Gerne wird vom notwendigen Bürokratieabbau gesprochen. Ich kann ein Beispiel nennen, bei dem man nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen kann.
Es geht um unser Gesundheitssystem.
Am 4. Juni 2025 bin ich in den Bayerischen Wald in Urlaub gefahren. Wolfgang und ich kamen bei Sonnenschein und Wärme an, aber es wurde schon Tage vorher vor Hitzegewittern mit Hagelschlag gewarnt. Unsere Vermieterin konnte für unser Auto bei der benachbarten Zimmerei eine Unterstellmöglichkeit vermitteln. Weil wir selbst eine überdachte Terrasse am Ferienhaus haben, konnten wir das abendliche Gewitter von dort aus erleben, ohne ins Haus gehen zu müssen – dachten wir. Leider hat der Vorbau am Dachanschluss eine kleine Lücke, die sich bei dem gewitterbedingten Starkregen bemerkbar machte. Wir räumten unsere Sachen zusammen und verzogen und ins Haus. Ich habe es etwas eilig gehabt, weil ich nicht komplett durchweichen wollte und sprang mehr oder weniger den letzten halben Meter.
Dass das mit nassen Sohlen auf nassem Parkett keine gute Idee ist, bemerkte ich, als ich darauf ausrutschte, auf dem linken Knie landete und mich mit der rechten Hand abfangen wollte. Die Hand krachte auf das Laminat, und ich hatte prompt Schmerzen im rechten Handgelenk. Wolfgang war wie vom Donnerstag gerührt, machte sich heftige Vorwürfe, mich nicht gewarnt oder aufgefangen zu haben, aber er konnte überhaupt gar nichts für meine Dummheit.
Am nächsten Tag hat er mich nach Zwiesel ins Krankenhaus gefahren. Wir kennen das Krankenhaus dort, seit Wolfgang 2018 im April morgens mit höllischen Schmerzen im rechten Arm aufwachte und ich ihn ins Krankenhaus fuhr, weil der Orthopäde im MVZ Regen ihn gleich dorthin schickte. Vom MVZ Zwiesel schickte man mich in die Notambulanz im Nachbarhaus. Dort wurde ich nach Anmeldung und einlesen der Krankenversicherungskarte untersucht und zur Entstehung der Verletzung befragt, dann geröntgt. Wieder zurück im Wartebereich wurde ich aufgerufen und gleich in den Gipsraum gelotst. Entgegen meiner Hoffnung war das rechte Handgelenk an der Speiche gebrochen, zum Glück aber nicht verschoben – distale Radiusfraktur nicht disloziert auf arztisch. Ich bekam eine Gipsschale oben auf Hand und Unterarm, die mit einer normalen elastischen Binde und zwei Klebestreifen befestigt wurde, auch weil die Bruchstelle noch geschwollen war. Das Gelenk war damit zunächst ausreichend stabilisiert. Ich bekam noch den Hinweis, dass ich das Gelenk die nächsten sechs Wochen möglichst nicht belasten soll, nichts damit heben soll und mich schon gar nicht darauf abstützen darf. Weil eine Verschiebung auch nachträglich noch eintreten kann, sollte eine Kontrolluntersuchung etwa zehn Tage später erfolgen. Weil ich dann noch vor Ort sein würde, weil unsere Abreise erst am 28. Juni erfolgen würde, bekam ich einen Wiedervorstellungstermin am 16. Juni, morgens um 10:15 Uhr sowie die Empfehlung, den Arm möglichst waagerecht zu halten, um ein zusätzliches Anschwellen zu verhindern. Ich habe noch gefragt, ob ich dann ins MVZ oben gehen sollte oder erneut in die Notaufnahme. In die Notaufnahme, wurde mir gesagt.
Mithilfe unserer früheren Vermieterin Annemarie bekam ich Dreieckstücher, um den Arm hochzuhalten. Einen Nässeschutz zum Duschen habe ich zwar, doch lag der achthundert Kilometer weiter nördlich im Kabuffschrank unseres Hauses. Ich hätte schon selbst danach suchen müssen; unserer Nachbarin, die unser Haus betreut, hätte ich das nicht zumuten können. Also musste ein neues Teil her. Am folgenden Tag fuhren wir nach Regen zum Sanitätshaus Lackerbeck. Die am Lager befindlichen “Verhüterli” waren nur für Beine vorhanden, nicht aber für Arme und kosteten um die 20 €. Wolfgang prüfte in unserem Ferienhaus Amazon und fand einen Armschutz für 10 €, der Amazon nächsten Tag geliefert werden konnte. Annemarie, deren Adresse in meinem Amazon-Konto gespeichert ist, stimmte zu, dass es zu ihr geliefert werden konnte. Geordert, geliefert. Es kann geduscht werden.
Am 16. Juni war ich dann wieder in der Arberland-Klinik in Zwiesel für die Kontrolluntersuchung. An der Anmeldung pfiff mich die Schwester gleich an, ich solle den Ring abnehmen, den ich am rechten kleinen Finger hatte. Wenn die Hand anschwelle, könne es sein, dass der Ring aufgeschnitten werden müsse. Ich erwiderte, das sei mein Ehering, den ich normalerweise auf dem Ringfinger trage. Den hätte ich schon auf Anraten des erstbehandelnden Arztes umgesteckt. Sie meinte, sie habe das so gelernt und wollte dann meine Krankenversicherungskarte haben. Ich wunderte mich, weil ich die ja schon bei der Erstbehandlung hatte einlesen lassen, aber die Schwester sagte, das sei die Notfallbehandlung gewesen. Jetzt ginge es um die Nachbehandlung, da müsse die Karte erneut eingelesen werden. Nachdem das erledigt war, gab sie mir noch einen Zettel mit dem Hinweis, ich möge umgehend eine Einweisung ins Krankenhaus nachreichen; die bekäme mich von einem Hausarzt. Ich sagte ihr, dass ich hier in Urlaub sei und erst am 28. Juni heimfahren würde. Sie sagte, dann solle ich dort doch anrufen und um Übersendung einer Einweisung bitten. Ohne sie könne das Krankenhaus die Nachbehandlung nicht abrechnen und bliebe auf den Kosten sitzen. Ich sagte zu, das in die Wege zu leiten und bemerkte, wenn mir das bei der Erstbehandlung schon gesagt worden sei, hätte ich das längst erledigt. Sie nahm es zur Kenntnis.
Die. Nachbehandlung bestand in einer erneuten Röntgenaufnahme in zwei Ebenen und der Erkenntnis, dass sich nichts verändert habe. Schon vor der Röntgenaufnahme war der Gips entfernt worden. Nun bekam ich ihn wieder, diesmal mit einer selbsthaftenden Binde. Die Finger sind freier, das Gelenk aber komplett ruhiggestellt, und wegen Rückgang der Schwellung ist der Gips auch insgesamt dünner.
Wieder zurück in unserem Ferienhaus rief ich bei meiner Hausärztin an, um die Einweisung zu bestellen. Dort sagte mir die Sprechstundenhilfe, eine Einweisung ins Krankenhaus könnte nur ausgestellt werden, wenn ich persönlich in die Praxis komme. Ich verstehe das ja. Könnte ja jeder behaupten, so etwas nötig zu haben, obwohl es nicht der Wahrheit entspricht. Meine Hausärztin fällt also für diese Einweisung aus – jedenfalls, wenn sie noch in diesem Quartal in der Arberland-Klinik eintreffen soll. Planmäßig fahren wir am 28. Juni nach Hause, ich kann frühestens am 30. Juni in die Praxis. Per Post kann die Einweisung dann nicht vor dem 1. Juli in Zwiesel vorliegen. Und ob die Sprechstundenhilfen von HGPT an einem Montag in der Lage wären, sie nach Zwiesel zu faxen, wage ich zu bezweifeln. Am Montag ist da sowieso die Hölle los. Dann auch noch neues Quartal – keine Chance!
Ich habe also nach Allgemein-Ärzten in Regen gesucht und bei zweien davon angerufen. Der eine war schon im Fronleichnams-Urlaub, die andere hatte am 18. Juni ihren letzten Arbeitstag vor dem Fronleichnams-Wochenende – und das einen halben Tag, denn der Mittwochnachmittag ist seit Menschengedenken der Ärzte heiliger Tag, an dem in Arztpraxen nicht gearbeitet wird. Vor Montag, dem 23. Juni, keiner da.
Vorsichtshalber habe ich nochmal im Krankenhaus angerufen, um zu klären, ob es wirklich von meinem Hausarzt sein muss oder ob ein anderes allgemein heilendes Wesen das auch tun könne. Dabei erfuhr ich, dass es in der Arberland-Klinik für ambulante und für stationäre Behandlungen getrennte Abrechnungsabteilungen gibt. Erst geriet ich an die für stationäre Behandlungen, wurde weitergestellt zur Abteilung für ambulante Behandlungen. Dort sagte man mir, das könne jeder Allgemein-Arzt.
Um sicherzugehen, ob das überhaupt nötig ist, rief ich am 19. Juni bei meiner Krankenkasse an (Fronleichnam ist nördlich von Hessen kein Feiertag), schilderte die Sachlage und fragte, ob in so einem Fall eine Einweisung erforderlich sei. Die freundliche Dame, die ich nach einigen Minuten in der Warteschleife ans Rohr bekam, erklärte, ja, die Einweisung sei erforderlich; ich solle meine Hausärztin telefonisch kontaktieren. Die solle sich dann an die Kasse wenden. Man würde ihr dann einen Ersatzbehandlungsschein zufaxen, den sie nur noch ausfüllen müsse und zurück faxen müsse. Ich erklärte ihr, den telefonischen Kontakt hätte ich schon gehabt, aber ohne persönliche Vorstellung in der Praxis sei eine Einweisung ins Krankenhaus nicht möglich – und ich sei erst am 28. Juni planmäßig wieder zu. Hause. Man werde doch gewiss nicht erwarten, dass ich wegen der Krankenhauseinweisung meinen Urlaub abbreche.
Die junge Dame musste ob dieser Info erst einmal Rücksprache halten, versuchte es bei mehreren Kollegen oder Vorgesetzten, konnte aber niemand Kompetenten erreichen. Sie sagte mir, sie werde das so vermerken. In diesem Fall könne ich dann einen Arzt vor Ort bezüglich der Krankenhauseinweisung konsultieren.
Am Montag, den 23. Juni 2025, rief ich dann in der Praxis von Dr. Kronschnabl in Regen an, schilderte die Sachlage und bekam die Auskunft, dass ich am folgenden Tag zwischen 9 und 11 Uhr vorbeikommen könne. Gesagt, getan. Am 24. Juni 2025 war ich gegen 10.25 Uhr bei Dr. Kronschnabl, zeigte den Sprechstundenhilfen meinen eingegipsten Arm und bat um eine nachträgliche Einweisung ins Krankenhaus. Eine der Damen nahm meine Versicherungskarte, setzte sich an den PC und füllte das Formular aus, druckte es aus, ließ die Einweisung vom Arzt unterschreiben (unleserlicher Kringel, wie üblich …), behielt eine Kopie für die eigenen Akten und gab mir die Einweisung. Das alles dauerte keine fünf Minuten (reine Arbeitszeit. Da ein anderer Patient noch diverse Unterlagen für eine geplante OP brauchte, musste ich etwas warten. Aber um 10.35 waren wir wieder draußen.) Wolfgang fuhr mich im Anschluss zum Krankenhaus, wo ich die Einweisung an der Notaufnahme abgab. Die junge Dame bedankte sich – und wir verließen das Krankenhaus nach nicht mal fünf Minuten wieder.
Für diese Einweisung sind wir um 10.15 Uhr von Pfistermühle nach Regen hineingefahren, haben einen Parkplatz im Einkaufszentrum gesucht und gefunden, sind bis in den 5. Stock gefahren, wieder runter, nach Zwiesel – mit Umweg, weil die Regener Straße noch nicht wieder offen ist – suchten dort nach einem Parkplatz, fanden ihn im hintersten Platz, taperten 300 m zum Krankenhaus, liefen den roten Punkten bis zur Notaufnahme durch, gaben ab, taperten zurück, Wolfgang tippte noch unser Kennzeichen ins Bezahlterminal, das erwartungsgemäß mitteilte, dass wir nichts zu bezahlen hatten, wir liefen die 300 m zum Auto, stiegen ein und fuhren wieder nach Pfistermühle, wo wir um 11.50 Uhr wieder eintrafen (Gut, es war noch ein Umweg über Norma mit dabei, wo wir noch etwas einkauften, aber dort waren wir auch nicht länger als zehn Minuten).
Dafür habe ich fünf Telefonate mit jeweils einigen Minuten Warteschleife geführt, wir sind – wegen der Straßensperrung in Zwiesel – 26,4 km extra gefahren, es hat mich Nerven und Zeit gekostet. Die Beschaffung des Passierscheins A 38 im Film Asterix erobert Rom ist ein Kinderspiel dagegen … Sankt Bürokratius, bitte für uns! Ich schätze, ich werde der Abteilung Bürokratieabbau im Gesundheitsministerium eine E-Mail schreiben und darauf hinweisen, dass dieser Einweisungsirrsinn der erste Schritt wäre, um Bürokratie zu verringern.
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