Prozessprotokoll
US-Army versus Captain Steven Christopher Donovan
Einzelrichter: Colonel Sean O’Nollan, Provost Department
Staatsanwalt: Major Alfred Strittmatter, Provost Department
Verteidiger: Colonel Samuel Bennett, US Army, Military Intelligence
Schriftführer: Captain Gus Wessel, USAAF
Zeugen: | Major Waldo Fitzgerald Hopkins, USAAF |
Dr. Calvin Small, USAAF Medical Service | |
First Lieutenant Jeremy Allison Cox, USAAF | |
Flight Lieutenant David Pritchard, Royal Air Force | |
Pilot Officer Richard Leppard, Royal Air Force |
Der Vorsitzende Richter, Seine Ehren Colonel Sean O’Nollan eröffnet die Verhandlung am 20. Dezember 1942 um 09.00 Uhr
Richter O’Nollan: Der Prozess US Army gegen Captain Steven Christopher Donovan ist hiermit eröffnet. Ich stelle fest, dass der Zeuge Major Waldo Hopkins, benannt von der Anklage sowie die Zeugen Dr. Calvin Small, Flight Lieutenant David Pritchard und Pilot Officer Richard Leppard sowie First Lieutenant Jerry Cox, benannt von der Verteidigung, ordnungsgemäß geladen und erschienen sind. Ich bitte die Zeugen, den Gerichtssaal zu verlassen und vor der Tür zu warten, bis sie aufgerufen werden.
Die Zeugen verlassen den Gerichtssaal.
Richter (an den Angeklagten): Sie sind Captain Steven Christopher Donovan, geboren am 13. Januar 1912 in Phoenix/Arizona?
Angeklagter: Richtig.
Der Richter fordert den Staatsanwalt auf, die Anklage zu verlesen.
Staatsanwalt: Hohes Gericht, Euer Ehren, der Angeklagte Steven Christopher Donovan, wird beschuldigt, am 17. September 1942 erstens gegen den Befehl seines Staffelkapitäns die zur Jagdeskorte eines aus zwanzig Bombern bestehenden Angriffsverbandes eingeteilte Staffel ohne Erlaubnis verlassen zu haben, um sich dem Kampf feige zu entziehen und zweitens den Befehl des Staffelkapitäns, sich am Luftkampf zum Schutz der Bomberformation fortgesetzt zu beteiligen, verweigert zu haben.
Seine strafbare Handlungsweise stellt sich wie folgt dar: Im Luftraum von Zandvoort wurde der Bomberverband von feindlichen Jagdmaschinen angegriffen. Zunächst agierte Captain Donovan auch so, wie es sein Vorgesetzter, Major Waldo Hopkins, erwarten konnte: Er bekämpfte die angreifenden Jagdmaschinen. Im weiteren Verlauf des Kampfes meldete Captain Donovan dann Einschüsse in der Backbordseite seiner Maschine. Major Hopkins fragte ihn darauf, ob er noch feuern könne, was Captain Donovan auch bejahte. Major Hopkins erteilte ihm daraufhin den direkten Befehl, sich weiter am Kampfgeschehen zu beteiligen. Captain Donovan antwortete auf diesen Befehl nicht, sondern drehte mit seiner Maschine in die entgegengesetzte Richtung ab und flog auf direktem Kurs in Richtung englische Inseln. Funkrufe des Majors Hopkins beantwortete der Angeklagte nicht mehr.
Die Anklage plädiert daher auf Schuldig in beiden Anklagepunkten und fordert deshalb eine Haftstrafe, die die Anklage in das Ermessen des Gerichtes stellt. Ferner fordert die Anklage die Degradierung zum Second-Lieutenant sowie die dauerhafte Aberkennung der bisher von den Vereinigten Staaten an Captain Donovan verliehenen Auszeichnungen.
Richter: Danke, Major Strittmatter. Das Wort hat der Verteidiger.
Verteidiger: Hohes Gericht, Herr Staatsanwalt, die Verteidigung wird beweisen, dass die gegen Captain Steven Christopher Donovan erhobenen Vorwürfen samt und sonders falsch sind.
Unstreitig ist, dass die Maschine vom Typ Curtiss Kittyhawk des Captain Donovan im Verlauf eines Luftkampfes im Luftraum über Zandvoort durch eine Reihe von Einschüssen an der Backbordseite schwer beschädigt wurde, wenngleich sie nicht flugunfähig war. Die Maschine erlitt Schäden an der Außenhaut der linken Seite, die linke Kanzelverglasung wurde zerstört, ebenso der Kompass. Der Herr Staatsanwalt vergisst noch zu erwähnen, dass Captain Donovan dabei auch selbst schwer verwundet wurde. Nach dem vorliegenden Krankenbericht des Lazaretts von St. Eval, unterzeichnet von Dr. Calvin Small, 8th Air Fleet der Vereinigten Staaten, erlitt Captain Donovan zwei Steckschüsse im linken Oberarm, einen Durchschuss des linken Unterarmes sowie zwei Steckschüsse im linken Oberschenkel. Diese Verwundungen, die Captain Donovan zudem seinem Staffelführer bei der Schadensmeldung für seine Maschine ebenfalls meldete, führten durch Schmerzen und Blutverlust zur persönlichen Kampfunfähigkeit von Captain Donovan, so dass er schon aus diesem Grund am weiteren Kampfgeschehen nicht mehr hätte teilnehmen können.
Captain Donovan war zudem durch eine plötzlich vor ihm auftauchende feindliche Maschine gezwungen, ein riskantes Ausweichmanöver zu fliegen, um mit der Feindmaschine nicht zu kollidieren. Dieses Ausweichmanöver führte zu einer überstarken G-Belastung, die zur kurzzeitigen Bewusstlosigkeit führte. Zeuge für das Ausweichmanöver ist First-Lieutenant Cox, der am fraglichen Tag als Flügelmann meines Mandanten eingesetzt war und der nur wenige hundert Fuß versetzt hinter ihm flog. Dr. Small vom Lazarett wird bezeugen können, dass Kurven, die über einen bestimmten Neigungswinkel der Maschine hinausgehen, zu kurzzeitigem Bewusstseinsverlust führen können, bei dem jedoch der Gleichgewichtssinn nicht zwangsläufig außer Kraft gesetzt wird. Mein Mandant wird zudem als Zeuge in eigener Sache bestätigen können, dass er schon bei einem früheren Vorfall ähnlicher Art kurzfristig das Bewusstsein verlor, die Maschine aufgrund seines fliegerischen Könnens und des eben weiterhin funktionierenden Gleichgewichtssinnes jedoch mehrere Minuten in der Luft halten konnte.
Mein Mandant bestreitet, dass er die Truppe unerlaubt verlassen hat. Er bestreitet auch, sie bewusst verlassen zu haben. Insbesondere bestreitet mein Mandant, dieses aus Feigheit getan zu haben. Dadurch, dass mein Mandant einige Minuten bewusstlos war, keinen Kompass mehr hatte und sich wegen des wolkenverhangenen Himmels, den die Zeugen Pritchard und Leppard von der Royal Air Force bestätigen können, auch nicht nach dem Sonnenstand richten konnte, verlor er die Orientierung und geriet nur zufällig vor die britische Küste. Der Vorwurf des unerlaubten Entfernens von der Truppe und der Feigheit vor dem Feind ist daher nicht haltbar.
Mein Mandant bestreitet ferner, dass er nach der Schadensmeldung überhaupt noch einen Kontakt zu Major Hopkins, zu einem anderen Mitglied seiner Staffel oder zur Basis Kontakt hatte. Die Zeugen Pritchard und Leppard können bezeugen, dass die Funkantenne der Maschine meines Mandanten abgerissen war, weshalb er keinen Funkkontakt mit ihnen herstellen konnte. Eine Verständigung mit den Zeugen war nur noch per Handlampe im Morsecode möglich. Einen Befehl des Major Hopkins, sich weiter am Kampfgeschehen zu beteiligen, hat mein Mandant nicht erhalten. Der Vorwurf der Befehlsverweigerung ist daher ebenfalls nicht haltbar.
Die Verteidigung plädiert daher auf Nicht schuldig in beiden Anklagepunkten und beantragt Freispruch wegen erwiesener Unschuld.
Richter: Danke, Colonel Bennett. Ich schließe aus Ihrem Vortrag, dass der Angeklagte sich verantwortlich vernehmen lassen will. Habe ich das so korrekt verstanden?
Verteidiger: Ja, Euer Ehren, das ist so korrekt.
Richter: Gut. Ordonnanz, den Zeugen Major Waldo Hopkins bitte!
Der Zeuge Hopkins erscheint auf Aufruf durch die Gerichtsordonnanz, nimmt im Zeugenstand Platz und wird vereidigt, indem er die rechte Hand hebt und schwört: „Ich schwöre, die Wahrheit zu sagen und nichts als die Wahrheit. So wahr mir Gott helfe!“ (Anm. des Schriftführers: Diese Eidesformel wird für alle Zeugen und für den Angeklagten bei dessen verantwortlicher Vernehmung benutzt und erscheint daher nur einmalig im Protokoll.) Nach Feststellung der Personalien fordert der Richter den Staatsanwalt zur Befragung des Zeugen auf.
Staatsanwalt: Major Hopkins, welche Funktion haben Sie?
Zeuge Hopkins: Ich bin Staffelführer des Jagdgeschwaders Blue Eagles der 8th USAAF. In dieser Position bin ich unmittelbarer Vorgesetzter von Captain Donovan.
Staatsanwalt: Schildern Sie dem Gericht bitte die Ereignisse des 17. September 1942, wie Sie sie wahrgenommen haben.
Zeuge Hopkins: Unsere Staffel war zur Begleitung einer Bomberformation eingeteilt, die Hamburg angreifen sollte. Über Zandvoort wurden wir bereits von Feindmaschinen angegriffen. Meine Staffel stellte sich den Angreifern entgegen, wir hatten auch ganz gute Erfolge. Dann erhielt ich eine Meldung von Captain Donovan über den Kanal, den wir alle gemeinsam benutzten, dass er getroffen worden war. Ich habe ihn gefragt, ob er noch feuern könne. Er bestätigte das, worauf ich ihm sagte, er solle das dann tun. Das hatte ich kaum ausgesprochen, da drehte er sang- und klanglos ab, sagte nichts mehr und verschwand auf Gegenkurs.
Staatsanwalt: Welche Maßnahmen haben Sie getroffen, um sein Absetzen zu verhindern?
Zeuge Hopkins: Ich habe ihn über Funk gerufen, aber er hat nicht geantwortet.
Staatsanwalt: Haben Sie sonst noch etwas dazu getan? Versucht ihn abzufangen oder ihm eine andere Maschine nachgesandt, um ihn aufzuhalten?
Zeuge Hopkins: Nein.
Staatsanwalt: Warum nicht?
Zeuge Hopkins: Das ging gar nicht – wegen des andauernden Luftkampfes. Wir wurden alle heftig attackiert. Jeder musste sich zunächst um sich selbst und um die Bomber kümmern, die ihm zugeteilt waren.
Staatsanwalt: Welche Schäden hat Captain Donovan Ihnen gemeldet?
Zeuge Hopkins: Einschüsse im Backbordbereich seiner Kittyhawk.
Staatsanwalt: Hat er das nicht genauer ausgeführt?
Zeuge Hopkins: Kleinen Moment, ich muss mal überlegen. Ich meine, er sagte, die Kanzelverglasung sei links zerstört und er habe den Kompass verloren.
Staatsanwalt: Erinnern Sie sich, ob er etwas zu seinem persönlichen Zustand sagte?
Zeuge Hopkins: Nein.
Staatsanwalt: Keine Meldung über seine Verwundung?
Zeuge Hopkins: Nein, das habe ich erst erfahren, als ich vom Roten Kreuz die Meldung bekam, dass er im Lazarett von St. Eval ist.
Staatsanwalt: Danke, Major Hopkins. Ich habe keine weiteren Fragen an den Zeugen, Euer Ehren.
Richter: Colonel Bennett, haben Sie noch Fragen an den Zeugen Hopkins?
Verteidiger: Ja, Euer Ehren. Major Hopkins, wie gut konnten Sie das Kampfgeschehen um Captain Donovan beobachten?
Zeuge Hopkins: Wie gesagt, es war ein ziemliches Getümmel. Es ging alles buchstäblich drunter und drüber, Sir.
Verteidiger: Konnten Sie bei dem Getümmel erkennen, ob Captain Donovan einem anderen Flugzeug – sei es ein eigenes oder eine Feindmaschine – ausweichen musste?
Zeuge Hopkins: Nein, Sir.
Verteidiger: Sie konnten aber erkennen, dass er einfach davonflog?
Zeuge Hopkins: Ja.
Verteidiger: Wie konnten Sie dann bei dem Gewühl am Himmel, das Sie so betonen, erkennen, dass er grundlos abdrehte und verschwand?
Zeuge Hopkins: Na, ja, ich kenne seine Maschine, seine Nummer und sein Kennzeichen. Und ich habe gesehen, wie er einfach abdrehte und wegflog.
Verteidiger: Haben Sie auch die Maschine von Lieutenant Cox gesehen?
Zeuge Hopkins: Cox war als sein Flügelmann eingeteilt. Die beiden sind ein eingespieltes Team. Cox war knapp hinter ihm.
Verteidiger: Sie haben diese beiden Maschinen also zweifelsfrei identifiziert. Und das bei dem Gewusel, zwischen den deutschen Jägern?
Zeuge Hopkins: Ja.
Verteidiger: Auf welche Weise drehte Captain Donovan ab?
Zeuge Hopkins: Wie meinen Sie das?
Verteidiger: Nun, ist er einen weiten Bogen geflogen, eine scharfe Kurve?
Zeuge Hopkins: Aus meiner Sicht eher einen weiten Bogen.
Verteidiger: Einen weiten Bogen – bei engstem Gewühl am Himmel! Wenn Donovan sich einfach absetzte, gemütlich einen weiten Bogen flog, Sie das sahen und er auf Ihre Funkrufe nicht reagierte, warum haben Sie dann nicht Lieutenant Cox – seinen Flügelmann – beauftragt, Captain Donovan zurückzuholen?
Zeuge Hopkins: Dafür war das Getümmel nun wirklich zu groß. Außerdem brauchte ich Cox noch. Ich konnte nicht auf zwei Maschinen verzichten. Dann hätten wir den Bomberverband erheblich gefährdet.
Verteidiger: Sie haben gesehen, wie sich einer Ihrer Piloten verdrückte, er hat auf Funkrufe nicht reagiert, aber Sie verzichteten auf eine Rückholung, weil zwei Maschinen weniger eine zu viel waren? Major, das glaube ich Ihnen einfach nicht.
Zeuge Hopkins: Tun Sie’s oder lassen Sie’s, Sir.
Verteidiger: Major Hopkins, Sie haben auch ausgesagt, Sie hätten erst vom Roten Kreuz erfahren, dass Captain Donovan verwundet war. Welche Verwundungen sind Ihnen bekannt?
Zeuge Hopkins: Keine konkreten.
Verteidiger: Sie sagen, das Rote Kreuz hat Sie nicht darüber in Kenntnis gesetzt, dass Captain Donovan je zwei Kugeln im linken Oberarm und im linken Oberschenkel hatte und einen Durchschuss im linken Unterarm hatte?
Zeuge Hopkins: Nein. Ich habe lediglich erfahren, dass Captain Donovan verwundet aus der Nordsee gefischt worden war und wegen Überbelegung des an sich für uns zuständigen Lazaretts hier nach St. Eval gebracht worden war.
Verteidiger: Ungewöhnlich. Aber gut, lassen wir das mal so stehen. Warum hat Captain Donovan diesen Verwundungsumfang bei seiner Meldung an Sie nicht erwähnt?
Zeuge Hopkins: Weiß ich nicht. Da müssen Sie ihn schon fragen. Vielleicht ist er erst später verwundet worden, nachdem er sich abgesetzt hatte. Aber das wäre Spekulation, das kann ich nicht aus eigenem Wissen sagen, Sir.
Verteidiger: Wenn er später verwundet worden wäre, würde das doch bedeuten, dass er später, also außerhalb des Kampfverbandes, nochmals angegriffen worden wäre. Wenn ein Flugzeug mutterseelenallein dahinfliegt, beschädigt, ohne Kompass und es wird angegriffen, glauben Sie nicht, dass der Feind es abgeschossen hätte?
Zeuge Hopkins: Colonel, ich weiß nicht, in welchem Zustand Captain Donovan nach seinem Absetzen aus der Staffel war. Wenn er erst bei einem späteren Angriff verwundet wurde – was ich, wie gesagt, nicht aus eigener Kenntnis sagen kann – wäre er durchaus in der Lage gewesen, einen Angriff abzuwehren. Schießen konnte er ja noch, wie er mir gesagt hat. Er ist ein guter Pilot und hat schon einige Krauts vom Himmel geholt.
Verteidiger: Sie bleiben also dabei, dass Captain Donovan Sie von einer Verwundung nicht unterrichtet hat?
Zeuge Hopkins: Ja.
Verteidiger: Wie hat er seine Meldung an Sie beendet?
Zeuge Hopkins: Wie meinen Sie das?
Verteidiger: Hat er zu erkennen gegeben, dass seine Meldung beendet war? Mit ‘Ende’, ‘Over’, oder dergleichen?
Zeuge Hopkins: Ist mir jetzt nicht erinnerlich.
Verteidiger: Sie erinnern sich nicht, ob eine Meldung bei Ihnen vollständig war?
Zeuge Hopkins: Nein, es war ein ziemliches Getümmel. Zudem ist Captain Donovan kein Freund überkorrekter Meldungen. Er vergisst schon mal das Ende einer Meldung anzusagen.
Verteidiger: Major Hopkins, wie lange sind Sie Staffelkapitän der Blue Eagles?
Zeuge Hopkins: Seit Oktober 1941.
Verteidiger: Ist es zutreffend, dass Captain Donovan diesen Posten vor Ihnen innehatte?
Zeuge Hopkins: Ja, Sir.
Verteidiger: Ist es weiter zutreffend, dass Sie eigentlich nur vertretungsweise diese Position erhielten, aber wegen Ihrer Beförderung zum Major vor Captain Donovans Rückkehr in die Staffel dann doch behalten konnten?
Staatsanwalt: Einspruch, Euer Ehren! Warum, wie lange und weshalb Major Hopkins Staffelkapitän der Blue Eagles ist, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens!
Richter: Stattgegeben! Fragen Sie den Zeugen nach dem Sachverhalt der angeklagten Tat!
Der Richter weist den Schriftführer an, die Fragen des Verteidigers und die Antworten des Zeugen Hopkins ab „Wie lange sind Sie Staffelführer…“ im Protokoll zu streichen.
Verteidiger: Sie sagen, Major Hopkins, dass Captain Donovan ein guter Pilot ist, der schon einige Feinde abgeschossen hat. Wie viele feindliche Maschinen hat Captain Donovan nach Ihrem Kenntnisstand bisher abgeschossen?
Zeuge Hopkins: Während der Zeit, die wir als Blue Eagles hier in England stationiert sind, waren es sieben alleinige Abschüsse.
Verteidiger: Glauben Sie, Major, dass ein Kampfpilot, der sieben gegnerische Maschinen abschießt, vor dem achten aus lauter Angst das Hasenpanier ergreift?
Staatsanwalt: Einspruch, Euer Ehren! Was der Zeuge glaubt, ist nicht wichtig! Es geht nur um dessen objektive Wahrnehmung!
Richter: Stattgegeben! Colonel Bennett, unterlassen Sie solche Fragen!
Verteidiger: Euer Ehren, in diesem Falle spielt das, woran Major Hopkins geglaubt hat, durchaus eine Rolle. Immerhin muss der Zeuge ja geglaubt haben, dass Captain Donovan geflohen ist, er muss es aus seiner Handlungsweise geschlossen haben. Deshalb…
Richter: Das zu beurteilen, ist mein Job, Colonel Bennett! Stellen Sie eine andere Frage!
Der Richter weist den Schriftführer an, die letzte Frage des Verteidigers im Protokoll zu streichen.
Verteidiger: Major Hopkins, Sie haben Captain Donovan selbst beim Provost Department angezeigt. Ist das so richtig?
Zeuge Hopkins: Ja, Sir.
Verteidiger: Warum haben Sie den Dienstweg nicht eingehalten und Captain Donovan zunächst beim Geschwaderchef, Colonel Worsley gemeldet?
Zeuge Hopkins: Wie kommen Sie darauf, dass ich das nicht getan habe?
Richter: Beantworten Sie die Frage des Verteidigers, Major Hopkins!
Zeuge Hopkins: Ich bin Captain Donovans unmittelbarer Vorgesetzter. Er hatte einen Befehl, den ich ihm erteilt habe, nicht befolgt. Ich habe mich daher berechtigt gesehen, diese Verfehlung direkt an das Provost Department zu melden.
Verteidiger: Wann haben Sie Colonel Worsley als Ihren unmittelbaren Vorgesetzten über Ihre Anzeige informiert?
Staatsanwalt: Einspruch, Euer Ehren! Es geht hier um mögliche Verfehlungen von Captain Donovan – nicht um die Frage wer wann was angezeigt hat!
Richter: Stattgegeben! Colonel, ich habe den Eindruck, als verwechselten Sie den Anzeigenden mit dem Angeklagten! Wenn Sie keine weiteren Fragen zum eigentlichen Sachverhalt haben, beenden Sie die Vernehmung des Zeugen!
Verteidiger: Danke, Euer Ehren. Dann habe ich keine weiteren Fragen an den Zeugen.
Der Zeuge Hopkins wird um 10.00 Uhr entlassen und nimmt im Zuschauerraum Platz. Der Richter weist den Schriftführer an, die letzte Frage des Verteidigers aus dem Protokoll zu streichen. Weiter fordert der Richter den Angeklagten auf, in den Zeugenstand zu treten und vereidigt ihn. Der Richter fordert den Verteidiger auf, den Angeklagten zu befragen.
Verteidiger: Captain Donovan, wie lange sind Sie Militärpilot?
Angeklagter: Seit 1932, Sir.
Verteidiger: Sie sind Jagdpilot?
Angeklagter: Ja, Sir.
Verteidiger: Wie viele Abschüsse haben Sie bereits?
Angeklagter: Sieben unter britischem Kommando, als ich bei der Eagle Squadron war, weitere sieben, seit ich 1942 nach England versetzt wurde und Jagdeskorte fliege.
Verteidiger: Hatten Sie an dem fraglichen 17. September auch Abschüsse?
Angeklagter: Ja. Es hätte mein Konto gut erweitert. Es waren vier, aber weil ich nicht zum Schlussbriefing gekommen bin, konnten sie nicht anerkannt werden.
Verteidiger: Haben Sie für Ihr Verhalten als Kampfpilot Auszeichnungen erhalten? Falls ja, welche?
Staatsanwalt: Einspruch, Euer Ehren! Frühere Auszeichnungen sind nicht Gegenstand des Verfahrens!
Richter: Abgelehnt! Es geht auch um die Frage des persönlichen Verhaltens des Angeklagten, Major Strittmatter. Beantworten Sie die Fragen des Verteidigers, Angeklagter!
Angeklagter: Für die sieben Abschüsse sowie als Anerkennung dafür, dass ich mehrfach an einem Tag nach eigenen Notlandungen mit anderen Maschinen wieder in den Luftkampf eingestiegen bin, habe ich in meiner Zeit bei der Eagle Squadron das britische Distinguished Flying Cross erhalten. Für die weiteren sieben Abschüsse, die ich als amerikanischer Pilot nach meiner Versetzung nach Maiden Field hatte, habe ich den Silver Star erhalten.
Verteidiger: Welche Erfahrungen haben Sie mit überzogenen Kurven?
Angeklagter: Einmal ist mir so etwas Ähnliches schon passiert. Das war im September 1939 in Groom Lake bei einem Trainingsflug. Nach mehreren Loopings hintereinander würgte mein Trainer den letzten Looping ab, die Maschine geriet ins Trudeln, ich konnte sie abfangen, musste aber eine Kurve fliegen, die etwa 80 Grad steil war. Ich habe dabei kurzzeitig das Bewusstsein verloren, habe die Maschine aber trotzdem mehrere Minuten in diesem Zustand geflogen, wie mir später vom Bodenpersonal bestätigt wurde. Mein Trainer erlitt in der überzogenen Kurve einen Schlaganfall und war noch bewusstlos, als ich die Maschine landete. Ich habe gleich nachdem ich aufwachte, um Landeerlaubnis gebeten. Die zweite Erfahrung habe ich jetzt an jenem fraglichen 17. September gemacht.
Verteidiger: Was ist an diesem Tag geschehen?
Angeklagter: Wir – also die Blue Eagles – waren als Jagdbegleitschutz für einen Bomberverband von zwanzig Bombern eingeteilt. Wir starteten um 0800 in Maiden Field und gingen auf Ostkurs. Da die Jäger nicht genügend Reichweite haben, sollten wir den Bomberverband etwa bei Papenburg in der Nähe der niederländisch-deutschen Grenze verlassen und zu unserer Basis zurückkehren. Bei Erreichen des Festlands in der Höhe von Zandvoort in Holland, wurden wir von deutschen Jägern angegriffen. Im Laufe dieses Luftgefechtes erhielt ich eine über die ganze Backbordseite streichende Salve Einschüsse in der Maschine, die die linke Kanzelverglasung und den Kompass zerstörten, wohl auch den Tank traf. Ich selbst erlitt zwei Steckschüsse im linken Oberarm und im linken Oberschenkel sowie einen Durchschuss im linken Unterarm. Ich habe über unseren Bordfunk, eine allgemeine Frequenz, die wir alle gemeinsam benutzen, Major Hopkins gerufen und ihm die Schäden und meine Verwundung gemeldet. Er fragte mich daraufhin, ob ich noch feuern könne. Ich habe ihm geantwortet, dass ich dazu rein technisch gesehen noch in der Lage sei…
Verteidiger: Moment! Sie haben Ihre Verwundung zusammen mit der Schadensmeldung an Major Hopkins gemeldet?
Angeklagter: Ja, Sir.
Verteidiger: Es gibt da keine Verwechslung? Dass Sie etwa später nochmals Kontakt hatten und dann Ihre Verwundung erwähnten?
Angeklagter: Nein, Sir. Ich habe im Zusammenhang mit dieser Meldung Major Hopkins nur zweimal angesprochen: Einmal mit der Schadensmeldung, bei der ich auch meine Verwundung meldete und dann, als ich ihm die rein technische Einsatzfähigkeit meiner Bordwaffen meldete. Danach habe ich keinen Kontakt mehr gehabt – weder zu Major Hopkins, noch zu sonst jemandem aus meiner Staffel, auch nicht zur Basis und auch nicht zu den Briten, die mich später eskortierten.
Verteidiger: Gut. Fahren Sie bitte mit der Schilderung der Ereignisse fort, Captain Donovan.
Angeklagter: Nachdem ich also Major Hopkins entsprechende Meldung gemacht hatte, bemerkte ich, dass eine deutsche Maschine auf Kollisionskurs mit mir war. Um eine Kollision zu vermeiden, musste ich ausweichen und habe mehr als 70 Grad hochdrehen müssen. Das bedeutet eine Anziehungskraft von knapp 4 G. Ab 4 G wird ein gesunder Pilot ohnmächtig. Mir ging’s aber nicht gut mit den vier Kugeln, die noch steckten und der fünften, die den linken Unterarm durchschlagen hatte. Darum habe ich in diesem Fall das Bewusstsein schon früher verloren.
Verteidiger: Wenn Sie bewusstlos waren, warum sind Sie nicht abgestürzt?
Angeklagter: Aus eigener Kenntnis kann ich Ihnen das nicht sagen, Sir. Aber meine Curtiss beherrsche ich im Schlaf.
Verteidiger: Gut. Kommen wir zur Orientierung. Was brauchen Sie dafür?
Angeklagter: Den Kompass für gewöhnlich, manchmal tut’s auch Ortskenntnis, wenn man nicht über Wasser ist.
Verteidiger: Was tun Sie, wenn der Kompass ausfällt?
Angeklagter: In der Regel orientieren sich alle Piloten am Stand der Sonne.
Verteidiger: Zu welchem Zeitpunkt?
Angeklagter: Auf jeden Fall vor dem Start – vorausgesetzt, die Sonne ist überhaupt da.
Verteidiger: Wie waren die Wetterverhältnisse an jenem fraglichen Tag?
Angeklagter: Es war bedeckt, Sir. Der Himmel war vollständig zugezogen. Soweit ich mich erinnere, war es nicht nur eine Wolkenschicht, es waren mehrere übereinander. Die Wolken reichten etwa bis 30.000 Fuß.
Verteidiger: Wie hoch kann die Curtiss maximal fliegen?
Angeklagter: Gut 28.000 Fuß, Sir.
Verteidiger: Wo erwachten Sie aus der Ohnmacht?
Angeklagter: Irgendwo über dem Meer, Sir.
Verteidiger: Sie erwachten über dem Meer, hatten keinen Kompass mehr, Sie waren verwundet. Was haben Sie unternommen, um sich zu orientieren?
Angeklagter: Zunächst habe ich meine Staffel gerufen, ich bekam aber keine Antwort. Dann habe ich meine Basis Maiden Field gerufen – auch keine Antwort. Ich hatte höllische Schmerzen und war ziemlich verzweifelt, weil ich keine Ahnung hatte, wo ich war. Also bin ich noch mal im Kreis geflogen, in der Hoffnung, Land zu sehen, aber da war nichts.
Verteidiger: Wie haben Sie festgestellt, dass Sie im Kreis flogen?
Angeklagter: Unten auf dem Wasser waren Schaumkrönchen, deren Lauf ich ganz gut erkennen konnte. An denen habe ich gesehen, dass ich einmal rundherum geflogen bin.
Verteidiger: Wie sind Sie dann in englische Gewässer gekommen?
Angeklagter: Auf einmal kamen mir zwei Jagdmaschinen entgegen. Erst habe ich geglaubt, dass es Deutsche waren, aber dann sah ich zum Glück die Kennzeichen. Es waren Briten.
Verteidiger: Was geschah dann weiter?
Angeklagter: Ich habe die Briten gerufen, bekam aber keine Antwort. Einer umkreiste mich und blinkte mich mit einer Taschenlampe an. Er morste mir, dass meine Funkantenne schlapp herunterhing. Wir haben uns dann im Morsecode verständigt. Die Tommies haben mich dann begleitet. Bis zur Küste habe ich es aber nicht mehr geschafft, weil mein Treibstoff alle war. Ich musste notwassern, bin ziemlich hart aufgeschlagen, konnte mich noch knapp aus der absaufenden Maschine befreien und wurde dann von irgendwem aufgefischt. Ich habe das nicht mehr richtig mitbekommen.
Verteidiger: Warum nicht?
Angeklagter: Ich hatte Blut verloren, die Wunden brannten wie Feuer, vor allem im Salzwasser. Und dann ist das Wasser der Nordsee verdammt kalt. Kälte lähmt zusätzlich. Ich bin dann erst wieder im Lazarett aufgewacht.
Verteidiger: Keine weiteren Fragen an den Angeklagten, Euer Ehren.
Richter O’Nollan fragt den Staatsanwalt, ob er noch Fragen an den Angeklagten hat. Der Staatsanwalt nimmt die Befragung des Angeklagten auf.
Staatsanwalt: Captain Donovan – Sie sagen, Sie sind einer deutschen Maschine ausgewichen. Woran haben Sie erkannt, dass es eine deutsche Maschine war?
Angeklagter: Die Deutschen schmücken die Nasen Ihrer Messerschmitts meist mit gelben Nasen. Bei uns ist das nicht üblich. Und dann habe ich das Balkenkreuz, das deutsche Hoheitszeichen, erkannt.
Staatsanwalt: Wo ist das am Flugzeug angebracht?
Angeklagter: Oben und unten auf den Flügeln und seitlich am Heck vor dem Seitenleitwerk.
Staatsanwalt: Demnach haben Sie die Maschine von oben oder unten oder von der Seite gesehen?
Angeklagter: Ja, Sir.
Staatsanwalt: Wie schnell flogen Sie?
Angeklagter: Ich hatte fast volle Geschwindigkeit, etwa dreihundert Knoten.
Staatsanwalt: Wohin haben Sie abgedreht?
Angeklagter: Der Kraut kam mir direkt in die Flugbahn, ich bin nach links ausgewichen. Wäre ich nach rechts ausgewichen, hätte er mich wohl noch am Schwanz erwischt und geradeaus hätte ich ihm die Kanzel rasiert.
Staatsanwalt: Wo war ihr Flügelmann?
Angeklagter: Lieutenant Cox fliegt meist rechts hinter mir.
Staatsanwalt: Haben Sie auf die deutsche Maschine noch geschossen?
Angeklagter: Nein, Sir. Der Winkel stimmte nicht. Er war schon aus meinem Visier ‘raus. Lieutenant Cox hatte noch die Chance, ihn zu erwischen, ich nicht. Ich habe ihn Lieutenant Cox überlassen.
Staatsanwalt: Wie großzügig von Ihnen! Immerhin bedeuten Abschüsse ja Orden, wie Sie vorhin gesagt haben. Und da wollen Sie einem anderen den Ruhm überlassen?
Angeklagter: Ich betrachte den Luftkampf nicht als Wettbewerb zwischen den einzelnen Mitgliedern meiner Staffel, Sir. Es ist unsere Aufgabe, feindliche Jäger von unseren Bombern abzuhalten – durch Ablenkung oder Vernichtung. Wenn ich als führender Pilot einer Rotte die Chance dazu nicht habe, kann mein Flügelmann sie immer noch haben. Also springt er ein, wenn ich den Feind nicht erwische. Das ist nicht großzügig, das ist normal, Sir.
Staatsanwalt: Wollen Sie damit sagen, dass Ihnen Orden nichts bedeuten, Captain Donovan?
Angeklagter: Orden sind ein sichtbarer Ausdruck der Anerkennung für Tapferkeit oder Leistung, Sir. Es gibt bei uns aber keinen Piloten des Monats, weil er eine Bandschnalle mehr auf der Brust hat als seine Staffelkameraden. Ich bin nicht Soldat, weil ich eine möglichst große Anzahl von Orden erwerben will, sondern weil ich mein Land verteidigen will, Sir.
Staatsanwalt: Sie bestreiten also weiterhin, dem Kampf mit dem fraglichen Deutschen aus Feigheit ausgewichen zu sein?
Angeklagter: Sir, ich habe an jenem 17. September im Verlauf des Luftkampfes über Zandvoort vier deutsche Messerschmitts abgeschossen. Wenn ich feige gewesen wäre, hätte ich die Staffel spätestens in dem Moment verlassen, in dem die erste deutsche Maschine aufkreuzte und mich überhaupt nicht am Kampf beteiligt. Das aber behauptet ja nicht einmal Major Hopkins von mir. Ja, ich bestreite, feige gewesen zu sein.
Staatsanwalt: Ist es zutreffend, dass Sie Ihre Funkmeldungen nicht immer mit einem Signal beenden, das den Schluss der Meldung anzeigt?
Angeklagter: Ja, Sir. Das kann im Kampf vorkommen. Ich weiß, dass das ein Fehler ist. Es ist leider ein bleibender Fehler bei mir.
Staatsanwalt: Sie bleiben dabei, dass Sie Ihre Verwundung an Major Hopkins gemeldet haben, bevor er Sie gefragt hat, ob Sie noch feuern können?
Angeklagter: Ja, Sir.
Staatsanwalt: Was haben Sie ihm genau gemeldet?
Angeklagter: Ich habe ihm zunächst gemeldet, dass ich getroffen war. Major Hopkins fragte mich darauf, ob der Treffer funktionsstörend sei. Ich habe ihm die Schäden am Flugzeug und meine Verwundungen beschrieben. Darauf fragte er mich, ob ich noch feuern könne. Ich antwortete ihm noch, dass es rein technisch möglich wäre. Eine Antwort habe ich nicht mehr von ihm bekommen. Dann war der Deutsche da, ich bin ausgewichen und dann weiß ich nichts mehr – bis ich dann über dem Meer wieder zu mir kam.
Der Ankläger nimmt die Ausführungen des Angeklagten zur Kenntnis und lässt sich das Protokoll vom Schriftführer geben. Er vergleicht die Antwort, die der Angeklagte ihm gerade gegeben hatte mit der, die der Angeklagte in der Vernehmung durch den Verteidiger gegeben hatte. (Anm. des Schriftführers: Es findet sich kein Widerspruch.)
Staatsanwalt: Danke, Captain Donovan. Keine weiteren Fragen an den Angeklagten, Euer Ehren.
Richter: Gentlemen, es ist Mittagszeit. Ist die Verteidigung bereit, die weiteren Zeugen nach einer Mittagspause zu befragen oder besteht die Verteidigung auf einer sofortigen Einvernahme?
Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung sind mit einer Sitzungspause einverstanden. Auf Anordnung des Richters O’Nollan wird die Verhandlung unterbrochen, die Fortsetzung für ein Uhr dreißig am Nachmittag festgesetzt.
Um ein Uhr dreißig am Nachmittag wird die Verhandlung mit Eintreffen Seiner Ehren Richter Sean O’Nollan fortgesetzt. Auf Frage des Richters bittet die Verteidigung um die Einvernahme des Zeugen Dr. Calvin Small. Der Zeuge wird aufgerufen, nimmt im Zeugenstand Platz und wird nach Feststellung der Personalien vereidigt. Der Richter fordert den Verteidiger auf, den Zeugen zu befragen.
Verteidiger: Dr. Small, Sie sind Truppenarzt der US Army Air Force?
Zeuge Dr. Small: Ja, Sir.
Verteidiger: Sie haben Captain Donovan nach seiner Verwundung behandelt?
Zeuge Dr. Small: Ja, Sir.
Verteidiger: Captain Donovan hat Sie von Ihrer ärztlichen Schweigepflicht entbunden, wie Sie durch seine Unterschrift bestätigt bekommen haben. Welche Verwundungen haben Sie bei Captain Donovan nach seiner Einlieferung in das Lazarett St. Eval festgestellt?
Zeuge Dr. Small: Er hatte zwei Kugeln im linken Arm, zwei Kugeln im linken Oberschenkel, einen Durchschuss im linken Unterarm. Bei der Einlieferung mussten wir vier Blutkonserven einsetzen, weil er viel Blut verloren hatte. Dazu kam noch ein angebrochener fünfter Brustwirbel sowie eine massive Unterkühlung, bedingt durch den Aufschlag auf das Wasser und seinen Aufenthalt im Wasser.
Verteidiger: War Captain Donovan mit diesem Verletzungsumfang noch kampftüchtig?
Zeuge Dr. Small: Nein, auf keinen Fall.
Verteidiger: Bestand für ihn Lebensgefahr?
Zeuge Dr. Small: Als er die Verwundungen erlitt, sicher nicht unmittelbar. Aber er musste dringend in Behandlung, damit der Blutverlust nicht lebensbedrohlich wurde.
Verteidiger: Bestand Lebensgefahr, als er bei Ihnen eingeliefert wurde?
Zeuge Dr. Small: Ja, zu dem Zeitpunkt ja.
Verteidiger: Warum?
Zeuge Dr. Small: Als er bei uns ankam, hatte er – wie gesagt – etwa eine halbe Gallone Blut verloren. Mehr wäre tödlich gewesen.
Verteidiger: Welche Angaben hat Captain Donovan Ihnen zur Entstehung seiner Verwundungen gemacht?
Zeuge Dr. Small: Er war bewusstlos, als er eingeliefert wurde. Als ich ihn später befragen konnte, sagte er mir, er sei im Luftkampf über Holland verwundet worden.
Verteidiger: Gut. Dr. Small, sind Sie auch Fliegerarzt?
Zeuge Dr. Small: Ja, Sir.
Verteidiger: Sie sind also vertraut mit der Reaktion des menschlichen Körpers auf Druckveränderungen und Beschleunigung, auch speziell für Jagdmaschinen?
Zeuge Dr. Small: Ja, Sir.
Verteidiger: Jäger fliegen oft sehr enge oder steile Kurven. Wie steil kann – muss – eine Kurve noch sein, damit der Pilot noch feuern kann?
Zeuge Dr. Small: Bei 60 Grad ist die Grenze, bis zu der ein Pilot noch schießen kann. Das entspricht einer Beschleunigungskraft von 2 G, bei 4 G, was einer Kurve von etwa 75 Grad entspricht, wird ein gesunder Pilot bewusstlos.
Verteidiger: Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen ein auf diese Weise bewusstloser Pilot die Maschine noch weitergeflogen hat – ohne abzustürzen, meine ich.
Zeuge Dr. Small: Ja, es gab 1939 einen Fall in Groom Lake, der in der Fachwelt für ziemliches Aufsehen gesorgt hat. Damals ist ein Pilot im Trainer nach dem vierten und auch misslungenen Looping hintereinander fast abgeschmiert. Der zweite Mann konnte die Maschine aber abfangen, musste dabei aber eine 80-Grad-Kurve fliegen. Beide wurden bewusstlos, aber die Maschine flog weiter; zwar in dreidimensionalen Schlangenlinien, aber sie flog. Ungefähr sechs Minuten lang. Dann wachte der zweite Mann wieder auf, bat um Landeerlaubnis und landete die Maschine ganz normal.
Verteidiger: Wie haben Sie von diesem Fall erfahren, Dr. Small?
Zeuge Dr. Small: Zum einen ging das durch die Fachpresse, zum anderen bin ich mit dem seinerzeitigen Chefarzt von Groom Lake, Dr. Stone, zusammen auf der Universität gewesen. Als alte Kommilitonen tauschen wir uns über solche spektakulären Fälle natürlich aus.
Verteidiger: Welche Erklärung gab es für diesen Fall?
Zeuge Dr. Small: Der Pilot, der die Maschine abfangen konnte, war ein erstklassiger Pilot; er kannte die Maschine bestens, weil er selbst auf diesem Typ ausbildete. Und er hatte einen ausgeprägten Gleichgewichtssinn, der sich auch von so einem Blackout nicht irritieren ließ. Das ist aber selten, Sir.
Verteidiger: Gab es in Groom Lake noch mehr solche Fälle?
Zeuge Dr. Small: Nein, ich weiß nur von diesem einen, dem im September 1939.
Verteidiger: Wissen Sie den Namen des Piloten?
Zeuge Dr. Small: Das Gebot der ärztlichen Schweigepflicht hat Dr. Stone davon abgehalten, mir den Namen des Piloten zu nennen.
Verteidiger: Danke, Dr. Small. Keine weiteren Fragen an den Zeugen, Euer Ehren. Nur eine Bemerkung dazu.
Richter: Was wollen Sie anmerken, Colonel Bennett?
Verteidiger: Bei diesem Piloten, den Dr. Small gerade beschrieben hat, handelt es sich um meinen Mandanten! Er war im September 1939 gerade aus Europa zurückgekehrt und musste Flugstunden nehmen, weil man ihm im Deutschen Reich die PPL versagte und er deshalb mehr als sechs Monate nicht fliegen konnte. Bei einer dieser Flugstunden ist es zu diesem Zwischenfall gekommen. Mein Mandant hat dazu auch Ausführungen gemacht, die im Protokoll festgehalten sind.
Staatsanwalt: Einspruch, Euer Ehren! Das sind doch nur Behauptungen, die nicht bewiesen sind!
Richter: Stattgegeben! Wie wollen Sie das beweisen, Colonel Bennett?
Verteidiger: Für den Fall, dass die Anklage anzweifelt, dass es sich bei meinem Mandanten um den einzigen Piloten handelt, der je ein Flugzeug in kurzzeitig bewusstlosem Zustand geflogen hat, mag dazu Colonel Charles Worsley, der seinerzeitige und jetzige Geschwaderchef meins Mandanten als Zeuge gehört werden!
Richter: Frage an die Verteidigung: Warum wollen Sie das beweisen? Welchen prozesstechnischen Fortschritt erwarten Sie sich davon?
Verteidiger: Euer Ehren, die Anklage wirft meinem Mandanten vor, dass er bewusst und gewollt auf Gegenkurs gegangen ist. Mein Mandant hat das eben nicht getan. Er war bedingt durch sein scharfes Ausweichmanöver kurzzeitig bewusstlos. Aufgrund seines ausgeprägten, kaum zu störenden Gleichgewichtssinns und seiner persönlichen fliegerischen Fähigkeit war er aber in der Lage, die Maschine trotz des Blackouts zu fliegen, wenn er auch keine unmittelbare Orientierung hatte.
Richter: Herr Staatsanwalt, bestehen Sie auf einem weiteren Beweis zu dieser Frage oder sehen Sie die Frage der Fähigkeit des Angeklagten, sein Flugzeug auch im Zustand des Blackouts zu fliegen, als hinreichend geklärt an?
Staatsanwalt: Ich denke, dass diese Frage im Interesse des Fortgangs als beantwortet betrachtet werden kann.
Auf die Frage des Richters, ob er noch Fragen an den Zeugen Dr. Small hat, erklärt der Staatsanwalt, keine Fragen an den Zeugen zu haben. Der Zeuge wird entlassen und nimmt im Zuschauerraum Platz. Als nächster Zeuge wird First-Lieutenant Jeremy Cox aufgerufen, nimmt im Zeugenstand Platz und wird nach Feststellung der Personalien vereidigt. Der Richter fordert den Verteidiger auf, den Zeugen zu befragen.
Verteidiger: Lieutenant Cox, wie lange sind Sie Pilot der Army Air Force?
Zeuge Cox: Seit 1939, Sir.
Verteidiger: Seit wann fliegen Sie mit Captain Donovan?
Zeuge Cox: Oh, wir waren schon bei der Eagle Squadron zusammen. Damals haben wir den Krauts die Rotten-Taktik abgeschaut. Als Captain Donovan dann wieder in den Staaten war, wurde er wieder Ausbilder und hat mich als zweiten Mann angefordert, weil er eine große Truppe zusammenschweißen sollte. Der Haufen ist immer noch zusammen, wird jetzt Blue Eagles genannt.
Verteidiger: Was war Ihre Aufgabe am 17. September 1942?
Zeuge Cox: Unsere Staffel sollte einen Bomberverband begleiten. Ich war als Flügelmann für Captain Donovan eingeteilt. Wir flogen direkt hinter der Führungsrotte von Major Hopkins.
Verteidiger: Was geschah bei diesem Einsatz?
Zeuge Cox: Bomberverband und Eskorte flogen morgens um 0800 Richtung Osten. Bei Erreichen der Küste, etwa bei Zandvoort, wurden wir von deutschen Jägern angegriffen. Major Hopkins befahl den Angriff auf die Messerschmitts, den Captain Donovan auf der rechten Seite führte, Major Hopkins selbst in der Mitte und Lieutenant Carringson auf der linken Seite der Formation. Wir hatten guten Erfolg, hatten schon einige Krauts vom Himmel gepflückt, als Captain Donovan meldete, dass er getroffen war.
Verteidiger: Wie haben Sie diese Meldung hören können, Lieutenant?
Zeuge Cox: Wir benutzen alle einen gemeinsamen Kanal, um uns im Flug zu verständigen.
Verteidiger: Gut. Was meldete Captain Donovan?
Zeuge Cox: Er meldete sinngemäß, dass er getroffen sei. Major Hopkins befragte ihn, ob der Treffer funktionsstörend sei. Eine Frage, die der Führende stets stellt, um zu prüfen, ob jemand anders für den Meldenden einspringen muss. Captain Donovan meldete, dass die Kanzelverglasung an der linken, der Backbordseite zerstört sei, er den Kompass verloren habe und Einschläge im Tank vermutete. Außerdem meldete er, dass er drei Einschläge im linken Arm und zwei im linken Bein habe. Major Hopkins fragte, ob Captain Donovan noch feuern könne. Der Captain gab an, dass rein technisch dazu noch in der Lage sei. Es schien mir so, als ob er noch etwas hinzusetzen wollte, aber die Verbindung riss plötzlich ab. Major Hopkins redete ihm auch in die Meldung hinein und wies ihn an, das zu tun. Fast im selben Moment befand sich die Maschine von Captain Donovan auf Kollisionskurs mit einer Messerschmitt. Der Captain konnte nur noch in einer höllesteilen Kurve wegziehen, damit ‘s nicht schepperte. Wäre er nicht ausgewichen, wären die Maschinen unweigerlich kollidiert. Der Deutsche, dem der Captain ausweichen musste, flog mir direkt ins Visier. Ich konnte ihn abschießen. Dann habe ich nach Captain Donovan gesucht, hatte aber keinen Sichtkontakt mehr. Ich habe ihn über Funk gerufen, bekam keine Antwort. Auf meine Anfrage an andere Staffelkameraden, konnte mir keiner sagen, was mit Steve passiert war. Ich habe angenommen, dass er abgestürzt ist.
Verteidiger: Haben Sie auch Major Hopkins zum Verbleib von Captain Donovan befragt?
Zeuge Cox: Ja.
Verteidiger: Was hat er dazu gesagt?
Zeuge Cox: Dass er nicht wisse, wo Captain Donovan sei. Er habe ihn nicht mehr gesehen, seit er der Messerschmitt ausgewichen sei. .
Verteidiger: Moment: hat Major Hopkins von einem Ausweichmanöver vor einer deutschen Maschine gesprochen?
Zeuge Cox: Ja, Sir. Er wies ausdrücklich auf die Messerschmitt hin.
Verteidiger: Wie viele Abschüsse hatten Sie an diesem Tag?
Zeuge Cox: Einschließlich dieser Maschine drei.
Verteidiger: Wie wird ein Abschuss anerkannt?
Zeuge Cox: Man meldet die eigenen Abschüsse an. Wenn auch andere Piloten diese Abschüsse bestätigen, werden sie anerkannt.
Verteidiger: Die Piloten in einer Staffel sind in der Regel Freunde. Wie wird sichergestellt, dass sie sich nicht gegenseitig nicht vorhandene Abschüsse zuschieben?
Zeuge Cox: Es sind ja nicht immer nur Maschinen aus der eigenen Staffel beteiligt. Es werden auch die begleiteten Bomberbesatzungen befragt. Es kann schon mal ein paar Tage dauern, bis ein Abschuss wirklich anerkannt ist.
Staatsanwalt: Einspruch, Euer Ehren! Wozu soll diese Posse dienen? Wie Abschüsse anerkannt werden, steht hier doch nicht zur Debatte!
Richter: Herr Verteidiger, klären Sie bitte auf, was Sie mit diesen Fragen bezwecken!
Verteidiger: Ich möchte den Zeugen nicht in seiner Aussage beeinflussen, indem ich offen ausspreche, welches Ziel ich mit meinen Fragen verfolge. Das Gericht mag sich aus den Antworten, die der Zeuge dazu geben kann, ein Bild machen.
Richter: Diese Fragen erscheinen für die Aufklärung dessen, was Captain Donovan zur Last gelegt wird, nicht relevant zu sein. Stellen Sie eine andere Frage!
Verteidiger: Noch einmal zu der Funkverbindung. Sie sagten, die Verbindung sei plötzlich abgerissen. Wie ist das zu verstehen?
Zeuge Cox: Na ja, wie soll ich das ausdrücken? Es klang so, als ob er weiterreden wollte, den Satz jedenfalls noch nicht beendet hatte. Ich erinnere es nicht mehr wörtlich.
Verteidiger: Beendet Captain Donovan seine Meldungen immer mit einem Signalwort?
Zeuge Cox: Nein, das tut er nicht immer. Er bringt es zwar jedem bei, aber selber vergisst er es gerne. Ist ein kleiner Fehler von ihm, das weiß er aber auch. Aber ich jedenfalls kann in heraushören, ob er mit einer Meldung fertig ist.
Verteidiger: Woran merken Sie das?
Zeuge Cox: Na ja, wenn ein Mensch spricht, dann spricht er mit gewissen Höhen und Tiefen, ist fast wie ‘ne Melodie, Sir. Ist ein Satz beendet, dann geht der Ton irgendwie ‘runter. Und bei dieser Meldung blieb der Ton eben oben, so, als ob er eben weiterreden wollte. Daraus habe ich bemerkt, dass die Verbindung mitten im Satz abbrach.
Verteidiger: Hätte Major Hopkins das erkennen können?
Zeuge Cox: Da bin ich mir nicht sicher. Ich kenne Captain Donovan jetzt seit 1940, wir sind viele Einsätze zusammen geflogen, wir verstehen uns blind und jeder erkennt am Ton des Anderen, wie er drauf ist. Major Hopkins ist erst seit knapp einem Jahr unser Chef, hat aber mit Captain Donovan noch nicht sehr viele Einsätze zusammen absolviert. Die Staffel ist ja erst seit August diesen Jahres offiziell in England im Einsatz. Captain Donovan war schon seit März mit dem Vorauskommando hier in England und hat unseren Einsatz bei den Tommies vorbereitet. Deshalb flogen die beiden an dem fraglichen Tag erst seit einem Monat gemeinsame Einsätze. Das reicht nicht, um jede Feinheit einer Meldung zu erkennen, Sir.
Verteidiger: Danke, Lieutenant Cox. Keine weiteren Fragen an den Zeugen, Euer Ehren.
Der Richter befragt den Staatsanwalt, ob er noch Fragen an den Zeugen Cox hat.
Staatsanwalt: Sie kennen Captain Donovan gut?
Zeuge Cox: Ja, Sir.
Staatsanwalt: Kann man das Freundschaft nennen?
Zeuge Cox: Ja, Sir.
Staatsanwalt: Wie viele Abschüsse haben Sie?
Zeuge Cox: Einschließlich der beiden anerkannten vom 17. September, sechs Sir.
Staatsanwalt: Hat Captain Donovan Ihnen schon mal einen Feind – sagen wir – überlassen?
Zeuge Cox: Ja, Sir. Einige Male schon. Auch hier in England.
Staatsanwalt: Und? Waren Sie erfolgreich?
Zeuge Cox: Leider nicht immer, Sir.
Staatsanwalt: Welche Schäden haben Sie am Flugzeug von Captain Donovan gesehen?
Zeuge Cox: Captain Donovan drehte nach links weg, Sir. Das heißt, er hat die linke Seite nach unten gedreht, also von mir weg. Ich flog rechts hinter und etwas über ihm. Welche Schäden er hatte, habe ich leider nicht sehen können.
Staatsanwalt: Haben Sie die Funkantenne gesehen?
Zeuge Cox: Die Antenne ist sehr dünn. Man sieht sie nur, wenn man etwa hundert bis hundertfünfzig Fuß entfernt ist. Wir flogen aber in einer weiteren Formation, so vierhundert Fuß Abstand zwischen den Maschinen. Da konnte ich die Funkantenne nicht sehen. Den Kraut habe ich auch nur erwischt, weil ich einen größeren und genügenden Abstand hatte.
Staatsanwalt: Was bezahlt Captain Donovan Ihnen für diese Aussage?
Tumult im Gerichtssaal. Der Richter ermahnt mit Hammereinsatz zur Ruhe und verwarnt den Staatsanwalt. Die Frage wird aus dem Protokoll gestrichen. Auf Frage des Richters erklärt der Staatsanwalt, keine weiteren Fragen an den Zeugen Cox zu haben. Der Zeuge wird um 1500 entlassen und nimmt im Zuschauerraum Platz.
Auf Aufruf erscheint der Zeuge Flight Lieutenant David Pritchard, 155th Fighter Squadron, Royal Air Force, und nimmt im Zeugenstand Platz. Nach Feststellung der Personalien wird der Zeuge vereidigt. Der Richter fordert den Verteidiger auf, den Zeugen zu befragen.
Verteidiger: Flight Lieutenant Pritchard, Sie gehörten am 17. September 1942 zur Alarmrotte des Jägerstützpunktes Hornchurch und wurden zur Überprüfung eines unbekannten Flugobjektes alarmiert. Schildern Sie uns bitte den Gang des Geschehnisse.
Zeuge Pritchard: Pilot Officer Leppard und ich starteten nach dem Alarm von der Chain Home, um ein unbekanntes Flugobjekt zu kontrollieren, gegebenenfalls abzufangen, das in seltsamen Schlangenlinien – nämlich nicht nur links und rechts, sondern auch ‘rauf und ‘runter – auf die Küste in Höhe Margate zuhielt. Den Leuten in der Radarstation war kein Funkkontakt gelungen. Etwa dreißig Meilen vor der Küste fanden wir ein auf Südwestkurs fliegendes, einsitziges Jagdflugzeug, das ziemlich taumelig vor sich hinflog. Wir stellten fest, dass es sich um eine amerikanische Maschine handelte. Ich funkte den Piloten mehrfach an, bekam aber keine Antwort. Leppard umkreiste den Amerikaner und stellte fest, dass die Funkantenne lose am Seitenleitwerk hing. Ohne Antenne konnte der Amerikaner schlecht funken, also nahm Leppard mit der Taschenlampe Kontakt zu dem Piloten auf. Wir haben ihn dann in Richtung Margate eskortiert. Etwa zehn Meilen vor der Küste signalisierte er, dass er keinen Treibstoff mehr habe. Ich habe ihn angewiesen, notzuwassern und habe die Küstenwache in Margate verständigt. Die Küstenwache hat dann später bei uns in Hornchurch angerufen und mitgeteilt, dass sie einen verwundeten Amerikaner aus der Nordsee gefischt hätten.
Verteidiger: Hat der Pilot Sie über Schäden informiert? Über Verwundungen?
Zeuge Pritchard: Ich flog an seiner Backbordseite und habe die Einschüsse in der linken Seite der Maschine gesehen. Sie reichten vom Bug bis zum Heck. Richtig zersiebt, auch der Tank hatte was abbekommen. Kein Wunder, dass er keinen Treibstoff mehr hatte. Und in der verbliebenen Kanzelverglasung klebte deutlich sichtbar getrocknetes Blut. Er selber hat von Schäden und Verwundungen nichts gemeldet, aber im Morsecode per Taschenlampe kann man nicht viel schwatzen, wenn man ein Flugzeug fliegen muss und es einem obendrein nicht gutgeht.
Verteidiger: Was für Wetterverhältnisse herrschten an jenem Tag?
Zeuge Pritchard: Es war bedeckt – und das gründlich. Ich meine, wir hatten mehrere Wolkenschichten übereinander, so etwa bis 30.000 Fuß hinauf.
Verteidiger: Wie hätte sich jemand orientieren können, der nach einem Blackout über dem Meer aufwacht und der keinen Kompass mehr hat?
Zeuge Pritchard: Oh, je! Eigentlich gar nicht! Ohne Sonne und ohne Landmarken ist eine Orientierung dann praktisch unmöglich.
Verteidiger: Sind Schaumkronen auf dem Meer von Nutzen?
Zeuge Pritchard: Wenig. Man sieht – bei bestimmter Windstärke – zwar die Laufrichtung, aber wenn man keinen Kompass hat, nützen sie einem nur, wenn man wissen will, ob man noch geradeaus fliegt oder sich im Kreis dreht.
Verteidiger: Danke, Flight Lieutenant. Keine weiteren Fragen an den Zeugen, Euer Ehren.
Auf Anfrage des Richters befragt der Staatsanwalt den Zeugen Pritchard.
Staatsanwalt: Flight Lieutenant, ist es zutreffend, dass gerade bei Kleinmaschinen wie Jagdflugzeugen Windeinflüsse spürbar sind?
Zeuge Pritchard: Ja, Sir.
Staatsanwalt: Wie stark wehte der Wind an jenem 17. September? Aus welcher Richtung kam er?
Zeuge Pritchard: Ich meine, der Wind kam aus westlicher Richtung – wie meistens bei uns. Aber ganz genau weiß ich das nicht mehr. Und die Windstärke, nein, das weiß ich auch nicht mehr. Tut mir Leid, Sir.
Staatsanwalt: Aber Sie erinnern sich noch detailliert an die Wolkenstruktur?
Zeuge Pritchard: Ja, das war eine eher ungewöhnliche Erscheinung. Normalerweise hat man eine Schicht Wolken, darüber ist dann blauer Himmel. Aber an dem Tag war eben bis in höchste Schichten keine Sonne. Das ist so ungewöhnlich, dass man sich das als Pilot merkt.
Staatsanwalt: Ich habe hier die Wettervorhersage, wie sie für den fraglichen Einsatz am 17. September im Briefing herausgegeben wurde. Danach sollte Westwind bis Stärke 7 Beaufort auftreten. Wie würde sich eine solche Windstärke auf ein Kleinflugzeug auswirken?
Zeuge Pritchard: Nun, Stärke 7 merkt man schon. Man muss ausgleichen, um nicht vom Wind abgetrieben zu werden. Das gilt auch für Jagdflugzeuge.
Staatsanwalt: Der Wind ist also spürbar. Kann man sich daran orientieren?
Zeuge Pritchard: Im Prinzip ja, aber…
Staatsanwalt: Danke, das genügt. Keine weiteren Fragen an den Zeugen.
Der Zeuge Flight Lieutenant David Pritchard wird um 1545 entlassen und nimmt im Zuschauerraum Platz.
Auf Aufruf erscheint der Zeuge Pilot Officer Richard Leppard, 155th Fighter Squadron Royal Air Force. Der Zeuge nimmt im Zeugenstand Platz und wird nach Feststellung der Personalien vereidigt. Der Richter fordert den Verteidiger auf, den Zeugen zu befragen.
Verteidiger: Pilot Officer Leppard, Sie waren am 17. September mit Flight Lieutenant Pritchard als Alarmrotte in Hornchurch eingesetzt und wurden wegen Eindringen eines unbekannten Flugobjektes in den britischen Luftraum alarmiert. Schildern Sie uns bitte die Ereignisse.
Zeuge Leppard: Pritchard und ich stiegen auf und flogen nach Osten. Etwa dreißig Meilen vor der Küste trafen wir auf eine einzeln fliegende amerikanische Jagdmaschine, die ziemlich torkelig flog. Pritchard versuchte, Funkkontakt aufzunehmen, aber der Amerikaner antwortete nicht. Nach einigen Versuchen habe ich die amerikanische Maschine dann umkreist und sah dann den Grund für sein Schweigen: Die Funkantenne hing unbefestigt nur noch am Seitenleitwerk. So, wie sie hin und her schlapperte, konnte sie keine Funkwellen übertragen oder empfangen. Also nahm ich meine Taschenlampe und morste. Der Amerikaner identifizierte sich als Captain Steve Donovan, 8th US Army Air Force und teilte mir mit, dass er Schäden an der linken Seite habe und verwundet sei. Beides war nicht zu übersehen. Die linke Seite war völlig zersiebt, das Kanzelglas war mit Blut bespritzt, soweit es noch vorhanden war. Wir haben ihn dann nach Margate gelotst, aber so etwa zehn Meilen vor der Küste hatte er keinen Treibstoff mehr. Pritchard wies ihn an, zu wassern und alarmierte die Küstenwache, gab die Absturzposition durch. Die Küstenwache war auch schnell da. Die haben sich später noch bei uns gemeldet und bestätigt, dass sie einen verwundeten amerikanischen Flieger aus der Nordsee gefischt hätten.
Verteidiger: Was für Wetterverhältnisse herrschten an jenem Tag?
Zeuge Leppard: Es war bedeckt. Und das Komische daran war, dass es mehrere Wolkenschichten übereinander waren – wirklich ungewöhnlich.
Verteidiger: Wenn jemand den Kompass verloren hat und sich über dem Meer wiederfindet – wie orientiert der sich bei einer solchen Wetterlage?
Zeuge Leppard: Orientieren? Keine Chance, Sir. Der irrt ‘rum wie ‘ne angeschossene Ente.
Verteidiger: Danke, Pilot Officer. Keine weiteren Fragen an den Zeugen.
Der Richter fragt den Staatsanwalt, ob er noch Fragen an den Zeugen Leppard hat.
Staatsanwalt: Wie lange sind Sie Pilot der Royal Air Force?
Zeuge Leppard: Seit 1941, Sir.
Staatsanwalt: Waren Sie schon Pilot zur Zeit der Luftschlacht um England?
Zeuge Leppard: Nein, Sir. Die war 1940. Ich bin aber erst 1941 zur Royal Air Force gekommen.
Staatsanwalt: Kennen Sie Captain Donovan?
Zeuge Leppard: Nein, Sir. Ich habe nur an dem besagten 17. September 1942 Kontakt mit ihm gehabt.
Staatsanwalt: Und Sie sind ihm bestimmt nicht früher begegnet? In Maiden Field?
Verteidiger: Einspruch, Euer Ehren! Was soll das? Der Zeuge sagt doch deutlich, dass er meinen Mandanten nie vorher gesehen hat!
Richter: Stattgegeben. Haben Sie noch Fragen zum Sachverhalt oder geht es Ihnen darum, einen Zeugen zu verunsichern, Major Hopkins?
Staatsanwalt: Euer Ehren, ich habe das dunkle Gefühl, dass die Aussagen der von der Verteidigung benannten Zeugen samt und sonders abgesprochen sind!
Richter: Major Hopkins – wenn Sie Beweise dafür haben, dass die Zeugen den Angeklagten sehr wohl kennen müssen, dann legen Sie sie dem Gericht jetzt vor. Wenn Sie diesen Beweis nur im Wege der Ausforschung der Zeugen erbringen können, beenden Sie die Befragung der Zeugen!
Staatsanwalt: Danke, euer Ehren. Ich habe dann keine weiteren Fragen an den Zeugen.
Mit der Einvernahme des Zeugen Leppard ist die Beweisaufnahme um 1615 abgeschlossen. Der Richter fordert den Staatsanwalt auf, zu plädieren.
Staatsanwalt: Euer Ehren, wir haben es bei Captain Donovan mit einem Offizier zu tun, der ehedem ein tapferer Soldat gewesen sein mag, wie seine bisherigen Auszeichnungen auch dokumentieren. An jenem 17. September hat er sich jedoch in keiner Weise so verhalten, wie man es von einem Offizier seines Dienstgrades und seiner Funktion als Ausbilder und ehemaliger Staffelkapitän erwarten konnte. Obwohl er mindestens technisch in der Lage war, den Kampf fortzusetzen, hat er dies nicht getan, sondern sich entgegen dem ihm erteilten Befehl vom Kampfgeschehen abgesetzt und ist vor dem Feind feige geflohen. Bei den Befragungen der Zeugen ist es unklar geblieben, zu welchem Zeitpunkt Captain Donovan seine zweifelsohne vorhandenen Verwundungen erlitten hat. Der Zeuge Hopkins hat überzeugend dargestellt, dass ihm von einer Verwundung Captain Donovans nichts bekannt war, weil der Angeklagte ihm dies nicht gemeldet hat. Der einzige Zeuge, der die Behauptungen des Angeklagten stützt, ist ein guter Freund von ihm und hat sich in der Vernehmung als nicht glaubwürdig präsentiert. Die breit ausgeführten Ermittlungen zu den Wetterverhältnissen am Tattag sind samt und sonders unerheblich, weil Captain Donovan wegen seines eigenmächtigen Absetzens von der Truppe durchaus wusste, in welche Richtung er flog. Er konnte sich ja, wie vom Zeugen Pritchard ausgeführt, an der Windrichtung orientieren. Die Staatsanwaltschaft sieht es als erwiesen an, dass Captain Donovan sich befehlswidrig und ohne zwingenden Grund eigenmächtig vom Kampfgeschehen abgesetzt hat. Die Staatsanwaltschaft plädiert daher auf Schuldig in beiden Anklagepunkten.
Richter: Das Wort hat der Verteidiger.
Verteidiger: Euer Ehren, Herr Staatsanwalt, es bleibt mir unerfindlich, wie Sie, Major Strittmatter, nach dieser Beweisaufnahme noch auf Schuldig plädieren können. Es ist doch völlig unstreitig und wird auch von Major Hopkins eingeräumt, dass Captain Donovan Einschüsse in der Maschine an der linken Seite und den Verlust des Kompasses meldete. Diese Einschüsse an der linken Seite der Maschine werden von den neutralen Zeugen Pritchard und Leppard unzweideutig bestätigt. Von weiteren Beschädigungen, die das Flugzeug nach dem Verlassen des Verbandes bekommen haben könnte, ist in den Aussagen dieser Zeugen nicht die Rede. Ich weiß auch nicht, weshalb überhaupt begründete Zweifel daran bestehen sollen, dass die unstreitig vorhandenen Verwundungen nicht aus dem Kampfgeschehen über Zandvoort resultieren sollten. Eine Geschossgarbe, die die linke Seite einer Jagdmaschine so durchdringt, dass sie den Kompass zerstört, der sich im Instrumentenbrett befindet, die über die gesamte linke Seite reicht, wie die Zeugen Pritchard und Leppard unabhängig voneinander ausführen, ist sehr wohl geeignet, die Verwundungen von Captain Donovan in vollem Umfang zu verursachen.
Diese Verwundungen, das hat die Aussage des Zeugen Dr. Small ergeben, bewirkten eine Kampfunfähigkeit Captain Donovans. Major Hopkins hätte ihm sogar befehlen müssen, den Verband zu verlassen, um sich in ärztliche Behandlung zu begeben! Als Vorgesetzter hätte er ihm eigentlich auch Begleitschutz mitgeben müssen, da Captain Donovan aufgrund seiner Verwundungen eben nicht mehr in der Lage war, sich selbst zu verteidigen.
Nach der Aussage von Lieutenant Cox ist zudem erwiesen, dass Captain Donovan zu einem harten Ausweichmanöver genötigt war. Durch dessen Aussage ist auch zweifelsfrei erwiesen, dass Major Hopkins selbst gesehen hatte, dass Captain Donovan einer deutschen Maschine ausweichen musste! Niemand kann von einem Kampfpiloten erwarten, dass er sein Leben durch eine bewusste Kollision mit einem Feind opfert, um diesen zu vernichten, nicht einmal dann, wenn es keine andere Möglichkeit gäbe, diesen Feind zu vernichten. Ich kenne auch keine militärische Dienstanweisung der US Army, die den Selbstmord eines amerikanischen Soldaten verlangt, um einen Feind zu vernichten. Davon jedoch abgesehen, hatte ja noch Captain Donovans Flügelmann, Lieutenant Cox, die Chance, den deutschen Jäger abzuschießen, was dieser auch nachgewiesenermaßen getan hat. Dieser Abschuss ist anerkannt worden. Folglich muss er von mehreren anderen Piloten bestätigt worden sein, sonst hätte er nicht anerkannt werden können. Damit müssten auch noch andere Piloten das Ausweichmanöver Captain Donovans gesehen haben und müssten es bestätigen können.
Dieses harte Ausweichmanöver führte zu kurzzeitiger Bewusstlosigkeit – auch bedingt durch die Verwundungen – wie Dr. Small überzeugend dargestellt hat. Dies wiederum führte zu nachfolgender Orientierungslosigkeit, was von den Zeugen Leppard und Pritchard ebenso überzeugend bestätigt wird.
Es kann keine vernünftigen Zweifel daran geben, dass Captain Steven Christopher Donovan die unstreitigen Verwundungen im Kampf über Zandvoort erlitten und seinem Staffelkapitän ordnungsgemäß seine Verwundungen gemeldet hat. Selbst, wenn man unterstellen müsste, dass Captain Donovan den Befehl zur weiteren Teilnahme am Gefecht gehört haben muss, muss der Befehl selbst als unwirksam betrachtet werden, denn Captain Donovan war kampfunfähig und gehörte schlicht ins Lazarett!
Doch selbst, wenn es noch Zweifel geben sollte, was ich mir nach der überzeugenden Aussage von Lieutenant Cox aber nicht vorstellen kann, stünde immer noch die Aussage des Captain Donovan gegen die Aussage des Major Hopkins. Es ist für mich nicht ersichtlich, weshalb der Anzeigende glaubwürdiger sein sollte als der Angeklagte, ein Offizier, der sich in seiner bisherigen Karriere bei der USAAF nicht das Geringste hat zuschulden kommen lassen! Wenn das Gericht dennoch Zweifel haben sollte, verweise ich auf den Grundsatz in dubio pro reo!
Ob Ihr – wohlgemerkt einziger – Zeuge, Herr Staatsanwalt, wirklich so glaubwürdig ist, wie Sie meinen, halte ich durchaus nicht für gesichert! Major Hopkins gab an, dass Captain Donovan ihm lediglich die Beschädigung der Maschine gemeldet hat. Sowohl der Angeklagte selbst als auch der Zeuge Cox haben jedoch bekundet, dass die Meldung über die Verwundung gleichzeitig mit der Schadensmeldung erfolgte. Die Verteidigung ist überzeugt, dass sämtliche Mitglieder der Staffel dies bezeugen könnten und würden. Ebenso ist die Verteidigung aber auch davon überzeugt, dass die Staatsanwaltschaft jegliche, für Captain Donovan positive Aussage als unglaubwürdig abbügeln würde, weil die gesamte Staffel zu Captain Donovan ein gutes bis freundschaftliches Verhältnis hat und sich verzweifelt an der einzigen negativen Aussage festklammern würde, nämlich der des Staffelkapitäns Hopkins, des Anzeigenden. Euer Ehren, Sie haben mich in der Einvernahme des Zeugen Hopkins leider daran gehindert, den Zeugen danach zu fragen, wann er seinen Vorgesetzten, Colonel Worsley, von der Anzeige gegen Captain Donovan unterrichtet hat. Sie haben mir unterstellt, ich wollte Anklage und Anzeige vertauschen! Bedauerlicherweise konnte Colonel Worsley nicht als Zeuge nachbenannt werden, weil die Fristen verstrichen waren. Deshalb gebe ich es dem Gericht als eigene Recherche zur Kenntnis: Major Waldo Hopkins hat Colonel Charles Worsley bis zu dem Tage, an dem Captain Donovan ohne jede Vorbereitung von der MP aus St. Eval abgeholt wurde, um sich hier in Maiden Field vor Gericht zu verantworten, nicht davon in Kenntnis gesetzt, dass er Anzeige gegen Captain Donovan ohne Einhaltung des Dienstweges erstattet hatte. Das war am 30. November 1942, mehr als zwei Monate nach der Anzeige! Diesen normalen Dienstweg, Euer Ehren, den hätte diese Anzeige nicht überlebt, denn Colonel Worsley hätte die Beschwerden, die Major Hopkins gegen Captain Donovan vorbrachte, durch Befragung der Staffel aufklären müssen, bevor er eine Strafanzeige beim Provost Department machte! Dass Major Hopkins diesen normalen Dienstweg nicht einhielt, konnte nur einen Grund haben: Er wusste ganz genau, dass die Staffel seine Behauptungen über das Verhalten von Captain Donovan nicht bestätigen würde! Dass er den Dienstweg nicht eingehalten hat, ergibt sich ohne jeglichen Zweifel aus der von Major Hopkins selbst unterschriebenen Anzeige. Diese Anzeige hätte vom Geschwaderkommandeur unterzeichnet sein müssen, mindestens gegengezeichnet müssen! Beides ist nicht der Fall!
Hohes Gericht, die Verteidigung plädiert nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auf ‘Nicht schuldig’ in beiden Anklagepunkten!
Das Gericht zieht sich nach Anhörung der Plädoyers zur Urteilsfindung zurück. Die Sitzung wird um 1800 wieder eröffnet.
Richter: Im Namen des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika als Oberbefehlshaber der Streitkräfte ergeht folgendes Urteil:
Der Angeklagte Steven Christopher Donovan ist im Sinne der Anklage nicht schuldig! Er wird daher in beiden Anklagepunkten wegen erwiesener Unschuld freigesprochen!
Zur Begründung: Das Gericht sieht es durch die unstreitig vorhandenen Schäden an der Maschine als erwiesen an, dass der Angeklagte bei dem Luftgefecht über Zandvoort mit je zwei Steckschüssen im linken Oberarm und im linken Oberschenkel sowie einem Durchschuss durch den linken Unterarm schwer verwundet wurde, so dass er kampfunfähig war und deshalb berechtigt aus dem Kampf ausschied. Das Gericht sieht es durch die glaubwürdige Aussage des Zeugen Cox ebenfalls als erwiesen an, dass Captain Donovan diese Verwundungen ordnungsgemäß an seinen Staffelkapitän, Major Hopkins gemeldet hat. Durch die überzeugende Aussage des Zeugen Cox ist ferner belegt, dass die Funkverbindung noch während des zweiten Kontakts mit Major Hopkins durch Abreißen der Funkantenne verloren ging, so dass der Angeklagte den Befehl des Zeugen Hopkins, den Kampf fortzusetzen, nicht mehr hören konnte.
Eine Befehlsverweigerung hätte aber auch dann nicht vorgelegen, wenn der Angeklagte diesen Befehl zweifelsfrei verstanden hätte. Durch seine Verwundungen war er kampfunfähig und durfte nicht zur weiteren Teilnahme am Luftgefecht angehalten werden. Er hatte sich also in jedem Falle berechtigt von der Truppe entfernt. Ein Verhalten des Angeklagten, das als feige bezeichnet werden könnte, ist nach Überzeugung des Gerichtes in keiner Weise erkennbar.
Der Angeklagte ist daher in vollem Umfang freizusprechen.
Die Sitzung ist geschlossen!
Schreibe einen Kommentar