Projekt 6: Schreibschatulle

Ich schreibe gern mit Feder und Tinte – so wie das dieser Digitalisierung zugrunde liegende Manuskript. Jahrzehnte habe ich im Büro und privat einen Kugelschreiber benutzt, wobei ich stets einen mit einem gewissen Gewicht verwendet habe. Privat fand ich nach Ende meines Arbeitnehmerdaseins zum Füller zurück, mit dem meine in 30 Bürojahren ziemlich versaute Handschrift halbwegs lesbar ist. Leider spielen meine Augen nicht mehr so mit, so dass ich inzwischen weder lange mit der Hand schreiben noch am PC arbeiten kann (ich wüsste wirklich nicht, wie ich jetzt noch 8 Stunden am PC im Büro verbringen könnte …)

Als ich die Reisetruhe plante, sollte eine Schreibtruhe dazu kommen. Ganz genau sollte es eine Kombination aus Reiseschreibtisch, Federbehälter mit Tintenfass, mindestens einem Siegelpetschaft und Siegellack sein. Was ich da schon 2019 in eine Zeichnung umsetzte, wäre wohl ein ausgewachsener Koffer in der Größenklasse geworden wie ich ihn am 30. November 2020 bewundern durfte, als ein Tischler unsere bestellte Küchenerweiterung aufbaute. Völlig illusorisch, so etwas als Reiseschreibtruhe herstellen zu wollen, wenn man dafür keine Dienerschaft hat, die sich damit abschleppt. Ein zerlegbares Reiseschreibbrett habe ich mir im Januar 2020 aus dem Holz eines ausrangierten Lattenrostes gebaut und es mit dem seit längerer Zeit bei mir verbliebenem Kunstleder einer bereits im Orkus befindlichen Schreibtischunterlage bezogen. Mithilfe von zwei 16 mm- Leistenstücken und Buchschrauben ist es montiert und kann zerlegt werden, auch wenn ich es seit Fertigstellung noch nicht auseinandergenommen habe. Das Manuskript dieses Textes ist darauf geschrieben.

Auf dem Hamburger Weihnachtsmarkt (der 2020 wegen Corona abgesagt wurde) hatte ich mir 2019 oder 2018 eine Geschenkbox mit Federhalter, Tintenfass und einer Federablage gekauft – alle Inhaltsteile mit Wappenlilien versehen. Die Feder im Halter war rot, zwischenzeitlich konnte ich sie durch eine grüne Feder ersetzen. Die Box ist eigentlich schön: Außen mit einer altertümlich wirkenden Landkarte bezogen, innen mit rotem Samt ausgeschlagen (nun ja, Wellpappe mit einer samtartigen Oberfläche beflockt), mit einem Lederband verschlossen – aber komplett aus Pappe.

Ich wollte gern etwas haben, was vielleicht zu einem meiner Wengländer passen würde. Klar: Ich hätte die Landkarte mit grünem Buchleinen beziehen können, aber das erschien mir unpassend. Eine Pappbox passte auch nicht zu meinen Wengländern. Holz schon eher. Außerdem hatte ich mir anlässlich eines Moselbesuchs im September von Akru-Keramik in Hillscheid (das liegt nördlich von Koblenz im Westerwald) ein kugelförmiges Tintenfass mitge­bracht, das in die quadratische Aussparung in der Geschenkbox nicht hineinpasste.

Es sollte also Holz sein, so dunkel gebeizt wie die Siegelschatulle, eine Deckelverzierung haben, die einem meiner Wengländer angemessen wäre. Mit Samt oder Leder ausgeschlagen – vorzugsweise wenglisch-grün. Da Martin von Wengland ein eher bescheidenes Wesen hat und Wolf von Steinburg vor Entdeckung des Felsentresors ein armer Schlucker ist, der aber gut feilschen kann, wäre übertriebener Prunk nicht angebracht.

Da die Verzapfung beim Lederwerkzeug-Kasten auch ohne Leberwurst gut gefunzt hatte, sollten die Ecken der Truhe wieder verzapft werden. Die Länge musste der der Geschenkbox entsprechen, weil anderenfalls nicht die Feder samt Federhalter hineingepasst hätte. Bei einem sich dadurch ergebenden Innenlängenmaß von 30,5 cm und innerer Breite von 14 cm schied also die erneute Nutzung genormter Teile für Deckel und Boden aus. In diesem Fall musste ich beides aus einer DIN A3-Platte schnitzen oder Deckel und Boden aus Leisten zusammensetzen. Die Truhe benötigte auch auswechselbare Halterungen für das runde und das eckige Tintenfass, die Federablage sollte ohne Hilfe von Schnüren stehen, die am Fuß der Ablage befindliche Lilie aber ganz zu sehen sein. Ferner sollten außer Feder und Tinte auch ein Siegelpetschaft und Siegellack in die Truhe kommen.

In der Geschenkbox war ein erhöhter Boden mit entsprechenden Aussparungen. Die Federablage konnte darin zwar stehen und der Deckel trotzdem geschlossen werden, aber eine dauerhaft darin stehende Federablage war nicht vorgesehen. Nur mit einer relativ komplizierten Verschnürung war die Ablage zum Stehen samt Feder zu überreden. Die Truhe musste zudem ein Innenhöhenmaß von mindestens 8 cm haben, damit auch das Akru-Tintenfass bei geschlossenem Deckel ohne Zicken darin stehen konnte.

Um die Fässer gut und vor allem sicher stehen zu haben (ein umgekipptes Tintenfass ist eine Megasauerei!) war klar, dass auch die Holztruhe einen doppelten Boden haben musste, in dem die Fässer versenkt stehen konnten.

Die Einsätze für die Fässer waren denn auch das Erste, was ich hier gemacht habe. Ich habe aus 1,8 mm starker Bücherpappe einen 1 cm breiten und 23 cm langen Streifen geschnitten, aus dem acht 55 mm lange Stücke geschnitten wurden. Ein weiterer Streifen 55 x 111 mm ergab zwei Quadrate von 55 x 55 mm Seitenlänge, aus denen ein 50 x 50 mm Quadrat und ein Kreis von 50 mm Durchmesser geschnitten wurden. Diese Teile habe ich so auf 10 x 10 cm Samtquadrate geklebt, dass die Seitenteile nach unten umgeklappt werden können. 5 mm Platz zwischen dem zentralen Quadrat und den Seitenteilen sollten bleiben, damit ein Umklappen möglich ist. Die überstehenden Samtanteile wurden wie ein Bücherbezug um die Pappteile geklebt. Weil der jeweils nicht benutzte Einsatz möglicherweise unter dem doppelten Boden aufbewahrt werden sollte, blieben die Seitenteile flexibel, damit er möglichst flach abgelegt werden konnte. Die Mitte der Einsätze habe ich dann so ausgeschnitten, dass ein 5 mm breiter Rand verblieb, der umgeschlagen und unten am Einsatzdeckel festgeklebt werden konnte.

Deckel und Boden mit je 14,7 cm Breite und 31 cm Länge entstanden aus einer DIN A3-Platte, die 42 cm lang und 29,7 cm breit ist. Mithilfe der klemmbaren Alu-Leiste und Spannzwingen bekam ich sogar gerade Sägeschnitte hin. Der Deckel bekam außer der Sperrholzabdeckung noch einen Kasten aus 40 x 5 mm-Leisten, die Wände des Korpus entstanden aus 60 x 5 mm-Leisten. Das Dumme bei den 60 mm-Leisten ist, dass sie nicht in die Sägelade passen. Diese habe ich dann ebenso wie die Leisten mit der klemmbaren Alu-Leiste und Spannzwingen an der Werkbank fixiert.

Die Verzapfung klappte diesmal besser, aber ohne Nachschleifen ging es auch diesmal nicht. Leberwurst, die schon erwähnte Mischung aus Holzleim und Sägespänen, half mir, die verbliebenen Lücken zu schließen. Nach dem Trocknen von Leim und Leberwurst habe ich Deckel und Korpus abgeschliffen. In solchen Fällen mache ich das mit einem elektrischen Schwingschleifer.

Als nächstes habe ich die Beschläge aufgesetzt. Es sind zwei Minischarniere und ein Hakenschloss an der Front. Dann folgte die Beize, für die die Beschläge wieder abgenommen wurden. Beim Beizen blieben drei Flecken auf dem Deckel, die auch mit Nachschleifen und nochmaliger Beize nicht zu beseitigen waren. Möglicherweise sind dort Risse im Furnier, durch die Leim beim Verkleben der Schichten ausgetreten ist, so dass der Leim die Beize nicht oder nur schlecht ins Holz eindringen ließ. Zur Tarnung hatte ich einen Lorbeerkranz auf dem Deckel im Kopf.

Zunächst machte ich mich dann aber wieder ans Innenleben. Der doppelte Boden sollte aus Bücherpappe bestehen, die ich stanzen oder mit dem Pappenritzer schneiden wollte. Die 1,8 mm starke Bücherpappe erwies sich jedoch als ungeeignet für meine neuen Lochstanzen – und ordentliche Löcher mit dem Pappenritzer schneiden ist – jedenfalls für mich – ein Ding der Unmöglichkeit. Das verhunzte Pappenstück landete im Altpapier. Festere Wellpappe, wie Amazon sie für Bücher- oder CD-Versandverpackungen verwendet, tat einen besseren Dienst, ließ sich präzise zuschneiden und stanzen. So kamen Löcher für Verschnürungen hinein, die später Seidenbänder für die Befestigung von Federhalter, Siegelpetschaft und Siegellack aufnehmen sollten.

Das Innere der Schreibtruhe sollte mit dunkelgrünem Leder bezogen sein. Ich hatte mir über Amazon bei der Schuhfabrik Langlauf Lederreste bestellt. Diese Lederreste haben jeweils mindestens DIN A3-Größe. Das volle Kilogramm, was die Fa. Langlauf so anbietet ist aber immer eine Wundertüte, auch wenn Farben bestellt werden können. Ich hatte in diesem Fall grünes Leder bestellt. Irgendwie hatte es ein recht großes blaues Lederstück in die Überraschungskiste geschafft, das ich nicht erwartet hatte. Daraus wird sich gewiss etwas machen lassen, aber für dieses Projekt passte es einfach nicht. An wirklich grünem Leder war ein schönes Stück olivgrünes Leder drin, das Legolas sicher gefallen würde. Und dann war da noch ein ordentliches Stück richtig giftgrünes Leder, das es in dieser Form niemals schaffen wird, eine meiner Arbeiten zu ergänzen.

Zum Glück hatte ich mir bei Rickert, meinem Werkzeuglieferanten in Pegnitz, dunkelgrüne Lederfarbe bestellt, dazu Wollpinsel, um das Leder damit einstreichen zu können. Das kam nun zum Einsatz. Für den oberen Boden und die sichtbaren Seitenteile schnitt ich mir passende Stücke zurecht, denen ich mit der Lederfarbe zum passenden Farbton verhalf.

Mich packte allerdings das blanke Entsetzen, als ich sah, dass sich der Truhenkorpus nach dem Beizen so verbogen hatte, dass die Leisten wieder auseinandergegangen waren. Mit aller Vorsicht, Leim und Spannzwingen musste ich die Leisten wieder in den rechten Winkel lotsen.

Während das noch trocknete, machte ich mir Gedanken, wo der gerade nicht benutzte Fasseinsatz wirklich gut verwahrt werden konnte und auch greifbar blieb, ohne die Truhe jedesmal komplett demontieren zu müssen. Der lederne Seitenbesatz sollte sich auf den oberen Teil des Korpus beschränken. Das Leder unterhalb des doppelten Bodens fortzusetzen, erschien Verschwendung von Material zu sein. Weil der doppelte Boden ein Widerlager benötigt, mussten ohnehin noch Leisten in den unteren Teil des Korpus. Der doppelte Boden würde aller Voraussicht nach unter den seitlichen Lederstücken festgeklemmt werden, wäre also nicht ohne weiteres aus dem Kasten zu nehmen.

Die Lösung war schließlich wieder ein Deckelfach, wie ich es schon im Lederwerkzeug-Kasten eingebaut hatte. Die Klappe entstand aus dem verbliebenen Stück der DIN A 3-Platte, aus der ich Deckel und Boden der Truhe gesägt hatte. Analog zur komplett mit Samt ausgeschlagenen Siegelschatulle sollte die Schreibtruhe oben und unten mit Leder belegt sein. Mit der 20 x 20 mm-Leiste, die noch von der Reisetruhe übrig war, konnte ich die Deckelumrandung herstellen, die die Klappe halten und dem verschlossenen Raum Grenzen setzen sollte. Die bezogene Klappe bekam vor dem Einbau eine Punzierung aus Krone und Lilie.

Bei der Größe der Klappe passierte mir dann ein ähnliches Missgeschick wie bei der Siegelschatulle: Ich habe die Materialstärke des Besatzes unterschätzt. Zwar hatte ich mir schon Raum dafür gelassen, aber nicht genug. Der Deckel wollte einfach nicht passen.

Der Korpus war fertig getrocknet und auch wieder in Form, so dass der Boden eingesetzt werden konnte. Die Langseiten bekamen Stützen aus 5 x 5 mm-Leisten für die Bodeneinlage, die Bodeneinlage den Lederbesatz, die gestanzten Löcher wurden nach dem Kleben auch aus dem Leder ausgestanzt, die Seidenbänder für die Halterungen eingezogen und an der Unterseite der Einlage ebenfalls festgeklebt.

Die samtbezogenen Pappen der Einsätze waren zu dick für den 4-mm-Schlitz der Nutleiste, also habe ich aus Leistenstücken von 10, 7 und 5 mm Stärke einen Rahmen gebaut und unter der Aussparung der Bodeneinlage für die Tintenfässer fest verklebt. Die Federablage ist ebenfalls fest auf einer 10 mm dicken Holzscheibe verklebt, die vor dem Einbau der Einlage durchgesteckt wurde.

Beim Deckelfach hatte ich zunächst Mini-Scharniere eingeplant, aber als ich einen Teil des Deckelbezugs wieder abnehmen musste, um die Klappe für die Aussparung passend zu bekommen, zeigte sich, dass sich das Leder nur sehr unregelmäßig abschneiden ließ. Das sah einfach gruselig aus. Letztlich habe ich die Scharniere wieder abmontiert und einen Lederstreifen als Scharnier eingesetzt. Oben wird die Klappe mit einem Hakenschloss verschlossen, das dem Truhenbeschlag außen entspricht. In die Klappe habe ich zwei Löcher gebohrt und ein Lederband hindurch gezogen, das den Griff zum Öffnen der Klappe bildet.

Als Beschläge für die Schreibschatulle hatte ich bei Amazon einen Truhenbeschlagsatz gefunden, der aus den äußeren Scharnieren, dem Hakenschloss und vier Truhenfüßen in Löwentatzenform besteht. Die Scharniere machten nach der Montage den Eindruck, dass sie den Deckel auch ohne Bremse in der Senkrechten halten, weshalb ich zunächst auf ein Gelenkscharnier oder Halteband verzichtete.

Als Deckelverzierung wollte ich wieder vergoldete Zierleisten, die ich auch schon zugeschnitten und mit Goldlack vergoldet hatte. Dazu sollten je eine aus Gips gegossene Krone und Lilie kommen, die ebenfalls in Goldlack gebadet wurden. Beim Anpassen auf dem Deckel stellte ich fest, dass die Beizflecken sichtbar bleiben würden. Ich hatte als Tarnung einen Lorbeerkranz aus Strasssteinen im Visier, aber dabei zeigte sich das Problem, dass die Zierleiste dann zu viel war. Zudem wirkte ein Lorbeerkranz aus bernsteinfarbigen oder auch grünen Strasssteinen einfach zu prunkvoll. Krone und Lilie, ja, das würde zu meinen Wengländern passen; ein Lorbeerkranz, der vorgab, aus Bernstein oder gar Smaragden zu bestehen, passte definitiv nicht. Eine zweite Anprobe ergab, dass Krone, Lilie und Zierleisten erstens keine ästhetische Verzierung ergaben und zweitens auch etwas überladen wirkten. Auf Krone und Lilie wollte ich unter keinen Umständen verzichten; die gehören einfach zu meinen Wengländern. Vor einiger Zeit waren mir aber bei Tedi Eckverzierungen in die Hände gefallen und daran kleben geblieben. 4 Ecken für 2 € und auch noch altgoldfarben. Als ich die Eckverzierungen testweise auf den Deckel legte, hatte ich die passende Verzierung gefunden.

Der vergoldete Gips, aus dem Krone und Lilie bestehen, hat allerdings ein nicht zu unterschätzendes Gewicht. Als die Verzierungen aufgeklebt und getrocknet waren, zeigte sich, dass die Scharniere durchaus weiter geöffnet werden konnten als nur bis 90°. Der Deckel klappte komplett über. Nun war doch ein Halteband fällig, das wie die Verschnürungen für Federhalter, Petschaft und Siegellack aus dunkelgrünem Seidenband besteht.

Der unbenutzte Fasseinsatz passt ohne Schwierigkeiten in den Deckel. Dass auch ein fester Einsatz (also ohne flexible Steckeinsätze) möglich gewesen wäre, ging mir auf, als ich aus Bastelkarton und Bücherleinen noch ein Schächtelchen für Ersatzfedern herstellte. Außer dem Fasseinsatz und dem Federschächtelchen kam noch ein Papiertaschentuch als Putztuch in den Deckel.

Die fertige Truhe steht nun neben mir, das Zubehör befindet sich im Deckelfach, sie ist mit Feder, Tintenfass, Petschaft und Siegellack bestückt und wird auch benutzt.

Ein Hinweis noch: Die Lederfarbe ist alkoholbasiert und hat einen relativ starken Geruch. Es ist ratsam, die Truhe einige Tage auslüften zu lassen, bevor sie in geschlossenen Räumen ihren Dienst antritt.

Material

  • 1 DIN A3-Sperrholzplatte
  • 1 Leiste 1000 x 40 x 5 mm
  • 1 Leiste 1000 x 60 x 5 mm
  • 1 Leiste 1000 x 20 x 20 mm
  • 1 Satz Lucy Wei Bronze Holzkästchenbeschläge (incl. Schrauben) (angeboten von Amazon)
  • 1 Stück starke, dünne Wellpappe (z. B. Amazon-Versandmaterial) 29,4 x 13,7 cm
  • Leder ca. DIN A3-Größe (erhältlich bei Amazon, Verkäufer Fa. Langlauf Schuhbedarf)
  • Lederfarbe (angeboten von Rickert-Werkzeuge, Pegnitz)
  • Holzleim

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