen Sie zwei Mann als Wache an Ihren Shuttles. Ihre Waffen werden Sie hier an Bord nicht benötigen.“

„Wir werden nicht unbewaffnet in ein fremdes Raumschiff gehen, Commander!“, fuhr Valkener Thomas an.

„Und ich werde nicht eine bewaffnete Meute von fünfzehn mir Unbekannten in mein Schiff lassen. Ich nehme an, dass Sie kaum anders verfahren würden, wenn ich mit einer ähnlichen Anzahl von Leuten auf Ihr Schiff käme. Also: Waffen in Ihre Shuttles. Ich garantiere für Ihre Sicherheit“, erwiderte Hansen.

„Und wer garantiert für Ihre Sicherheit, Commander? Draußen sind zehn Schiffe, die ihre Geschütze auf dieses Schiff richten“, versetzte der Rebellengeneral. Thomas lächelte freundlich.

„Ihre Anwesenheit, Herr General. Ich glaube nicht, dass Ihre Leute so verrückt sind, ihren eigenen General zu sprengen.“

„Und Sie haben keine Sorge, dass die zurückbleibenden Soldaten Ihr Schiff nicht auf eigene Faust untersuchen könnten?“, fragte Valkener lauernd.

„Sie können gern versuchen, die Codierungen der Türen zu überwinden. Es könnte allerdings etwas dauern. Seit Admiral Gribor zuletzt hier an Bord war, habe ich die Codierungen komplett ersetzen lassen – und zwar abweichend von der sonstigen Föderationsnorm“, erwiderte Thomas kühl. Valkener lief rot an. Thomas schloss daraus, dass der General sich durchschaut fühlte.

Von der Macht hat er offenbar keine Ahnung’, dachte Thomas. ‚Sonst wäre er nicht so unsicher.

„Na schön. Ich werde es riskieren“, sagte der General. Er wies fünf seiner Leute an, die Waffen abzulegen, händigte seine Laserpistole einem der Zurückbleibenden aus und ging mit seinen Begleitern zur Innenschleuse.

„Ich bitte um Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen“, entsann er sich der unter Schiffsbesatzungen üblichen Höflichkeit. Thomas machte eine einladende Handbewegung.

„Erlaubnis erteilt. Willkommen an Bord der Phobos“, erwiderte der Commander. „Darf ich vorstellen: Kapitän Kwiri Swin, Achte Interstellare Flotte der Galaktischen Föderation. Er ist im Auftrag des Galaktischen Rates an Bord, um die entflohenen Häftlinge in Empfang zu nehmen. Fähnrich Gabriele Hansen. Außer der Tatsache, dass sie meine Frau ist, ist sie auch mein Kommunikationsoffizier.“

Valkener nickte und salutierte auf terranische Art.

„General Sid Valkener, Flotte der Neuen Republik von Avalon. Das hier sind Lieutenant Wiggs, mein Adjutant, Captain Frent, mein Wissenschaftsoffizier, Sergeant Liggers, und die Privates Waver und Flyer, meine Eskorte“, stellte Valkener seine Leute vor, die ebenfalls in terranischer Weise salutierten.

„Wenn Sie uns bitte folgen wollen …“, lud Kwiri ein. Valkener und seine Leute folgten den Föderalen in die Kommandobrücke.

Gabi ließ den Adjutanten an Ihr Kommunikationspult. Er sah die Sendeprotokolle durch.

„Es wurden keine Daten an imperiale Einheiten überspielt, Sir!“, meldete der Lieutenant nach einer Weile.

„Na schön, mein Misstrauen war nicht ganz richtig. Aber wie, zum Teufel, haben Sie uns gefunden?“, fragte er dann Thomas.

„Sagen wir: Sie haben uns gefunden“, lächelte Thomas. „Im Übrigen ist Kapitän Swin einer der wenigen in der Föderation, der mit mentalen Kräften gesegnet ist, die der Macht ähnlich sind. Davon abgesehen, suchen wir nicht nach Ihnen, sondern nach zwei Schiffen, der Marovia und der Ocrama, die von fünfzig flüchtigen Häftlingen gekapert wurden, und mit denen sie in das Raumgebiet des Imperiums geflohen sind. Wenn Sie Informationen über deren Verbleib haben, wären wir Ihnen dankbar, wenn Sie uns Hinweise geben könnten.“

Valkener setzte sich auf die Kante des Kommandantensessels, achtete aber darauf, nicht die Befehlskonsole zu berühren.

„Commander, Sie haben gesagt, die Föderation wäre im Streit der neuen Republik mit dem Imperium neutral. Ich glaube Ihnen das nicht, auch wenn Sie keinen Funkkontakt mit dem Imperium hatten“, sagte er.

„Und warum nicht?“, erkundigte sich Thomas.

„Weil Sie hinter Leuten her sind, die wir als Verbündete gewonnen haben. Deren Feinde sind auch unsere Feinde, wie Sie gewiss verstehen werden“, erklärte der General.

„Nein, General, ich verstehe nicht. Sie haben ein Problem mit dem Imperium. Warum das so ist, bewerte ich nicht, es geht mich nicht das Geringste an. Ich bin im Auftrag der Föderation hier, nicht im Auftrag des Imperiums. Der Galaktische Rat hat eindeutig erklärt, dass der innerlukanische Konflikt die Föderation nicht betrifft und dass sie zugunsten keiner Seite eingreifen wird. Der Automatismus, mit dem Sie Gegner Ihrer – vermeintlichen – Freunde auch zu Ihren Gegnern erklären, wird jedenfalls nicht sehr hilfreich für Sie sein. Sie könnten sich unfreiwillig neue Gegner schaffen, wenn Sie jeden zum Feind erklären, der nicht auf Ihrer Seite ist.“

„Zugegeben, jetzt verstehe ich Sie nicht. Können Sie deutlicher werden?“, bat Valkener.

„Natürlich. Aber wir sollten das nicht im Stehen klären. Darf ich Sie und Ihre Männer in die Messe bitten, Sir? Leutnant Lawida, Sie haben das Kommando.“

Lawida, der gerade seinen Dienst antrat, bestätigte mit einem Nicken.

Thomas, Gabi, Kwiri und Valkener und seine Leute verließen die Brücke und fuhren mit dem Lift II zum Messedeck.

„Was darf ich Ihnen anbieten? Kaffee? Oder was trinkt man auf Ihren Welten?“

„Kaffee bitte, schwarz, mit Zucker, wenn es geht“, bat Lieutenant Wiggs. Alle anderen Rebellen wollten ebenfalls Kaffee. Kwiri nahm seine übliche Banthamilch, Gabi und Thomas ebenfalls Kaffee. Der Messesteward servierte umgehend.

„Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie jetzt zu näherer Erklärung kämen, Commander Hansen“, forderte der General ihn auf.

„General, die Föderation gedenkt nicht, im innerlukanischen Konflikt Partei zu ergreifen. Wir sind der Ansicht, dass Sie das mit Ihren Kontrahenten von den imperialen Streitkräften selbst ausmachen müssen. Wir unterstützen weder die Imperialen noch Sie. Zwar verbindet die Föderation ein Freundschafts- und Kooperationsvertrag mit dem Lukanischen Imperium, aber was diesen inneren Streit um die Regierungsform betrifft, haben wir uns ausdrücklich für neutral erklärt. Ist das bis dahin verständlich?“

Valkener nickte.

„Ich verstehe dann aber nicht, warum Sie unsere Mitstreiter angreifen“, sagte er.

„Ich weiß nicht, worin der Beitrag dieser Mitstreiter besteht, General. Ich weiß aber, dass es verurteilte Kriminelle sind, die der Föderation schweren Schaden zugefügt haben, indem sie Morde begangen haben, Sachen und Geheimnisse geraubt haben, um sie Gewinn bringend zu verhökern, die zum Teil die Föderation in einen vernichtenden Krieg mit dem Imperium hineinziehen wollten. Wenn das Imperium dabei untergegangen wäre, wäre das wohl für Sie zum Vorteil gewesen, aber es hätte auch in jedem Fall die Vernichtung der Föderation bedeutet, was wir nicht gerade als positiv bewerten konnten. Des weiteren haben sie dem Ansehen der Föderation schweren Schaden zugefügt, als auf Veranlassung des Anführers dieser Bande auf der Erde ein Einbruch verübt wurde, bei dem vier Männer meiner Einheit erschossen wurden und Eigentum des Imperators entwendet wurde, das bei einer Ausstellung auf der Erde gezeigt werden sollte. Wir erwarten nicht mehr und nicht weniger, als diese Bande in unsere Hände zu bekommen, um sie wieder in ihr Gefängnis zu bringen“, erklärte Thomas. „Wenn Sie uns deshalb als Feinde betrachten, weil wir das vorhaben, fürchte ich, begeht die Regierung der Neuen Republik einen schweren Fehler. Sie würde sich ohne Not jemanden zum Feind machen, der ihr vielleicht eines Tages ein guter Freund sein könnte.“

General Valkener lachte verächtlich.

Freunde, Commander Hansen, die brauchen wir nicht später, die brauchen wir jetzt! Jetzt kämpfen wir ums Überleben. Später, wenn wir das Imperium besiegt haben, wird sich alles andere finden, aber Hilfe brauchen wir jetzt! Und wenn die Föderation meint, zuerst mit unseren Feinden kooperieren zu müssen, um dann ihr Mäntelchen nach dem Wind zu hängen und sich dann bei uns anzuschmeicheln, ist Ihre Regierung schief gewickelt!“

„Mit dem Motto Wer nicht mit mir ist, ist gegen mich liegt Ihre Regierung falsch, wenn das deren Auffassung ist. Sehen Sie, die Föderation kann anhand der dort vorhandenen Informationen nicht entscheiden, wer in diesem Konflikt im Recht ist und wer nicht. Wir wollen vermeiden, auf der Seite desjenigen einzugreifen, der im Unrecht ist, und deshalb greifen wir gar nicht ein.“

„Das tun Sie aber, wenn Sie die Auslieferung der Flüchtlinge verlangen, Commander!“, brauste Wiggs auf.

„Wenn Sie so wollen, würden wir in den Konflikt dann auch eingreifen, wenn wir die flüchtigen Häftlinge hier ließen, oder nicht?“, erkundigte sich Gabi.

„Sie müssen uns helfen! Allein kommen wir gegen die imperiale Flotte nicht an!“, rief Wiggs. Es klang geradezu verzweifelt. Kwiri zog eine Augenbraue hoch und aktivierte den Holoprojektor.

„Erlauben Sie, dass ich Zweifel anmelde, Lieutenant Wiggs“, sagte er. „Sehen Sie, das ist das Raumgebiet, das nach unseren Informationen unter der Kontrolle Ihrer Einheiten ist. Es handelt sich um einen deutlich abgegrenzten Raumsektor. Die Schiffe der imperialen Raummarine patrouillieren zwar außerhalb dieses Gebietes, aber sie dringen nicht ein. Zwischen Ihnen und dem Imperium muss so etwas wie eine Pattsituation herrschen, denn Ihre Schiffe verlassen diesen Sektor so gut wie nie. Warum sollten Sie in diesem Konflikt, der zurzeit nicht mit Waffengewalt ausgetragen wird, ohne Hilfe der Föderation, beziehungsweise ohne deren flüchtige Schwerkriminelle, nicht bestehen können?“

„Woher haben Sie diese Information?“, keuchte Captain Frent auf, als er das Holo sah.

„Diese Daten stammen aus dem Computer des Imperiums. Sie wurden uns als Suchhilfe überlassen, da die flüchtigen Schiffe in diese Sektoren entkommen sein sollten“, antwortete Thomas.

„Dann weiß das Imperium, dass Sie hier sind?“, hakte Valkener nach.

„Natürlich. Ohne deren Erlaubnis wären wir kaum bis hier gekommen“, erwiderte Gabi.

„Und Sie behaupten immer noch, mit dem Imperium nicht im Bunde zu sein?“, fauchte der General. „Sie sind nichts weiter als dreckige Handlanger dieses widerwärtigen Regimes!“, brüllte er. Thomas winkte ab.

„Nein …“, setzte er an, wurde aber von Valkener harsch unterbrochen:

„Verschonen Sie mich mit Ihrem lügnerischen …“

Es reicht jetzt, General!, donnerte Thomas zurück. Wenn ihn jemand Lügner nannte, wurde er wütend. Valkener hatte nicht erwartet, dass ihn ein Soldat niedrigeren Ranges einmal anschreien würde und war so erschrocken darüber, dass er schwieg.

„Wir sollten alle so zivilisiert sein, dass wir uns derartige Ausdrücke sparen können, Herr General!“, fuhr Thomas fort. „Ich lasse mir viel gefallen, aber ich lasse mich nicht Lügner nennen!“

Valkener setzte sich.

„Natürlich sind Sie misstrauisch gegenüber jedem, der dem Imperium nicht feindlich gesonnen ist. Das ist aus Ihrer Sicht verständlich, General. Aber nicht jeder, der sich nicht mit dem Imperium anlegt, ist automatisch Ihr Feind“, setzte Thomas hinzu und schluckte ein: ‚Begreifen Sie das endlich!’, gerade noch herunter. Er musste unbedingt diplomatisch bleiben. Ein solcher Satz wäre zweifellos in die Kategorie Killerphrase einzuordnen gewesen – und die wäre einem solchen Gespräch nicht förderlich gewesen.

„Das Imperium hat durchaus versucht, Informationen durch uns zu erhalten. Wir haben es der imperialen Regierung vermiest, als wir den automatischen Sender an unserem Schiff zerstört haben und die Außenhaut gründlichst nach weiteren solchen Senderlein abgesucht haben. Zum Glück waren keine weiteren vorhanden“, ergänzte Hansen.

„Wie sind Sie darauf gekommen, dass man ihnen so einen Sender angehängt hat? Für gewöhnlich geschieht das in einer solchen Heimlichkeit, dass man es nicht merkt“, wunderte sich Frent.

„Gemerkt haben wir es auch nicht“, gab Thomas zu. „Wir sind auf die Idee gekommen, als wir das Hologramm näher betrachtet haben. Ist es zutreffend, dass das Imperium nicht genau weiß, auf welchem dieser Planeten Ihr Hauptstützpunkt ist?“

„Wir hoffen es jedenfalls. Aber wenn sie es wüssten, wäre der Todesstern – die Kampfstation – schon längst da. Also wissen sie es nicht. Und wir haben kein Interesse, dass die Imperialen es jemals erfahren“, erwiderte Valkener. „Und das ist der Grund, weshalb wir Sie nicht mehr weglassen können“, setzte er hinzu.

„Wir wissen nicht, wo Ihr Hauptstützpunkt ist. Und wir wollen das auch gar nicht wissen – eben weil wir Sie versehentlich verraten könnten. Geben Sie uns, was wir haben wollen, und wir verschwinden auf Nimmerwiedersehen in den Tiefen der Galaxis“, gab Thomas zurück.

„Das kann ich nicht. Admiral Gribor und seine Leute sind ausgesprochen wertvolle Verbündete“, erwiderte der General.

„Würden Sie mir sagen, worin deren großer Wert besteht?“, erkundigte sich Kwiri.

„Sie sagen, diese Leute hätte auf der Erde etwas gestohlen, was dem Imperator gehört. Ich sage, das, was sie mitgebracht haben, ist Eigentum der Neuen Republik. Sie sind für uns Helden“, antwortete der General.

„Und was haben sie Ihnen mitgebracht?“, fragte Gabi harmlos.

„Wegen der gestohlenen Juwelen sind Sie doch hinter ihnen her, oder bin ich im Irrtum?“, konterte Valkener.

„Na schön, die Katze ist aus dem Sack!“, seufzte Thomas. „Unter anderem deshalb, ja. Gibt es einen Beweis dafür, dass diese Juwelen Eigentum der Republik sind?“

„Hat der Imperator Ihnen nachgewiesen, dass die Steine sein Eigentum sind?“

„Nein …“

„Also: Warum verlangen Sie dann von uns einen Beweis dafür?“, fuhr Valkener Thomas an.

„Ich wäre Ihnen dankbar, General, wenn Sie mir nicht wie einem Kadetten über den Mund fahren würden!“, versetzte Hansen knurrend. „Als diese Juwelen in die Obhut meiner Einheit gegeben wurden, wurde uns dazu mitgeteilt, es handle sich um die Kronjuwelen des Imperators. Ich habe diese Juwelen gemeinsam mit Commander Kim Raschun von Pollicus abgeholt, wo sie vor meinen Augen von einer Person, die als Wächter der Steine bezeichnet wurde, aus dem Tresor genommen und in ein Transportgefäß verpackt wurden. Niemand in der Föderation hatte eine Veranlassung, anzuzweifeln, dass es sich um Eigentum des Imperators handelte. Wenn Sie nun behaupten, diese Juwelen seien Eigentum der Republik, darf ich Sie bitten, einen entsprechenden Beweis zu führen, General.“

Valkener nickte Frent zu.

„Diese Juwelen, genauer: Der Rubin der Macht und der Smaragd der Weisheit bestehen aus Isotopenverbindungen, wie sie nur auf dem Planeten Tatonar vorkommen. Es sind keine echten Rubine oder Smaragde, also kristalline Aluminiumtrioxide, beziehungsweise Tri-Beryllium-di-Aluminium-Siliciumdioxid in kristalliner Form, sondern sind Karbonisotope, also Diamanten, deren Isotopstruktur durch Lichtbrechung die Farben Rot beziehungsweise Grün hervorrufen. Eine Besonderheit dieser Isotope ist die Fähigkeit, Informationen zu speichern. In den Juwelen sind Hologramme gespeichert, die die gesamte Kristallstruktur durchziehen. Sie zeigen den Planeten Tatonar. Auf einem der hervorgehobenen Teile des Planeten ist ein Zeichen zu erkennen, das so aussieht:“, beschrieb Captain Frent die Juwelen. Er zeigte einen Ring an seinem rechten Ringfinger. Es war eine Art Siegelring, in den ein liegender Halbmond eingeschnitten war. Aus dem Zentrum des Halbmondes wuchs ein Dorn, der sich an der Spitze in drei Enden – eine pfeilförmige Zentralspitze und zwei rechteckige Nebenspitzen – teilte.

„Dieses Zeichen ist das Wappen der Alten Republik. Sie ging unter, als die Raumunion von Galoba zerbrach und aus den Resten der Raumunion schließlich das Imperium von Lukan hervorging. Juwelen und Wappen sind sehr viel älter als das Imperium. Ist das Beweis genug?“

„Schon halb bis dreiviertel. Es ist ersichtlich, dass dieses Zeichen nicht identisch mit dem Wappen des Imperiums ist“, gab Thomas zu. „Unter den galaktischen Reichen, Völkerverbänden, Gemeinschaften, oder wie immer man es nennen mag, gilt allerdings das Imperium Lukanum als Rechtsnachfolger der Reste der Raumunion“, gab er dann zu bedenken.

„Diesen Irrtum versuchen wir seit langer Zeit zu korrigieren“, erwiderte Frent. „Seit es das Lukanische Imperium gibt, kämpfen wir – oder vor uns unsere Vorfahren – gegen dieses verbrecherische Regime. Die Raumunion war eine Republik. Wir nennen dieses Gebilde heute die Alte Republik. Und diese Juwelen waren nicht nur ein Teil des Staatsschatzes, sie waren für den Zusammenhalt der Union von einer Bedeutung, die kaum zu unterschätzen ist.“

„Inwiefern?“, fragte Thomas.

„Ich weiß nicht, ob Ihnen der Begriff Macht etwas sagt, Commander“, zweifelte Frent.

„Zugegeben, ich habe diese mentalen Kräfte nicht, aber der Begriff als solches sagt mir etwas. Die Erde ist noch nicht lange in der Föderation, aber die Sulukaner haben uns eine Menge Information über das Geschehen im All gegeben, um uns auf den Eintritt in die Föderation vorzubereiten“, erwiderte Hansen. Frent nickte.

„Gut. Dann wissen Sie auch um den Orden der Yedaina-Ritter?“

„Zwar nicht direkt unter dieser Bezeichnung, aber es dürfte sich um einen Ritterorden handeln, der die Alte Republik durch die Beherrschung dieser mentalen Kräfte, genannt die Macht geschützt hat, bis sich abtrünnige Yedaini fanden, die den Imperator unterstützten und die loyalen Yedaini verrieten, töteten oder anderweitig kaltstellten.“

„Verblüffend exakt, Commander“, bestätigte Frent. „Aber wenn Sie bereits soweit informiert sind, warum glaubt dann die Regierung der Föderation nicht, dass die Verfechter der Neuen Republik im Recht seien?“

„Nun, die Informationen, die uns Terranern durch die Sulukaner gegeben wurden, stimmen nicht bis in jedes Detail oder sind vielleicht nicht vollständig. Zum Beispiel bin ich mit Commander Raschun gut bekannt. Soviel ich weiß, ist er der designierte Nachfolger des Imperators. Nach den uns aufgegebenen Informationen ist der Imperator als bösartig einzustufen. Nachdem ich Commander Raschun kennengelernt habe und mich mit ihm eine sehr enge Freundschaft verbindet, konnte ich das nicht mehr recht glauben, wenn ich ehrlich bin. Und es ist nicht nur mir so gegangen, sondern dem gesamten Galaktischen Rat. Es ist Commander Raschuns Einsichtsvermögen und auch seiner freundlichen Art zu verdanken, dass es zu einem Vertrag zwischen der Föderation und dem Imperium gekommen ist.“

„Sie kennen ihn wirklich gut?“, hakte Valkener nach.

„Ich war bisher jedenfalls der Meinung, ihn gut zu kennen.“

„Suchen Sie auch nach ihm?“

„Das Verschwinden von Commander Raschun war der Auslöser dafür, dass meine Freunde und ich uns zu dieser Suchaktion entschlossen haben“, gestand Thomas. „Nachdem die Juwelen bei uns gestohlen wurden und klar war, dass sich die Diebe in diesen Raumsektor abgesetzt hatten, wollte Commander Raschun selbst nach den Juwelen suchen und gilt seither als verschollen. Ich gebe zu, dass wir drei Fliegen mit einer Klappe schlagen wollten: Rückführung der flüchtigen Häftlinge, Wiederbeschaffung der Juwelen und das Ausfindigmachen von Commander Raschun.“

„Sie sprechen nicht von befreien. Interessant“, sagte Lieutenant Wiggs. Er sah General Valkener an, der seinen Adjutanten wortlos zu verstehen schien und nickte.

„Wenn Sie erlauben, möchte ich eine Nachricht an unser Hauptquartier schicken“, sagte Wiggs.

„Sie können das tun, Lieutenant Wiggs. Ich würde Ihnen aber empfehlen, das nicht aus diesem Schiff zu tun. Dadurch würden die Empfangskoordinaten gespeichert – und die wollen wir gar nicht kennen“, gab Kwiri zu bedenken. Wiggs lächelte.

„Nicht nur Sie bedienen sich der mentalen Kräfte der Sulukaner, Kapitän Swin“, sagte er.

„Ich brauche lediglich einen Raum, in dem ich ungestört bin. Er braucht nicht einmal eine Kommunikationsanlage zu haben.“

 

Kapitel 11

Überraschung auf Avalon

Kwiri verstand, sah Thomas an, der ebenfalls begriffen hatte, dass der junge Lieutenant mit dem Gebrauch der Macht vertraut war. Wiggs erhob sich, Kwiri zeigte ihm eine abgeschiedene Ecke der Messe, die schalldicht zu schließen war. Wiggs setzte sich und versank in einer Art Trancezustand.

„Sagen Sie, General, welche guten Seiten bringen Gribor und seine Mannschaft noch ein?“, erkundigte sich Gabi.

„Sie wissen vielleicht, dass die Kampfstation unser schlimmster Gegner ist. Sie hat einen Superlaser, der einen ganzen Planeten atomisieren kann. Admiral Gribor behauptet, er hätte die technischen Daten dieser Station und würde uns helfen, sie zu zerstören.“

„Hat er diese Pläne offengelegt?“, fragte Thomas.

„Nein, er sagte, er und seine Leute würden das für uns erledigen.“

„Sieht ihm ähnlich“, seufzte Thomas.

„Sie sagen, er sei ein Verbrecher. Was hat er Gesetzloses getan?“, fragte nun der General.

Gabi berichtete von Gribors Zerstörungslust, die sich erst gegen die Erde, dann gegen Amazonia und schließlich gegen die Föderation gerichtet hatte; von seinem Verrat an der Föderation und der Verschwörung mit den Galobanern, die fast den Dritten Galaktischen Krieg ausgelöst hatte.

„Dafür ist er zu einer langjährigen Haftstrafe auf dem megaranischen Gefängnismond verurteilt worden. Der Langmut der Föderation hat auch seine Grenzen“, schloss sie den Bericht.

General Valkener nickte.

„Jetzt habe ich verstanden. Ich muss zugeben, dass er mir nicht ganz geheuer war, aber ich wusste nicht, woran ich das festmachen sollte. Ich muss für das Auftreten von mir und meiner Mannschaft um Entschuldigung bitten.“

Das Intercom piepte. Thomas drückte eine Taste neben sich.

„Hansen hier. Was gibt’s?“

„Brücke, Leutnant Lawida. Gaul, wir haben Resonanzkontakt mit einem sehr großen Objekt. Fast würde ich das für einen ferngelenkten Kometen halten. Die Schiffe der Rebellen tarnen sich.“

„Die Kampfstation!“, entfuhr es Valkener keuchend.

„Reicht es noch, die Phobos verschwinden zu lassen?“

„Sensorenabtastung kann ich noch nicht registrieren“, antwortete Lawida.

„Sofort tarnen!“, wies Thomas den Sulukaner an.

„Wird gemacht.“

„Und halten Sie mich weiter auf dem laufenden.“

„Jawohl.“

Thomas sah den General mit einem unguten Gefühl an.

„Verfügt die Kampfstation über Tarnscanner?“

„Nein, das ist unser Vorteil ihnen gegenüber. Aber sie haben Massetaster. Für gewöhnlich setzen sie sie aber nur ein, wenn sie den Verdacht haben, dass wir in der Nähe sein könnten.“

Valkeners Kommunikator summte.

„Valkener hier.“

„Hier Tatonar, Captain Lone. Die Kampfstation scheint in das System vorzudringen. Es ist nicht gut, wenn hier zehn Kreuzer auf einem Haufen hocken, Sir! Wir müssen uns dringend absetzen.“

„Lone, verschwinden Sie mit den Einheiten zum üblichen Sammelplatz. Wir kommen nach“, sagte Valkener.

„Aber, Sir, Sie sind an Bord eines feindlichen Schiffes!“, erinnerte Lone den General.

„Wenn Sie hier bleiben, sind Sie bald selbst an Bord eines feindlichen Schiffes, nämlich in der Kampfstation!“, erwiderte der General. „Von der Föderation haben wir nichts zu befürchten, wie ich mich überzeugen konnte. Also: Hauen Sie ab! Sie wissen, wohin!“

„Sir …“

„Das ist ein dienstlicher Befehl, Captain Lone!“

„Ja, Sir. Aber nur unter Protest.“

„Protestieren Sie vor dem Rat, so viel Sie wollen, aber jetzt führen Sie meinen Befehl aus!“, fauchte der General.

„Wir sehen uns am Sammelpunkt, Sir.“

„Die Macht sei mit Euch!“, verabschiedete Valkener seine Kreuzer.

„Und mit Ihnen, General“, antwortete Lone und beendete die Verbindung.

Valkener sah Thomas forschend an.

„Hat man Sie einfach geortet oder haben Sie einen Sender übersehen?“, fragte er. Thomas schüttelte den Kopf.

„Weder noch. Ortungsstrahlen haben wir nicht registriert und wir haben jeden Quadratzentimeter der Schiffshaut abgesucht. Vielleicht haben Ihre Kontrahenten anderweitig Informationen über Ihren Standort bekommen?“

„Möglich. Wir werden es bald wissen. Ihr Schiff sollte auf jeden Fall getarnt bleiben.“

Wiggs kam aus seiner Ecke.

„Wir haben Landeerlaubnis für den Hauptstützpunkt“, sagte er.

„Wiggs, wir haben ein Problem“, sagte Valkener. „Die Kampfstation kommt hierher.“

„Ist bekannt. Wir sollen trotzdem zum Stützpunkt kommen“, erwiderte der Lieutenant.

„Wir könnten Sie unabsichtlich verraten“, warnte Thomas.

„Das brauchen Sie nicht mehr. Im Hauptstützpunkt sind Funksignale abgefangen worden, die darauf hinweisen, dass die Imperialen unterrichtet sind, wo unsere Zentrale ist.“

„Hoffentlich nicht von einem Schiff der Föderation!“, seufzte Thomas. Wiggs sah ihn einen Moment an.

„Die Quelle hat leider einen Moment zu früh aufgehört zu funken, bevor es möglich war, sie zu identifizieren. Aber es kommt aus diesem System. Von Ihrem Schiff kann es nicht sein, da wir keine Übertragungen feststellen konnten und Sie zurzeit in der Außenkommunikation blockiert sind.“

„Danke für den Hinweis, Lieutenant Wiggs“, grinste Thomas. „Folgen Sie mir bitte.“

Valkener und seine Männer folgten den drei Föderationsoffizieren zur Brücke.

„Leutnant Lawida, ich übernehme wieder die Brücke“, sagte Thomas. „Gehen Sie bitte mit drei Mann zum kleinen Hangar und begleiten Sie die dort verbliebenen Leute von General Valkener zu den Gästequartieren. Die Herrschaften sind unsere Gäste.“

„Ja, Gaul“, bestätigte Lawida und wollte gehen. Valkener hielt ihn zurück.

„Was ist mit den Waffen?“, fragte er.

Thomas sah Valkener einen Moment an.

„Ich denke, die können in den Shuttles bleiben. Hier an Bord werden sie keine Waffen brauchen.“

„Ich fühle mich recht nackt, wenn meine Lichtspritze vier Decks unter mir in einem mir nicht zugänglichen Schiff eingeschlossen ist“, entgegnete der General.

„General, hier an Bord trägt niemand Waffen, wie Sie sehen. Wenn Sie Ihre Waffen mitnehmen wollen, kommen sie wie alle anderen ins Waffendepot. Sie können unbesorgt sein. Sollten Sie sie benötigen, weil wir angegriffen werden, werden Sie und Ihre Leute sie umgehend erhalten.“

„Das ist akzeptabel, Commander“, erwiderte Valkener und rief seine Leute über den eigenen Funk, gab ihnen Bescheid.

Die Phobos schwenkte um zehn Grad, nachdem Valkener Nora die Koordinaten angesagt hatte und nahm Kurs auf den vierten Planeten des Yinva-Systems.

„Wie heißt dieser Planet?“, fragte Nora interessiert.

„Wir nennen ihn Avalon, obwohl er mit dem märchenhaften Avalon des Planeten Terra wohl nur wenig gemein hat. Es ist scheußlich kalt dort. Aber bisher haben wir die Imperialen narren können“, erwiderte der General.

„Wie meinen Sie das?“, fragte Gabi.

„Nun, der dritte Planet, Kaphon, strotzt geradezu vor Leben, aber es ist nicht intelligent. Es befindet sich in einer relativ frühen Entwicklungsphase, vergleichbar mit der Erde, bevor die Saurier ausstarben“, erklärte Valkener.

„General, wann sind Sie oder Ihre Vorfahren von der Erde ausgewandert?“, hakte Thomas ein Valkener drehte sich um und sah ihn erschrocken an.

„Woher wissen Sie das?“

„Weil Sie über die Erde zu viel wissen, als dass Sie ein – sagen wir echter – Außerirdischer sein könnten. Sie klingen eher wie jemand, der selbst auf Terra aufgewachsen ist oder dessen Vorfahren die irdische Kultur bewahrt haben.“

Valkener lachte leise.

„Meine Eltern stammen von der Erde. Als die Menschheit vor fünfzig Jahren anfing, mit nuklearem Material herumzuspielen, haben sich sehr unterschiedliche Völker im All Sorgen gemacht, was die Menschheit noch alles entwickeln könnte. Sie haben die Erde verstärkt besucht und auch Menschen in den Raum entführt, um sie näher zu untersuchen. So auch meine Eltern, allerdings gleich beide zusammen. Meinen Eltern gefiel es auf Pollicus, das der Erde mehr als nur ähnlich ist. Sie blieben freiwillig und begannen dort ein neues Leben. Meine Mutter war schon mit mir schwanger, als wir dort ankamen. Ich bin wohl noch ein Produkt der Erde, aber geboren bin ich auf Pollicus. Vielen meiner Männer geht es ähnlich.“

„Besteht Ihre Armee eigentlich nur aus Männern?“, fragte Nora spitz.

„Noch ja“, erwiderte Valkener. „Aber das wird sich in Kürze ändern, wenn die neuen Kadettinnen ihre Prüfungen bestehen.“ Seufzend fügte er hinzu: „Wenn das Imperium uns jetzt nicht die Kerze auspustet.“

Gabi betrachtete Lawidas Station, die Raumüberwachung.

„Die Kampfstation hat ihren Kurs geändert. Sie fliegt auf das Bagoda-System zu“, meldete sie.

„Danke, Gabi. Halt’ ein Auge drauf“, erwiderte Thomas. Valkener wurde bleich.

„Oh, Gott! Das Bagoda-System?“

„Ja. Ist dort eine besondere Einrichtung der Neuen Republik?“

„Allerdings! Unsere größte Werft!“, schnaufte der General.

„Kann sie sich verteidigen?“

„Im Prinzip ja, aber gegen den Todesstern? Himmel, nein!“

„Sind kleine Jäger dort stationiert?“

„Sicher, aber was sollen kleine Ein-Mann-Jäger gegen einen ganzen Mond ausrichten?“, versetzte der General. Thomas lächelte freundlich.

„Wenn unsere sulukanischen Freunde sich nicht geirrt haben, eine ganze Menge. Nach den uns gegebenen Informationen ist die Verteidigung nur gegen einen direkten Großangriff durch schwere Kreuzer ausgerichtet. Ein Ein-Mann-Jäger soll danach die Chance haben, den Schutzschirm zu durchdringen und die Kampfstation zu attackieren.“

Valkener stieß einen heiseren Lacher vor.

„Was, meinen Sie, könnten die Strahlen eines X-Jägers gegen die Oberfläche eines Mondes ausrichten? Die kitzeln ihn nicht mal!“

„Gabi, haben wir eventuell auch Videos von Star Wars an Bord?“, fragte Thomas.

„So gut wie alles, was es an Science-Fiction-Filmen gibt, mein Schatz. Krieg der Sterne auch – neueste Fassung.“

„Bist du so gut, die Daten vom Todesstern herauszusuchen und es General Valkener zu zeigen?“

„Natürlich. Wollen Sie eben mit mir kommen, General?“

Valkener folgte Gabi mit einer gewissen Verstörung. Als er eine halbe irdische Stunde später wieder auf der Brücke war, war er völlig verblüfft.

„Und das nehmen Sie nicht ernst?“, fragte er.

„Oh, General, bei mir rennen Sie mit dieser Frage ein offenes Hangartor ein“, lachte Thomas. „Für diesen Umstand wäre ich daheim auf der Erde noch vor ein paar Jahren fast in der Klapsmühle gelandet. Unser Problem besteht nur darin, dass wir nicht wissen, ob das, was unsere Filmregisseure aus den Informationen der Sulukaner gemacht haben, hundertprozentig umgesetzt wurde, oder ob nicht doch ein bisschen menschliche Fantasie mitgespielt hat. Und die Person Kim Raschun hat uns in der Auffassung bestärkt, es nicht gerade wörtlich zu nehmen.“

„Wann sind wir auf Avalon?“, fragte Valkener mit einem Anflug von Ungeduld.

„In einer Standardstunde, General“, gab Nora Auskunft.

„Ich würde Sie bitten, Commander, mit Ihrer Frau in meinem Shuttle direkt zum Chef unserer Streitkräfte zu fliegen, um ihm diese Informationen zu geben. Sie sind für uns lebenswichtig“, wandte sich der General an Thomas und Gabi. Die Hansens sahen sich an.

„Wir haben uns schon ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt, Tommy“, sagte Gabi. „Genau genommen haben wir gegen jede Anweisung verstoßen, keine Partei zu ergreifen.“

„Ich kann Ihnen die Information nicht als Kopie überlassen, General. Vielleicht können wir jemanden mental füttern – via Macht“, schlug Thomas vor.

„Wie Sie es auch anstellen: Tun Sie’s nur!“, flehte der General.

„Wenn Sie mir nur versprechen, mich nicht zu verpfeifen“, erwiderte Thomas.

„Dafür sind wir Ihnen viel zu dankbar, wenn das zutreffen sollte, was ich eben gesehen habe. Außerdem – die Föderation hält es doch selbst für Fantasie, oder?“, bemerkte er dann augenzwinkernd.

Eine Standardstunde später erreichte die Phobos den Orbit des Planeten Avalon. Thomas, Gabi und Kwiri Swin flogen mit den Rebellen zur Oberfläche hinunter, während Lawida wieder das Kommando übernahm. In Avalopolis, der Hauptstadt des Planeten, führte Valkener sie sofort zu einem massigen Gebäude, an dem Hauptquartier der Streitkräfte der Neuen Republik angeschrieben war. Es stand dort in Schriftzeichen, die an eine dreieckige Variante der lateinischen Schrift erinnerte.

„Warten Sie hier“, sagte Valkener, als er sie in ein Besprechungszimmer geführt hatte. „Ich glaube, Sie werden gleich eine der größten Überraschungen Ihres Lebens haben.“

Valkener verschwand durch einen anderen Ausgang und kam nur Minuten später zurück.

„Herr und Frau Hansen – der Chef der Streitkräfte der Neuen Republik von Avalon!“, verkündete er dann mit gewissem Stolz. Ihm folgte – Kim Raschun!

Kapitel 12

Freund oder Feind?

Thomas und Gabi erstarrten. Das konnte nicht sein!

„Kim? Nein, das ist unmöglich!“, entfuhr es Thomas. Kim lächelte. Es war dieses unverwechselbare, völlig entwaffnende Lächeln, das er stets an sich hatte.

„Warum sollte was unmöglich sein?“, erkundigte er sich. „Setzt euch. Es sind genügend Sitzgelegenheiten vorhanden“, bot Raschun dann an. Thomas und Gabi setzten sich vorsichtig.

„Mir ist so, als wärst du der Neffe des Imperators, oder hab’ ich das nur geträumt?“, fragte Gabi. Kims Lächeln wurde noch breiter. Er setzte sich den beiden Terranern gegenüber in einen der großen Sessel.

„Das ist vollkommen richtig. Aber das eine schließt das andere – in diesem Fall der Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Neuen Republik zu sein – nicht unbedingt aus, wie ihr seht.“

„Sorry, ich komm’ da nicht mehr ganz mit. Erklär’ mir das bitte näher, Kim“, bat Thomas.

„Sagen wir es so: Umstände haben mich gezwungen, meine Doppelrolle aufzugeben. Ich bin der designierte Thronfolger – das heißt, ich war es, bis der imperiale Geheimdienst dahinter gekommen ist, dass ich mit den Rebellen nicht nur sympathisiere, sondern ihnen direkte Informationen gegeben habe. Aber bevor ich mich in längeren Ausführungen ergehe: General Valkener sagte mir, ihr hättet brauchbare Informationen über die Schwachstelle der Kampfstation?“

„Ich gestehe, dass ich jetzt völlig zu Blocks bin. Du als imperialer Commander müsstest den Kasten doch auswendig kennen!“, wunderte sich Thomas.

„Ich habe versucht, meinen Dienstgrad dahingehend zu nutzen, aber das Projekt unterlag der strengsten Geheimhaltungsstufe, was im Klartext heißt, dass nur der Imperator selbst, der spätere Kommandant und nur handverlesene Offiziere darüber informiert wurden, die später auch an Bord der Kampfstation Dienst tun sollten. Für alle anderen, auch den Thronfolger, gab es nur die Information, dass an so einem Projekt gearbeitet wird und dass alles andere geheim sei. Du bist selbst Commander, Thomas. Du weißt, was du mit dem Rang erreichst und was nicht. Aber wenn ihr die Unterlagen habt, dann könnt ihr uns sehr helfen.“

Thomas seufzte tief.

„Kim, ich darf es nicht. Die Föderation ist stur neutral.“

„Ich weiß. Ich habe eine entsprechende Verlautbarung der Föderation im Galaxnet gelesen. Wenn ich dich darum bitte, Thomas, dann auf der Basis der Freundschaft, die uns verbindet“, erwiderte Kim. Thomas wollte ihm glauben, aber er brauchte Sicherheit, nicht in eine dumme Falle zu tappen.

„Kim, als wir dir mit deinem Sternzerstörer zum ersten Mal begegnet sind, als wir den Vertrag mit dem Imperium ausgehandelt haben, als du die Expo Imperium begleitet hast, warst du hundertprozentig loyal zum Imperator. Du hast mit nichts erkennen lassen, dass du dich gegen ihn stellen würdest, nicht im privatesten Rahmen. Woher weiß ich, dass du jetzt die Wahrheit sagst und wir nicht, falls wir die Informationen haben, die die Rebellen benötigen und sie dir geben, als Spione verhaftet und verurteilt werden?“, fragte er.

„Ich muss meine Rolle mehr als nur gut gespielt haben, wenn du mir bescheinigst, dass du nicht auf die Idee verfallen wärst, in mir einen Anhänger der Neuen Republik zu sehen“, sagte Kim. Thomas nickte.

„Sieh mal, mein Problem besteht darin, dass ich nicht weiß, wann du eine Rolle spielst und wann ich deine ehrliche Meinung höre. Bist du bereit, dich – genauer, deine Gedanken – von Lawida untersuchen zu lassen?“, schlug er dann vor.

„Wenn die Untersuchung ergibt, dass du einen echten Neurepublikaner vor dir hast – gibst du uns die Infos?“, erkundigte sich Kim.

„Erwartest du jetzt eine Antwort? Kim, wenn ich jetzt ja sage, und du bist ein Mann des Imperators, finde ich mich schneller hinter Gittern oder einem Kraftfeld wieder als ich bis drei zählen kann. Stell’ mir jetzt keine Fragen, die ich nicht beantworten kann“, erwiderte Thomas.

Kim sah ein, dass er seine Wahrhaftigkeit beweisen musste, bevor Thomas mehr sagen würde.

„In Ordnung. Ich hoffe nur, dass es schnell geht, denn unsere Werft wird attackiert. Ich habe nicht viel Zeit, einen Gegenangriff zu starten.“

Thomas zog seinen Kommunikator aus der Tasche und rief die Phobos.

„Hier Phobos, Leutnant Lawida.“

„Hier Hansen. Asnar, ich brauche Sie hier für einen Gedankenscan. Übergeben Sie Oberleutnant Rosok das Kommando und kommen Sie schnellstmöglich her.“

„Ich bin in zehn Standardminuten bei Ihnen, Gaul“, meldete Lawida und trennte die Verbindung.

„Entschuldige mein Misstrauen, Kim, aber ich brauche einfach Gewissheit, worüber ich mit dir reden kann“, sagte Thomas. Kim nickte.

„Ich verstehe es. Ich würde nicht anders reagieren, wenn der völlig förderationsloyale Commander Hansen plötzlich ein Anhänger der amazonischen Unabhängigkeitsbewegung wäre.“

„Was anderes: Wie geht es Solena?“, erkundigte sich Gabi.

„Es geht ihr gut. Ihr und unserem Sohn Erik. Er wurde noch auf Pollicus geboren, kurz bevor auch Solena wegen meiner Verstrickung in die republikanische Bewegung flüchten musste. General Valkener hat sie in einer recht abenteuerlichen Aktion von Pollicus geholt.“

 

Es war nicht einfach, die nächsten zehn Standardminuten zu überbrücken, bis Leutnant Lawida eintraf. Kim musste vorsichtig sein, nicht zu viele Informationen über die Rebellen preiszugeben und Thomas und Gabi bemühten sich ebenfalls um entsprechende Zurückhaltung. Alle drei waren erleichtert, als Lawida kam und die Sprachlosigkeit, die in den letzten Minuten eingetreten war, beendete. Für den Sulukaner war es nicht schwer, sich in Kims Gedanken hineinzufinden. Er berührte mit den Mittelfingern beider Hände Kims Nasenwurzel und legte die Daumen auf beiden Seiten neben das mentale Organ und begann, sich zu konzentrieren. Das mentale Organ begann zu pulsieren, verfärbte sich über violett zu königsblau. Selbst die Finger nahmen einen bläulichen Schimmer an, fand Gabi, aber das konnte auch eine Reflexion des blauen Lichtes sein, das vom mentalen Organ ausging.

 

Eine halbe Stunde verging, dann beendete Lawida die Prozedur, die Thomas und Gabi an die vulkanische Gedankenverschmelzung erinnerte. Noch ein wenig benommen gab er Auskunft:

„Seine Kaiserliche Hoheit, Prinz Kim Raschun, hat keinen größeren Wunsch, als die Wiederherstellung der republikanischen Regierungsform. Der von Imperator ausgeübten absoluten Monarchie hat er entsagt, insbesondere der durch die imperialen Behörden ausgeübten, massiven Unterdrückung oppositioneller Kräfte. Er ist der Oberbefehlshaber der republikanischen Streitkräfte und ist in großer Sorge um das bagodanische Raumdock, das die bedeutendste Werft der Neuen Republik darstellt. Nach den bisherigen Erkenntnissen droht ein massiver Angriff auf das Dock, vermutlich durch die Kampfstation, die von den Republikanern Todesstern genannt wird.“

Kim rieb sich die Schläfen. Eine Untersuchung, wie Lawida sie durchgeführt hatte, war nicht unbedingt angenehm und hinterließ bei vielen Wesen für eine gute Viertel Standardstunde Unpässlichkeit.

„Na?“, fragte er müde. „Seid ihr überzeugt?“

„Allerdings“, erwiderte Thomas. „Gut. Ich werfe die neutrale Haltung über Bord, weil du mein Freund bist. Hast du ein Abspielgerät dafür?“, fragte er dann, als er eine CD aus der Tasche zog.

„Sag nur, du hast die Daten des Todessterns?“, erkundigte sich Kim verblüfft. Thomas lächelte.

„Nun, wir haben das, was unsere Filmemacher aus den Einflüsterungen der Sulukaner gemacht haben. Ich hoffe, dass die Informationen korrekt waren und dass sie korrekt umgesetzt wurden. Ich schlage vor, wir gehen ins Kino.“

Kim rief nach einem Astroroboter, der ein integriertes CD-Terminal hatte und legte die CD ein.

„Welche Dateien sollen aufgerufen werden?“, fragte er. Der Roboter, der hereinkam, glich dem Roboter, der auf der fraglichen CD eine zentrale Rolle spielte, bis ins Detail. Thomas und Gabi sahen sich an und begriffen plötzlich, dass das, was auf dieser CD war, wenigstens zu neunzig Prozent stimmte.

„Die CD hat nur eine Datei. Es handelt sich um eine holographische Aufzeichnung eines Spielfilms. Die gesuchten Daten beginnen im letzten Drittel“, erklärte Gabi. „Kann man bei dem Droiden auch per Knopfdruck suchen?“

„Er mag es zwar nicht, aber in diesem Fall … R2, öffne die Tastatur!“, wies Kim den Roboter an, der auf seinen drei Beinen zu ihm rollte und aus der Mitte seines fassförmigen Körpers eine kompakte Tastatur ausklappte. Kim drückte auf eine Taste, der Droid produzierte eine holographische Kugel, in der dreidimensional der Film Krieg der Sterne ablief. Kim fuhr zurück, als er die Form der Schiffe und der Droiden erkannte.

„Ich glaub’s nicht! Woher habt ihr das?“, stieß er hervor.

„Wie gesagt: sulukanische Ideengeber“, grinste Thomas. „R2, ruf’ das letzte Drittel der Datei auf“, wies er den Robot an. R2 piepte seltsam vertraut, ließ den Sucher über die Bits laufen und griff dann fast an der richtigen Stelle zu. Im Hologramm erschien die schematische Darstellung des Todessterns, wie sie im Film ablief:

 

General Jan Dodonna erklärte:

Die Kampfstation des Imperiums, von der Sie nun alle gehört haben, nähert sich von der anderen Seite Yavins und seiner Sonne. Sie muss aufgehalten werden – ein für allemal – bevor sie diesen Mond erreicht, bevor sie ihre Waffe auf uns richten kann, wie gegen Alderaan.

Ein Raunen ging bei der Erwähnung dieser so kaltblütig zerstörten Welt durch die Menge.

Die Station ist stark abgeschirmt, fuhr Dodonna fort, und sie verfügt über mehr Feuerkraft als die Hälfte der kaiserlichen Flotte. Ihre Abwehr wurde aber darauf ausgerichtet. Angriffe von sehr großen, mächtigen Schiffen abzublocken. Ein kleiner Ein- oder Zweimannjäger sollte in der Lage sein, die Abschirmungen zu durchbrechen.

Ein schlanker, drahtiger Mann, der aussah wie ein älterer Han Solo, stand auf. Dodonna sah ihn an.

Was gibt es, Leitung Rot?

Der Mann wies auf den Bildschirm, der ein Computerschema der Kampfstation zeigte.

Entschuldigen Sie die Frage, Sir, aber was sollen unsere Kleinjäger gegen dieses Ding da ausrichten?

Dodonna überlegte.

Nun, das Imperium glaubt, ein Einmann-Jäger sei für nichts eine Bedrohung, außer für ein anderes kleines Schiff wie einen Spurjäger, sonst hätte man undurchdringlichere Abschirmungen geschaffen. Anscheinend ist man davon überzeugt, dass die Abwehrwaffen alle leichten Attacken abschlagen können. Eine Analyse der von Prinzessin Leia gelieferten Pläne hat jedoch ergeben, was nach unserer Meinung eine Schwachstelle in der Konstruktion der Station ist: Ein großes Schiff könnte nicht in ihre Nähe gelangen, aber ein X- oder Y-Flügel-Jäger könnte es schaffen. Es handelt sich um einen kleinen Thermalabgas-Ausgang. Seine Größe untertreibt seine Bedeutung, da er ein unabgeschirmter Schacht zu sein scheint, der unmittelbar in das Hauptreaktorsystem führt, das die Station mit Energie versorgt. Da er als Notauslass für überschüssige Hitze bei Überproduktion der Reaktoren dient, würde eine Partikelabschirmung seinen Nutzen vereiteln. Ein direkter Treffer würde eine Kettenreaktion auslösen, die zur Vernichtung der Station führen müsste.

Ungläubiges Murmeln ging durch die Reihen. Je erfahrener die Piloten waren, desto skeptischer zeigten sie sich.

Ich habe nicht gesagt, dass es einfach für Sie werden würde, erklärte Dodonna. Er deutete auf den Bildschirm. Sie müssen in diesem Schacht direkt hinunterstoßen, im Energiegraben im Horizontalflug bis zu diesem Punkt fliegen. Das Ziel hat einen Durchmesser von nur zwei Metern. Es wird eines genauen Auftreffens bei exakt neunzig Grad bedürfen, um die Reaktoranlage zu erreichen. Und nur ein direkter Treffer wird die vollständige Reaktion auslösen. Ich habe gesagt, der Auslass besitze keine Partikelabschirmung. Er ist jedoch völlig gegen Strahlung abgeschirmt. Das bedeutet: Keine Energiestrahlen! Sie werden Protontorpedos verwenden müssen!* ).

 

Kim ließ die Filmaufzeichnung zurücklaufen und wiederholte den Part. Er schüttelte den Kopf.

„Unglaublich! Wenn das wahr ist, ist es zu schön, um wahr zu sein!“, sagte er. Thomas grinste.

„Wenn ich den Droiden so betrachte, der uns den Film gerade vorgespielt hat, zweifle ich nicht daran. Aber … wir haben zusammen nur einen fantasievollen Film aus erdlingmäßiger Produktion gesehen. Offiziell weißt du von überhaupt nichts, haben wir dir nicht den Hauch einer Information gegeben, ist das klar?“

„Glaubst du, ich würde dich und Gabi so in die Pfanne hauen?“, fragte Kim erschrocken.

„Ich muss mich absichern, weil ich sonst ‘ne Menge Ärger am Hals habe, wenn wir wieder zu Hause sind, wenn du verstehst. Die Föderation ist radikal neutral in diesem Konflikt. Ich weiß, dass du selbst uns da nicht hineinziehen wolltest“, gab Thomas zu bedenken. Kim nickte und drückte eine Taste.

General Valkener erschien.

„Sir?“, fragte er.

„Gibt es was Neues von Bagoda und den Werften?“

„Nach letzten Analysen wird die Kampfstation dort in etwa sechs Stunden eintreffen.“

„Das genügt zur Vorbereitung der Abwehrmaßnahmen. General, lassen Sie an das Flottenkommando Bagoda folgende Nachricht geben: Dem Geheimdienst sind die Pläne des Todessterns bekannt geworden. Eine Analyse der Pläne hat ergeben, dass die Abschirmungen nur gegen Großkampfschiffe gerichtet sind, nicht jedoch gegen Kleinjäger. Der Notauslass für überschüssige Hitze im Äquatorgraben ist geeignet, um mittels direkten Torpedotreffers eine Kettenreaktion auszulösen, die zur Zerstörung der Kampfstation führen kann. Sie sollen alle Jägergeschwader, die sie haben, gegen die Kampfstation in Marsch setzen und das Ding aus dem Raum pusten. Eine technische Zeichnung der Oberfläche des Todessterns finden Sie in den Archivmaterialien, die Captain Frent beschaffen konnte. Der Auslass ist dort eingetragen, soweit ich mich entsinne. Lassen Sie danach eine Computergrafik fertigen, wenn die Zeit noch reicht“, wies Kim den General an.

„Ja, Sir. Wird sofort erledigt.“

Valkener salutierte und verließ eilig den Raum. Kim atmete sichtlich auf.

„Jetzt gebe Gott, dass es tatsächlich stimmt“, seufzte er mit geschlossenen Augen. „Sonst ist es aus. Dann machen sie uns platt!“

Lawida sah die Besorgnis in Raschuns Gesicht.

„Ich denke, ich kann Sie beruhigen, Gaul. Die Informationen sind von den menschlichen Empfängern unserer Botschaft selten so komplett umgesetzt worden, wie in diesem Fall“, sagte er. Kim schlug die Augen auf und sah den Sulukaner an.

„Ich wüsste doch gern, woher ausgerechnet das Volk der Sulukaner geheimste Unterlagen des Lukanischen Imperiums hat“, bemerkte er. Lawida lächelte freundlich.

„Gaul, der Galaktische Abwehrdienst besteht zu einem sehr großen Teil aus Angehörigen meines Volkes. Geheimnisse sind vor uns praktisch nicht zu verbergen, weil wir Gedanken lesen können. Der Chefkonstrukteur der Kampfstation beging den Fehler, einen hohen Diplomaten bei einer früheren Mission nach Megara zu begleiten. Mein Vater hatte die Ehre, die Delegation am Raumhafen abzuholen und hat auf der Fahrt ins Galaktische Präsidium in deren Gedanken gelesen. Der Herr Konstrukteur war sehr intensiv mit seinem neuen Projekt beschäftigt und machte sich sogar Notizen, bis ihn der Botschafter anstieß und auf die Geheimhaltung hinwies. Aber da hatte mein Herr Vater bereits den gesamten Konstruktionsplan ausgelesen, den der gute Mann im Kopf hatte.“

„Und ist sichergestellt, dass die Konstruktion so umgesetzt worden ist, wie der Mann sie erdacht hatte?“, erkundigte sich Kim.

„Ja, wir sind der Sache nachgegangen. Mit Hilfe von Chamäläoniden – Gestaltwandlern, die jegliche Gestalt annehmen können, die ihrer Körpermasse entspricht – haben wir Agenten in die imperiale Zentralwerft einschleusen können, die bestätigt haben, was wir aus den Konstruktionsabsichten erfahren haben.“

„Mit anderen Worten: Der Föderation ist im Detail bekannt, was es mit der Kampfstation auf sich hat?“, fragte Kim. Lawida nickte.

„So ist es.“

„Bedauerlich, dass die Föderation sich strikt weigert, uns diese Erkenntnisse mitzuteilen!“, schnaubte Kim. „Die Neue Republik kämpft ums Überleben!“

„Komm ‘runter von der Palme!“, erwiderte Thomas. „Kim, bis heute weiß keine offizielle Stelle der Föderation, wer in diesem Konflikt der Buhmann ist! Der Galaktische Rat wird den Teufel tun und eine Seite unterstützen, wenn nicht dreihundertprozentig sicher ist, dass es die richtige Seite ist, die rechtmäßige Regierung. Außerdem weißt du so gut wie ich, dass die Unterstützung einer Konfliktpartei zur Keilerei mit der anderen Seite führt. Wir können uns alles Mögliche leisten, aber keinen Krieg gegen das Imperium! Ich habe es mit Mühe in der Galoba-Sache verhindern können.“

„Wenn wir keine Hilfe von der Föderation zu erwarten haben, was willst du dann mit der Phobos hier?“

„Kim, wir sind auf der Suche nach dir, den Juwelen und den Häftlingen.“

„Auf der … In wessen Auftrag?“, stotterte Kim.

„Du giltst nach den vom Imperium verbreiteten Nachrichten als verschollen. Als ich das im Galaxnet erfahren habe, habe ich mir gesagt: Kim hat’s erwischt, den haben sie abgegriffen. Wie also die Steine wiederbekommen und die Ausreißer wieder einbuchten? Ich habe mit dem Wächter der Steine gesprochen und habe die Genehmigung erhalten, nach den Häftlingen zu suchen, um sie wieder in den Gewahrsam der Föderation zu transferieren, nach den Steinen, um sie dem Imperator wiederzugeben und nach dir, um deinen Kopf zu erhalten, wenn möglich.“

Kim seufzte tief.

„Ich hätte dir alles sagen sollen, dann hättest du eine andere Möglichkeit finden können …“

„Nein“, unterbrach Thomas ihn. „Woher solltest du wissen, ob die Föderation dich dann nicht stehenden Fußes an die Behörden des Imperiums ausliefert? Nein, das geht schon in Ordnung. Ich habe nur ein Problem: Wie bringe ich es deinem Onkel bei?“

Kim lachte kurz auf.

„Das ist unnötig. Er weiß es. Er wusste es schon, als ich von deinem Haus aus mit ihm gesprochen habe. Er hat es mit an dem Tag um die Ohren gehauen und mir gesagt, dass ich verhaftet werde, wenn ich es nur wagen sollte, den Fuß auf einen imperialen Planeten zu setzen. Ich bin in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Wenn mich die imperiale Polizei zu fassen kriegt, bin ich ein toter Mann, Thomas.“

„Hast du mit dem Diebstahl der Juwelen etwas zu tun?“, fragte Thomas direkt.

„Sagen wir: Ich bin ein bestohlener Dieb. Ich hatte vor, die Steine verschwinden zu lassen, aber ohne die Föderationsregierung in Schwierigkeiten zu bringen. Dass das geschehen ist, lag nicht in meiner Absicht. Die Leute, die die Steine geraubt haben, haben das auf eigene Faust getan und in einer anderen Absicht.“

„General Valkener sagte mir, die Häftlinge, die bei uns ausgebüxt sind, seien eure Verbündeten. Trifft das zu?“, hakte Thomas nach.

„Ja, das trifft zu. Sie haben der Neuen Republik die Steine ausgeliefert und angeboten, uns gegen die imperiale Flotte zu helfen. Da sie auf dem Gebiet der Neuen Republik keine Verbrechen begangen haben, wird ein Auslieferungsersuchen scheitern, fürchte ich. Der Rat hat sie offiziell zu Truppen der Neuen Republik erklärt, mit Admiral Gribor als Einheitsführer.“

„Es gibt Tage, an denen man besser im Bett bleibt“, seufzte Thomas. „Heute ist so einer!“

Er stand auf.

„Dann bleibt uns nichts anders übrig, als mit scheußlich leeren Händen nach Hause zu fliegen. War nett, dich gesehen zu haben, Kim.“

„He, was meinst du damit?“, fragte Kim erschrocken und sprang auf.

„Kim: Du bist der Armeechef der Neuen Republik. Also ist Punkt eins auf meiner Liste, nämlich dich zu befreien, gegenstandslos geworden. Die Juwelen sind augenscheinlich bei ihren rechtmäßigen Besitzern angekommen, also kann ich auch Punkt zwei abhaken. Und wenn ihr Gribor und Konsorten in eure Flotte übernommen habt, eine Auslieferung ausgeschlossen ist, dann ist auch Punkt drei erledigt; zwar keinesfalls zu meiner Zufriedenheit, aber erledigt. Ihr ahnt nur nicht, was ihr euch mit denen eingefangen habt! Und ich weiß nicht, wie ich den drohenden Ärger mit deinem Onkel verhindern soll. Wenn die Föderation die Steine dort nicht abliefert, gibt es mehr als nur diplomatische Verwicklungen!“

„Kann es sein, dass die Föderation zwischen den Stühlen sitzt?“, fragte Kim. Es klang bissiger als es sollte.

„Allerdings. Es war eine Meisterleistung, das muss ich dir lassen! Gratulation!“, versetzte Thomas gereizt.

„Hör’ mal: Ihr habt doch noch die Kopien der Steine. Warum lieferst du die nicht ab?“, schlug Kim vor.

„Weil die von Klim gekennzeichnet wurden. Die würde ein Blinder mit Krückstock als falsch erkennen!“, schnaubte Thomas.

Kim legte ihm eine Hand auf die Schulter.

„Thomas, es tut mir Leid. Ich wollte weder dich noch die Föderation in Verlegenheit bringen. Ich mache dir folgenden Vorschlag: Wir werden hier, aus den Originalisotopen, Kopien herstellen, die ihr dem Wächter der Steine übergebt. Ihr könnt nicht prüfen, ob sie echt sind oder nicht, also wird man der Föderation keine Vorwürfe machen, wenn herauskommen sollte, dass sie nicht echt sind. Was meine Person angeht, ist der Imperator ohnehin unterrichtet.“

Thomas schnaufte.

„Er hat Recht, Thomas“, warf Gabi ein. „Selbst, wenn jetzt jemand mit den Juwelen in der Hand durch diese Tür da kommen würde – wir könnten doch nicht feststellen, ob es die echten sind oder nicht. Wir müssten uns auf das verlassen, was man uns dazu sagen würde.“

„Schon“, gab Thomas zu. „Mit einer Ausnahme: Die echten Steine wirken als Verstärker für die Macht. Da Kwiri über entsprechende Fähigkeiten verfügt, könnten und müssten wir es damit prüfen.“

„Thomas, das ist Aberglaube! Admiral Gribor hat mir selbst gesagt, dass es nicht funktioniert.“

„Ach, Kim. Wenn der den Mund aufmacht, dann will er schwindeln und wenn er ihn zumacht, dann hat er geschwindelt. So sieht’s aus. Gribor traue ich nicht mal um die nächste Hausecke, geschweige denn bis zum nächsten Sternsystem“, erwiderte Thomas mit dem Ton eines Menschen, der seinen Kindern einen altbekannten Sachverhalt zum x-ten Male erklärte.

„Thomas, wenn das so wäre, dann müsste mein Onkel sein Volk um einiges mehr unter der Fuchtel haben, als er es hat“, wandte Kim ein.

„Das würde voraussetzen, dass er mit der Macht umgehen kann. Du hattest mir gesagt, er hielte das für blanken Aberglauben.“

Kim lächelte.

„Er hat mich auch viele Jahre lang glauben lassen, dass er das so meint. Ich bin erst jetzt dahinter gekommen, dass er mich insoweit belogen hat. Es gibt viele Dinge, die ich erst heute weiß.“

„Wie lange bist du schon der Chef der republikanischen Armee?“

„Seit einem guten Galaxo-Jahr. Warum fragst du?“

„Weil ich momentan nicht mehr weiß, was ich dir glauben soll.“

 

 

 

Kapitel 13

Kampf um Bagoda


Kim wurde schamrot. Er hatte die Freundschaft seiner terranischen Bekannten für seine Zwecke missbraucht. Ein Piepen auf dem Tisch enthob ihn der weiteren Suche nach einem Mauseloch, in das er sich verkriechen konnte.

„Raschun hier, was gibt’s?“

„Marschall, hier ist Colonel Vax, Sternkreuzer Dantonar. Im Raumsektor von Bagoda hat sich eine heftige Schlacht zwischen den Sicherungseinheiten der Kampfstation und unseren Jägergeschwadern entwickelt. Die Verlusten sind auf beiden Seiten groß.“

„Colonel, ist es einigen Geschwadern gelungen, die Abschirmung der Kampfstation zu durchbrechen?“

„Mehrfach, Marschall. Die Lasertürme der Kampfstation haben aber bisher die X-Jäger vernichtet.“

„Können Sie uns eine visuelle Darstellung übermitteln?“, fragte Kim.

„Ja. Ich gebe es Ihnen über den Hauptsatelliten, Kanal 27.“

Kim legte zwei Schalter an seinem Schreibtisch um, ein riesiger Ring aus silbrigem Metall, der um das Wappen der Republik von Avalon an der Stirnseite des Raumes lag, schob sich vor und wurde zum Holoprojektor.

„Sie sehen das Geschehen jetzt durch den Hauptschirm meines Schiffes, Marschall“, erklärte Vax.

„Können Sie den Todesstern vergrößern, Colonel?“, fragte Thomas.

„Marschall, wer sitzt da bei Ihnen?“

„Commander Hansen von der Achten Interstellaren Flotte der Galaktischen Föderation, der mich privat besucht“, erwiderte Kim und zwinkerte Thomas zu. Er wollte es seinem Freund erleichtern, ihm, Kim, Hilfestellung zu geben.

„Ich bringe den größtmöglichen Zoomfaktor auf den Schirm“, kündigte der Colonel an. Der Todesstern schien den Raum zu füllen. Thomas suchte die Oberfläche ab, sah, wie drei X-Jäger in einen Graben hinunterstürzten und zum Horizontalflug übergingen. Die Lasertürme spien vernichtendes Feuer, das ebenso plötzlich aufhörte, wie es eingesetzt hatte, als scheibenförmige, leicht um die Längsachse gebogene Trägermaschinen der Kampfstation hinter den X-Jägern erschienen und sie unter Feuer nahmen. Die schmalen Jäger zuckten in dem nicht viel Platz bietenden Graben hin und her, um sich die Verfolger vom Leib zu halten.

„Colonel Vax, die Jäger haben da unten allein keine Chance“, bemerkte Thomas. „Haben Ihre Einheiten noch Reserven?“

„Natürlich, aber so etwas schont man, Commander. Hat man Ihnen das nicht beigebracht?“, versetzte der Colonel.

„Reserven sind dazu da, in riskanten Situationen die eigenen Kräfte zu entsetzen, Colonel. Ich will Ihnen jetzt keine Vorlesung in Taktik halten, aber ich halte es für angeraten, den Jungs da unten im Graben etwas Unterstützung zukommen zu lassen.“

„Ihre taktischen Hinweise geben genau das Gegenteil von dem wieder, was mit Ihr Ex-Kollege Admiral Gribor gerade gesagt hat. Da der Deneber Admiral ist und Sie nur Commander, halte ich mich an die Tipps des Admirals.“

„Dann, Colonel Vax, sollten Sie sich samt Ihrem Schiff ganz schnell aus der Reichweite der Kampfstation bringen. Die zielt nämlich auf Sie und ihr Schiff!“, warnte Thomas. Der Bildschirm flammte in intensivem Grün auf, dann verlosch das Bild, bevor Vax sich zu Thomas’ Warnung äußern konnte.

„Vax! Colonel Vax!“, rief Kim erschrocken. Stille. Er sah die Terraner hilfesuchend an.

„Was ist da los?“, fragte er bleich.

„Kim, die Dantonar dürfte gerade in einem Höllenblitz explodiert sein“, gab Thomas zurück. Kims Knie wurde immer weicher.

„Marschall Raschun an Flottenkommando Bagoda. Melden Sie sich.“

„Hier Flottenkommando Bagoda, General Caldon. Ich verstehe Sie nur schlecht, Marschall. Die Kampfstation hat gerade die Dantonar zerstört. Vier Satelliten sind ebenfalls betroffen.“

„Caldon – die Jäger sollen sich gegenseitig besser schützen! Lassen Sie auf jeden Fall über dem Graben Begleitjäger patrouillieren!“

„Aber Admiral …“

„Es ist mir egal, was Admiral Gribor gesagt hat!“, fauchte Kim. „Seine Taktik scheint mir nicht sehr gut zu funktionieren!“

„Ja, Sir. Wird veranlasst“, bestätigte Caldon.

„Und sorgen Sie dafür, dass ich wieder eine Bildverbindung bekomme!“

„Ja, Sir!“, hustete Caldon.

Nur Sekunden später stand die Bildverbindung nach Bagoda wieder, nun aus der Perspektive eines Satelliten über der Oberfläche von Bagoda IV. Die X-Jäger formierten sich neu und griffen erneut an, diesmal mit ausreichender Unterstützung aus der Höhe. Die kleinen Maschinen erreichten den Abschusspunkt. Zwei Torpedos wurden abgeschossen und verschwanden senkrecht im Abluftschacht.

„Hier Leader Blau! Alle Maschinen sofort abdrehen! Direkter Treffer im Abluftschacht!“, meldete ein Pilot. Augenblicklich ließen die X-Jäger vom Todesstern ab und zogen sich in Richtung Bagoda zurück. Sie schafften es gerade noch, aus der Gefahrenzone zu kommen, dann explodierte die Kampfstation in einer Wolke gleißender Teilchen. Jubelschreie klangen über die Lautsprecher in Kims Arbeitszimmer.

„Gute Arbeit, General“, lobte Kim.

„Danke, Marschall. Wir suchen den Raum nach Überlebenden ab. Ich komme auf der Tatonar um einen vollständigen Bericht zu geben.“

„Danke, General. Und bringen Sie auf jeden Fall Admiral Gribor mit“, beendete Kim die Verbindung. Er sah Thomas an.

„Für jemanden, der eigentlich strikt neutral ist, warst du mir eine sehr große Hilfe. Danke, Thomas.“

Hansen zuckte mit den Schultern.

„Ich werde wohl eine Menge Ärger am Hals haben, aber erstens bist du ein Freund von mir und zweitens, … na ja, zweitens … Ich kann diesen Film fast singen, wie Gabi dir bestätigen kann, und hatte schon immer eine Schwäche für Luke Skywalker und seine Kumpel.“

„Darf ich euch – ich meine die ganze Mannschaft der Phobos – zum Essen einladen?“, bot Kim an. Gabi lächelte.

„Keine Einwände“, sagte sie. „Aber häng’ es nicht an die große Glocke, dass Thomas dir entscheidende Tipps gegeben hat. Nennen wir es einen Höflichkeitsbesuch im Auftrag der Föderation“, empfahl sie. Kim nickte.

Knapp eine Standardstunde später landete die Phobos auf dem Raumhafen von Avalopolis in der Dockbucht 87. Von drei Besatzungsmitgliedern abgesehen, die nach den Vorschriften der Föderation als minimale Bordwache auf fremden Planeten vorgesehen war, befand sich die Mannschaft des Föderationskreuzers geschlossen im Großen Saal des Ratspalastes der Neuen Republik von Avalon. Das gemeinsame Essen mit Vertretern der Regierung und eines Teils des Generalstabes verlief in einer angenehmen Atmosphäre – angenehmer, als es diejenigen, die schon bei einem Höflichkeitsbesuch auf Pollicus dabei gewesen waren, von den dortigen Gastgebern in Erinnerung hatten. Um den riesigen Tisch im Großen Saal saßen Angehörige von wenigstens fünfzig verschiedenen galaktischen Rassen. Ein munteres Volksgemurmel begleitete ein Festmahl interstellarer Spezialitäten, das die meisten Föderationsastronauten angesichts der angeblichen Isolierung der Neuen Republik nicht erwartet hatten.

„Kim, du hast vorhin gesagt, du seist seit etwa einem Jahr der Armeechef der Neuen Republik. Wie lange bist du ihr Anhänger?“, erkundigte sich Gabi.

„Die Bestrebungen zur Errichtung einer Neuen Republik gibt es seit etwa zehn Galaxo-Jahren. Sie sind unterschiedlich erfolgreich gewesen. Zuerst habe ich diese Absichten für Hirngespinste von ein paar Neunmalklugen gehalten und wollte damit nichts zu tun haben. Schließlich sollte ich den Thron des Imperiums erben und bin entsprechend erzogen worden. Dann war ich mit Onkel Lukan zu einem offiziellen Besuch auf Cena, einem der Planeten, die unter anderem auch als Strafkolonie dienen. In den Raumwerften von Cena wurde die Kampfstation gebaut – zu einem großen Teil von Sträflingen, deren Lebensbedingungen mich erschreckten. Ich habe den Imperator gefragt, ob man diese Wesen unbedingt so grob behandeln muss“, erklärte Kim.

Grob ist dabei noch eine heftige Untertreibung“, warf Solena ein, die Gabi gegenüber saß.

„Ja, stimmt“, bestätigte Kim seufzend. „Der Imperator war der festen Überzeugung, dass diese Wesen es nun einmal nicht besser verdient hätten und dass ich mir tunlichst keine Gedanken darum machen sollte. Meinen Hinweis, dass ich das Reich irgendwann einmal regieren soll, tat er mit einem müden Schulterzucken ab und meinte, ich verstünde nichts davon. Das passte mir nun überhaupt nicht. Ich hatte das Gefühl, dass der Imperator mich bewusst von diesen Dingen ausschloss um zu verhindern, dass ich etwas ändere. Ich sollte vor vollendeten Tatsachen stehen.

Ich hätte wohl noch länger gezögert, hätte ich nicht Solena kennengelernt, deren Vater Cena als Vizekönig regierte und der an den Zuständen Änderungen zugunsten der Häftlinge vornehmen wollte. Solena und ich verliebten uns, wir waren mit Einverständnis ihrer Eltern und meines Herrn Onkel bereits verlobt, die Hochzeit war schon angesetzt, als ihr Vater den Fehler beging, den Imperator auf seine Absichten aufmerksam zu machen. Nun ist er immer noch auf Cena, allerdings nicht mehr im Regierungspalast, sondern in einem der ungezählten Straflager. Solenas Mutter ist unter den entwürdigenden Umständen bereits gestorben, ebenso ihre jüngere Schwester.

Solena wäre es auch nicht besser gegangen, wenn der Wächter der Steine nicht erreicht hätte, dass wenigstens Solena begnadigt wurde. Sie war damals von mir schwanger und er wies darauf hin, dass ein Kind kaiserlichen Geblüts nicht im Gefängnis geboren werden dürfe und dass eine Abtreibung nicht in Betracht käme, weil es eben ein Kind kaiserlichen Geblüts wäre. Wir haben einen Tag nach ihrer Haftentlassung geheiratet, zwei Monate darauf hatte sie eine Fehlgeburt. Nun hätte mein Onkel sie am liebsten gleich wieder nach Cena geschickt, aber das war nicht mehr möglich, weil sie meine Frau war. Als ihren Mann hätte er mich mit in die Strafkolonie schicken müssen, es sei denn, ich hätte mich scheiden lassen. Scheidungen sind der Familie des Imperators aber nicht erlaubt. Da Lukan aber ohne mich keine legalen Erben mehr gehabt hätte, konnte er nicht uns beide nach Cena schicken, zumal ich mir bis dahin persönlich nichts hatte zuschulden kommen lassen. Dafür hat er die imperiale Garde mit der Ermordung meiner Frau beauftragt.

Unter den Mordbeauftragten war ein guter Freund von mir, der mir davon berichtete und mir den Rat gab, ganz schnell von Pollicus zu verschwinden. Wir besorgten uns ein Raumschiff und flogen mehr aufs Geratewohl von Pollicus weg und gerieten in diesem Raumsektor an die Verfechter der Neuen Republik, die uns erst gefangen nahmen, dann aber erkannten, dass wir genauso vom Imperium verfolgt wurden, wie sie selbst. Wir schlossen uns der Rebellion an, Solena blieb hier auf Avalon und ich kehrte zunächst zu meinem Onkel zurück, habe ihm ein abenteuerliches Märchen aufgetischt, dass Solena von den Rebellen getötet worden war und dass ich ihnen nur knapp entwischt war. Ich habe ihm was von Amnesie vorgeschwindelt, dass sich die Balken gebogen haben, um nicht die Koordinaten der Rebellenstützpunkte zu verraten. Ich habe dann als Agent für die Neue Republik in der kaiserlichen Flotte gearbeitet und den Republikanern Informationen geliefert.

Als dann der Galoba-Konflikt zu eskalieren drohte, habe ich – wie ihr – versucht, den Dritten Galaktischen Krieg zu verhindern, was uns dann auch erfolgreich gelang. Als dann die Juwelen auf die Erde geschickt wurden, um die Attraktion der Expo Imperium zu werden, sah ich meine Chance, die Juwelen, die meinem Onkel die Macht über seine Untertanen verleihen, verschwinden zu lassen, aber die Diebe kamen mir zuvor und waren mit den Juwelen leider schon über alle Berge, bis wir in Zürich eintrafen und die Burschen schnappen konnten. Etwa zum gleichen Zeitpunkt fand der imperiale Geheimdienst heraus, dass meine Absichten gegenüber dem Imperium nicht von bester Loyalität geprägt waren. Deshalb konnte ich nicht nach Pollicus zurück, brauchte es aber auch nicht mehr, weil andere schon vorgearbeitet hatten, wenn auch mehr versehentlich. Nun haben wir die Juwelen dort, wo sie hingehören, weil Gribor und seine Leute sie uns gegeben haben.“

Thomas nickte.

„Und diese Tatsache hindert dich wahrscheinlich, uns die Knaben auszuliefern“, stellte er fest.

„Bis zur Raumschlacht hätte es mich gehindert. Aber Gribors taktische Anweisungen haben mich verwirrt. Ich traue ihm nicht mehr so richtig, gebe ich zu“, sagte Kim.

„Gribor zu vertrauen ist der größte Fehler, den ein Flottenchef begehen kann“, warf Kwiri ein, der neben Thomas saß. „Seine einzigen Vergnügen sind Zerstörung und Machtausübung. Sind Sie sicher, die richtigen Juwelen von ihm erhalten zu haben?“, erkundigte sich der Deneber. Kim schluckte hart.

„Zugegeben, wir haben die Juwelen noch nicht untersucht. Aber sie sahen sehr nach den Originalen aus.“

„Marschall Raschun, es war Klim Hamor möglich, die Steine einschließlich der darin eingelagerten Hologramme zu kopieren. Gribor hat die gleiche Ausbildung wie Hamor. Warum sollte es ihm nicht auch gelingen?“, säte Kwiri Zweifel bei Kim. Kim sah den Deneber noch unschlüssig an, als sein Adjutant zu ihm trat und das Eintreffen von General Caldon und Admiral Gribor meldete.

„Ich komme sofort“, sagte Kim und erhob sich. „Thomas, Kapitän Swin, ich wäre euch dankbar, wenn ihr mitkommen würdet.“

Im Aufstehen stupste Kwiri Leutnant Lawida an, der ebenfalls aufstand und seinen Vorgesetzten und dem republikanischen Marschall folgte.

General Caldon saß ruhig in einem der Besuchersessel, während Kilma Gribor nervös auf und ab ging. Er blieb ruckartig stehen, als er Marschall Raschun durch die Tür kommen sah, aber er erstarrte förmlich, als er dahinter Kwiri Swin, Thomas Hansen und Asnar Lawida bemerkte. Besonders Lawidas Anwesenheit verstörte Gribor. Dass Kwiri mit dem Sulukaner flüsterte, nahm dem Ausbrecherchef den Rest seiner Ruhe.

„Was hat das zu bedeuten?“, fauchte er. Kim Raschun setzte sich in seinen Sessel.

„Was hat was zu bedeuten, Admiral?“, fragte er.

„Was suchen diese Leute hier?“, knurrte Gribor uns wies mit ausgestreckter Hand auf die Föderalen, die hinter Raschun den Raum betreten hatten.

„Admiral Gribor, diese Herren sind Abgesandte der Galaktischen Föderation und haben um die Auslieferung Ihrer Person nachgesucht“, erklärte Kim kühl.

„Aber ich und meine Leute sind Ihre Verbündeten! Lassen Sie sich etwa hinter meinem Rücken mit diesen galaktischen Mieslingen ein, Marschall?“, fuhr Gribor den Marschall an. Kim zog fragend eine Augenbraue hoch.

„Nun, Admiral, die Neue Republik braucht jede Unterstützung, die sie bekommen kann. Da können wir nicht wählerisch sein. Wir sind Ihnen keine Rechenschaft schuldig, wessen Unterstützung wir außer der Ihren noch in Anspruch nehmen. Aber ich hätte gerne eine Erklärung von Ihnen, weshalb Sie die Jäger ohne Höhenunterstützung in den Energiegraben geschickt haben, Admiral“, versetzte Kim frostig. Gribor antwortete nicht, aber ihm wurde kalt, als er bemerkte, dass Lawidas mentales Auge zu leuchten begann. Gribor war schlagartig klar, dass der wahrheitsliebende Lawida umgehend berichten würde, dass es Gribor war, der den Imperialen den Standort der Werft verraten hatte, der ihnen die Koordinaten des Hauptstützpunktes gegeben hatte, der mit fehlerhafter Taktik einen Sieg der Republikaner hatte verhindern wollen. Gribor handelte, wie er es sich angewöhnt hatte: mit den mentalen Kräften der Macht.

Lawida fuhr sich plötzlich mit den Händen an den Hals, sein mentales Organ erlosch, er schnappte verzweifelt nach Luft. Thomas fing ihn auf, als er zusammensackte.

„Asnar, was ist mit Ihnen?“, fragte er. Lawida gurgelte nur unverständlich. Kim und General Caldon sahen erschrocken auf den Sulukaner, befürchteten, dass er eine schwere Krankheit hätte. Kwiri sah Gribor an, bemerkte dessen zornviolettes Gesicht und wusste, dass Gribor seine mentalen Finger im Spiel hatte. Er konzentrierte seine eigenen Gedanken auf Gribor und würgte ihn telekinetisch. Er packte so fest zu, wie er es gedanklich noch nie getan hatte. Gribor stolperte ein paar Schritte zurück, fuhr sich an den Hals.

„Kwiri, lass das!“, gurgelte er. „Nein! Du wirst doch … Kwiri! Wir sind Brüder!“, japste Gribor. Der mentale Griff um seine Gurgel wurde nicht schwächer. In seiner Verzweiflung griff er in die rechte Tasche seines Bordanzugs und holte den Rubin der Macht heraus. Er hielt den Diamanten umkrampft, der zu leuchten begann. Kwiri wollte ihn gedanklich schütteln, damit Gribor den geraubten Stein losließ, aber der hielt den Edelstein fest, nahm auch die zweite Hand zu Hilfe, ging aber in die Knie.

„Kwiri!“, keuchte Gribor. „Lass mich … los!“

„Lass den Juwel fallen, Kilma!“, befahl Kwiri. Gribor gehorchte nicht, sondern glaubte, eine Abschwächung des mentalen Würgegriffs zu spüren. Er ließ von Lawida ab und konzentrierte sich auf Kwiri, der aber beide Hände mit den Handflächen zu Gribor kehrte und den mentalen Griff von sich abwandte. Gribor bekam nun nicht nur Kwiris Kräfte zu spüren, sondern musste feststellen, dass Kwiri seine eigene Macht gegen ihn kehren konnte.

„Bruder! Lass … mich … los!“, würgte er noch einmal, dann brach er zusammen und regte sich nicht mehr. Der Juwel fiel ihm aus der kraftlosen Hand und rollte Kim Raschun vor die Füße. General Caldon fing sich als erster und untersuchte Gribor eilig. Er sah die anderen an, die erschrocken auf das Geschehen sahen und schüttelte den Kopf.

„Er ist tot“, sagte er tonlos.

„Was?“, fragte Kwiri erschrocken. „Tot?“

Caldon nickte. Kwiri sank auf die Knie und verbarg das Gesicht in den Händen.

„Bei den Göttern von Mingon, nein! So fest habe ich doch gar nicht … Das darf nicht wahr sein!“

Kim hob den Rubin der Macht auf und drehte ihn in den Fingern.

„Sie hatten Recht, Kapitän. Die Juwelen des Imperators wirken als Verstärker für die Macht. Sie haben Ihre eigenen Kräfte verstärkt, und Sie konnten seine eigenen Kräfte gegen ihn wenden“, sagte er. Kwiri sah auf, von der Ruhe des Marschalls verblüfft.

„Aber …“

„Sie kannten das Verstärkungspotential nicht, darum haben Sie vermutlich fester zugedrückt, als Sie es wollten. Aber wenn Sie es nicht getan hätten, hätte er Sie getötet. Sie und/oder Leutnant Lawida. Oder, Leutnant?“, wandte Kim sich an Lawida, der sich langsam erholte. Der Sulukaner nickte.

„Ja, er wollte mich töten, damit ich nicht seine Gedanken lesen kann“, bestätigte Lawida.

„Marschall …“, fuhr er dann fort, „ich habe dank Kapitän Swins Eingreifen Gribors Gedanken lesen können. Gribor hat der imperialen Flotte die Koordinaten gegeben. Er hat Ihnen auch nicht die echten Juwelen gegeben. Den anderen hat er noch in der linken Anzugtasche.“

Caldon griff hinein und fand den anderen Juwel, den er Kim vorsichtig aushändigte.

„Die Juwelen der Raumunion sind wieder dort, wohin sie gehören. Der Rat der Neuen Republik wird sie sicher verwahren, denn sie sind in den falschen Händen sehr gefährlich“, sagte er. „Danke an euch alle. Thomas, du und deine Freunde, ihr habt eindrucksvoll nachgewiesen, dass wir uns die falschen Verbündeten gesucht haben. Die flüchtigen Häftlinge werden an die Föderation ausgeliefert.“

„Danke, Kim. Und was erzählen wir deinem Onkel hinsichtlich der Steine?“

Kim grinste.

„Ihr nehmt ihm die Juwelen mit, die Kilma Gribor mir vor drei Tagen ausgehändigt hat. Dass es die falschen sind, könnt ihr doch nicht wissen, oder?“

 

 

Kapitel 14

Kriegstreiber


Über Avalopolis ging die Sonne Yinva gerade auf, als die
Phobos abhob und in den Orbit startete. Ein gutes Dutzend republikanischer Schiffe startete ebenfalls und nahm Kurs auf die im Orbit kreisenden Schiffe Marovia und Ocrama, um sie in die Hände der Föderalen auszuliefern. Die Besatzungen der gekaperten Schiffe waren völlig überrascht, als die Republikaner sie für gefangen erklärten und ihnen eröffneten, dass man nach dem Verrat des Admirals Gribor beschlossen hätte, die flüchtigen Häftlinge an die Föderation auszuliefern.

„Du wirst es bereuen, Erdling!“, fauchte Sinarta Thomas an, der mit Kim auf die Ocrama gekommen war, die bisher unter Sinartas persönlichem Kommando gestanden hatte. Er sah sie mit einem eisigen Blick von oben bis unten an.

„Ich garantiere Ihnen, dass Sie kaum etwas mehr bereuen werden, als diesen kleinen Ausflug, Sinarta.“

„Schlimmeres als das Mondgefängnis von Megara gibt es nicht, Erdling!“, zischte die Amazonierin und zerrte an den Handfesseln, die ihr die republikanischen Sicherheitskräfte angelegt hatten, um sie überhaupt unter Kontrolle zu bringen.

„Es gibt Schlimmeres“, versetzte Thomas. „Sie waren zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt worden und hatten zum Zeitpunkt Ihres Ausbruchs noch zehn Jahre zu brummen. Nur Tage vorher hatte die planetare Regierung von Amazonia Ihre Entlassung auf Bewährung beim Galaktischen Obersten Gerichtshof eingereicht. Aber nachdem Sie unbedingt ausbrechen mussten, wurde die Bewährung zurückgezogen und die ursprünglich zwölfjährige Haft um vier Jahre verlängert. Ich denke, das ist schlimmer, als auf Bewährung freizukommen.“

Sinarta grinste freudlos.

„Es ist besser, wieder ausbrechen zu können, als sich den Rest des Lebens verstellen zu müssen. Ich bin mit einem Verbleiben Amazonias in der Föderation nicht einverstanden und würde alles, aber auch wirklich alles tun, um meinem Planeten die Freiheit zu geben!“, fauchte sie. Thomas schüttelte den Kopf.

„Schade, dass Sie nie merken, wann Sie verloren haben, Sinarta.“

Verlieren? Das Wort existiert nicht in meinem Wortschatz, Erdling!“, schrie sie.

„Sie werden es hinzufügen müssen, fürchte ich, denn Sie haben schon so oft verloren, dass es langsam schwer wird, die Male zu zählen. Sie haben die Wahlen auf Amazonia verloren, weil das Volk nicht Ihrer Ansicht war, was den Status von Amazonia betrifft; Sie haben die Unterstützung der amazonischen Rebellinnen verloren, weil die inzwischen begriffen haben, dass Amazonia nicht zu einem selbständigen Kleinplaneten gemacht werden kann, ohne andere Lebewesen zu gefährden. Sie haben Ihren Rang verloren, weil Sie von Ihren krausen Ideen nicht lassen konnten und der Rest der Föderation ihnen das übelnahm. Sie haben Ihre Freiheit verloren, weil man Sie zu einer saftigen Gefängnisstrafe verurteilt hat. Sie haben die Chance zur Bewährung verloren, weil Sie unbedingt auf Gribor hören mussten. Und weil dieser Gribor auch andere Gutwillige im All verraten musste, indem er den Imperialen den Standort wichtiger Einrichtungen der Neuen Republik bekanntgab, haben Sie auch noch die Unterstützung der Republikaner hier verloren, die Ihnen und Ihrer Mannschaft die Verbündeteneigenschaft aufkündigen und Sie an uns ausliefern. Und wir werden euch dorthin bringen, wohin ihr gehört: ins Mondgefängnis von Megara!“

„Du bist eben nur ein dreckiger Kerl! Inquisitor!“, tobte die Amazonierin und trat nach Thomas, der aber ausweichen konnte. Er widerstand mit einiger Mühe dem Impuls, Sinarta eine Ohrfeige zu verpassen. Thomas drehte sich um und winkte einem der Republikaner, die ihn und Kim zur Ocrama begleitet hatten.

„Sergeant, bringen Sie bitte die Frau Ex-Kapitän in die Unruhigenverwahrung dieses Schiffes. Da kann sie sich austoben, solange sie mag“, bat er den Mann, der Haltung annahm.

„Ja, Sir!“, bestätigte der Sergeant, winkte noch zwei weitere Männer als Verstärkung hinzu und führte Sinarta fort. Nora Rosok sah Thomas fragend an.

„Was soll mit den anderen geschehen, Commander?“, fragte sie schließlich.

„Wenn es sich irgendwie vermeiden lässt, keine zwei von der Sorte zusammensperren“, erwiderte Hansen. Die übrigen Ausbrecher auf der Brücke der Ocrama zuckten sichtlich zusammen. Die beiden gekaperten Schiffe waren gut ausgestattete Polizeikreuzer, die jeweils über mindestens fünfzig Gefängniszellen komfortabler Größe verfügten. Die bisher in den Zellen eingesperrten Polizisten kamen im Gegenzug frei.

Die beiden Kommandanten, Kommissar Marsden, ein Caneler, und Inspektor Carin, ein Macromanier, waren allerdings wenig erfreut, als Thomas ihnen eröffnete, dass sie das Kommando über ihre Schiffe erst mit Erreichen des föderalen Raumterritoriums zurückerhalten würden.

„Und mit welcher Begründung, Commander?“, erkundigte sich Marsden.

„Kommissar, wir befinden uns hier in einem Bereich, der von den Anhängern der Neuen Republik von Avalon kontrolliert wird. Die Föderation ist strikt neutral, was den Konflikt zwischen Imperium und Republik anbetrifft. Dann möchte ich auch nicht in Versuchung geraten, Informationen, die einen Neutralen nichts angehen, mitzunehmen. Ich habe mit Marschall Raschun deshalb vereinbart, dass alle Daten aus den Zentralcomputern gelöscht werden, die auf die Lage dieses Gebietes hinweisen. Da ich weiß, dass Polizeikreuzer gelegentlich auch zu geheimdienstlichen Missionen benutzt werden und dabei gewisse Informationen direkt an die Zentrale des Galaktischen Abwehrdienstes überspielt werden, ist es überaus wahrscheinlich, dass das kleine Geheimnis der Republik keines bleiben würde, wenn nicht entsprechend dafür Sorge getragen wird. Wenn wir neutral sind, wollen wir auch nicht wissen, klar?“

Kommissar Marsden sah Inspektor Carin an. Carin nickte.

„Commander, wir sind Polizisten, keine Geheimdienstler. Ich garantiere, dass die geforderten Daten gelöscht werden und dass nichts an den GAD weitergegeben wird“, sagte er. Thomas sah Kim an.

„Bist du einverstanden?“, fragte er. Kim lächelte.

„Thomas, du weißt, dass mir die Föderation als Verbündeter ganz lieb wäre. Ich vertraue euch in dieser Hinsicht“, erwiderte er. „Aber eine Frage noch: Wollt ihr wirklich keine Eskorte bis zur Grenze?“

Thomas schüttelte den Kopf.

„Nein, in unserem eigenen Interesse nicht. Wenn ihr uns begleitet, könnte das Imperium auf die Idee kommen, dass die Föderation nicht ganz so neutral ist, wie sie sagt. Die Folgen male ich mir lieber nicht aus“, sagte er.

„Dann kann ich euch nur einen guten Heimflug wünschen und hoffen, dass das Imperium wenigstens gegenüber der Föderation ehrlich ist“, sagte Kim. Er griff in die Jackentasche.

„Thomas, wenn die Vorschriften der Föderation dich nicht zum Schweigen gezwungen hätten, hättest du mir noch ganz andere Informationen gegeben, da bin ich sicher. Ich unterliege nicht solchen Vorschriften, weil wir euch als Verbündete wollen. Hier, das sind technische Informationen über Sternzerstörer und andere imperiale Waffenträger. Sie können dir sicher irgendwann nützlich sein.“

Kim gab Thomas eine CD, die Thomas zögernd entgegennahm.

„Danke, Kim. Ich hoffe, die Föderation überlegt es sich irgendwann anders.“

„Ich auch, Thomas. Ich auch“, seufzte Kim und verließ die Brücke.

Thomas und seine Leute bestiegen ein Shuttle, das sie zur Phobos hinüberbrachte, während Kim sich mit seinen Begleitern zur Oberfläche von Avalon zurückbringen ließ. Die drei Föderationskreuzer verließen den Orbit des Planeten, löschten sämtliche Hinweise auf die Rebellensysteme und nahmen Kurs auf das von Imperialen beherrschte Gebiet, um dann nach Pollicus einzuschwenken.

„Eingehender Ruf“, meldete Gabi, als die Phobos die Zone verließ, die von den Rebellen beherrscht wurde.

„Gib es auf den Schirm“, wies Thomas sie an. Die rechte Hälfte des Hauptschirms wechselte zur Übertragung. Das finstere Gesicht des imperialen Außenministers erschien.

„Guten Tag, Herr Außenminister“, begrüßte Thomas den Imperialen. Die düstere Miene zeigte keine Veränderung.

„Ob es das ist, weiß ich nicht. Nachdem Sie sich nun weitere zwei Galaktische Wocheneinheiten in Schweigen gehüllt haben, ist die Geduld des Imperators allmählich erschöpft. Er erwartet endlich eine Vollzugsmeldung!“, schnauzte der Minister. Thomas versteifte innerlich. Er hatte es schon bei Sperling Assekuranz nicht ausstehen können, wenn jemand derart mit der Tür ins Haus fiel. Wenn er dann früher harsch reagiert hatte, hatte es schlimmstenfalls mit einer Beschwerde bei der Abteilungsleiterin geendet. Jetzt konnte eine falsche Reaktion einen Krieg provozieren.

Ruhig bleiben!’, mahnte er sich in Gedanken. ‚Keinen diplomatischen Zwischenfall!

„Die Rebellen hatten uns funktechnisch blockiert, um zu vermeiden, dass Sie durch uns über deren Standorte informiert werden. Die Blockade wurde erst …“

„Ich habe Sie nicht gerufen, um mir Ausreden anzuhören!“, unterbrach der Minister ihn grob. „Haben Sie die Steine?“

„Herr Minister, ich ersuche Sie, etwas höflicher zu sein“, versetzte Thomas, der bei diesem Ton alle guten Vorsätze vergaß. „Ich bin nicht Ihr Untergebener, mit dem Sie in diesem Ton reden können.“

„Ich habe Sie etwas gefragt! Antworten Sie!“

„Herr Minister, meinen Sie, ich würde Kurs Pollicus fliegen, wenn ich die Steine nicht an Bord hätte? Halten Sie mich wirklich für lebensmüde?“, konterte Thomas. „Wir haben die Steine und sind auf dem Weg, um sie dem Imperator zu bringen“, bestätigte er dann.

„Der Imperator erwartet die Übergabe der Juwelen spätestens in vier Tagen Galaktischer Einheitszeit“, gab der Minister bekannt. Thomas zog eine Augenbraue hoch.

„Ich nehme an, dass Sie uns in der Ortung haben“, mutmaßte er.

„Allerdings!“, schnaufte der Minister.

„Gut. Dann wissen Sie, dass wir von der gegenwärtigen Position mindestens sieben Tageseinheiten benötigen, um Pollicus zu erreichen“, versetzte Thomas. „Bedaure, die Frist ist nicht einzuhalten.“

„Sie haben gehört, was ich gesagt habe. Vier Tage, nicht länger.“

„Herr Minister, bevor wir mit Genehmigung des Imperators in das Raumterritorium des Lukani…“

„Ich sagte: vier Tage!“, unterbrach der Minister unhöflich und ziemlich laut.

„Herr Minister, es reicht jetzt mit dem Befehlston!“, fuhr Thomas den Minister an. „Nehmen Sie endlich zur Kenntnis, dass wir nicht Ihre Befehlsempfänger sind!“

Der Minister starrte ihn mit offenem Mund an.

„Was fällt Ihnen …“

„Nein, jetzt hören Sie mir zu!“, grollte Thomas. „Bevor wir in Ihr Territorium geflogen sind, war mit keiner Silbe von irgendwelchen Fristen oder Terminen die Rede. Und jetzt, wo wir das haben, was der Imperator haben will, weil es ihm gehört, wo wir auf dem Weg sind, es ihm zu bringen, setzen Sie ein Frist, von der Sie ganz genau wissen, dass sie nicht einzuhalten ist. Was soll das?“

„Ich glaube, Sie haben noch nicht ganz begriffen, Commander Hansen: Wenn die Juwelen nicht innerhalb von vier Tagen hier auf Pollicus vorliegen, betrachtet sich das Imperium Lukanum als mit der Föderation im Krieg befindlich. Es liegt bei Ihnen, das zu verhindern“, erklärte der Außenminister süffisant.

„Sie wissen genau, dass ich das nicht kann, weil wir es auch mit einer totalen Überlastung der Konverter nicht schaffen, schneller als in sieben Tagen auf Pollicus zu sein“, erwiderte Thomas scharf. „Warum will das Imperium unbedingt Krieg? Der Imperator bekommt doch, was er will, wenn wir Pollicus erreichen. Mehr kann er doch nicht erwarten.“

„Ich habe Ihnen die Frist genannt. Schaffen Sie es nicht, sind Sie schuld an einem Krieg.“

„Nein, ich nicht!“, widersprach Thomas heftig. Er wollte sagen:

‚Der Imperator, wenn er solche Fristen setzt und sie mit Kriegsdrohungen verknüpft!’, aber er hielt sich rechtzeitig zurück.

„Wer, wenn nicht Sie?“, fragte der Minister süffisant.

„Ich werde mich nicht dazu hinreißen lassen, jetzt Namen zu nennen. Sonst behaupten Sie hinterher noch, ich hätte jemanden einen Kriegstreiber genannt. Das werde ich nicht tun. Nur so viel: Wer uneinhaltbare Fristen setzt, der ist derjenige, der ein Interesse an einem Krieg hat.“

„Sie haben sich entschieden“, fasste der Minister zusammen. Ohne ein weiteres Wort beendete er die Verbindung.

„Die sind verrückt, die Imperialen!“, entfuhr es Nora erschrocken. Thomas nickte.

„Ich stimme dir zu, Nora. Gabi, gib mir das Flottenkommando Palavor.“

„Ich versuch’s schon. Im Moment kriege ich keinen Kontakt.“

„Versuch’s weiter“, wies Thomas sie an und drückte die Intercomtaste.

„Brücke an Maschine. Lewis, ist aus den Maschinen noch was herauszuholen?“

„Nein, mir fliegen die Konverter jetzt schon fast um die Ohren. Diese Belastung halten die Maschinen maximal noch eine halbe Stunde aus.“

„Dann nimm die Reserveenergie weg und fahr’ die Leistung ‘runter“, wies Thomas den Maschinisten an. Nora, Gabi und Wanrin sahen Thomas erschrocken an.

„Aber die Frist …“, setzte Gabi an.

„Ist sowieso nicht zu halten“, erwiderte Thomas fatalistisch. „Warum soll ich dann noch mein Schiff zuschanden fliegen?“ Er sah Gabi an. „Was ist mit dem Flottenkommando?“

„Ich hab’s an der Angel, aber zurzeit nur Audioverbindung.“

„Egal, ich nehm’ auch das. Schalte es auf den Hauptlautsprecher.“

„Kanal ist offen“, meldete Gabi.

„Hier Kreuzer Phobos, Commander Hansen. Ich rufe das Flottenkommando Palavor!“

„Hier Flottenkommando Palavor, Kreuzerkommandant Salun.“

„Hallo, Salun! Schön, einen von euch an der Strippe zu haben. Wie geht’s Admiral Luk-Suns Frau?“

„Wie bitte? Seit wann ist der verheiratet?“, stotterte der junge Saroner. Thomas lächelte.

„Danke, Test bestanden. Salun, wir haben die Juwelen des Imperators an Bord und fliegen Kurs Pollicus. Wir haben noch sieben Tage Flug vor uns und der imperiale Außenminister hat mir eben erklärt, dass man uns nur vier Tage Zeit gibt, um die Juwelen abzuliefern. Halten wir die Frist nicht, wird das Imperium uns den Krieg erklären. Und wir können sie nicht halten, nicht mal, wenn wir die Konverter sprengen. Wie ist die Lage auf Palavor?“

„Das erklärt einiges. Ich stelle Sie zum Admiral durch“, sagte Salun, dann knackte es in der Leitung und es meldete sich Luk-Suns dröhnender Bass:

„Commander Hansen! Den Göttern von Mingon sei Dank! Wir hatten Sie schon abgeschrieben! Wo haben Sie gesteckt?“, erkundigte sich der Centaure.

„Admiral, das Imperium scheint Streit zu suchen. Jetzt, wo wir die Juwelen haben und sie dem Imperator bringen wollen, wird uns ohne vorherige Warnung eine Frist von vier Tagen gesetzt, die wir nur einhalten könnten, wenn wir des Teleportierens mächtig wären. Aber das kann nicht mal der mit der Macht vertraute Kwiri Swin. Ich fürchte, dass Diplomatie diesmal nicht gerade meine Stärke war.“

„Ich habe jetzt Visioverbindung“, meldete Gabi leise. Thomas nickte. Gabi stellte um und das blauhäutige Gesicht des Admirals erschien. Besorgnis stand darin wie in einem offenen Buch.

„Machen Sie sich deshalb keine Gedanken, Commander. Mit Diplomatie hätten Sie nichts mehr erreicht. Schon zwei Tage nach Ihrem Abflug erhielt die Föderationsregierung ein Ultimatum von acht Galaktischen Tageseinheiten, um die Juwelen zurückzubringen. Die Regierung hat auf Ihre Mission verwiesen und das Ultimatum zurückgewiesen. Seither hat es hektische diplomatische Aktivitäten gegeben. Trotz gewisser anfänglicher Beruhigung hat sich jetzt eine respektable Flotte von zwanzig Sternzerstörern an der Grenze gesammelt. Der imperiale Außenminister hat vor zwei Tagen erklärt, man wolle Ihre Ankunft abwarten, aber nach dem, was Sie mir jetzt sagen, müssen wir mit dem Schlimmsten rechnen. Wir werden unsere Vorbereitungen treffen. Kommen Sie so schnell es geht nach Palavor.“

„Und was ist mit den Juwelen?“

„Es hat keinen Sinn, dass Sie nach Pollicus fliegen. Sie würden es erst erreichen, wenn bereits Kriegszustand herrscht. Man würde Sie und Ihre Besatzung zu Kriegsgefangenen erklären. Kommen Sie nach Palavor.“

„Wenn Sie erlauben, möchte ich noch einen Versuch machen, direkt mit dem Imperator ins Gespräch zu kommen. Bei Monarchien besteht immer die Gefahr, dass Intriganten ihre Finger im Spiel haben.“

„Thomas, Sie sind mit den drei schnellsten Schiffen, die wir haben, im imperialen Raum unterwegs. An Ihrer Stelle würde ich Beteuerungen von Freiem Geleit nicht mehr glauben“, warnte Luk-Sun.

„Danke, Admiral. Wir ändern den Kurs und kommen direkt nach Palavor“, bestätigte Thomas. Das Visio erlosch.

„Gabi, haben wir die Frequenz von Wan Kobi?“, fragte er.

„Ja, aber was willst du noch von dem?“

„Ruf’ ihn einfach an“, bat Thomas, öffnete das Ablagefach unter seinem Sitz und nahm die Juwelen heraus, die im Licht der Deckenleuchten funkelten. Konnte der Kaiser es sich eigentlich leisten, auf diese Steine zu verzichten?

Es dauerte nicht lange und Gabi hatte die Verbindung zum Wächter der Steine hergestellt. das würdevolle Gesicht des alten Yedaina-Ritters erschien auf dem Hauptschirm.

„Commander Hansen, ich wünsche Ihnen einen guten Tag“, begrüßte der alte Ritter den Terraner freundlich.

„Ich grüße Sie, Wan Kobi“, erwiderte Thomas und verbeugte sich leicht im Sessel. „Ich habe hier die Juwelen der Macht und der Weisheit, weiser Wächter der Steine. Wir sind mit den imperialen Kronjuwelen auf dem Weg nach Pollicus. Aber warum gibt man uns für den Weg nur vier Tage statt der sieben, die wir benötigen? Warum versammelt sich die imperiale Flotte vor Palavor? Warum wird mit Krieg gedroht?“

„Sie wissen, wie wichtig diese Juwelen für den Bestand der Monarchie sind, Commander. Es haben sich Umstände ergeben, dass der Imperator diese Steine innerhalb von vier Tagen hier vorweisen muss, um seinen Thron zu behalten“, erklärte der alte Ritter sanft.

„Ich verstehe. Wenn der Imperator sie nicht präsentieren kann, wird ihn der imperiale Senat absetzen und an seiner Stelle einen anderen zum Imperator ernennen, obwohl der Senat dazu gar nicht befugt wäre. Wenn aber eine Bedrohung von außen da wäre, könnte der Senat davon überzeugt werden, dass erst der äußere Feind zu bekämpfen wäre und erst dann innere Zwistigkeiten ausgetragen werden sollten, sehe ich das richtig?“

Wan Kobi sah den Terraner ungläubig an.

„Woher wissen Sie das?“

„Auf Terra war das früher die beste Methode, von inneren Streitigkeiten abzulenken. Ich sehe, im All ist es nicht anders. Wan Kobi, ich kann diese Frist nicht halten, selbst wenn ich mein Schiff und mein Leben und das meiner Mannschaft riskiere. Auch bei höchster Geschwindigkeit erreichen wir Pollicus nicht vor Ablauf von sieben Tagen. Weil der Imperator durch seinen diplomatisch nicht besonders geschickten Außenminister gleich erklären ließ, dass nach Ablauf des Ultimatums Krieg sein soll, habe ich strikten Befehl, nach Hause zu fliegen, ohne die Juwelen abzugeben. Kann sich der Imperator eigentlich leisten, die Juwelen überhaupt nicht zurückzubekommen?“

„Sie würden ihm dann nichts mehr nützen, Commander. Er braucht sie in vier Tagen.“

„Ich mische mich ungern in die inneren Angelegenheiten einer anderen Macht, aber mich würde doch interessieren, von wem die Idee ist, den Imperator so unter Druck zu setzen.“

„Namen im imperialen Senat sagen Ihnen sicher nichts“, wehrte der alte Ritter ab.

„Sie wissen, ich bin mit Kim Raschun befreundet. Durch ihn bin ich ganz gut unterrichtet, wer im Imperium was zu sagen hat.“

„Commander Hansen, ich bin ein Yedaina-Ritter und als solcher zur Wahrhaftigkeit verpflichtet. Und deshalb sage ich Ihnen jetzt folgendes: Der Imperator weiß, dass sein Neffe Kim eine führende Persönlichkeit bei den Rebellen ist. Er weiß, dass Sie persönlich eine gute Freundschaft zu Kim pflegen und gerade deshalb nimmt er an, dass die Vernichtung der imperialen Kampfstation vor Bagoda Ihnen zu verdanken ist. Er hat angeordnet, Sie zu verhaften, sobald Sie Pollicus erreichen, egal, ob Sie die Juwelen bringen oder nicht.“

„Wan Kobi, bestellen Sie dem Imperator einen Gruß von mir und sagen Sie ihm, dass er einen großen, einen sehr großen Fehler macht, wenn er die Föderation mit Gewalt an die Seite der Rebellen treibt. Ich habe Kim gesagt, dass die Föderation im Konflikt der Rebellen und der imperialen Regierung strikt neutral ist. Natürlich wollte er meine Unterstützung im Kampf gegen das Imperium haben, und ich habe es abgelehnt, weil meine Regierung sich für neutral erklärt hat. Das hat Kim nicht gefallen, aber er hat es eingesehen. Was den Kampf um die mobile Kampfstation betrifft, die ich nur vom Hörensagen kenne: Wie kommt der Imperator darauf, wir hätten etwas Entscheidendes zu deren Vernichtung beitragen können, wenn wir nicht einmal mit den technischen Einzelheiten dieser Station vertraut sind? Wenn der Imperator meint, er müsse sich jeden zum Feind machen, der nicht uneingeschränkt für ihn ist, begeht er einen echten Fehler.“

Der Yedaini lächelte wissend.

„Commander Hansen, die Föderation ist über Einzelheiten der Kampfstation leider allzu gut unterrichtet. Dass der Abluftschacht für überschüssige Hitze des Fusionsreaktors die einzige Schwachstelle in der Konstruktion der Station war, wissen Sie sehr genau. Auch wir haben unseren Geheimdienst und er hat entsprechende Erkenntnisse gewonnen. Bisher haben die Rebellen immer versucht, die Kampfstation mit großen Schiffen zu attackieren, was aber an der Abschirmung scheiterte. Den Trick, es mit Kleinjägern zu versuchen, den können die Rebellen nur von Ihnen haben. Und selbst, wenn es ein nicht ernst gemeinter Hinweis gewesen wäre, wird dies doch vom Imperialen Gerichtshof als Verschwörung gegen den Imperator ausgelegt. Wenn Sie hierher kommen, wird man Sie verhaften. Den Krieg verhindern Sie damit aber auch nicht.“

Thomas drehte eines der Juwelen in der Hand.

„Warum erzählen Sie mir das, Wan Kobi?“, fragte er. Wan Kobi wies auf den Juwel in Thomas Hand.

„Es ist die Macht dieses Juwels, die mich dazu zwingt. Sie mögen das glauben oder nicht, aber dieses Juwel hat die Kraft dazu. Auch über eine solche Distanz, auch über eine Funkverbindung hinweg.“

„Wenn ich jetzt heimfliege und diese Juwelen nicht in die Hände des Kaisers kommen, womit will er dann seine Macht halten?“

Wan Kobi lächelte.

„Das setzt voraus, dass Sie das imperiale Raumterritorium überhaupt verlassen können. Machen Sie sich darüber keine Gedanken. Die halbe Flotte ist Ihnen auf den Fersen, Commander Hansen.“

„Danke, weiser Wächter der Steine. Ich bewahre die Steine einstweilen auf und sehe lieber zu, dass wir heil nach Hause kommen. Möge die Macht mit Ihnen sein.“

„Und mit Ihnen, Commander. Sie werden sie brauchen.“

Die Verbindung erlosch. Thomas betrachtete noch einen Moment den Pseudosmaragd, den er in der Hand hielt. Das Juwel war doch nicht echt! Weshalb hatte es diese Macht?

 

Kapitel 15

Planungen


Konferenzschaltung mit den anderen Schiffen?“, fragte Gabi. Thomas nickte. Manchmal schien sie Gedanken lesen zu können. Kommissar Marsden und Inspektor Carin erschienen auf dem Hauptbildschirm.

„Commander?“, fragte Marsden, der ebenfalls beide anderen Kommandanten auf dem Schirm hatte.

„Wir haben ein Problem: Ich habe erfahren, dass die imperiale Flotte hinter uns her ist. Tarnen Sie sich umgehend. Wir fliegen nicht in geschlossener Formation, sondern im Abstand von einer Lichtsekunde nach Palavor. Auf die Weise fallen wir weniger auf, können uns aber gegenseitig decken“, schlug Thomas vor. Die beiden Polizeikommandanten nickten.

„Gute Idee. Fliegen Sie voraus? Dann mache ich die Nachhut“, bot Carin an.

„Ja, daran hatte ich gedacht“, erwiderte Hansen. Die beiden Polizisten nickten und gaben ihre Anweisungen. Das Visio erlosch und machte dem einheitlichen Grau des Hyperraums Platz, in den Gabi die Abtastungen der Fern- und Nahscanner schaltete.

„Nora, Kurs Palavor, höchstmögliche Geschwindigkeit!“, befahl Thomas, Nora bestätigte. Den scharfen Bogen, den die Phobos beschrieb, spürten die Insassen dank der Andruckabsorber des Trägheitsdämpfungssystems nicht.

Eine Standardstunde später versammelte Thomas seine Mannschaft in der Messe und erklärte die neue Entwicklung.

„Meine Damen und Herren, wenn wir nach Hause kommen, könnte es deshalb sein, dass sich dort eine ganze Flotte von imperialen Sternzerstörern auf unseren Hauptstützpunkt Palavor eingeschossen hat. Zudem haben wir eine nicht näher bekannte Anzahl imperialer Schiffe auf den Fersen und werden entsprechend vorsichtig sein müssen. Ab jetzt gilt Gefechtsalarm, den ich erst aufheben kann, wenn sicher ist, dass vor Palavor keine Imperialen sind“, schloss er seine Ausführungen. Betroffenheit machte sich unter den Besatzungsmitgliedern breit.

„Kein Schiff der Föderation kann es mit einem Sternzerstörer aufnehmen. Vor einer ganzen Flotte können wir nur Fersengeld geben“, gab Lewis Decker zu bedenken. Thomas lächelte.

„Wir werden unser Illusionspotenzial gründlich nutzen, Lewis. Sorg’ dafür, dass die Projektorenstation rund um die Uhr besetzt ist. Gehen Sie jetzt auf Ihre Gefechtsstationen. Die Kommandooffiziere und die Waffenoffiziere bitte ich zu bleiben“, entließ Thomas den Großteil der Besatzung. Lawida, Suli Kulibos, Kwiri, Wanrin, Narwin und Kirwan, der dritte Macromanier, blieben mit Thomas in der Messe.

„Also: Wir müssen damit rechnen, in ein Gefecht verwickelt zu werden“, begann Thomas. „Für den Fall, dass sich diese Situation rechtzeitig abzeichnet, werden wir uns als imperialer Sternzerstörer tarnen.“

Er schaltete den Holoprojektor an, auf dem eine technische Zeichnung eines Sternzerstörers erschien.

„Diese Sternzerstörer sind uns in ihrer Feuerkraft deutlich überlegen, aber sie haben auch ihre empfindlichen Punkte. Die Feuerleitzentrale liegt in einem kugelförmigen Gebilde an der Backbordseite des Kommandoturmes. Sie ist durch einen besonderen Schutzschild gedeckt“, erklärte Thomas. Seine Offiziere sahen ihn an und konnten nur schlecht verbergen, dass sie wenig Interesse an der Ausführung hatten, weil ihnen dies im Detail bekannt war.

„Ihr braucht nicht so gelangweilt aus der Wäsche zu gucken“, grinste Hansen, der das Desinteresse schnell bemerkte.

„Kim Raschun hat mir ein kleines Abschiedsgeschenk in die Tasche geschoben“, sagte er und schob eine CD in das Aufnahmefach des Projektors. In der Holographie erschienen auf einen weiteren Tastendruck die Frequenzen der Schilde. Kommando- und Waffenoffiziere sahen die Daten mit ungläubigem Staunen.

„Den Rebellen sei Dank, woher sie auch die Informationen haben. Aber – wenn unser lieber Freund Gribor mit den Imperialen gemeinsame Sache gemacht hat, wäre es dann nicht denkbar, dass die Imperialen unsere Schildfrequenzen nicht ebenfalls kennen?“, fragte Suli.

„Natürlich ist das denkbar. Und deshalb werden wir unsere Frequenzen ebenfalls verändern – und zwar nach oben.“

„Das kostet viel Energie“, bemerkte Kwiri.

„Weiß ich. Es hat zur Konsequenz, dass wir nicht im getarnten Zustand feuern können. Nur spielt das zunächst keine Rolle, weil die Imperialen über Massetaster verfügen und seit unserer kleinen Tarneinlage auf der Galoba-Mission an den Dingern einiges verbessert wurde“, erwiderte Thomas.

„Thomas, wir haben es mit einer ganzen Flotte zu tun. Die beiden Polizeikreuzer kannst du nicht rechnen; die Besatzungen sind nicht dafür ausgebildet, Raumkämpfe auszufechten“, warf Kwiri ein. „Die Einzigen, die auf den beiden Kreuzern von Raumkampf etwas verstehen, das sind die Häftlinge. Nur werden die eher auf uns schießen, als gegen die Imperialen in den Kampf einzugreifen.“

„Kwiri, eine ganze Flotte von Sternzerstörern mit diesem Schiff – oder auch drei von dieser Sorte – anzugreifen, grenzt nicht an Selbstmordabsichten, es ist Selbstmord. Das habe ich nicht vor. Aber wenn die imperiale Flotte Palavor tatsächlich attackiert, können wir nicht einfach da schweben und zusehen. Wir werden dann einfach etwas tun müssen. Vielleicht werden wir sie nicht alle schaffen, aber wir sollten dann wenigstens so viele wie möglich von Palavor wegziehen. Und ohne Feuerleitzentralen sind auch Sternzerstörer zu nicht allzu viel mehr in der Lage.“

„Mit Ausnahme dessen, dass sie jeweils ein Geschwader Jäger an Bord haben. Wir können nicht gleichzeitig die Feuerleitzentralen und das Haupttor des Jägerhangars attackieren. Das Tor ist nun einmal auf der Unterseite des Zerstörers, während sich das Radom oben an der Backbordseite befindet. Sorry, keine Chance, Thomas“, versetzte Kwiri. Thomas lächelte freundlich.

„Die Imperialen bekommen beim Verlust der Feuerleitzentralen ein ernstes Problem. Die Jäger benötigen einen Startimpuls, weil freies Manövrieren mit den großen Ionenkollektoren innerhalb eines Schiffshangars nicht möglich ist. Die Jäger werden von einer Automatik aus dem Schiff gebracht und die Kontrolle erst beim Verlassen des Hangars auf den Piloten umgeschaltet. Diese Automatikkontrolle befindet sich ebenfalls in der Feuerleitzentrale. Wenn wir diese Zentrale ausschalten, ist ein Sternzerstörer praktisch wehrlos – abgesehen davon, dass er unsereins allein mit seiner Masse wie eine Briefmarke plattquetschen kann, wenn sie etwas finden, woran sie uns festnageln können. Gerade, weil die Feuerleitzentrale so lebenswichtig ist, hat sie einen besonderen Schutzschild mit einer anderen Schildfrequenz erhalten. Wenn der normale Schild außer Gefecht wäre, würde der Sonderschild noch immer halten, außer man kennt die Frequenz. Und wir kennen sie. Das ist unser Vorteil.“

Kwiri sah Thomas einen Moment nachdenklich an.

„Haben sich die imperialen Sternzerstörer deshalb nicht mehr an die rebellischen Sternsysteme herangetraut?“

„Wenn es die Frequenz alleine wäre und der Flottenführung wäre das bekannt, bräuchten sie nicht mehr tun, als die Frequenzen geringfügig zu verändern. Nein, das war es sicher nicht. Sie wollten mit der Kampfstation einfach gründlicher aufräumen, denke ich. Oder die Führung hatte größere Bedenken, dass noch mehr Verräter ganz oben im Flottenkommando sitzen“, erwiderte Hansen.

„Ich hätte noch einen ergänzenden Vorschlag, Thomas“, meldete sich Suli. Thomas nickte auffordernd. Suli hatte zwar als Kapitän einen höheren Dienstgrad, machte davon aber an Bord der Phobos nie Gebrauch.

„Wir könnten ihnen ein zusätzliches Problem bereiten, wenn wir uns erst getarnt anschleichen und die Hangartore zuschweißen. Selbst wenn sie dann unter Missachtung aller Vorschriften die Jäger im Handbetrieb ‘rausbringen wollen, hätten sie arge Probleme damit“, empfahl er.

Bevor Thomas antworten konnte, piepte das Intercom.

„Hansen, was gibt’s?“

„Auch Hansen. Thomas, ich habe keinen Funkkontakt mit Palavor mehr. Auf allen Frequenzen ist Schweigen, abgesehen von der Notfrequenz, aber dort meldet sich nur noch eine Automatik, die mitteilt, dass kein Schiff mehr Palavor anfliegen soll.“

„Danke. Ruf’ bitte Macros. Vielleicht hat man Palavor schon evakuieren müssen“, antwortete Thomas. Er und die Kommando- und Waffenoffiziere sahen sich betroffen an.

„Mögen die Götter von Mingon geben, dass das nur Tarnung ist“, seufzte Kwiri.

Es war keine Tarnung. Drei galaktische Tageseinheiten später schwebten die drei Schiffe im Orbit von Palavor. Die Zwielichtzone war tot und verlassen, sämtliche Städte und Stützpunkte waren zerstört. Das Bodenteam, das Thomas zur Erkundung gesandt hatte, konnte nur berichten, dass die angeflogenen fünf Stützpunkte völlig verlassen waren. Es sah nach einem einigermaßen geordneten Rückzug aus. Alles wies darauf hin, dass die Achte Flotte sich nach Macros abgesetzt hatte.

„Macros“, brummte Thomas. Seit ebenfalls drei galaktischen Tageseinheiten versuchte Gabi vergeblich, Kontakt mit Macros zu bekommen. Sie sah ihn fragend an.

„Versuch’s noch mal“, sagte er.

„Die Weisung hör’ ich wohl, allein – mir fehlt der Glaube“, seufzte sie. Dennoch machte sie sich wieder daran, die Wellen abzuhorchen. Thomas sah ihr gespannt zu. Sie schüttelte wieder den Kopf.

„Nichts. Schweigt wie üblich.“

„Bleib’ dran. Irgendwann müssen wir doch Kontakt kriegen“, erwiderte Thomas.

„Ich will Ihnen nicht widersprechen, Sir, aber das setzt voraus, dass uns überhaupt jemand antworten kann“, gab Gabi zu bedenken. Thomas nickte.

„Zugegeben, daran habe ich auch schon gedacht …“, brummte er. „Wenn du weiter auf den Macros-Frequenzen nichts findest, hör’ mal so auf den Wellen herum. Irgendwo in der Föderation muss es doch noch Leben geben.“

Gabi nickte und konzentrierte sich wieder auf den Funkverkehr. Plötzlich fuhr sie erschrocken zusammen.

„Oh, Gott!“, entfuhr es ihr. Thomas und Nora zuckten zu Gabi herum.

„Was ist?“, fragte Thomas. Gabi sah ihn bleich an.

„Macros wird von den Imperialen attackiert. Ich empfange Notrufe auf diversen Frequenzen!“, erwiderte sie.

„Schalte sie auf den Schirm.“

„Ich hab’ nur ‘ne Audioverbindung und fürchterlichen Wellensalat. Aber, bitte … hört euch das an.“

Was Gabi auf den Hauptlautsprecher umschaltete war mit nur viel Fantasie zu erkennen, aber es waren eindeutig verzweifelte Rufe in diversen galaktischen Sprachen.

„Ruf’ die beiden Kreuzer. Wir müssen uns beeilen“, wies Thomas sie an. Gabi nickte und zwei Sekunden später erschienen die Polizeioffiziere auf dem Hauptschirm.

„Wir empfangen undifferenzierte Notrufe aus dem Raumbereich von Macros und wir gehen davon aus, dass wenigstens die planetare Regierung von Macros in Schwierigkeiten ist. Als Kreuzer der Föderation muss die Phobos eingreifen. Ich weiß, dass Sie keine Kampfschiffe kommandieren und militärisch nicht unbedingt ausgebildet sind. Aber momentan scheint es um den Bestand der Föderation zu gehen. Ich werde jetzt auf maximale Geschwindigkeit beschleunigen und versuchen zu retten, was zu retten ist, aber es kann heiß hergehen. Wollen Sie mitmachen?“

Die beiden Polizeioffiziere sahen sich über die eigenen Hauptbildschirme an, nickten dann im Takt.

„Das ist selbstverständlich, auch, wenn wir vielleicht nicht viel ausrichten können“, erklärte Kommissar Marsden.

„Schön. Aber falsch verstandenes Heldentum kann die Galaktische Föderation nicht gebrauchen. Machen Sie nur mit, wenn Sie sicher sind, dass Sie wissen, worauf Sie sich einlassen“, warnte Thomas nachdrücklich. Marsden lächelte.

„Commander Hansen, bevor ich zur Interstellaren Polizei gegangen bin, habe ich zehn Jahre in der Interstellaren Flotte gedient. Glauben Sie mir, dass ich weiß, worauf ich mich einlasse?“

Thomas nickte.

„Einzusehen. Also: Maximale Geschwindigkeit nach Macros!“

Kapitel 16

Angriff im All


Die Galaktische Föderation war kein kriegsliebendes und kein wirklich kriegserfahrenes Staatsgebilde, so sehr die denebischen Abgeordneten im Galaktischen Rat diesen Eindruck auch zu erwecken versuchten. Zwar war die Föderation ein Kind des Krieges, aber Kriegskinder lieben den Krieg nicht zwangsläufig. Zu oft werden Kinder des Krieges ihrer Eltern beraubt. In dieser Hinsicht unterschied sich das anfängliche Schicksal der Galaktischen Föderation nicht von dem einzelner Wesen auf ihren Mitgliedsplaneten, die unter dem Einfluss eines Krieges geboren und aufgewachsen waren. Die Raumunion, Mutter aller anderen Reiche in diesem Teil der Galaxis, war im Krieg gestorben und ihre Kinder, das Lukanische Imperium, die Galaktische Föderation, Galoba, das Protektorat von Sagron und das Arkonidenreich, reagierten sehr unterschiedlich auf das Phänomen Krieg.

Sagron und die Arkoniden waren von der gegenwärtigen Situation so wenig wie in den ersten beiden Galaktischen Kriegen betroffen und reagierten mit ausgeprägtem Desinteresse auf die Entwicklung im lukanisch-föderalem Grenzgebiet. Die ausbrechenden Kampfhandlungen waren ihren Varianten des Galaxnet nur Randnotizen wert.

Die Wesen in der Föderation, speziell die Bewohner der Randwelten an der Grenze zum Imperium, fürchteten die Lukaner mehr, als manche von ihnen zugegeben hätten, während sie im Rat saßen und die Außenpolitik diskutierten. Dort gab man sich ähnlich martialisch wie manche Erdenbürger am Stammtisch in der Eckkneipe – vorausgesetzt, es wurde nicht ernst. Als sich Letzteres allzu deutlich abzeichnete, hatte man gehofft, dass die Anwesenheit der Achten Flotte, jener ruhmreichen Streitmacht, die schon in den beiden Galaktischen Kriegen so erfolgreich gegen die Lukaner gefochten hatte, die imperiale Marine von unbedachten Handlungen abhalten würde. Ferner setzte man auf die auf Ausgleich bedachte Außenpolitik und hoffte inständig, dass es Commander Hansen gelänge, die Juwelen bei den Rebellen auszulösen und sie dem Imperator zurückzugeben, womit ein greifbarer Kriegsgrund gegen die Föderation entfallen wäre.

Auf die Idee, dass die Lukaner einen direkten Grund vielleicht gar nicht benötigten, kam man in der Föderation gar nicht. Vor allem unterschätzte man die Tatsache, dass eine Reihe von Systemen – vom Druck des abgeschafften § 400 des II. Planetenbeziehungsgesetzes befreit – sich für neutral erklärten und ihre Angehörigen aus der Achten Flotte abzogen, wie Galaxnet unter Berufung auf regierungsnahe Quellen vermeldete. Admiral Luk-Sun versuchte verzweifelt, die Bestätigung dieser Meldungen von Präsident Sulukum per Funk zu erhalten, aber er bekam keinerlei Kontakt mit den Zentralwelten. Er und seine Führungsoffiziere entschlossen sich dazu, den Meldungen des als zuverlässig bekannten Nachrichtennetzes zu vertrauen. Als Luk-Sun erfuhr, dass Amazonia sich als einer der ersten Planeten für neutral erklärt hatte und sämtliche Soldatinnen aus der Achten Flotte abzöge und auch entsprechende Anweisungen der planetaren Regierung Amazonias eintrafen, war ihm erst ein drastischer Fluch entglitten, dann hatte er die sofortige Räumung Palavors befohlen, weil ohne die Amazonierinnen, die fast vierzig Prozent seiner Truppen ausmachten, Palavor in keiner Weise zu verteidigen war. Dann hatten auch noch Micronor, Canela und die Erde sich laut Galaxnet für neutral erklärt, womit die Achte Flotte praktisch nicht mehr existierte – abgesehen von einem Schiff mit einer bunt gemischten Mannschaft – und das war die Phobos.

Doch ausgerechnet dieses Schiff hatte in der Föderation kaum ein im Rat maßgebendes Wesen noch auf der Rechnung. Der Kommandant war ein Erdling, womit sich viele der schon seit langer Zeit in der Föderation befindlichen Wesen noch immer nicht recht abfinden konnten; zudem galt Thomas Hansen nicht als erfahren, hatte er doch im besten Falle ein paar Simulationen am Computer erlebt, aber keinen Krieg. Die Mannschaft war nicht homogen, sondern bestand aus einer Mischung, die die meisten Ratsmitglieder nicht verstanden. Fast jeder Volksvertreter war der Meinung, seine Angehörigen sollten ein solches Sternenschiff kommandieren und nicht nur zu Handlangerdiensten wie Raumüberwachung oder Waffenkontrolle herangezogen werden.

Die Lukaner schließlich sahen – wie bei absolutistischen oder totalitären Regimes oft der Fall – im Krieg ein probates Mittel, innere Konflikte aufzulösen, wenn sie nicht mehr zu unterdrücken waren. Die immer weiter um sich greifende Rebellion der Anhänger der Neuen Republik bedrohten das imperiale Regime so sehr, dass Kaiser Lukan sich zu einer Attacke nach außen entschlossen hatte, um seine Völker wieder zu einen. Dabei spielte ihm durchaus in die Hände, dass die Juwelen seiner Macht im Bereich der Föderation entwendet worden waren. Da nützte es dem Galaktischen Rat sehr wenig, dass man um Entschuldigung bat und mit der Phobos Jagd auf Diamanten und Diebe machen ließ. Von dem Moment an, in dem der Imperator vom Diebstahl der Juwelen erfahren hatte, hatten seine Generäle und Admirale am Angriffsplan gegen die Föderation gearbeitet.

Genau genommen konnten ihm die Diebe keinen größeren Gefallen tun, als sich ausgerechnet an diesen Steinen zu vergreifen, denn damit konnte der Imperator auch die letzten zögernden Generalstabsoffiziere von der Notwendigkeit eines Krieges gegen die Föderation überzeugen. Dass er dabei auch noch seinen ungeliebten Neffen als Verräter abstempeln und dadurch loswerden konnte, versüßte die Aussicht auf einen siegreichen Kriegszug gegen die vom Imperium als schwächlich und kriecherisch verachtete Föderation zusätzlich. Mit einigem Vergnügen hatte der Imperator seinen Außenminister Sol Hanib zu harschem Verhalten angewiesen, mit noch größerer Lust hatte er den Befehl zum Angriff auf die Föderation unterschrieben. Mit Befriedigung hatte Imperator Lukan zur Kenntnis genommen, dass die im Unterbewusstsein doch gefürchtete Achte Interstellare Flotte den Grenzplaneten Palavor geräumt hatte. Zwar bot Palavor nichts, was den Imperialen gefallen konnte, aber es war ein Planet an der Grenze, dessen kampflose Räumung als großartiger – weil verlustloser – Sieg präsentiert werden konnte. Dass man darum nicht hatte ringen müssen, musste ja nicht unbedingt bekannt gemacht werden … Und nun war seine siegreiche Flotte bis nach Macros vorgerückt, stand weit auf dem Gebiet der Föderation!

Aber es gab einen Wermutstropfen im Glückswein des Imperators: Die Rebellen wollten sich einfach nicht seinem ruhmreichen Imperium anschließen. Der Imperator fragte sich schon, ob es wohl doch am Verlust seines bisherigen absoluten Machtinstruments – der Kampfstation – lag, dass die seiner Ansicht nach unfähige Bande, die sein Neffe kommandierte, noch immer nicht willig war, in den Schoß des Imperiums zurückzukehren. Also mussten noch weitere Siege her, auch wenn sie vielleicht doch das eine oder andere Schiff kosten sollten. Manchmal müssen Helden auch sterben … Er erteilte den Befehl, Macros anzugreifen; Macros, das über keinerlei Flottenstützpunkte verfügte, das ohne den Schutz der Achten Flotte nahezu wehrlos war – sah man von einem planetaren Schutzschild ab, den die Macromanier gerade noch rechtzeitig aktivieren konnten.

Als die Phobos und die Polizeikreuzer Ocrama und Marovia getarnt in einer Entfernung von einer Lichtsekunde von Macros rematerialisierten, blitzte es blau, grün und rot durch den Weltraum.

„Asnar, schalten Sie den Lichtfilter ein!“, wies Thomas seinen Ersten Offizier an. Lawida reagierte sofort und aktivierte den Filter. Die Blitze waren weniger intensiv und gefährdeten das Sehvermögen der Besatzung nicht mehr. Nora sah sich zu Thomas um.

„Welchen zuerst, Commander?“, fragte sie mit gewisser Ungeduld. Thomas zählte durch.

„Lieber Himmel, das sind fünfzehn Stück!“, entfuhr es Thomas. „Raumüberwachung: Ist der planetare Schutzschild aktiv?“

Gabi Hansen bestätigte.

„Wenigstens etwas. Das verschafft uns Zeit. Gabi, ruf’ die anderen.“

Die Polizeikommandanten meldeten sich schon ungerufen.

„Commander – das ist eine Nummer zu groß, fürchte ich“, gab Marsden zu bedenken.

„Ich gebe zu, die Idee ist mit auch gerade gekommen. Andererseits widerstrebt es mir, den Lukanern noch ein System einfach zu überlassen. Ich schlage vor, wir schweißen zunächst getarnt die Hangartore zu. Vielleicht fällt uns bis dahin etwas ein, womit wir sie ärgern können.“

Die Polizeioffiziere waren einverstanden. Die Schiffe teilten sich das Feld der fünfzehn Sternzerstörer auf. Die Phobos nahm sich die Mitte vor, die rechte Flanke wurde von der Marovia übernommen, die Ocrama bediente die linke Seite. Es war nicht ungefährlich, sich im getarnten Zustand zwischen den relativ eng manövrierenden Sternzerstörern zu bewegen. Eine Kollision lag immer im Bereich des Möglichen.

Nora Rosok steuerte ganz vorsichtig das Hangartor des ersten Zerstörers an, brachte die Phobos sorgsam austariert in die gleiche Geschwindigkeit, mit der sich auch der riesige Zerstörer bewegte. Das untere Hangartor war so groß, dass die Phobos vollständig in die Vertiefung im Rumpf passte. Diese buchstäblich meilenlangen Raumschiffe fanden in der Föderation keine vergleichbaren Fluggeräte. Selbst die größten Kugelraumer denebischer Bauart hätten dieser Flotte keinen Respekt eingeflößt. Thomas merkte, dass er laut gedacht hatte, als Nora ihn auf die arkonidischen Raumer hinwies, deren größter, die Arkonia, immerhin einen Durchmesser von zweitausendfünfhundert Metern hatte. Thomas stutzte.

„Nora, was für eine Feuerkraft hat der Arkonidenkreuzer?“, fragte er plötzlich.

„Mindestens so stark wie zwei von den Dingern da draußen“, erwiderte sie und beobachtete den Schweißstrahl, mit dem Lewis Decker gerade das Hangartor versiegelte.

„Man könnte die Burschen damit vermutlich erschrecken?“, mutmaßte Thomas. Nora sah sich kurz um.

„Worauf du deinen ganzen Planeten verwetten kannst!“, versetzte sie. Thomas nickte nur. Er wartete, bis Decker mit den Schweißarbeiten fertig war. Dann rief er ihn an.

„Brücke an Maschine.“

„Hier Decker. Was gibt’s?“

„Gute Arbeit, Lewis. Die Naht sieht prima aus.“

„Danke, Chef.“

„Lewis, wie groß können wir die Phobos aussehen lassen?“

„Mit den Illusionsprojektoren, meinst du? Och, so etwa viertausend Meter Durchmesser schaffen wir locker. Zur Kampfstation langt’s leider nicht, falls du das meinen solltest. Von den sechs Projektoren sind leider drei ausgefallen. Da sind ein paar Transponder durchgeschmort.“

„Muss auch nicht sein. Sobald die Schweißarbeiten abgeschlossen sind, verwandeln wir uns in einen arkonidischen Kugelraumer der Arkonia-Klasse. Aber lass’ dir Zeit mit dem verschweißen. Es ist wichtiger, dass sie uns nicht mit Jägern ärgern können.“

Decker verschweißte weiterhin die Hangartore. Kwiri, der Thomas ablösen wollte, kam verfrüht auf die Brücke.

„Hallo, wie weit seid ihr?“, fragte er.

„Hallo, Kwiri. Lewis verschweißt gerade das vierte Tor. Wenn alles klappt, sind sie in zehn Minuten unfähig, ihre Jäger zu starten.“

„Sofern sie es nicht vorher tun“, warnte Kwiri. „Sieh mal, da drüben!“, setzte er hinzu und wies auf einen Sternzerstörer im Bereich der Marovia.

Auf der Brücke der Salmanda hatte der Raumüberwachungsoffizier eine seltsame Störung in einem bestimmten Wellenbereich bemerkt und Commander Mandon unterrichtet.

„Prüfen Sie das mit dem Massetaster!“, befahl der Commander.

„Sir, das habe ich schon versucht. Damit finde ich nur Wellensalat. Es sind vierzehn andere Sternzerstörer im Abtastbereich. Darf ich einen Vorschlag machen, Sir?“

Mandon nickte.

„Ich würde vorschlagen, ein Geschwader Jäger zu starten, das die Umgebung unseres Rumpfes untersucht, Sir.“

Als er die zweifelnde Miene des Commanders bemerkte, setzte er rasch hinzu:

„Wenn sie nichts finden, ist jedenfalls gesichert, dass unsere Landungsschiffe sicher durchkommen, Sir.“

Das überzeugte auch Commander Mandon, und er gab entsprechende Befehle.

Inspektor Carins Maschinist war gerade dabei, seinen Schweißlaser neu zu kalibrieren, als direkt vor dem getarnten Schiff die noch unbearbeitete Hangarklappe der Salmanda aufging und ein Schwarm von Jägern aus dem Hangar schoss.

„Deflektorschirme!“, befahl Carin erschrocken – aber es war zu spät. Fünf oder sechs der ahnungslosen Jägerpiloten steuerten direkten Kollisionskurs mit der zwar getarnten, aber ungeschützten Marovia. Noch ehe die Deflektoren eine genügende Stärke erreichten, prallten die Jäger auf einen nicht sichtbaren Widerstand und explodierten zusammen mit dem ungesehenen Schiff, mit dem sie zusammengestoßen waren. Die Explosion war so stark, dass sie noch fünf andere Jäger vernichtete und drei weitere gegen die Boden-Turbolaser-Batterien der Salmanda schleuderte.

„Was war das?“, fragte Mandon erschrocken, als eine Vibration durch das Riesenschiff ging, die in der gegenwärtigen Situation ungewöhnlich war. Der Raumüberwachungsoffizier forschte über alle Sensoren.

„Die Bodengruppe der Sensoren ist komplett ausgefallen, Sir. Auch die Batterien sieben und acht der Bodenverteidigung sind ausgefallen. Kein Kontakt zum Jägergeschwader.“

„Rufen Sie die Victoria. Die müssten sehen können, was sich unter uns tut.“

Der Raumüberwachungsoffizier führte den Befehl aus. Die Victoria meldete sich rasch:

„Hier Sternzerstörer Victoria.“

Victoria, hier ist die Salmanda. Unsere Bodensensoren sind ausgefallen. Können Sie unter uns etwas erkennen?“, fragte Mandon.

Salmanda, unter Ihnen hat es eine Reihe heftiger Explosionen gegeben. So, wie es aussieht, ist Ihr Geschwader Jäger, das eben gerade gestartet wurde, völlig zerstört worden!“, gab der Kommunikationsoffizier nach kurzer Zeit zur Antwort. Mandon und sein Raumüberwacher sahen sich verstört an.

„Ist hier ein Kraftfeld?“, fragte Mandon besorgt. „Victoria, können Sie hier ein Kraftfeld feststellen?“, hakte er nach, als er nicht sofort Antwort bekam.

„Moment, Salmanda. Wir messen noch“, beruhigte ihn der Kommunikationsoffizier der Victoria.

Salmanda, wir orten kein Kraftfeld unter Ihnen“, kam schließlich die Antwort. Mandon rieb sich zweifelnd das Kinn.

„Warum, zum Teufel, explodieren meine Schiffe einfach? Dafür muss es doch eine Erklärung geben!“, brummelte er.

„Sir, haben die Rebellen nicht auch Tarnfelder?“

„Ja, aber was sollten … Lieutenant Kalmot, Sie könnten Recht haben. Victoria?“

„Ja, Salmanda?“

„Vielleicht sind es getarnte Schiffe oder so etwas. Prüfen Sie doch bitte, ob irgendwo anders Kraftfelder sind.“

„Die Föderation verfügt an sich nicht über Tarnfelder. Und die Tarnfelder der Rebellen können wir mit unseren Mitteln nicht erfassen“, gab der Kapitän der Victoria zurück. „Aber wir suchen nach den anderen Arten von Kraftfeldern“, setzte er dann hinzu.

„Verd…“, fluchte Thomas unterdrückt, als er die Marovia und die Jäger in einer Feuerwolke zerplatzen sah. Dieses Unglück war in seinem Plan nicht vorgesehen.

„Zurück!“, sagte Kwiri neben ihm. „Brich den Angriff ab. Es hat im Moment keinen Sinn. Wenn sie uns aufspüren, sind wir fällig.“

Thomas nickte, zwar nur halb überzeugt, aber er sah ein, dass ihre Chancen jetzt überaus schlecht waren, die Sternzerstörer zu überlisten.

„Kommissar Marsden?“

„Ja, Commander?“, meldete sich der Polizeikommandant über Funk.

„Haben Sie’s gesehen?“, erkundigte sich Thomas.

„Allerdings!“, schnaufte Marsden. „Weitermachen und es den Kerlen heimzahlen?“

„Nein. Wir lösen uns von der Flotte und ziehen uns ein Stück zurück – in den Schatten von Macros äußerem Mond. Dort können uns ihre Nahscanner nicht mehr erfassen. Mit denen könnten sie eventuell unsere Tarnung entdecken.“

 

 

Kapitel 17

David und Goliath


Die beiden Föderationsschiffe zogen sich vorsichtig aus der Flotte der Sternzerstörer zurück und erreichten den äußeren Mond des Planeten. Sie hielten sich im Sichtschatten des Trabanten auf, um von der imperialen Flotte nicht entdeckt zu werden.

„Wir können Macros nicht den Imperialen überlassen!“, knurrte Thomas. Kwiri sah ihn mitleidig an.

„Wir haben ein Problem und das heißt Unterzahl, Thomas. Wir sind zwei Föderationsschiffe und wir haben dort fünfzehn Sternzerstörer, vergiss das nicht“, mahnte der Kapitän.

Nora sah den Commander an.

„Hattest du vorhin nicht was von Illusionsprojektoren gesagt?“, erinnerte sie ihn. Thomas nickte.

„Ja“, sagte er dann mit deutlichem Seufzen, „hatte ich. Ich frage mich nur, ob die Imperialen sich wirklich erschrecken lassen. Falls nein, werden wir das Echo nicht vertragen.“

„Und wenn wir die Radome manuell ausschalten?“, schlug die Amazonierin vor.

„Was meinst du damit genau?“

„Nun, wenn wir uns anheften – so wie wir das schon mal an der Megara gemacht haben, einen Trupp in Raumanzügen zu den Feuerleitstationen schicken und sie zerstören – mit Haftladungen?“, empfahl sie. Als sie Thomas zweifelnde Miene sah, setzte sie hinzu:

„Ich bin bereit, das zu machen.“

Thomas antwortete nicht sofort und programmierte den Holoprojektor in der Messe, wo er sich mit seinen Senioroffizieren befand. Eine kugelförmige Projektion zeigte den Planeten Macros, die von der imperialen Raumseite her angreifenden Sternzerstörer und die weitere Raumumgebung. In Richtung Megara war der Raum frei.

„Wir haben insgesamt zwölf Sternzerstörern die Luken zugeschweißt. Drei bleiben also noch, die gefährlich sind, weil sie noch Jäger starten können. Ein Geschwader ist hin, macht noch siebzehn, die uns plagen könnten. Immer noch ein unmögliches Verhältnis“, brummte er.

„Lewis, kriegen wir einen Schutzschirm hin, an dem die Biester zerschellen?“, fragte er schließlich. Lewis Decker grinste über das ganze Gesicht.

„Wenn du mir eine Stunde zum basteln lässt, kriege ich den Radius unseres Hauptdeflektors so ausgeweitet, dass er einen arkonidischen Kugelraumer umfassen könnte.“

„Gut. Noch was: Wenn man einen Doppelpack unserer Protonentorpedos einem Sternzerstörer unten in die Hauptschleuse schießt – was passiert dann?“

„Unter der Voraussetzung, dass er seinen Deflektor nicht aktiviert hat, reißen die Torpedos die Hülle auf und zerstören das Hauptlandedeck. Die Geschwader sind außer Gefecht. Willst du den Raumer zerstören, nimm dir diese Kuppel vor“, empfahl Decker und vergrößerte einen der Sternzerstörer. Die Hangarbucht befand sich knapp vor dem Mittelpunkt des dreieckigen Schiffs. Ein gutes Stück dahinter war etwa fünfhundert Meter vor dem Heck eine rund einhundertfünfzig Meter durchmessende Kuppel sichtbar, die nach unten aus dem Riesenschiff ragte.

„Über dieser Beule befindet sich der Hauptreaktor des Sternzerstörers. Wenn einer unserer Torpedos dort einschlägt, gibt’s ‘n Feuerwerk, das sieht man bis nach Megara.“

„Es sind drei, die uns gefährlich werden können. Und sie liegen nahe zusammen. Lewis, mach’ mir ein Shuttle mit Torpedos klar.“

Decker grinste über das ganze Gesicht.

„Auch ‘ne Methode, ein drittes Kampfschiff zu bekommen. Soll ich den Hobel fliegen?“, erkundigte sich der Maschinist.

„Nein, das mache ich selbst. Lawida, Sie übernehmen die Phobos.“

„Moment“, bremste Kwiri. „Thomas, du bist Kommandant der Phobos. Die Dienstvorschriften verbieten dir, in einer Kampfsituation ein praktisch ungeschütztes Shuttle zu benutzen.“

„Die Dienstvorschriften der Föderation verbieten es jedem Besatzungsmitglied, ein praktisch ungeschütztes Shuttle im Kampf zu benutzen“, versetzte Thomas. „Kwiri, wir müssen tunlichst zugleich zuschlagen, damit die Imperialen gar nicht merken, mit wie wenig Gegnern sie es eigentlich zu tun haben. Wir sind aber nur noch zu zweit. Auch, wenn die drei noch gefährlichen Sternzerstörer dicht zusammenliegen, brauchen wir drei Schiffe, um sie fertigzumachen. Natürlich ist es mordsgefährlich, in so einer Situation ein Shuttle zu nehmen, das zwar über eine Tarneinrichtung, aber nicht über einen wirksamen Deflektor verfügt. Aber ich führe die Verrücktheiten, die ich mir ausdenke, auch selber aus. Das kann ich keinem befehlen. Ich hätte sogar ein schlechtes Gewissen, wenn ich nach Freiwilligen für so eine Mission fragen würde.“

„Würdest du bitte ins Logbuch aufnehmen, dass ich dich auf die Dienstvorschriften in dieser Angelegenheit hingewiesen habe?“, bat Kwiri. Thomas nickte und machte einen entsprechenden Logbucheintrag.

„Also, Leutnant Lawida, Sie übernehmen das Kommando der Phobos. Kapitän Swin und Kapitän Kulibos werden Ihnen freundliche Hilfestellung geben und nötigenfalls das Kommando übernehmen. Ich gebe auf der normalen Funkfrequenz ein Peilsignal durch, damit Sie mich wiederfinden.“

„Commander, Kapitän Swin hat Recht, wenn er auf die Vorschriften verweist …“, wehrte Lawida ab.

„Zum Diskutieren haben wir jetzt keine Zeit, Leutnant. Sie übernehmen die Phobos, bis ich wieder zurück bin, verstanden?“, schnitt Thomas seinem Ersten Offizier ungewohnt harsch das Wort ab.

„Thomas, denk’ dran, was der Admiral dir gesagt hat: Es ist kein Computerspiel!“, warnte Suli Kulibos.

„Haltet ihr mich eigentlich für ein Wickelkind?“, fauchte Thomas.

„Nein, mein Schatz – nur für Captain Kirk oder so was Ähnliches. Du, das ist Krieg da draußen!“, erinnerte Gabi ihn.

„Ja, meint ihr, das wüsste ich nicht? Liebe Leute: Da draußen sind fünfzehn Sternzerstörer, die Macros, einen Planeten der Föderation, mit Lasergeschützen angreifen! Wir sind zwar nur zwei Kreuzer der Föderation, aber es ist nun mal unser Job, jeden bedrohten Planeten der Föderation vor Angriffen zu schützen. Kann sein, dass wir nicht viel ausrichten, aber ich würde mich den Rest meines Lebens in Grund und Boden schämen, wenn ich einfach das Hasenpanier ergreife!“, fuhr Thomas seine Freunde an. „Und jetzt geht mir aus dem Weg!“, schob er Suli beiseite.

Die imperialen Raumüberwachungsoffiziere maßen immer wieder um die Salmanda nach, aber außer den inzwischen sichtbar gewordenen Trümmern der Marovia konnten sie nichts entdecken.

„Nichts, Sir. Nur die Trümmer von dem einen Schiff“, meldete Lieutenant Kalmot seinem Kapitän.

„Ich glaube einfach nicht, dass nur das eine da war. Macros hat zwar offiziell keine Kampfschiffe, aber die Achte Flotte kann sich nicht in Luft aufgelöst haben. Es könnte eine Finte sein, dass wir uns die Ladeenergie der Laser erst am Schutzschild erschöpfen sollen, damit wir nicht mehr über geeignete Abwehrkräfte verfügen, wenn sie die Flotte starten. Kommunikation, geben Sie mir den Flottenchef.“

Der Kommunikationsoffizier schaltete eine Verbindung zum Flaggschiff. Commander Mandon trug seine Beobachtungen und Vermutungen vor.

„Ich bitte um die Erlaubnis, eine weitere Staffel Abfangjäger einsetzen zu dürfen, Sir, um zu überprüfen, ob die Föderalen entgegen unseren bisherigen Feststellungen doch Maschinen gegen uns einsetzen.“

„Wir können keine Aktivitäten auf Macros feststellen, die darauf hindeuten, dass sie Schiffe starten oder nur in Bereitschaft bringen. Sie werden Ihren Platz im Rahmen der befohlenen Formation beibehalten und keine weiteren Jäger starten, Commander Mandon!“, wies der Admiral den Kommandanten an.

„Ja, Sir! Zu Befehl, Sir!“, bestätigte Mandon zähneknirschend den Befehl, der ihm nicht passte.

Admiral Vlanders, der Flottenchef des Angriffsverbandes, setzte sich wieder in seinem Sessel zurecht, als ihn plötzlich eine gleißend helle Explosion blendete. Instinktiv schützten sich alle, die im Sichtbereich des Hauptschirms waren.

„Bei den Göttern von Pollicus! Was war das?“, entfuhr es dem Admiral, als sich die Explosionshelligkeit wieder verzog. Eilig überprüfte der Raumüberwachungsoffizier die Koordinaten, an der die Explosion stattgefunden hatte.

„Die Cavorra ist von allen Anzeigen einfach verschwunden!“, meldete er schließlich.

„Das kann nicht sein!“, entfuhr es dem Admiral. „Waffenoffizier: Sofort eine Staffel Abfangjäger zur Überprüfung der Abtaster-ergebnisse ‘rausschicken!“, befahl er dann. Der Waffenoffizier bestätigte – und wurde plötzlich kreidebleich.

„Sir! Admiral! Das Haupthangartor lässt sich nicht öffnen!“

Der junge Waffenoffizier hatte es kaum ausgesprochen, als zwei weitere Sternzerstörer in gewaltigen Blitzen auseinanderbrachen.

„Mit was schießen die?“, fragte Vlanders mit blankem Entsetzen im Gesicht. Der Waffenoffizier schüttelte den Kopf.

„Ich kann nichts feststellen, Sir. Keine abweichende Strahlung, keine Laserstrahlen vom Planeten, nichts.“

„Ruder: Angriff abbrechen! Kurs Pollicus! Kommunikation: Geben Sie mir die Kommandanten der anderen Schiffe!“

Der Kommunikationsoffizier schaltete die verbliebenen Kommandanten auf eine Konsole vor dem Admiral, wo sie als kleine Hologramme erschienen. Die Plätze der Salmanda, der Cavorra und der Maldawia blieben leer.

„Die Föderation muss über geheime Waffen verfügen. Brechen Sie den Angriff sofort ab! Kurs Pollicus!“, befahl Admiral Vlanders hektisch.

Thomas hatte das Gefühl, dass nur noch Adrenalin durch seine Adern floss, als er seine beiden Torpedos auf den vor ihm befindlichen Sternzerstörer abfeuerte. Er hatte gerade noch Zeit, den Namen zu entziffern, bevor das Schild von der Reaktorexplosion zerrissen wurde: Cavorra. Eilig drehte er von den auseinanderstiebenden Trümmern des Sternzerstörers ab, damit sein kleiner Shuttle nicht von den Partikeln getroffen wurde. Nur Sekunden später zerbarsten auch die Salmanda und ein weiterer Sternzerstörer, dessen Namen Thomas von seinem Shuttle aus nicht erkennen konnte. Hansen erwischte sich bei einer allzu triumphalen Bewegung – zwei geballten Fäusten und angewinkelten Armen – die eher in einer Spielhölle am Platze gewesen wären, nicht aber in einem ernsthaften Kampf. Immerhin hatten die Torpedos mehr als hunderttausend Tote verursacht. Als Thomas sich Letzteres klargemacht hatte, verwandelte sich das Adrenalin in seinen Adern scheinbar in Teer. Keine Euphorie, kein Triumphgefühl mehr, nur noch Leere und eine Menge Schuld.

Deine Entscheidung hat hunderttausend Leute das Leben gekostet, Thomas Hansen. In deiner Panik hast du alles verdorben, was du dir vorgenommen hast. Jetzt ist der Krieg wirklich nicht mehr abzuwenden – und du hast ihn ausgelöst! Trottel!’, schimpfte er sich in Gedanken. Doch dann sah er etwas, was er überhaupt nicht erwartet hatte: Die Sternzerstörer stellten plötzlich ihr Feuer ein, machten kehrt und zogen sich eilig aus dem Sternsystem zurück.

„Shuttle an Phobos: Hab’ ich Halluzinationen oder ziehen die wirklich ab?“, fragte er über Funk nach.

„Sie sehen richtig, Gaul!“, jubelte Lawida – ganz untypisch für ihn – in die Sprechanlage.

„Überprüfen Sie den Raum, ob die Imperialen etwas getarnt zurückgelassen haben. Ich komme um vereinbarten Treffpunkt. Wenn Sie nichts finden, dann in zwei Minuten sichtbar machen. Shuttle Ende.“

„Verstanden. Phobos Ende.“

Gabi suchte den umgebenden Raum mit Massetaster und Tarnsensoren ab, fand aber nichts.

„Der Raum ist frei, Gaul“, meldete sie.

„Danke, Fähnrich. Oberleutnant Rosok, öffnen Sie den kleinen Hangar, damit Commander Hansen landen kann.“

„Ja, Gaul“, bestätigte die Amazonierin. Es gab Zeiten, da musste sie sehr schlucken, um Lawida als stellvertretendem Kommandanten diese Anrede zuteilwerden zu lassen. Schließlich war er im Rang niedriger als sie. Andererseits, so sagte sie sich jedes Mal in solchen Fällen, hatte sich Lawida um den Posten des Ersten Offiziers beworben und hatte ihn bekommen. Dieser Weg hatte ihr ebenso offen gestanden. Rein vom Dienstgrad her hätte sie vor Lawida den Vorzug erhalten. Aber als der Job ausgeschrieben worden war, hatte sie eigentlich die Absicht gehabt, den Dienst bei der Flotte zu quittieren. Auf die Phobos war sie eigentlich nur aus Freundschaft zu Thomas gekommen. Dass sie die Flotte nicht verlassen hatte, war ebenfalls Thomas Hansen zuzuschreiben, der sie überredet hatte, den Beruf, den sie wirklich ausfüllte, nicht wegzuschmeißen. Nora Rosok sah sich verstohlen um. Wenn Lawida die Phobos je als Kommandant übernahm, musste er sich mindestens einen neuen Piloten suchen. Freiwillig würde sie nicht unter seinem Kommando bleiben. Dafür war der Sulukaner zu steif, zu ernst, zu hellsichtig. Wie vielen anderen Wesen der Föderation war der Amazonierin die Fähigkeit der Sulukaner, Gedanken zu lesen, einfach unheimlich. Sie bewunderte Thomas’ Fähigkeit, sich die Besonderheiten der in der Föderation vertretenen Rassen zunutze zu machen und damit eine Raumschiffbesatzung zusammenzustellen, die in der Galaxis ihresgleichen suchte. Niemand anderes hätte sich je getraut, eine derart bunte Mischung von Rassen auf einem Schiff zusammenzubringen.

Eine Anzeige auf ihrem Instrumentenbrett weckte Nora aus ihren Gedanken.

„Shuttle ist gelandet. Druckausgleich wird hergestellt“, meldete sie.

„Danke. Überwachen Sie bitte, ob die Ausgleichsfunktionen intakt sind“, erwiderte Lawida.

„Alle Systeme intakt. Commander Hansen hat den Aufzug erreicht“, gab Nora zurück. Nur wenige Sekunden später gab Fähnrich Calmor, ein sagronischer Offizier im Austausch, bekannt:

„Kommandant auf der Brücke!“

Alle Brückenoffiziere drehten sich zum Lift I um. Lawida stand ohne Aufforderung auf, um Thomas in seinen Sessel zu lassen. Der Commander nahm Platz.

„Danke, Asnar. Status?“

„Alle Systeme in vollem Betrieb, Gaul.“

„Gut. Gabi, versuch’s doch bitte noch mal mit Macros. Kannst du Funkverbindung bekommen?“

„Ich habe es schon probiert“, grinste Gabi. „Möchtest du den Präsidenten haben?“

„Wen du gerade an der Angel hast.“

Gabi schaltete durch und das blass grüne Gesicht des Föderationspräsidenten erschien auf dem Hauptbildschirm.

„Commander Hansen! Sie und Ihre Mannschaft schicken die Götter von Mingon! Bitte, unternehmen Sie etwas!“

„Guten Tag, Präsident Sulukum. Funktionieren die Radaranlagen von Macros noch?“

„Leider nein.“

„Dann erfahren Sie’s von mir: Die fünfzehn imperialen Sternzerstörer, die Macros unter Feuer hatten, haben abgedreht, nachdem es uns – Kommissar Marsden, Inspektor Carin – ihm und seiner Mannschaft sei Gott gnädig – und uns – gelungen ist, drei der Angreifer zu zerstören. Gibt es noch eine Möglichkeit, auf Macros zu landen?“

Der eben noch völlig verzweifelt wirkende Präsident lebte auf.

„Und wenn es im Moment keine geben sollte, werden wir für Sie und Ihre Besatzung eine herrichten“, versprach Sulukum.

„Wir kommen nicht allein. Kommissar Marsden und seine Mannschaft haben ebenso großen Anteil wie die Phobos und ihre Besatzung“, erinnerte Thomas.

„Es wird für einen entsprechenden Empfang gesorgt werden, Commander. Das kann ich Ihnen im Namen der macronischen Regierung versprechen“, schaltete sich Khan Kharwas Khaolot ein, der Präsident von Macros. „Wir geben Ihnen die Landekoordinaten für den Autopiloten gleich durch.“

Nora gab die Landekoordinaten in den Computer ein und lehnte sich zurück, als die Phobos sanft auf die programmierte Umlaufbahn einschwenkte und sich langsam der Planetenoberfläche von Macros näherte.

„Schätze, die werden uns die Füße küssen“, mutmaßte sie. Als sie keine zustimmende Bemerkung von Thomas hörte, drehte sie sich um.

„Meinst du nicht, Chef?“, hakte sie nach.

„Vielleicht – wenn die Bedrohung ernsthaft abgewendet ist. Wenn die Imperialen uns mit gröberen Geschützen attackieren, werden sie mich vierteilen“, erwiderte Thomas. „Und sollte die Föderation in diesem Konflikt unterliegen, werden die Imperialen mich zum Kriegsverbrecher stempeln.“

„Im Krieg kämpft jeder mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln“, widersprach Nora. „Was sollte an diesem Kampf verbrecherisch sein?“

„Wir haben uns nicht zu erkennen gegeben, haben aus der Tarnung heraus ohne jede Warnung angegriffen“, erklärte Thomas.

„Ich sehe immer noch nicht, was daran falsch sein sollte. Wenn wir offen auf die Imperialen zugeflogen wären, sie höflich gebeten hätte, hier zu verschwinden, hätten sie uns zu Sternstaub zerblasen und Macros weiter attackiert. Das halte ich viel eher für ein Verbrechen: einen unbewaffneten Planeten anzugreifen, der nur über einen Defensivschild verfügt“, versetzte Nora.

„Das gilt, wenn die Föderation in einer möglichen Auseinandersetzung Erfolg hat, Nora. Das Imperium, denke ich, kann man nicht mit den in der Föderation gültigen Maßstäben messen. Es ist ein totalitäres Regime, das in reiner Willkür handelt. Wenn das Imperium gewinnt, gilt nur dessen Wahrheit und Gesetz. Es wird für uns dann kaum schön aussehen, glaub’ mir“, erwiderte Thomas.

„Wenn ich das recht interpretiere, meinst du, dass eine Auseinandersetzung mit dem Imperium eine Angelegenheit auf Leben und Tod ist?“, erkundigte sich Gabi. Thomas nickte.

„Genau das. Wenn die jetzt nicht von sich aus kleinbeigeben, dann wird es unter dem Strich nur noch einen von beiden geben: Die Föderation oder das Imperium, aber nicht mehr beide nebeneinander“, antwortete Thomas. „Es sei denn, es geschieht ein Wunder und die Föderation erklärt sich bereit, mit den Republikanern gemeinsame Sache zu machen. Dann könnte es am Ende die Neue Republik und die Föderation als friedliche Nachbarn geben“, setzte er seufzend hinzu.

„Oh, Schei… …benkleister!“, fluchte Gabi unterdrückt. Thomas zuckte herum.

„Was ist?“

„Ich hab’ grad’ mal Galaxnet abgerufen. Seht euch das an: Erde, Amazonia, Micronor und Canela haben sich für neutral erklärt und ihre Truppen aus den Föderationsstreitkräften zurückgezogen!“, keuchte Gabi.

„Das heißt: Was auch immer wir für einen Empfang bekommen: Alle Angehörigen dieser Völker hier an Bord haben ‘ne Menge Ärger am Hals!“, prophezeite Thomas.

„Können wir hellsehen – abgesehen von unseren Sulukanern, natürlich?“, fragte Nora mit einer Handbewegung zu Leutnant Lawida.

„Man wird uns vorwerfen, den Befehl ignoriert zu haben“, erwiderte Hansen.

„Ich habe keinen Befehl bekommen, die Phobos zu verlassen“, widersprach die Amazonierin. „Und sonst wüsste ich hier auch keinen, der einen solchen Befehl erhalten hat.“

„Nora hat Recht. Wir waren doch gar nicht zu erreichen!“, protestierte Gabi. „Und diese Notiz hier im Galaxnet, die habe ich mehr zufällig gefunden.“

„Dass man uns den Ärger ungerechtfertigter Weise machen wird, ist ‘ne andere Geschichte. Aber wir werden ihn zunächst mal haben. Verlasst euch drauf. Sucht schon mal nach guten Argumenten“, gab Thomas zurück. „Gabi, speichere die Notiz mit genauem Datum und Standardzeit, damit wir wenigstens etwas in der Hand haben“, wies er sie dann an. Gabi nickte und gab die Notiz auf Bordbuch. Dass sie die Notiz aus dem Galaxnet abgerufen hatten, war nicht zu leugnen. Galaxnet zeichnete alle Abrufe auf. Die Behauptung, die Notiz sei nicht bekannt, weil man nicht nachgeschaut habe, wäre deshalb schnell als Lüge entlarvt worden.

Der Empfang auf Macros war überwältigend. Präsident Sulukum und Khan Kharwas Khaolot erwarteten die Besatzungen der Phobos und der Ocrama mit einer Ehrenformation der macromanischen Präsidentengarde, die die Hymne der Föderation intonierte, als die Besatzungen über den rasch ausgelegten roten Teppich zum Empfangsgebäude des Raumhafens gingen. Sulukum persönlich schüttelte jedem der Besatzungsmitglieder die Hand.

„Kapitän Hansen, ich beglückwünsche Sie und Ihre Besatzung zu der großartigen Leistung“, sagte er schließlich zu Thomas.

„Danke, Herr Präsident. Aber ich bitte Sie, in Ihr Lob auch Kommissar Marsden und seine Besatzung einzubeziehen. Sie haben genauso viel Anteil wie die Besatzung der Phobos“, erwiderte Thomas. Dann stutzte er.

„Herr Präsident, ich glaube, Sie haben mich …“

„… eben gerade befördert. Genau das, Kapitän“, grinste der alte Deneber. „Und nun wäre ich geehrt, wenn Sie bei dem Bankett, das Khan Kharwas Khaolot für Sie und Ihre Mannschaft und die der Ocrama arrangiert hat, neben mir sitzen würden.“

 

Kapitel 18

Entscheidungen


Ich würde mich gern noch mit Ihnen allein unterhalten, Kapitän Hansen“, sagte der Präsident nach dem Hauptgang. Thomas schluckte den Bissen schwer herunter. Er war der Kommandant der
Phobos, also trug er allein die Verantwortung für das, was durch die Phobos geschah.

„Wann?“, fragte er kurz.

„Ich denke, wir sollten uns nach dem Bankett unterhalten, Senator und Kapitän. Ich erwarte Sie nachher in der megaranischen Vertretung hier auf Macros.“

Fortan war Thomas – sah man von seiner Erwiderung auf den Toast des Khans vor dem Servieren der Nachspeise ab – recht schweigsam.

„Was hast du?“, fragte Gabi schließlich. Thomas seufzte.

„Ganz genau kann ich dir das noch nicht sagen. Präsident Sulukum will mich nach dem Essen allein sprechen. Ich weiß noch nicht, was er von mir will. Auf der einen Seite haben wir – ich – eindeutige Befehle unserer planetaren Regierungen missachtet, andererseits habe ich eben gerade meine Beförderung bekommen“, erwiderte er so leise, dass der in ein Gespräch mit dem Khan vertiefte Präsident es nicht hören konnte.

„Dann nehme ich nicht an, dass er dir den Kopf abreißen wird“, beruhigte Gabi ihn. Sie kannte das. Schon bei Sperling hatte Thomas diese Anflüge von nagenden Zweifeln gehabt, wenn die Abteilungsleiterin ihn zu sich bestellt hatte. Meist war er mit dem Gefühl hingegangen, irgendetwas ausgefressen zu haben. Zwar hatte sich seine Befürchtung in etwa siebzig Prozent aller Fälle nicht bestätigt, aber dreißig Prozent Fußtritt langte dem innerlich recht sensiblen Thomas völlig. Und in diesem Falle … Nun, eine Rüge war das mindeste, was er erwarten musste. Und dann gab es die alte Geschichte des Prinzen von Homburg, der gegen eindeutige Befehle handelnd einen grandiosen Sieg errungen hatte – und dafür hart bestraft worden war. Thomas glaubte sich in einer ähnlichen Situation.

Mit flatternden Magenwänden ging Thomas nach dem Bankett zum Präsidenten in das megaranische Konsulat, das im Haus gegen­über war. Zu seiner Überraschung empfing Sulukum ihn mit einer herzlichen Umarmung.

„Kapitän Hansen, ich bin unendlich dankbar, dass Sie und Ihre Besatzung die fälschlicherweise verbreitete Neutralitätserklärung der meisten ihrer Heimatplaneten schlichtweg ignoriert haben.“

„Nun, nicht gerade ignoriert“, erwiderte Thomas und setzte sich auf den angebotenen Platz. „Eher sehr spät entdeckt, nämlich erst nachdem die Sternzerstörer abzogen. Tut mir Leid, wenn ich das Heldentum der Auflehnung gegen unsere planetaren Regierungen deutlich schmälern muss.“

Sulukum schüttelte den Kopf.

„Nein, Sie brauchen nicht um Entschuldigung zu bitten. Weder dafür, die Neutralitätserklärung nicht beachtet zu haben, noch dafür, sie nicht rechtzeitig gesehen zu haben. Die Föderationsregierung hat die planetaren Regierungen zur Rücknahme der Neutralitätserklärungen aufgefordert und bekam zur Antwort, dass man sich nie für neutral erklärt habe. Galaxnet hat eine Falschmeldung verbreitet, die militärischen Zentralcomputer der betreffenden Planeten waren gehackt worden und die Befehle an die planetaren Militärs, abzuziehen, von den Eindringlingen gefälscht worden. Leider ist Admiral Luk-Sun darauf hereingefallen und hat Palavor deswegen aufgegeben. Wir haben inzwischen herausgefunden, dass auch Galaxnet getäuscht wurde. Raten Sie mal, von wem!“

„Doch nicht etwa unser aller Freund Gribor? Meine Güte, der ist schon seit Tagen im Nirwana und seit längerer Zeit nicht mehr im Gebiet der Föderation aktiv. Wie soll er das bewerkstelligt haben?“

„Nun, das Galaxnet ist seit dem Kooperationsvertrag zwischen Imperium und Föderation von beiden Seiten zugänglich. Unsere Experten haben den Weg verfolgen können und festgestellt, dass die Nachricht von der imperialen Seite her ins Netz transferiert wurde. Gribors Tätigkeit in dieser Hinsicht ist einige Monate alt. Er hat den Imperialen die Zugangscodes für die Eingaben verschafft, wie der Galaktische Abwehrdienst entdeckt hat. Gribor ist eine ernsthafte Gefahr für uns.“

Thomas lächelte kühl.

„In der Hinsicht kann ich Ihnen eine erfreuliche Mitteilung machen, Herr Präsident: Kilma Gribor wird kein Unheil mehr anrichten. Er ist bei dem Versuch, Leutnant Lawida zu töten, selbst umgekommen.“

Sulukum atmete sichtbar auf.

„Wenigstens davor brauchen wir uns nicht mehr zu sorgen. Noch mal zu der angeblichen Neutralität: Der Admiral schämt sich in Grund und Boden, aber er hat alles getan, was ihm möglich war, um den Wahrheitsgehalt der Meldung und der Abzugsbefehle zu prüfen. Sein Funkverkehr wurde wirksam gestört, so dass er auch keine der Zentralwelten erreichen konnte. Ihm ist in keiner Weise ein Vorwurf zu machen.“

„Das beruhigt mich zwar, aber es ist unbestreitbar, dass wir den Krieg haben, den wir einmal nur mit viel Mühe verhindert haben.“

„Sie sind der Auffassung, die Imperialen kommen wieder?“

„Alles andere würde mich sehr wundern. Sie sind jetzt zwar abgezogen, doch fürchte ich, dass sie demnächst in größerer Stärke auftauchen werden. Ich halte es immer noch für ein Wunder, dass es uns gelungen ist, sie überhaupt zum Rückzug zu bewegen. Normalerweise wären unsere drei, später zwei Schiffe keine Gegner für fünfzehn Sternzerstörer gewesen“, erwiderte Thomas.

„Nun, Sie haben ein wirksames Mittel gegen sie in der Hand, Kapitän. Sie können sie im getarnten Zustand angreifen.“

„Sagen wir: Diesmal hat’s geklappt, weil ich die Frequenzen der Deflektorschirme an den neuralgischen Punkten kannte. Wenn sie wirklich klug sind, werden sie alternierende Deflektoren einbauen, womit ein Durchschießen dann nicht mehr möglich sein wird.“

„Vielleicht“, räumte der Präsident ein. „Aber das setzt voraus, dass die Imperialen auf die Idee kommen, jemand anderes könnte ihre Schildfrequenzen kennen. Besteht diese Möglichkeit?“

„Das hängt davon ab, ob mein Informant vom imperialen Geheimdienst erwischt wird. Es wäre jedenfalls nicht ungefährlich, sich auf diese Möglichkeit zu verlassen, Herr Präsident.“

„Was würden Sie empfehlen?“

„Ich denke, es wäre besser, wenn die Föderation nicht allein da­stünde. Wenn wir ein Bündnis mit den Rebellen im Imperium eingehen würden, hätte das Imperium den Nachteil eines Zweifrontenkrieges, weil die Rebellen am anderen Ende des imperialen Raumes operieren. Zudem haben sie eine Menge von Informationen über die imperiale Flotte, die uns sehr nützlich sein könnten.“

„Meinen Sie, dass es Sinn hätte, die Rebellen zu einem solchen Bündnis zu bewegen?“

„Ich hatte Kontakt zu ihnen, Herr Präsident. Sie sind mehr als nur interessiert. Eine Allianz mit der Föderation wäre für die Rebellen ebenso lebenswichtig wie für uns.“

„Würden Sie sie für tüchtige Verbündete halten?“

Thomas überlegte einen Moment, ob er dem Präsidenten vom „Kinobesuch“ auf Avalon erzählen sollte, entschied sich dann aber dagegen.

„Ja, Herr Präsident“, antwortete er schlicht. Sulukum sah ihn fragend an.

„Ihre Flotte besteht zwar aus alten Schiffen, aber die Besatzungen sind ausgebildete Soldaten. An der Zuverlässigkeit dieser Verbündeten hätte ich keine Zweifel“, erklärte Thomas. Sulukum sah ihn eine Weile an, schien zu überlegen.

„Senator – glauben Sie, dass die Galaktische Föderation einen Krieg gegen das Imperium gewinnen kann?“

„Als ich die Absicht hatte, zu verhindern, dass wegen Galoba der Dritte Galaktische Krieg ausbricht, haben Sie mir gesagt, die Föderation habe das Imperium schon zweimal besiegt. Es ist Umstand, dass die Föderation angegriffen wurde, womit die Mitgliedsplaneten kein Wahlrecht haben, sich zu beteiligen oder es bleiben zu lassen – und wir haben einen Verbündeten, der den Feind im Rücken bedroht. Unsere Chancen sind in der gegenwärtigen Situation wahrscheinlich besser als während der Galoba-Mission.“

„Dann sollten wir umgehend Bündnisverhandlungen mit der Neuen Republik aufnehmen, Kapitän. Und dann noch etwas: Als Sie die Besatzung der Phobos zusammenstellten, hat in der Föderation niemand geglaubt, dass diese Mannschaft erfolgreich sein könnte. Sie als relativer Neuling haben uns erst zeigen müssen, wie die besonderen Fähigkeiten der galaktischen Völker wirklich nutzbringend eingesetzt werden können. Der Einzige, der an Sie und Ihre Mannschaft geglaubt hat, war Luk-Sun. Ich habe ihm heute kurz vor Ihrer Landung die Genehmigung zum Umbau sämtlicher Schiffe der Achten Flotte gegeben, damit künftig nur noch gemischte Mannschaften die Schiffe besetzen. Und genau das werden wir auch mit allen anderen Schiffen machen.“

„Es kostet viel Zeit, Herr Präsident. Ich glaube nicht, dass sich der Umbau aller Schiffe bis zu einer Rückkehr der imperialen Streitkräfte bewerkstelligen lässt“, gab Thomas zu bedenken.

„Sicher kostet das Zeit. In dieser Zeit werden die Phobos und die Ocrama unsere einzige Verteidigung sein. Aber die Deimos, die Callisto und die Triton stehen kurz vor der Fertigstellung. Sie sind ebenfalls Diskusraumer wie die Phobos und in der gleichen Weise von verschiedenen Rassen benutzbar. Admiral Luk-Sun wünscht, dass Sie die Kommandanten instruieren. Allerdings hat die Sache einen Haken …“, erklärte Sulukum.

„Und welchen?“

„Nun … eigentlich gehören Sie der Flotte im Moment gar nicht an. Offiziell sind Sie für die Zeit Ihres Ratsmandates beurlaubt, Senator. Ebenso wie Kapitän Swin und Kapitän Kulibos, die ebenso Erfahrung im Zusammenspiel der Rassen haben.“

„Und was ist mit dem Raumflottenergänzungsgesetz?“, fragte Thomas. „Nach diesem Gesetz bin ich doch mal zum Flottendienst verpflichtet worden“, erinnerte er.

„Schon – aber das Gesetz ist inzwischen aufgehoben. Die Ratsarbeit lässt eine zeitweilige Freistellung für Ausbildungsaufgaben in der Flotte einfach nicht zu. Sie könnten nur noch das eine oder das andere machen. Außerdem benötigt die Föderation gerade in kritischen Zeiten einen funktionsfähigen Rat.“

„Das heißt im Klartext: Wenn ich bei der Flotte bleiben will, muss ich mein Ratsmandat aufgeben?“

„Genau das heißt es“, erklärte der Präsident. Thomas wusste nicht recht, was er davon halten sollte. Wollte Sulukum ihm einen Denkzettel verpassen, weil er dafür gesorgt hatte, das Planetenbeziehungsgesetz zu kippen?

„Herr Präsident, dieser Schritt ist von weitreichender Bedeutung. Bevor ich eine endgültige Entscheidung treffe, möchte ich mit meinem Vertreter im Rat und auch mit Admiral Luk-Sun sprechen.“

„Tun Sie das – aber tun Sie es bald. Wenn Ihre Vermutung zutrifft, werden Sie nicht zu lange überlegen können, welche Aufgabe Sie weiterführen wollen.“

Thomas kehrte nachdenklich in das Haus zurück, das Khan Kharwas ihm und Gabi zur Verfügung gestellt hatte. War es klug, den Ratssitz aufzugeben? Einen Großteil seiner Verbindungen verdankte er der Tatsache, dass er einer der Vertreter Terras im Galaktischen Rat war. Sein ständiger Zugang zum Präsidenten hing jedenfalls direkt damit zusammen. Einen normalen Kapitän der Interstellaren Flotte würde der Präsident vermutlich nicht einfach ohne jede Voranmeldung empfangen – falls er es überhaupt tat. Er hatte keine Erfahrung damit. Solange er für die Föderation arbeitete, tat er dies als Ratsmitglied. Admiral Luk-Sun war ein ähnliches Problem. Zwar war er jetzt Kapitän, kommandierte sein Schiff jetzt auch formal – aber den direkten Zugang zu Luk-Sun hatte ihm einmal seine Position als Abgeordneter geebnet. Und was war dann überhaupt mit seinem Dienstgrad? Er war doch nur als Offizier eingestellt worden, weil das Raumflottenergänzungsgesetz dies nicht anders zugelassen hatte! Bestand da nicht die Gefahr, dass er ziemlich schnell die Offiziersabzeichen wieder hergeben musste? Nein, es musste doch einen Weg geben, wie er wenigstens formell Ratsmitglied bleiben konnte und trotzdem Kapitän der Phobos war. Auf alle Fälle war es besser, sich erst nach den Konsequenzen zu erkundigen, bevor er einen solchen Schritt tat. Gleichzeitig kamen ihm Gewissensbisse, weil er sich fragte, wie er bestimmte Verbindungen erhalten konnte, wenn der Föderation ein Krieg bevorstand, in dem jeder fähige Raumschiffkommandant auf der Brücke seines Schiffs gebraucht wurde. Und mit diesen Gewissensbissen kamen ihm plötzlich Bedenken, ob er in einer wirklich bedrohlichen Situation eine rasche und vor allem richtige Entscheidung treffen konnte, wenn er nicht einmal in der Lage war, umgehend zu erklären, ob er Politiker oder Soldat sein wollte.

Gabi Hansen bemerkte, dass mit ihrem Mann etwas nicht stimmte, als sie die Tür öffnete.

„Hat er dir doch den Kopf abgerissen?“, fragte sie besorgt.

„Nicht ganz“, seufzte er. „Aber er hat mich vor eine schwere, vielleicht folgenreiche Wahl gestellt.“

„Erzähl’ mal von Anfang an“, bat sie und schenkte zwei Gläser Wein ein, schob Thomas eines hin. Er bedankte sich und nippte an dem Wein.

„Also: Salander Sulukum hat mir nicht den Kopf abgerissen, ist im Gegenteil mit der Besatzung der Phobos und ihrem Kapitän sehr zufrieden“, sagte er dann. „Die Neutralitätserklärungen waren falsch. Wir brauchten sie also nicht zu beachten. Aber was den jetzt auf uns zukommenden Krieg betrifft: Das Raumflottenergänzungsgesetz ist zwischenzeitlich aufgehoben, Ratsmitglieder können nicht mehr zum Flottendienst eingezogen werden. Der Präsident sagt sich – wohl nicht zu Unrecht – dass es ausgesprochen schwierig ist, auf zwei Hochzeiten zu tanzen, nämlich im Rat zu arbeiten und zur gleichen Zeit Kommandant eines Raumschiffs zu sein. Er meint, wenn ich sowohl Ratsmitglied bleibe als auch Kapitän der Flotte, könnte ich beide Aufgaben nicht in der Weise erfüllen, in der es von mir erwartet wird.“

„Im Grundsatz stimme ich dem zu. Und warum fällt es dir schwer, zu wählen?“

„Wie meinst du das?“, fragt er erschrocken.

„Thomas, ich kenne dich jetzt mindestens seit der Zeit, in der wir bei Sperling zusammengearbeitet haben. Du hattest nie politische Ambitionen. Ich habe mich ohnehin gefragt, wie du erreichen willst, dass man dich bei der fälligen Neuwahl der Ratsvertreter wiederwählt. Wahlkampf ist nichts für dich, das hast du nicht mal bei den Betriebsratswahlen bei Sperling gemacht. Na gut, das waren auch bloß knapp zweihundert Leute, die zur Wahl gingen und die meisten davon kannten dich – schon weil jeder von dir Hilfe in technischer Hinsicht erwarten konnte. Deine Telefonnummer war doch im ganzen Haus bekannt“, grinste Gabi, als sie Thomas abwehrende Handbewegung sah. „Aber jetzt geht es darum, eine Mehrheit von ich-weiß-nicht-wie-viel Millionen oder gar Milliarden Menschen davon zu überzeugen, dass Thomas Hansen sie im Galaktischen Rat vertritt. Seit du zur Flotte eingezogen worden bist, warst du nur selten im Rat. Natürlich ist deine Rolle bei der Amazonia-Affäre jedenfalls den Mitgliedern des Rates bestens bekannt – aber wie viele Menschen wissen davon? Amazonia hat die Erde nicht berührt. Ich glaube, das hat auf der guten alten Erde nicht mal jemand mitgekriegt. Du gehörst keiner Partei an, die dich bei einer Wahl unterstützen würde, der neue Präsident Annan hat uns beide noch nie gesehen. Theo Jordan ist im Gegensatz zu dir Berufspolitiker, der seine Wahlkampfstrategen schon einsetzen wird, um sich den Sitz zu sichern. Der Mann versteht, die Medien für sich zu nutzen. Im Gegensatz dazu würde ich dich als eher pressescheu einstufen – für mich gilt übrigens wörtlich dasselbe. Die Frage wäre doch, hätten wir bei den Wahlen überhaupt eine Chance? Und ich sage dir: Nein, die haben wir nicht. Also, warum machst du dir Gedanken? Du hast genau den Job, den du eigentlich schon als kleiner Junge haben wolltest, als du noch den Mülltonnendeckel als Astroscheibe benutzt hast, als ein passabel gebogener Eisendraht von Baustahlmatten zur Strahlenpistole wurde. Du hast Ideen, wie man einen Streit im Raum gewinnen kann, du hast dir die perfekte Mannschaft zusammengesucht. Thomas, das ist deine Bestimmung, glaub’ mir.“

Sie hatte Recht. Er wusste es in seinem Innern ohnehin.

„Ja, sicher, Schatz …“, setzte er zögernd an.

„Na, also“, erwiderte sie. „Wo ist dann das Problem? Du bleibst auf der Brücke der Phobos und fertig. Und ich, ich werde da auch bleiben. Ich bin nämlich genauso wenig Politiker wie du.“

„Gabi, das ist auch nicht das Problem als solches. Ich muss zugeben, dass Gribor mir wirklich einen Gefallen getan hat, als er mich zur Raumflotte zwangsverpflichten ließ. Das kann und will ich auch nicht bestreiten, aber da ist ein anderer Haken: Was ist mit meinem Dienstgrad?“

Sie sah ihn verständnislos an.

„Was soll damit sein? Sulukum hat dich heute erst zum Kapitän befördert“, wunderte sie sich.

„Denk’ mal nach: Warum sind wir beide als Offiziere eingestellt worden?“

„Weil wir im Rat … Au Backe, jetzt fällt der Groschen! Aber, du, hör’ mal: Die können dich doch nicht einfach degradieren!“, platzte sie heraus.

„Eben das muss ich herausfinden, bevor ich jetzt zu Sulukum gehe und ihm sage, dass mein Stellvertreter künftig meinen Ratsjob ganz machen soll. Als ich hierherging, haben mich noch ganz andere Fragen gepiesackt: Was ist mit meinen Verbindungen zu Sulukum und zum Admiral? Werden die den gewöhnlichen Kapitän Hansen ebenso kennen, wie den Senator Hansen oder habe ich den direkten Draht zu denen nur, weil ich eben Senator und Ratsmitglied bin. Letzteres hat mir ganz schön ins Gewissen gebissen und ich habe mir gesagt: Tommy, das ist nebensächlich. Mach den Job, den du erfüllen kannst und frag’ nicht danach, was er dir einbringt, sondern was er der Föderation einbringt, für die du arbeitest. Oder mit Star Trek gesagt: Das Wohl der Vielen überwiegt das Wohl Weniger oder auch des Einzelnen. So betrachtet, habe ich mich entschieden, gegebenenfalls auf meine guten Kontakte zu pfeifen – und zu hoffen, dass man höheren Ortes meine Vorschläge auch noch akzeptiert, wenn ich nicht mehr Mitglied des Rates bin. Aber mein Dienstgrad, der macht mir Sorgen. Denn wo würde ich bleiben, wenn ich nicht mehr Offizier wäre?“

„Ich weiß nicht. Ich glaube, du machst dir unnötig Sorgen. Luk-Sun hätte dich nicht so schnell befördert, wenn deine Leistungen es nicht gerechtfertigt hätten. Wenn ich mich recht entsinne, war er froh, dich als Offizier einstellen zu können, oder täusche ich mich? Hat er dich eigentlich – außer beim Einstellungsgespräch – jemals mit deinem politischen Titel angeredet? Ich meine, er hätte dich immer nur mit deinem Dienstgrad angesprochen.“

„Ernsthaft, ich habe nie darauf geachtet“, gab er mit roten Ohren zu. „Aber ich stelle mir natürlich die Frage, was geschieht, wenn die Einstellungsvoraussetzung nicht mehr gegeben ist.“

Sie schüttelte den Kopf und umarmte ihn.

„Tommy, Tommy, ich hab’ immer geglaubt, du kennst dich in dieser Welt besser aus als auf der Erde. Du bist jetzt seit insgesamt fünf Erdenjahren bei der Raumflotte. Du bist ein erfolgreicher Raumschiffkommandant. Luk-Sun hätte dich erstens nicht befördert, wenn er nicht der Meinung gewesen wäre, dass du den Rang wert bist, zweitens hätte er dich nicht ausdrücklich gebeten, auch über die Zwangsverpflichtung hinaus zu bleiben, wenn er der Meinung gewesen wäre, dass du der dir gestellten Aufgabe nicht gerecht würdest und drittens … drittens, mein Lieber, war dein weitergehender Job bei der Raumflotte ganz ausdrücklich als Beruf nach deinem Ratsdasein geplant. Hast du das etwa vergessen?“

Er lief vollends dunkelrot an. Er hatte es tatsächlich vergessen.

„Gabilein?“, fragte er schüchtern.

„Hm?“

„Bin ich eitel?“

Sie lachte.

„In gewisser Hinsicht schon – aber ohne wärst du einfach langweilig.“

Thomas erwiderte ihre Umarmung und küsste sie. Was würde er nur ohne sein wandelndes Gedächtnis Gabi anfangen?

 

Kapitel 19

Neue Hoffnung


Der Türmelder summte. Thomas drückte auf den im Wohnraumtisch eingelassenen Öffner, da der sprachgesteuerte Öffnungsmechanismus auf macromanische Sprachen eingerichtet war, die weder er noch Gabi beherrschten. Die Tür glitt auf und Admiral Luk-Sun stand davor.

„Admiral, willkommen!“, begrüßte Hansen seinen Chef.

„Darf ich eintreten?“, fragte der Centaure. Der Terraner machte eine einladende Handbewegung und Luk-Sun trabte in den Flur, nachdem er sich gründlich die Hufe geputzt hatte.

„Wie schnell können Sie nach Megara fliegen?“, fragte er dann.

„Sobald ich dem Präsidenten erklärt habe, ob ich Mitglied des Galaktischen Rates bleibe oder mich ausschließlich auf meine Aufgaben als Kapitän der Achten Flotte konzentriere“, erwiderte Thomas. Luk-Sun schlug sich mit einer Hand vor den Kopf, verfehlte sein Horn nur um Millimeter.

„Bei den Göttern von Mingon! Stimmt ja, Sie sind ja endlich befördert worden! Lassen Sie mich Ihnen dazu noch meinen Glückwunsch aussprechen. Wie zu der ganzen Unternehmung.“

„Die ganze Unternehmung hat wohl zum Dritten Galaktischen Krieg geführt. Ich weiß nicht, ob man mich ausgerechnet dazu beglückwünschen sollte, Gaul“, gab Thomas zu bedenken.

„Er war nicht zu verhindern, von Anfang an nicht. Das Imperium hatte spätestens nach dem Diebstahl der Juwelen die Absicht, gegen uns Krieg anzufangen.“

„Warum haben sie es nicht getan?“, wunderte sich Gabi.

„Nach Feststellung des GAD wollte das Imperium sicherstellen, dass die Rebellen nicht mehr im Besitz der Juwelen sind“, erwiderte Luk-Sun.

„Dann werden sie eine ganz böse Überraschung erleben“, grinste Thomas.

„Warum?“

Hansen überlegte einen Moment, ob es klug war, darauf hinzuweisen, dass die Juwelen auf Avalon verblieben waren und man ihnen Kopien mitgegeben hatte. Er entschied sich dagegen.

„Nun“, sagte er, „diese Juwelen stammen vom Planeten Tatonar, der in den Händen der Rebellen ist. Diese Karbonisotope werden nur dort gefunden. Die Rebellen sind mit der Technik der Holo-grammspeicherung in den Juwelen vertraut. Sie können sich jederzeit solche Juwelen herstellen, wenn sie es für nötig halten. Und wenn diese Juwelen geeignet sind, ihnen den Imperator vom Hals zu halten, werden sie es vermutlich längst getan haben.“

„Können die Aufständischen gegen die Imperialen durchhalten?“, fragte der Admiral.

„Sie tun es bereits seit einiger Zeit“, gab Thomas zurück. „Nachdem es ihnen nun gelungen ist, die Kampfstation zu zerstören, sind ihre Chancen sicher noch besser geworden, Gaul.“

Luk-Sun nickte.

„Wunderbar, dann passt alles zusammen. Ich habe eben gerade erfahren, dass die Deimos, die Callisto und die Triton bereits fertiggestellt wurden und schon eingeflogen sind. Die neuen Besatzungen befinden sich auf Megara, um die in einer Standardwoche geplante Indienststellung vorzubereiten. Ich möchte, dass wir aus der Phobos und den drei anderen Schiffen der Luna-Klasse ein Geschwader bilden, das unter Ihrem Kommando stehen sollte, Kapitän Hansen.“

„Danke, Gaul. Wissen die anderen Kommandanten schon, dass es einen weiteren und auch noch ziemlich frischen Vorgesetzten für sie gibt?“, erkundigte sich Thomas. „Schließlich bin ich erst seit heute Kapitän“, setzte er hinzu. Luk-Sun grinste breit.

„Seit ich Sie kenne, Thomas, spielen Sie Ihre Qualitäten herunter. Die Kapitäne der anderen Schiffe sind zwar dienstälter als Sie, doch bin ich überzeugt, dass Sie so fantasievoll und flexibel sind, dass Sie dieses Geschwader kommandieren sollten.“

„Und wer sind die anderen Kapitäne?“

Luk-Suns Grinsen wurde noch breiter

„Kapitän Auvergny, ein Erdmensch wie Sie, kommandiert die Deimos. Kapitän Kulibos hat die Triton und Kapitän Swin hat sich die Callisto ausgebeten, nachdem sein altes Schiff nun endgültig den Geist aufgegeben hat. Suli Kulibos und Kwiri Swin haben Ihnen schon als Commander Ihre Phobos überlassen. Sie akzeptieren Sie als Vorgesetzten.“

Luk-Sun grinste breit.

„Übrigens haben Sie den Vorgesetzten auch nie hervorgekehrt, wie man mir gesagt hat“, fügte er hinzu.

„Bei Kulibos und Swin fiele mir das auch schwer, schließlich waren sie bis zu meiner heutigen Beförderung immer höhere Dienstgrade. Und außerdem sind sie meine Freunde.“

Der Admiral kratzte sich am Horn.

„Nun, Sie werden es in Zukunft wahrscheinlich gelegentlich tun müssen, Thomas. Bisher war Frieden, jetzt haben wir Krieg – wobei ich mir wünsche, dass er schnell beendet wird. Aber Sie werden hin und wieder geradezu tyrannische Entscheidungen treffen müssen.“

„Admiral, meine bisherigen Entscheidungen habe ich in gutem Einvernehmen mit Kapitän Kulibos und Kapitän Swin getroffen. Ich gedenke, das weiter zu tun, wobei ich dann auch Kapitän Auvergny einbeziehen werde. Das hat auch bei schnell erforderlichen Entscheidungen funktioniert.“

Luk-Sun nickte.

„Machen Sie es weiter so“, stimmte er zu.

„Sagen Sie, wie viele Schiffe der Luna-Klasse sollen eigentlich gebaut werden?“, erkundigte sich Gabi.

„Es wird ein richtig umfangreiches Programm, Fähnrich Hansen. Zunächst sind vierundzwanzig Schiffe geplant, die nach den größten Monden des SOL-Systems benannt werden sollen. Die Luna-Klasse wird die Megara-Klasse auf Sicht ablösen. Die Kugelraumer sind doch verwundbarer, als wir ursprünglich angenommen haben.“

„Und was ist mit den drei terranischen Kugelraumern? Der Europa, der Ganymed und dem Flaggschiff Solterra?“, fragte Gabi nach.

„Auch die werden außer Dienst gestellt und durch Diskusschiffe gleichen Namens ersetzt – außer der Solterra. Die wird durch die Namensgeberin der Klasse, die Luna, ersetzt.“

Luk-Sun griff in seine Tasche und zog ein Blatt Papier heraus – ein seltsamer Gegenstand in den Händen des Centauren, denn auf Malagriva benutzte man normalerweise einen aus Algen hergestellten Kunststoff, der sich mit sämtlichen in der Föderation benutzten Schreibgeräten beschreiben ließ.

„Das hier“, sagte er langsam, „habe ich heute Morgen bekommen. Es wird gewöhnungsbedürftig sein, Kapitän.“

„Was ist das?“

„Die neuen Dienstgradbezeichnungen. Bisher wurden sie zum Teil noch in den planetaren Sprachen geführt oder hatten zum Teil unterschiedliche Bedeutung – wenn das auch nicht auf Terra, Malagriva, Megara oder Amazonia zutraf. Aber man hat sich geeinigt, die Bezeichnungen neu zu benennen und eine Einheit herzustellen, die nun für alle Völker der Föderation gelten wird. Der Rat hat beschlossen, die Dienstgradbezeichnungen zu verwenden, die auf Terra in der dortigen Sprache Englisch als Titel für Seeleute benutzt werden. Wie ist man bloß auf die Idee verfallen?“

Gabi lachte.

„Ich vermute, Hugh Fowler hat sich durchgesetzt. Er war in der Kommission, die sich mit der Frage befassen sollte; er war bei der amerikanischen Air Force. Da wir uns in Schiffen durch den Raum bewegen, hat er wohl auf die bei den Amis gebräuchlichen Ränge bei der Navy zurückgegriffen“, mutmaßte sie.

„Wie dem auch sei“, seufzte Luk-Sun, „ich bin nun – wie spricht sich das aus? – Ätmiräl glaube ich, Sie Fähnrich neuerdings Ensein und Sie, Kapitän, Käpten. Heilige Sumpfgeister von Malagriva, das kapiere ich nie!“

„Das geht schnell, glauben Sie mir, Admiral“, erwiderte Thomas mit sanftem Lächeln und englischer Aussprache. „Ist damit eigentlich auch statt Gaul Sir als Anrede gefragt?“

Luk-Sun nickte.

„So soll es ein. Aber ich werde mich gegen mein malagrivisch-vertrautes Gaul nicht wehren“, erwiderte er und lächelte. „Fliegen Sie zunächst nach Megara und übernehmen Sie das Geschwader, damit die Föderation nicht so haarsträubend wehrlos ist.“

„Ich suche nur meine Mannschaft zusammen, dann fliegen wir ab.“

„Dann nehmen Sie mich bitte mit, denn ich möchte dem Luna-Geschwader seinen ersten Auftrag selbst geben“, bat der Admiral.

Wenige Tage später waren die Schiffe des neuen Luna–Geschwaders auf dem Flugfeld der megaranischen Militärakademie versammelt, die Mannschaften im großen Saal angetreten. Admiral Luk-Sun hatte ihnen Thomas Hansen als Captain der Phobos vorgestellt und als Geschwaderkommodore der Luna-Geschwaders offiziell eingesetzt, die Beförderungsliste vorgelesen, die für praktisch sämtliche Mitglieder des Luna-Geschwaders einen höheren Dienstgrad reserviert hatte. Auf der Phobos zum Beispiel war Lieutenant Lawida zum Commander ernannt worden, Nora Rosok zum Lieutenant-Commander, Gabriele Hansen zum Lieutenant, Chefingenieur Decker zum Lieutenant-Commander, der zweite Maschinist van den Broek zum Lieutenant befördert worden.

„Ich komme jetzt zu Ihrem ersten Auftrag als Luna-Geschwader in einem Konflikt, den sich in der Föderation sicher kein Wesen gewünscht hat, den gerade Sie mit allen erlaubten Mitteln haben verhindern wollen“, erklärte der Admiral. „Er ist da, das lässt sich nicht leugnen. Wir müssen uns diesem Konflikt stellen und danach trachten, ihn möglichst schnell zu unseren Gunsten zu beenden. Basen sind für einen Erfolg lebenswichtig. Und deshalb wird ihr erster Auftrag die Rückgewinnung der Basis von Palavor sein. Es wird Ihre Aufgabe sein, den Stützpunkt dort mit so geringen Verlusten wie irgend möglich zurückzugewinnen. Ich erwarte nicht von Ihnen, dass Sie die imperiale Garnison vernichten. Die Föderation führt keinen Vernichtungskrieg. Sie sollen sie von dort vertreiben, den Stützpunkt sichern, damit das Imperium uns die Basis nicht gleich wieder abnimmt und das umgebende Raumgebiet sichern. Diese Aufgabe ist gewiss nicht leicht und eigentlich bedürfen Sie aller verfügbaren Kräfte für diesen Job. Aber auf Captain Swin und seine Callisto werden Sie diesmal verzichten müssen, Captain Hansen.“

„Aha. Und warum?“

„Der Präsident hat Captain Swin in seiner Eigenschaft als Mitglied des Rates – nun, und wohl auch als seinen Schwiegersohn – damit beauftragt, das Bündnis mit der Republik von Avalon endgültig zu vereinbaren“, erwiderte der Centaure. „Ich kann mir vorstellen, dass Sie enttäuscht sind, Captain, denn Marschall Raschun und Sie verbindet schließlich eine persönliche Freundschaft“, setzte er hinzu, als er in Thomas Gesicht sah. Thomas lächelte.

„Nein, Captain Swin ist mit Marschall Raschun ebenso befreundet wie ich. Außerdem habe ich inzwischen ja formell auf mein Ratsmandat verzichtet und komme als Diplomat ohnehin nicht mehr in Betracht. Ich werde nur seinen Rat vermissen“, gab er zurück. Kwiri nicht an seiner Seite – nun, das war ein Problem. Der erfahrene Deneber war Thomas’ bester Lehrmeister, wenn es um Raumschiffe ging. Andererseits war Suli Kulibos ebenso erfahren und hatte ihn auch schon unterwiesen. Irgendwie würde es schon gehen … Dass er allerdings schon bei seinem ersten Einsatz als Geschwaderkommodore improvisieren musste, behagte Thomas nicht so recht.

Ende

 

 

 

* Entität: Wesenheit, Seinhaftigkeit. Auch Bezeichnung für ‚Wesen’ im weiteren Sinne

* ) Zitiert aus : George Lucas, Krieg der Sterne (Star Wars), Goldmann, 1. Aufl. 1/78

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert