Gedanken zum G20-Gipfel 7. Juli 2017 in Hamburg
Je länger ich darüber nachdenke, desto lieber wäre es mir gewesen, dass dieses Treffen nicht lange vorher lauthals bekannt gemacht worden wäre. Von dem Augenblick an, in dem dieses Treffen in Hamburg angekündigt wurde, die Medien darüber berichteten, wurden Proteste dagegen geplant.
Proteste.
Proteste dagegen, dass Politiker miteinander reden.
Muss ich das wirklich verstehen? Wie kann man dagegen sein, wenn Politiker miteinander reden?
Mag ja sein, dass keine konkreten Verträge, keine greifbaren, für die gesamte Welt vernünftigen Vereinbarungen dabei herauskommen. Aber wann wäre das jemals bei einem einzigen Treffen von Politikern dieser Welt der Fall gewesen? So geschichtsinteressiert ich bin – mir will da keines einfallen. Politik ist ein mühsames Geschäft, denn wer andere von seinen Positionen überzeugen will, braucht viel Geduld und meistens auch sehr viel Zeit.
Ein Treffen allein kann schon deshalb keine augenblicklich greifenden Ergebnisse erbringen, weil internationale Vereinbarungen in der Regel auch der Zustimmung der jeweiligen Parlamente bedürfen.
Zwanzig Staats- und Regierungschefs werden sich in Hamburg treffen. Nach der „Demokratie-Ampel“, die heute, am 5. Juli 2017, von der Hamburger Morgenpost veröffentlicht wurde, sind zwölf der Staaten, deren Regierungschefs sich vierzig Kilometer von mir entfernt treffen wollen, unproblematische Demokratien, sind mit einer grünen Ampel versehen. Vier haben eine gelbe Ampel, was als bedenklich gilt, vier eine rote, was bedeutet, dass Demokratie in jenen Ländern ein Fremdwort ist.
Eine gelbe Ampel davon steht bei US-Präsident Trump – seiner Person wegen, nicht wegen der USA als solche, wo dieser Mann demokratisch gewählt wurde. Ich mag den Mann nicht. Er hat keinerlei diplomatisches Auftreten, benimmt sich wie die Axt im Wald. Aber die Welt wird wohl leider die nächsten vier Jahre mit ihm irgendwie auskommen müssen – es sei denn, dass er sich doch noch so danebenbenimmt, dass er seines Amtes enthoben wird. Ob die Alternative Pence besser wäre, bliebe dann abzuwarten. Und solange es keinen hand- und gerichtsfesten Nachweis dafür gibt, dass diese Wahl gefälscht war, ist er ein demokratisch gewählter Staatschef. In dem Fall ist es also nicht in mangelnder Demokratie des von ihm repräsentierten Staates begründet, sondern allein in der Person.
Jedes Land kann über sein eigenes Parlament und seine eigene Regierung befinden. Andere muss man nehmen, wie sie kommen. Will heißen: Die Verhandlungspartner in anderen Staaten der Welt kann sich ein/e Regierungschef/in ebenso wenig aussuchen wie die eigene Verwandtschaft.
Dreizehn von zwanzig Staaten, deren Repräsentanten miteinander reden wollen, sind Demokratien, bei denen es keine Einwände gibt. Selbst bei den gelben Ampeln stehen immer noch Demokratien hinter den Regierungen, wenn es in jenen Ländern auch Defizite in dieser Hinsicht gibt.
Von den vier mit roten Ampeln markierten Ländern ist eines eine absolute Monarchie, deren Gebaren auch gegenüber dem eigenen Volk kritikwürdig ist, eines ist eine Ein-Parteien-Diktatur, eines erst seit kurzem eine Ein-Mann-Herrschaft, die sich in Richtung Diktatur entwickelt, eines hat eine Verfassung, bei deren Amtszeitbegrenzung des Präsidenten man nur den Kopf schütteln kann.
Soll man mit diesen Leuten überhaupt nicht mehr reden? Soll man sie isolieren? Sie ignorieren?
Nein, denn solange geredet wird, besteht immer noch die Hoffnung, etwas zu ändern, ohne dass geschossen wird.
Kritiker dieses Treffens halten dem Treffen vor, es habe keine Legitimation. Wenn dem so wäre, wäre jeglicher Staatsbesuch eines Staats- oder Regierungschefs bei einem anderen ohne Legitimation. Und die These ist mir bisher noch nicht zu Ohren gekommen.
Wieso sollte eine Legitimation nicht vorliegen? Seit wann mangelt es gewählten Regierungen an einer Legitimation, wenn sie von sich aus mit anderen Regierungen reden? Welcher Staatsbesuch eines einzelnen Staats- oder Regierungschef wird nur im Auftrag bzw. mit Erlaubnis des jeweiligen Parlamentes durchgeführt?
Und wenn dem so wäre, wäre auch der Alternative Gipfel ohne Legitimation, denn den hat auch kein vom Volk gewähltes Parlament in die Spur gesetzt …
Kritiker werfen den G20 vor, sie entschieden über die Köpfe anderer Länder hinweg. Einerseits wird behauptet, es käme bei einem solchen Treffen nichts heraus, aber an der Stelle sollen auf einmal Entscheidungen zu Lasten anderer auf der Stelle möglich sein … Interessant.
Aber … tun sie das tatsächlich? Teilen sie die Welt unter sich auf? Setzen sie Regierungen anderer Länder ab, lösen sie deren Parlamente auf?
Kritiker werfen den G20 vor, ihre Politik sei ungerecht. Wenn die Politik ungerecht ist, dann nehme man sein Wahlrecht wahr und wähle eine Partei, die eine gerechte Politik im Programm hat. Gibt es nicht? Dann suche man Gleichgesinnte, gründe man eine Partei, mit der diese Politik möglich wird. Dauert sehr lange? Kann sein. Politik ist nichts für Entscheidungen von eben auf jetzt, besonders, wenn das Volk beteiligt sein soll. Aber das ist die Alternative, wenn es keine Ruck-Zuck-Entscheidungen im Wege einer Diktatur sein sollen.
Kritiker halten dem Gipfel vor, er sei zu teuer. Ja, er ist teuer, er ist schweineteuer. Aber warum ist das so? Weil Proteste – auch und gerade gewaltsame (Welcome to Hell) – angekündigt sind, weil kein Organisator einer friedlichen Demonstration wirklich garantieren kann, dass sich nicht gewaltbereite Randalebrüder und -schwestern unter wirklich friedliche Demonstranten mischen und aus dieser Menge heraus Stunk machen, Schäden bei Unbeteiligten verursachen.
Wenn Waffenarsenale in Streusandbehältern gefunden werden, muss wohl davon ausgegangen werden, dass auch beabsichtigt war, diese Waffen einzusetzen. Und falls nun jemand auf die Idee verfällt, zu behaupten, die habe die Staatsmacht da wohl selbst versteckt, der trete den gerichtsfesten Beweis dafür an.
Für die Proteste reisen Tausende von Demonstranten aus dem ganzen Land und auch aus dem Ausland an.
Ein Teil davon, weil Randale für sie der schönste Zeitvertreib zu sein scheint. Denen geht es nicht darum, Kritik an aktueller Politik zu formulieren, sondern darum, anderer Leute Eigentum zu schädigen oder zu vernichten – und es trifft die, die mit Politik nicht mehr zu tun haben, als dass sie zur Wahl gehen und ihr Wahlrecht ausüben. Es geht ihnen darum, sich ordentlich zu prügeln, weil sie Polizisten grundsätzlich nicht ausstehen können (sonst gäbe es wohl nicht die Sprüh-Parole ACAB – „All Cops Are Bastards“). Geschäftsleute vernageln deshalb ihre Geschäfte, Normalbürger bringen ihre Autos in Sicherheit, es müssen Sicherheitszonen geschaffen werden, die die Bewegungsfreiheit des unbeteiligten Bürgers stark einschränken.
Jene, die meinen, sie wollten die ungerechte Politik der G20 „nur“ stören, scheinen zu vergessen, dass die Politiker, die sich hier treffen wollen und werden, nicht sich selbst dienen, sondern Staaten dieser Welt repräsentieren. Nach Berechnungen der Hamburger Morgenpost stellen diese 20 Staaten etwa 64% der Weltbevölkerung – mithin die Mehrheit, nämlich fast Zweidrittel. Welche Legitimation gibt es dafür, Politiker, die Zweidrittel der Weltbevölkerung repräsentieren, bei der Arbeit, für die sie da sind, zu stören?
Für mich ist der Gipfel des Wahnsinns, dass man dagegen sein kann, dass Politiker miteinander reden; dass deshalb der Ausrichter eines solchen Gipfels genötigt ist, einige Zigmillionen für Sicherheit auszugeben, die an anderer Stelle dringender benötigt werden.
Es kann doch nicht sein, dass vom Volk gewählte Politiker die Arbeit, für die sie gewählt wurden, nur auf Schiffen fernab der Küste machen können, weil sie an Land dazu nur unter einem Aufwand kommen, der kleinere Volkswirtschaften als die unsere in den Bankrott treiben würde.
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